SCHRIFTEN
DER ALBERTUS-UNIVERSITÄT
Herausgegeben vom Ostpreußischen Hochschulkreis
Geisteswissenschaftliche Reihe «e Band 31
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Der Übersetzer der litauischen Bibel
Johannes Bretke und seine Helfer
Beiträge zur Kultur-und Kirchengeschichte Altpreußens
Von Viktor Falkenhahn
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Ost-Europa -Verlag, Königsberg (Pr) und Berlin W. 62
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Schriften der Albertus-Universität
Geisteswissenschaftliche Reihe
Band 1: Volk, Mensch und Ding S
Erkenntniskritische Untersuchungen zur volkskundlichen Begriffsbildung.
Von Professor Dr. Heinrih Harmjanz. Gr. 80, IV u. 182 S. Kartoniert RM. 3,80.
Band 2: Bild und Wirklichkeit bei Thomas Carlyle
Eine Untersuchung des bildlichen Ausdrucks in Carlyles Sartor Resartua.
Von Dr. Liselott Eckloff. Gr. 80, VIII u. 188 S. Kartoniert RM. 7,80.
Band 3: Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie des 13. Jahr-
hunderts
Von Dr. Borwin Rusc. Gr. 80, VIII u. 148 S. Kartoniert RM. 6,20.
Band 4: Mundart und Siedelung im nordöstlichen Ostpreußen
Von Dr. Otto Natau. Gr. 80, VIII u. 308 S. mit mehreren Karten. Kartoniert RM. 10,50.
Band 5: Geschichte der russischen Ballade
Von Dr. habil. Friedrih Wilhelm Neumann. Gr. 80, VIII u. 356S. Ganzleinen RM. 11,50.
Band 6: Die Dichter des Göttinger Hains und die Bürgerlichkeit
Eine literarsoziologische Studie.
Von Dr. Rohtraut Bäsken. Gr. 80%, XI u. 269 S. Kartoniert RM. 9,—.
Band ?: Pietismus und Orthodoxie in Ostpreußen
Auf Grund des Briefwechsels G. F. Rogalls und F. A. Schultz” mit den Halleschen Pietisten.
Von D. Erih Riedesel. Gr. 80, VIII u. 232 S. Kartoniert RM. 8,50.
Band 8: Ostpreußisches Volkstum um die ermländische Nordostgrenze
Beiträge zur geographischen Volkskunde Ostpreufens.
Von Dozent Dr. Erhard Riemann. Gr. 80, XII u. 406 S., mit 50 Abbildungen im Text,
55 Abbildungen auf Tafeln und 43 Karten. Kartoniert RM. 19,—.
Band 9: Iwan Sehmeljow
Leben und Schaffen des grofen russischen Schriftstellers.
Von Dr. Mihael Ashenbrenner. Gr. 80%, IV und 164 Seiten. Kartoniert RM. 3,80.
Band 10: Die romanische Geste im Rolandslied
Von Dr. Ruth Hoppe. Gr. 80, VIII u. 184 Seiten. Kartoniert RM. 7,80.
Band 11: Dig!üee des Gesetzes in der praktischen Vernunft
Von Dr. Hänridı Hadlicd. Gr. 80 IV u. 92 Seiten. Kartoniert RM. 4.—.
Band 12: Die Anwendung des Genitiv singularis masc./neutr. auf -u in der
gegenwärtigen russischen Sprache
Von Dr. Marianne von Zyclinski. Gr. 80, VIII u. 60 Seiten. Kartoniert RM. 3,80.
Band 13: Verfassung und Verfassungskonflikt in-Preußen. 18621866
Ein Beitrag zu den politischen Kernfragen von Bismarcks Reichsgründung.
Von Dr. Kurt Kaminski. Gr. 80, VIll u. 128 Seiten. Kartoniert RM. 3,60.
Ost-Europa-Verlag, Königsberg (Pr) /=Berlin W.'62
SCHRIFTEN
DER ALBERTUS-UNIVERSITÄT
Herausgegeben vom Ostpreußischen Hochschulkreis
Geisteswissenschaftliche Reihe + Band 31
A FE TE TEE,
Der Übersetzer der litauischen Bibel
Johannes Bretke und seine Helfer
Beiträge zur Kultur- und Kirchengeschichte Altpreußens
Von Viktor Falkenhahn
1941
Ost-Europa-Verlag, Königsberg (Pr) und Berlin W. 62
Alle Rechte, besonders das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen,
werden vorbehalten
Printed in Germany
Druck von Otto v. Mauderode, Tilsit / D 10
Professor G. Gerullis
in Verehrung und Dankbarkeit
Vorwort.
jebanne: Bretke und einige seiner Korrektoren sind dem Indo-
germanisten, dem Ostphilologen, sowie dem ostdeutschen Hei-
matkundler bekannte Persönlichkeiten. Deshalb bedarf das Er-
scheinen einer bisher fehlenden wissenschaftlichen, auf den be-
kannten und vielen noch ungenutzten Quellen beruhenden Dar-
stellung des Lebens, Schaffens und der nächsten Umwelt dieser
Pfarrer, die im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert unter
den größtenteils zugewanderten „Vndeutschen“ in Preußen, d.h.
unter Stammpreußen, Litauern, Kuren und auch unter Polen
wirkten, keinerlei rechtfertigenden Erklärung. Doch ist selbst dem
gebildeten Laien zumeist unbekannt, daß die Litauer, unsere
Nachbarn, fast die Hälfte ihrer „altlitauischen“* Literatur Bretke?,
diesem deutschen Sohne altpreußischer Erde, sowie fast ein wei-
teres Viertel seinen Korrektoren verdanken, desgleichen die beiden
ältesten erhaltenen grammatikalischen Darstellungen der litaui-
schen Sprache, die der Tilsiter Pfarrer Magister Daniel Klein
schrieb. Es ist weiter oft unbekannt, daß diese zumeist deutschen
Pfarrer nicht etwa nur die in Preußen siedelnden Litauer inner-
lich dem Christenglauben und dem Protestantismus zu gewinnen
strebten, sondern vor allem auch die Litauer des Großherzogtums
Litauen zum evangelischen Christentum bringen wollten, und
daß die aus Preußen nach Litauen hinüberflutenden evangeli-
schen Schriften in litauischer Sprache die katholische Kirche ver-
anlaßten, auch ihrerseits mit litauischen Schriften zu antworten,
wodurch ein weiterer bedeutender Teil der altlitauischen Litera-
tur entstand. Somit dürfte auch dem Laien eine Darstellung des
Lebens der genannten Pfarrer Altpreußens gerechtfertigt er-
scheinen, zumal eine solche aus den weiter unten dargelegten
Gründen bestrebt sein muß, ein möglichst lebendiges Bild von
der Persönlichkeit sowie der nächsten Umwelt jener meist deut-
schen Autoren „altlitauischer“ Schriften zu vermitteln, und so ein
* Zu dem Ausdruck „altlitauisch“ siehe Gerullis, Skait., S. V£.
2 Siehe Abb. 11, Tafel VIII.
va
Stück ostpreußischer Vergangenheit aus der herzoglichen und
nachherzoglichen Zeit vor dem Leser lebendig werden läßt. Natür-
lich wenden sich die rein sprachlichen Abschnitte dieser Arbeit
vorwiegend an den Fachmann.
Anfänglich sollten nun die in der vorliegenden Arbeit ge-
botenen Abhandlungen über das Leben, die Volkszugehörigkeit
und die Korrektoren Bretkes zusammen mit einer Untersuchung
über seine Werke als Einleitung zu einer bereits in Angriff ge-
nommenen grammatikalischen Darstellung seiner Sprache ge-
bracht werden. Bei der Bearbeitung der Texte, vor allem des
achtbändigen Bibelmanuskripts, ergaben sich jedoch viele Fra-
gen, die die Arbeit erschwerten, ja schließlich ganz unmöglich
machten, deren Beantwortung nur bei genauer Kenntnis der
Umwelt und des Lebens Bretkes möglich ist. Man sucht aber in
der Literatur vergebens nach einer Darstellung der Lebensver-
hältnisse und der Umwelt eines Pfarrers in Preußen zu der an-
gegebenen Zeit, d. h. einer Schilderung der äußeren Umstände,
unter denen nicht nur Johannes Bretke arbeiten mußte, sondern
auch die andern ersten litauisch schreibenden Autoren der alt-
litauischen Literaturperiode zu schaffen hatten. Es versteht sich
von selbst, daß eine richtige Beurteilung der sprachlichen und
literarischen Leistungen und Fehlleistungen wie auch vieler rein
grammatikalischer Fragen des Altlitauischen jener Pfarrer ohne
eine möglichst genaue Kenntnis ihres Lebens sowie der damali-
gen Verhältnisse in ihrer nächsten Umwelt, die dem modernen
Grammatiker nur zu leicit fehlt, nicht möglich ist.
Die hierzu nötige Arbeit war somit erst noch zu leisten. Bei
dem Interesse, das Johannes Bretke und der Kreis seiner Helfer
verdient, lag es nahe, bei der Behandlung ihres Lebens zugleich
die Verhältnisse zu veranschaulichen, in denen sie lebten, soweit
es die vorliegenden Quellen gestatten. Ich entschloß mich daher,
bei der Darstellung des Lebens Bretkes und seiner Korrektoren
jede an sich für ihr Leben vollkommen belanglose Kleinigkeit,
die aber das Bild des Lebens und der Umwelt eines damaligen
Pfarrers abrunden hilft, unter genauster Quellenangabe mit-
‘ zuteilen, und zwar wie überhaupt bei der vorliegenden Darstel-
lung, möglichst die Quellen und mit ihnen die verklungene Zeit
meiner ostpreußischen Heimat selbst sprechen zu lassen. Auch
hoffe ich, daß so jeder Forscher leicht erkennen kann, was mir
VII
vielleicht entgangen ist, und daß auch der dieser Materie Fer-
nerstehende mit geringer Mühe eine von ihm etwa gemachte Zu-
fallsentdeckung sofort in ihrer Bedeutung zu erkennen vermag.
Es versteht sich von selbst, daß hierdurch der Rahmen einer
Einleitung zu einer Grammatik der Sprache Bretkes weit über-
schritten werden mußte, und daß die Behandlung der Werke
und die Darstellung der Sprache einem bereits in Bearbeitung
befindlichen besonderen Teil zu überlassen war.
Im einzelnen sei noch folgendes bemerkt:
Die Eigennamen der litauisch schreibenden Autoren sind in
dieser Arbeit so wiedergegeben, wie sie von ihnen selbst ge-
schrieben wurden; bezüglich der Inkonsequenz, die mir bei den
Namen „Sirvyd“ und „Dauksa“ unterlaufen ist (ersteren kennt
vor allem der deutsche Leser in der Schreibung „Szyrwid“), bitte
ich um Nachsicht. Derjenige Leser, dem die deutschen oder litaui-
schen Formen einiger ostpreußischer Ortsnamen unbekannt sind,
sei auf den Index dieser Arbeit verwiesen.
Die wichtigeren, bisher nicht veröffentlichten Quellen? sind
zum Schluß noch einmal in extenso in einer besonderen Quellen-
sammlung mitgeteilt, da sie einen gewissen Eigenwert haben
und dem Leser die Möglichkeit geboten werden soll, die von mir
zitierten Stellen im Textzusammenhang nachzulesen, was oft
von Interesse ist; Anmerkungen, die auf die Quellensammlung
verweisen, sind als solche durch „Qu. S.“ (Quellensammlung
Seite) kenntlich gemacht. Bei: der Wiedergabe der Quellen im
Texte der vorliegenden Darstellung wurden die gleichen Prinzi-
pien befolgt, wie sie auf S.413 für die Quellensammlung an-
gegeben sind.
Aus drucktechnischen Gründen war es nicht mehr möglich,
an allen Stellen der vorliegenden Arbeit, die durch einen Ab-
schnitt in den „Berichtigungen und Ergänzungen“ modifiziert
oder vervollständigt werden, auf jenen berichtigenden oder er-
gänzenden Abschnitt am Schlusse des Buches zu verweisen. Da-
her sei empfohlen, vor der Lektüre die „Berichtigungen und Er-
gänzungen“ durchzusehen, und an den dort angegebenen Seiten
® Ausgenommen sind nur einige bereits veröffentlichte Briefe Bretkes, da
hier grundsätzlich alle von seiner Hand stammenden Schreiben buch-
stabengetreu mitgeteilt werden sollten, was bisher nicht geschehen ist.
IX
und Zeilen der Darstellung auf den ergänzenden oder berichti-
genden Passus am Schlusse des Buches zu verweisen.
Es ist unmöglich, an dieser Stelle allen denen gebührend zu
danken, die bei der Abfassung dieser Arbeit mit Rat und Tat
geholfen haben! Ihre Namen werden an den entsprechenden
Stellen im Texte jeweils genannt werden.
Ein besonderer Dank gebührt aber Herrn Archivdirektor
Dr. Hein, Königsberg (Pr), der mir jahrelang in seinem Archiv
zu arbeiten gestattete und mir ebenso wie Herr Archivrat
Dr. Forstreuter und die anderen Herren des Königsberger Staats-
archivs, Herr Dr. Sandro, Herr Dr. Döring und Herr Dr. Qued-
nau, immer wieder beratend zur Seite stand.
Desgleichen bin ich Herrn Staatsbibliotheksdirektor Professor
Dr. Diesch, Königsberg (Pr), zu Dank verpflichtet, der mir er-
möglichte, zu jeder Stunde im Baltisch-Slavischen Seminar an
dem kostbaren Schatze der Königsberger Staatsbibliothek, dem
achtbändigen Bibelmanuskript Bretkes, zu arbeiten.
Sehr wertvolle Einzelmitteilungen verdanke ich Herrn Pro-
fessor Dr. W. Ziesemer, Herrn Professor Dr. K.H. Meyer, beide
in Königsberg, Herrn Professor Dr. Koschmieder, Wilna, jetzt
München, Herrn Professor Dr. St. Kot, Herrn Staatsarchivdirektor
W.Studnicki, Wilna, Herrn Superintendent Doskocil, Labiau, und
Herrn Dr. R. Stein, Königsberg. Ebenso sei Herrn Oberstudien-
direktor Dr. Abernetty, Tilsit, herzlich gedankt, der mir die Ar-
beit in der Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums ermöglichte,
die in der vorliegenden Schrift öfter zitiert werden wird.
Es war mir unmöglich, im Texte jeweils die zahllosen Mit-
teilungen, Hinweise und Anregungen als solche kenntlich zu
machen, die ich dem Interesse und der steten Hilfsbereitschaft
meines Lehrers, Professor Dr. Gerullis, Berlin, für diese Arbeit
verdanke. Ich vermag an dieser Stelle nur für die mich so fes-
selnde Aufgabe, die Sprache Bretkes zu behandeln, und für sein
nie ermüdendes Interesse zu danken, das sich in dem steten Kon-
takt zeigte, den Herr Professor Dr. Gerullis — auch fern von
Königsberg — mit meiner Arbeit aufrecht erhielt! Ich verdanke
es darüber hinaus seiner Initiative, wenn mir auch äußerlich die
Möglichkeit für die so lange Zeit beanspruchende Arbeit ge-
boten wurde.
x
Dem Ostpreußischen Hochshulkreis, der die Herausgabe
dieser Arbeit übernahm, sowie Seiner Magnifizenz, dem Herrn
Rektor der Albertus-Universität, Königsberg, und der Philo-
sophischen Fakultät dortselbst sage ich meinen aufrichtigen
Dank; ohne ihre weitgehende Hilfe wäre eine Drucklegung der
Arbeit nicht möglich gewesen.
Dem Ost-Europa-Verlag und der Buchdruckerei Otto v. Mau-
derode in Tilsit sei für die Mühe und für die Geduld herzlich
gedankt, die beide im Interesse einer exakten Publikation des
z. T. recht schwierigen Manuskripts immer wieder bewiesen
haben.
Königsberg (Pr), Januar 1941.
Viktor Falkenhahn.
XI
Inhaltsverzeichnis.
Seite
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Bretkes Leben bis zum Eintritt in die Königsberger Universität... 1
Bretkes Königsberger Studienzeit . -. 2. 2 222020000. 37
Die Zeit in Wittenberg und Oberdeutschland . .. ... 222 .2.. 42
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Bretkerals Pfarrer, in Königsberg 00, 86
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|Matthaus»Braetorius? (Schulz). 0 0 ne 140
Die Volkszugehörigkeit Bretikes . . 2: 2:2 2 2 mern 147
Stand#deräbisherigen#Forschung@. 0 0. 147
DergNamerBreiken ee en 157
Die Belege des Namens Bretke im 16., 17. und 18. Jahrhundert . 157
Der Gebrauch der deutschen, lateinischen und baltischen (litauischen)
Nemansiien & 0-5. bon re ae ee ee en 157
Die litauischen Formen des Vornamens „Johannes“ bei Bretke . . . 161
Etymologie des Namens Bretkes .. 2... 2 2 2 2 2 2 2er. 163
Die Muttersprache Bretkes . . . .. : 2 2 Cm er rrrn 165
Dasplitauisch®Bretkes@.0. 20.0... cl ee 166
1. Zur Lautlehre und Orthographie ...... 2. 2 22222020. 172
a) Die Erweichung vongundk vore ...... 2.222220. 172
Diilanfürleges Le. Vega are ae en Dt 178
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Die verkürzte Form m({i), t(i) des Personenpronomens der 1.
und 2. Personen im Dativ und Akkusativ . . . 2 2 2 220. 184
RZ UTESaLZICHT oe ee 186
a) Objekt + Partizip im gleichen Kasus . . . . . 2: 222.2 .. 186
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c)BKonstruktion®deräVerbenwe 0 0 en 189
48 Zum WE Wortschatz ware ee ee ee ee 190
a) Beispiele altlitauischer Wörter bei Bretke ........... 192
b)EGeErManIsmen En N Re ee 194
0) Unmittelbar aus dem Deutschen entlehnte Germanismen . . 194
ß) Über das Polnische oder Weißrussische entlehnte Germanis-
men im Litauischen Bretkes ., oo. 000 cn 195
y) Aus dem Deutschen oder über das Polnische entlehnte Ger-
NAT ISIN EN I ee: 196
ee 197
a) Beispiele polnischer Lehnwörter bei Bretke ........ 197
B)ABehnübersetzungenw. ne Se ee ge 199
y) Beispiele weißrussischer Lehnwörter im Litauischen Bretkes 200
ö) Lehnwörterbeispiele aus dem Weißrussischen oder Polnischen 201
&) Beispiele altpreußischer Lehnwörter .. ... : 22220. 202
53Der;StilfBretkesy El... erh an. een tee Bee ra 206
6. Die Fehler im Litauischen Bretkes .. . ..: 2» 2 22 20020. 208
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Johannes Höpfner, Leben und Persönlichkeit .......... 375
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Der Korrektor Friedrih Masalski ... ..::- 2.222020 0. 384
Friedrich Masalskis Leben . ..:...: 2:22 ee. 385
Der Korrektor Georg Musa . ...:.. 222er 391
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Der Korrektor Simon Waischnarus . .. 2: 2 2222000. 398
Simon Waischnarus, Leben und Persönlichkeit . ......... 401
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Berichtigungen und Ergänzungen... 2. c nun 461
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XV
Das Leben Bretkes.
Das Bild, das auf Grund der vorhandenen Quellen vom
Leben Bretkes entworfen werden kann, ist sehr lückenhaft.
Darum ist es — zumindest heute noch — unmöglich, eine voll-
ständige Biographie Bretkes zu schreiben. Doch einige irrige
Angaben und einige Lücken in der älteren und neueren Lite-
ratur lassen sich beseitigen, wenn alles heute bekannte Quel-
lenmaterial herangezogen wird.
In dem folgenden Kapitel soll nun 1. unter Verwertung allen
Materials das Leben Bretkes gezeichnet werden, soweit dies
möglich ist, 2. die nächste Umwelt Bretkes in der im Vorwort
angegebenen Weise zur Darstellung kommen und schließlich
3. durch die Wiedergabe von Handschriftenproben Bretkes
dem Leser, der in keinem Archive gearbeitet hat, die Gelegen-
heit geboten werden, an den Schriftzügen eines Menschen der
damaligen Zeit deren Wandlungsmöglichkeiten zu studieren,
um so ein rechtes Verständnis für den Handscriftenvergleich
im Kapitel „Die Korrektoren Bretkes“ zu gewinnen, wozu
eine gewisse Vertrautheit mit der Paläographie unerläßlich ist.
Bretkes Leben bis zum Eintritt in die Königsberger
Universität.
Johannes Bretke ist 1536 geboren, denn in einem am 1. März
1602 eingegangenen Brief an den Herzog gibt er sein „zimlich
hochgebrachtes alter“ an, „welchs sich In das 66 Jhar Gott lob
erstrecket‘“.
Das älteste Dokument, das von Bretke berichtet, ist die
Eintragung des Rektors Simon Titius am Freitag, den 14. Juni
1555, bei Bretkes Inskription in das Matrikelbuch der Königs-
berger „Albertus Universität“: „Johannes Bretke, Friedlan-
densis, natus in pago vicino Bamlen, pauper, pupillus, gr. 5°*.
ı Quellen, S. 443, Z. 39 f.
2 Erler, Königsb. I, S. 212.
1 Falkenhahn, Bretke 1
+
Er nannte sich selbst vor dem ihn immatrikulierenden Rek-
tor „Bretke“, wie er sich bis 1580 fast ausschließlich selbst
nennt und von andern genannt wird; erst seit 1580 taucht,
anfangs spärlich, später immer häufiger, die Form „Bretchen“
auf, doch unterzeichnet sich Bretke selbst von 1580 ab nahezu
ausnahmslos mit der latinisierten Form des Namens: „Bret-
kius“ („Bretchius“) und wird auch von andern bald nur so
bezeichnet. Dagegen findet sich die litauishe Form „Bret-
kunas“ nur als Selbstbezeichnung in seinen litauischen Ar-
beiten und bei Joh. Rehsa im litauischen Titel der von diesem
überarbeiteten Psalmen Bretkes’.
Somit dürfte die von seinen Eltern gebrauchte Form des
Namens „Bretke“ sein‘,
Wie die Matrikel zeigt, ist Bretke in „Bamlen“, dem heu-
tigen Rittergut Bammeln, geboren und hat sicherlich den größ-
ten Teil seiner Jugend in dem etwa fünf Kilometer entfernten
Friedland (siehe Karte, S. 7) verlebt. Dies wird durch die von
den andern Matrikeln abweichende Form der Matrikel Bretkes
sehr wahrscheinlich gemacht. Der Rektor fügte zu der Heimat-
angabe „Friedlandensis“ nach voraufgegangener Information
noch ausdrücklich die Angabe des Geburtsortes hinzu: „natus
in pago vicino Bamlen“.
Die andern Matrikeln zeigen fast ausnahmslos nur die
Heimatangabe, und zwar in der Form: Ortsname + Zugehörig-
keitssuffix -ensis, -anus usw., z. B.: „Johannes Gedkantus,
Schirwintensis‘”, „Valentinus Lauben, Regiomontanus...“ usw.
Folgende Äußerung Erlers in der Einleitung zur Königs-
berger Matrikelausgabe (S. LX) stimmt daher wohl für die
übrigen dortigen Matrikeln, doch nicht für die Bretkes: „Zur
näheren Bezeichnung des Immatrikulierten diente die Hei-
matsangabe. Es handelte sich dabei nicht um den Ort, an dem
er sich zuletzt oder die längste Zeit seines Lebens aufgehalten
hatte, sondern um den Geburtsort.“ Erler sagt (l. c. LVII)
3 Siehe unten, S 158 ff. und 317.
% Siehe Kapitel: „Gebrauch der deutschen, lateinischen und baltischen (litaui-
schen) Namensform“, S. 157 ff.
5 Erler, Königsb. I, S. 65, Wintersem. 1577—78.
% Erler, Königsb. I, S. 8, Sommersem. 1548.
2
selbst: „Als unbedingt erforderlih erschien die Aufzeich-
nung...des Geburtsortes.“
Bretke muß also vor dem Rektor als seine Heimatstadt
Friedland angegeben haben, als seinen Geburtsort jedoch das
benachbarte Dorf Bammeln; dieses hat verwaltungsmäßig nie-
mals zu Friedland gehört, sondern im Geburtsjahre Bretkes
1536 zum Amte Insterburg, als 1555 die Matrikel Bretkes ge-
schrieben wurde, aber zu Taplacken’; nur kirchlich gehörte es
1533 zu Friedland’, hat später aber die kirchliche Zugehörigkeit
oft gewechselt; so gehörte es 1541 zu Taplacken’, 1543 zu
Allenau”, 1544-1547 zu Auglitten usw.
Auch vor dem Rektor der Wittenberger Universität gibt
Bretke Friedland als Heimatort an”.
Wie sonst die Heimatangabe war, wenn der Betreffende
aus einem kleinen, wenig bekannten Dorfe kam, zeigt eine
Matrikel von Sommersem. 1548 (Erler, 1. c., I, S. 8): „Paulus
Kunigke, ex pago prope Reseliam Pauper...“ und eine von
Sommersem. 1565 (Erler, 1. c., I, S. 33): „Georgius Holtz, Li-
tuanus, natus in pago Gawaytten, qui VII miliaribus abest
Insterburgo....“
Zum Überfluß zeigt die erhaltene Bürgersteuerliste von
Friedland aus dem Jahre 1554 ff. einen Valten Bretke in Fried-
land, der doch höchstwahrscheinlich sein Vater war“.
Bretke ist also in dem kleinen Dorfe Bammeln geboren,
hat aber — doch wohl mit seinen Eltern — in Friedland ge-
wohnt.
Bammeln bestand um 1536, wie Gerullis schon gezeigt hat“,
? Gerullis, Studi Baltici, V, S. 58.
8 Ostpr. Fol. 1272, S. 31”, „Visitatio eccl[esiarum] 1533“, „Bamel est ordi-
nata ad Fridlant...“
° Ostpr. Fol. 1274, S. 271’, Dezemrechnung der Friedländischen Kirche
1541: „Bamlen nichts gehort Ml[einemjgst Hf[errn] jns taplauckisch. I vnd
Andres pflanZen.“
10 Ostpr. Fol. 1272, Blatt 168, Kirchenrechnung zu Allenau: „Bammeln ist
preusch l ij haue ((= Höfe)) gibt einer XV Sz ((= Schilling)) l Sum[m]a
XLV Sz.“
4 E.M. 134d Aluglitten] Kirchenrechnung von Auglitten.
12 Siehe S. 42 sowie die Namentabelle am Schluß des Buches.
13 Siehe S. 30 ff.
1 Siehe Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54 ff., und hier S. 153,
1% 3
aus zwei Bauernhöfen mit preußischen, d. h. hörigen‘” Bauern,
und dem 81,25 ha großen preußischen Freigut der Brüder
Greger und Brose aus dem Geschlechte der preußischen Freien
Warnin. Nun kann Bretke aber nicht aus einer hörigen Familie
gekommen sein, da er ohne Hilfe des Herzogs studierte, später
eine deutsche Adlige heiratete und ein Erbe besaß". Bretke
hätte es der damaligen Sitte gemäß in seinen vielen Bittschrif-
ten sicher wiederholt angebracht, wenn er durch den Herzog
frei geworden wäre und ein Stipendium oder eine andere
nennenswerte Hilfe beim Studium gehabt hätte. Der Herzog
hatte nämlich allen Knaben von Hörigen, die Litauisch oder
Preußisch konnten und Theologie studieren wollten, Freiheit
und unentgeltliches Studium versprochen. Vor allem in dem
lateinischen Brief vom Januar 1563 hätte er Gelegenheit dazu
gehabt“. Also war seine Mutter sicherlich eine geborene
Warnin.
Ob Bretkes Eltern zur Zeit seiner Geburt in Friedland ge-
wohnt haben, ist ungewiß; wahrscheinlich ist aber wohl doch,
daß die nach Friedland verheiratete Warnin im Hause ihrer
Verwandten ihre Niederkunft erwartete.
Da das Bammelsce Freigut bis mindestens 1557 im Besitz
der Familie Warnin war”, weilte Bretke sicher als Kind oft dort.
Will man ein Bild jener Umgebung gewinnen, in der
Bretke — soweit es Bammeln betrifft — aufwuchs, hat man
äußerst verstreutes und unübersichtliches Quellenmaterial hier
heranzuziehen, das außerdem noch teilweise so spröde ist, daß
ihm nur durch weitschweifige Vergleiche etwas abzuge-
winnen ist.
Die Landschaft des ganzen Gebietes, das die Alle durc-
fließt, in dem auch Bammeln liegt, zeigte damals viele Wälder,
die immer wieder von Feldern unterbrochen waren“.
15 „Preußischer Bauer“: Stammpreuße, der ein Bauernerbe in einem „Preu-
ßendorf“ innehat, leistet ungemessenes Scharwerk auf Amtsvorwerken
oder beim Junker; er entbehrt der persönlichen Freiheit. Für ihn sind
auch die Namen: „Gebuwer“, „Pawer“ und „Gesinde“ gebräuchlich. Sta-
Rewski Stein, S. 79.
16 Qu., S. 417 ff.
17 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54f.; siehe auch unten, S. 12.
18 Siehe die farbigen Karten jener Gegend von etwa 1600 im Königsberger
Staatsarchiv,
Die Dörfer mit ihren für unsere heutigen Begriffe ärm-
lichen Holzhäusern waren streng in „preußische“ und „köl-
mische“ getrennt (siehe Karte, S. 7).
In Wohnsdorf saß der allgefürchtete „Junker“ Andreas
Flans, dessen Vater, Ditrich, wohl mit Hochmeister Albrecht
nach Preußen gekommen war. Andreas gehörte
„»...Dass Schloss Wonsdorff, mit
sambt dem Hoffe Aucklitten, und seinen Zubehörungen,
auch die Vier huben, und Teuche (!) Zu dem Schloß und
Vier Huben gehörig, dartzu den Kretzmer vor dem Schloß,
die Vier huben bey dem Hofe, da Zu Vor der andere
Krug gestanden, vnd daß Gutt Pan[n]itten, daneben die da-
merau, und die Wiesen so Zu dem Schloß gehören, Item
die hernach benan[n]te Dörffer Com[mJerau Schönebaum, Schöne-
wald, Herrendorff, Aucklitten, Debmitten sambt der Hu
ben waldes die insonderheit dartzu erKaufft, daß dorff
Plauen funfzehn Huben inhaltende zwöen Höffte im
Dorff bamlen, einen freien Schultzen im Dorff trim[m]nau,
und einen freien Schultzen im Dorff Zu Schallen,...“
und dazu
»... die gerichte beyde gros
und Klein, mit sambt dem straßengericht...“
wie es in der Verschreibung” des Herzogs Albrecht heißt, und
zwar als „Lehngütter“, die er, der Herzog,
„»... dem Ehrbahren unserm
lieben getreien Andresen Flansen ....
Vor allen andern Diederich Flansen nachgelassenen Söhnen
gegönt...“,
wegen der
Bersugetreuen
Dienste die uns berührter Andreas Flanß von seinen
Jungen Jahren fleissig geleistet...“
Das 1,5 km nordöstlih von Bammeln gelegene Kipitten
gehörte doch wohl schon in den vierziger Jahren des 16. Jahr-
hunderts einem Hans von Hohendorff, jedenfalls starb dieser
nach Gallandi dort 1580 „durch einen Fall“. Nach Matthäus
Praetorius war Bretke mit der Familie „...der Herrn von
1° E.M. 137 d, Aktenheft „Wohnsdorff“; Abschrift der Verschreibung; Datum:
28. 11. 1552, doch besaß Andreas Flans diese Güter mindestens 1544 und
1541 schon, wie die Kirchenrechnung von Auklitten E.M. 137 cd „Bött“
und die Kirchenrechnung zu Allenau (siehe oben, S. 3 Anm. 10) zeigen.
Hohendorff und der Herrn von || Schlieben....“ verwandt'*.
Die Gattin des Franz von Hohendorff, eines Bruders jenes
Hans auf Kipitten, war eine von Poerlein, ein Name, der uns
noch begegnen wird. Die Tochter dieses Hans, Dorothea, hei-
ratete 1599 einen Wolff von Schlieben, während seine Ver-
wandte, Catharina (die Urgroßväter waren Brüder), 1572 in
zweiter Ehe den 1593 verstorbenen Bernhard von Gehren auf
Pogirmen heiratete, über dessen Familie gleich zu sprechen
sein wird.
Die von Hohendorff waren zur Zeit Bretkes noch mit denen
von Egloffstein, von der Groeben u. a. verschwägert.
Denen von Schlieben gehörten damals weiter von Bam-
meln entfernt gelegene Dörfer wie Hohenhagen, Warin, Scha-
berau, Sargen u. a. Der 1597 verstorbene Dietrich von Schlie-
ben auf Gerdauen hatte eine Margaretha von Schaffstädt
(7 1600) zur Frau, die eine Base der Gattin Bretkes war, von
deren Familie wir daher noch hören werden.
Die von Schlieben waren außerdem u.a. mit denen von
Tippelskirch und mit denen in Friedland ansässigen von Böck
verschwägert.
Zu Bretke scheint der „Praeconsul“ (Bürgermeister) der
Altstadt Königsberg, Johannes von Gehren, dessen Sohn oder
Enkel anscheinend in den achtziger Jahren das schon genannte
Dorfgut Kipitten erworben hat, besondere Beziehungen ge-
habt zu haben, mindestens hat er sich stark für Bretkes Ar-
beiten interessiert, denn er kaufte sich dessen „Giesmes
Duchaunas...“ (siehe Bild 11) unmittelbar nach deren Erschei-
nen: Bretke hatte noch am 2. April 1589 das lateinische Vor-
wort zu den „Giesmes“ geschrieben, aber bereits am 12, Juli
1589 hatte Johannes von Gehren ein Exemplar erworben, in
das er auf die freie Hälfte des vorderen Vorsatzblattes schrieb:
„Johannes von Gerenn Adi 12 Julij Ao 89. || Constat 8 gr.“
Dieses Exemplar ist in der Königsberger Stadtbibliothek unter
Ca 144 erhalten (Näheres siehe im 2. Teile dieser Arbeit über
die Werke Bretkes).
Nach Gallandi kam der Vater dieses Johann, nämlich
Nicolaus von Gehren, 1498 mit dem damaligen Hochmeister
1% „Deliciae Prussicae“, S. 5, siehe unten, S. 141.
6
Albrecht aus Sachsen nach Preußen, wo er Praeconsul in der
Altstadt Königsberg wurde. Die Frau des Johann, Barbara,
war die Tochter eines Danziger Kaufmanns Krakow; sein
Sohn Erhard wurde wieder Praeconsul der Königsberger Alt-
stadt, während der Sohn Bernhard, der, wie schon gesagt, eine
Catharina von Hohendorff heiratete, Diener des Herzogs Al-
brecht Friedrich, sowie — wohl vorübergehend — Burggraf
von Taplacken war. Die Kinder des vorher erwähnten Sohnes
Erhard waren u. a. der 1603 auf Kipitten verstorbene Hans;
Reinhold oder Reinhard, Professor zu Rostock; Sybille, Frau
des Professors der Eloquentia und Dichtkunst, Georg Reimann.
Potamern|
Leissienen
kl.Engelau ®
o (0)
Gr.Engelau
OD3 mer-
au
OBannitten
@knkehnen O Höhenfelde
Okummerau
Friedland ] @*loschn
Ofierrendorf Oschönbaum
O schinmwalde
afotläck
Die preußischen und kölmischen Dörfer um Bammeln zur Zeit
der Jugend Bretkes (preußisch @, kölmisch O).
Von besonderer Bedeutung für Bretke wurde das 6 km
nördlich von Bammeln gelegene 35 Hufen (557,4 ha) große
Dorf Klein Engelau, das der Herzog 1529 dem Amtsschreiber
von Tapiau, „Mattes Hagken“, verschrieben hatte (Östpr.
Fol. 357, Hausbuch v. Tapiau, Bd. 2, S. 85" f.), das aber in den
Jahren nach 1548 in den Besitz des Christoph von Werthern
überging, der 1548 nach Gallandi noch in Wehlau angesessen
war. Im gleichen Jahre war seine Frau, eine Elisabeth
von Schaffstädt aus dem Hause Lagarben, bereits verstorben
und hatte „4 kleine Kinder“ hinterlassen. Eins von den Kin-
dern wurde Bretkes Frau (siehe unten, S. 59). Die Schwester
des Christoph, also die Tante der Frau Bretkes, war an einen
Andreas von Knebel auf Borken verheiratet, was wohl sicher
das heutige Adl. Borken bei Johannisburg sein dürfte (doch
auch die gleichnamigen Ortschaften liegen im Süden der heu-
tigen Provinz Ostpreußen), außerdem war er irgendwo Land-
richter. Der einzige Onkel mütterlicherseits der Frau Bretkes,
Christoph von Schaffstädt, war Hauptmann zu Taplacken. Er
ist nach Gallandi „...1570 || kürzlich f...“ Eins seiner vielen
Kinder war die schon genannte Base der Gattin Bretkes, Mar-
garetha von Schaffstädt.
Die Pfarrer der nächsten Umgebung sind nur z. T. bekannt,
doch dürfte keiner von ihnen für Bretkes Sprachkenntnisse
im Preußischen, Litauischen oder Polnischen von Bedeutung
geworden sein.
In Auglitten, dessen Kirche „...iij Glocken jm torme“, aber
als einziges Buch „...ij postillen martini vinterteil || vnd
som[mJerteil...“” besaß, war noch 1545 ein sonst nicht beleg-
barer „Caspar Schult vonn Collen || vanwirdiger pfarherr zu ||
Aucolitten“, der nur aus seinem Streit mit Andreas Flans
bekannt ist, welcher ihn anscheinend 1541 hatte absetzen
lassen“, worüber Schult' dem Herzog in einem am 23. April
1545 eingegangenen Schreiben berichtet”. Da die ganze An-
gelegenheit ein Schlagliht auf die damalige Stellung des
»° E.M. 137 c—d Bött.: -Kirchenrechnung von Auklitten 1545—1547.
21 Schult ist offenbar jener N.N. in Auglitten, von dem Arnoldt, Nachr. II,
S. 64, berichtet, er wäre abgesetzt, wahrscheinlich aber wieder angenom-
men, weil kein Pfarrer zu bekommen gewesen sei.
»2 E.M. 137 c—d Bött.: Aktenheft „Auklitten“,
8
cn nn a ee A a a ee
4 I
Pfarrers wirft, sei sie hier kurz mitgeteilt. Der Samländische
Bischof hatte danach bei der letzten Visitation angeordnet,
daß er
»... als geordenter pfarher,
einenn suntag vmb denn andernn. Zu
Aucolittenn vnnd Schonenwalde predigen
sold...“
Doch da der Junker andere Anordnung traf, der Pfarrer sich
aber an die des Bischofs hielt, hat ihn Flans kurzerhand
»... durch tzwene kirchen veter vrlauben lassen... .“
SerVonderees
wie Schult selbst schreibt,
»... 50 mein weib
vmb solch auss Jagenn des vihes geredt
hat Jungkherr flanntz, twelff menner
mit spissenn vnnd anderem Zu mir
vff die widem geschickt, Die mein
weib so sie mit Zuchtenn Zuredenn aus
einem Kuffenn, Dor]nne sie domahls ge-
sessenn, mit gewalt nehmenn vnd ge-
dachtem Junckherrn Jnn sein gewarsam
sampt einem knabenn der das vihe gehuttet,
gefenglich Zufurenn wellenn...“
Wie aus der Kirchenrechnung von Auglitten 1547 hervorgeht,
war damals der „...her Caspar...“ schon fort”. Der Herzog
hätte ihn sicher gehalten, wenn er Preußisch oder Litauisch
gekonnt hätte. Schult ist offenbar erst nach Preußen ein-
gewandert.
Nach Schult ist ein Jacob Eichler aus Borna im Meissener
Gebiet in Auglitten Pfarrer, der aber 1569 nach Paaris versetzt
wurde”, was sicher nicht geschehen wäre, wenn er eine der in
Preußen gesprochenen Sprachen außer Deutsch gekonnt hätte.
In der Kirche zu Kl. Schönau mit Filiale Engelau, die laut
Inventarverzeichnis (s. Kirchenrechnung von Auglitten S. 11'*)
kein einziges Buch besaß, war mindestens von 1550—58 Caspar
Raumendorf, ein Schlesier, Pfarrer”. In Allenburg war bis 1546
ein Alexander Magnus, von dem es heißt: „laß die Predigten
>» E.M. 137 c—d Bött.: Kirchenrechnung von Auklitten 1545—1547.
24 Arnoldt, Nachrichten, II, S. 64.
»: E,.M. 137 c—d Bött.
2° Arnoldt, Nachr. II, S. 64.
aus einem Buche;“ er wurde danach Pfarrer in Böttchersdorf.
Ihm folgte bis frühestens 1558 ein Tollenburg oder Fallenberg
- im Amte’”,
Ein Schulmeister ist nur in Schöntritten erwähnt, der das
stattliche Jahresgehalt von 10 M. bezog”, während der ebenfalls
nicht mit Namen genannte Pfarrer dortselbst 25 M. jährlich
erhielt. Es handelte sich wohl sicherlih um keinen ständigen
Lehrer, sondern, wie meist zur damaligen Zeit, um einen „Stu-
diosus“ (siehe unten, S. 55£.).
Die soziale Stellung der „preußischen Freien“ Warnin, die,
wie schon gesagt, sicherlich die Verwandten Bretkes waren,
geht aus ihrer „Handfeste“ für ihr „preußisches Freigut“ her-
vor, die
„»... zw Thapiaw am donrstage
jan der quattemper vor sancte Matte[n]thags des
Apostels vnnd Ewangelisten jnn des jarezal vnsers
hern Thausenth virhunderth vnnd jm funfezendenn
jare...“,
also am 24. Februar 1415 ausgestellt und um 1543 für „Fabiann
vonn bambeln“ in das „Handt Vhesten Büch || des Tapiawschen
Ampts“, das 1538 frisch angelegt worden war, abgeschrieben
wurde, wo sie uns erhalten ist”. Dort heißt es:
„Wir ((d. h. die genannten hohen Otter) oo
.voleyen vnnd gebenn vnserm
Berenen Nicklas Micheln vnnd Matte gaudinne
brüder jrenn rechten erben vnnd nachkomlingenn
funff hacken gelegenn jnn dem felde zw bambeln
ann acker wysenn weydenn bruchern puschen binne[n]
denn grentzen als jnn die von vnserm brudern
seindth beweiseth frey von zehenden vnnd gebur-
licher arbeith Erblichenn vnnd Ewiglichen zwbe-
sitzenn dartzw vorley wir jun XXj M wergeldts.
durch dieser vorleihunge wille sollen vnns die vor
geschrieben Nicklas Michel Matte jre rechten erben
vnnd nachkomlinge dienen mith pferdth vnnd wapen
nach des landes gewonheith zw allen herverthenn
vnnd landthweren New heuser zwbawen, alde
zwbrechenn ader zubessern wenn wir (?) dicke? vnnd
»” Ebenda, S. 62.
23 Über den ungefähren Wert des Geldes siehe unten, S. 63 £.
2» Ostpr. Fol. 118, S. 219r f,
0 häuerlicher.
31 dicke = oft.
10
}
woehin sie das von vnns ader von vnsern brudern
werdenn geheischenn ...“
Bammeln war vorher, d.h. 1405, noch ein preußisches Schar-
werksdorf gewesen, in dem die Preußen „Regil“, „Lickucz“,
„Lubart“, „Serune“, „Hindricke“, „Orute“, „Gintar“ und
„Gedaute“” saßen, in das aber nun 1415 „gaudinne || brüder“
als „Preußische Freie“ gesetzt wurden. 1538 finden wir „vrban
von Bammeln“* auf dem 4,5 Hufen und 10 Morgen (81,25 ha)
großen Freigut, 1543 „Fabiann vonn bambeln“, für den die Ab-
schrift der oben zitierten Handfeste gemacht wurde”, und 1546
sitzt auf diesem Gute „Greger der frey“®”. Daß diese drei Ge-
nannten „Warnin“ heißen, geht aus einem Schreiben der
„Freyen von Bammell“ von 1553 hervor, in dem sie den Herzog
bitten, er möge nicht zulassen, daß sie zum Verkauf ihres Frei-
gutes gezwungen würden, „...Dieweil vnser Für Elter vnd
Eltern E. F. G. wol erhalten sein worden““, in einem un-
datierten Briefe: „...gütter, gelegen zu Bamblen, so vns von
vnseren lieben vetern angeerbet...“”, aber nach einem an-
deren undatierten Schriftstück will Andreas von Flans die
beiden Brüder „Brose vnd greger Warnin...“ zwingen, ihm
entweder ihr Freigut zu verkaufen oder gegen ein Freigut
in Schallen einzutauschen“. Möglich ist natürlih, daß auch
schon die drei „gaudinne || brüder“ zu den Ahnen der Warnin
gehören.
Worauf A. von Flans in dem angedeuteten Streit seinen
Anspruch gründet, ist unklar. Unklar ist aber auch, wie es
möglich war, daß es in der einen der beiden Abschriften der
Handfeste (vom 3. Juni 1525) des Vorgängers unseres Andreas
von Flans, „Heino doberitzen“”* heißt „...Zwen hofe ]Jm
Dorff Bamolen, einen freyen schultis || Jm dorff Zw Schal-
”2 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55, und Ord. Fol. 111, S. 97t.
3 Gerullis, 1. c., S. 56, und E.M. 18e 3, Nr. 81, Fol. 1.
# Gerullis, I. c. und Ostpr. Fol. 911a, S. 35”.
% Siehe unten, S. 16.
3 Gerullis, 1. c., S. 54, und E.M. 137d B.
3” Ebenda.
5 Der Name ist altpreußisch (Gerullis, 1. c, S. 54, Anm. 2) und gehört zu
„warne“ Krähe, oder „warnis“ Rabe,
® Ostpr. Fol. 118, S. 229° f.
11
“
lenn...“, aber in der andern”: „...vnnd einenn freyenn
Scholts im dorff zu Schkaldenn vnnd Zu Bammellen...“ Jeden-
falls gelang es A. von Flans zwischen 1557 und 1559, sein Ziel
zu erreichen. Brose trennte sich 1557 von seinem Bruder Greger
und vertauschte seinen Anteil an dem Bammelschen Gute mit
einem Hof in Schallen“. In der Amtsrechnung von 1557 heißt
es schon: „... Bambeln woneth 1 frey hath 1 dinst...“” Als
bald darauf Greger starb, erbte Brose mit dem Restgut in
Bammeln auch den preußischen Reiterdienst. Er vertauschte
das Restgut gegen weiteres Land in Schallen“. In der Amts-
rechnung von 1559—60 wird der preußische Reiterdienst be-
reits unter Schallen angegeben”, wo auch Brose zum ersten
Male genannt wird*®.
Erst am 16. Mai 1564 wird ihm für seinen Besitz eine Hand-
feste ausgestellt“, in der Herzog Albrecht bekanntgibt, daß
»...wir Vnserm lieben getreuen Brosie warin (!) funff
Hauben, vnnd Zehen Morgen Zu schallen in vnserm Amptt
Taplaucken, Welche er Zum theil vonn
Vnnß, Zum theil auch Von dem Erbaren Vnserm Liebenn
getreuenn, Andreß Flanßen, Zur Vorgnugunge fur
seine Hubenn, Zu Bambeln bekommen, Zuuorleihenn vnd
Zuuorschreiben, gnediglich verheischen Vnd Zugesagtt...“
und zwar mit allen
„...nutzunge ein vnd Zübehörunge, An acker, weißen, weiden
felden, welden, puschern, Bruchern, streuchern, erblich Zu
Magdeburgischen Rechtten...“
Dafür sollen er, seine beiden Kinder und deren rechte Erben
mit „...einem tuchtigenn Pferde vnnd Harnisch....“ zu allen
Kriegszügen und Landwehren, so oft sie gerufen werden, er-
scheinen, desgleichen sollen sie im Frühling und im Herbst
die Teiche in dem 11 km Luftlinie südwestlich von Schallen
gelegenen Potlack in Ordnung bringen”,
4 Ostpr. Fol. 117, S. 9 ff.
#4 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55 Anm. 1; E.M. 137d B.
#2 Gerullis, 1. c., S. 55; Ostpr. Fol. 11 204, S. 18°.
#8 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55 Anm. 1; E.M. 137d B.
# Gerullis, 1. c.; Ostpr. Fol. 11.207, S. 18°.
45 Ebenda, S. 1”.
# Ostpr. Fol. 356 (Tapiauer Hausbud, Bd. 1), S. 130° £.
4” Ebenda, S, 132° £.
12
un a
. {
Brosien hatte also jetzt 89,75 ha und bekam bald darauf
noch 1,5 Hufen oder 25,2 ha in Schallen dazu, wie aus einer
Verschreibung des Herzogs vom 21. Dezember 1565 hervor-
geht”, so daß er in Schallen rund 34 ha mehr hatte als in Bam-
meln.
Bemerkenswert ist, daß der Nachname in der ersteren
Verschreibung dreimal vorkommt und jedesmal „warin“ lau-
tet, was aber gleichfalls ein baltischer Name wäre (zu Wur-
zel *var’-: pr.: „wargien“, li.: „värias“, le.: „var$“ = Kupfer).
Als Brose 1575 gestorben war und es zu einer Erbausein-
andersetzung zwischen der „...Erbaren vnd thugentsamen
Magdalenen Ambrosij Warnien Von schallen sehligen Nach-
gelassene Wiettfrau...“ und ihren Kindern kam, stand die
Mutter unter der Vormundschaft von „...herr Christoff
alzunen vnd Pauel Plebe Bürger Meister der Stadt allen-
burgk...“, die Kinder aber unter der Vormundschaft des
„... würdigen vnd woll gelarten herren Johannij Bredtkij
Pfarhersch zu Labijau, vnd Peter Dehnen“.
Wer waren nun aber die übrigen Bewohner jener Gegend,
die Bretke sicher ebenfalls kannte und darüber hinaus mit
vielen. von ihnen lange Jahre hindurch in seiner Jugend wohl
fast täglich zusammenkam? Die Akten, Briefe, Gesuche, Klagen
usw. aus jener Zeit und aus jener Gegend geben außer der
Religionszugehörigkeit immer wieder nur die soziale Stellung
dieser Menschen an, die ja damals zugleich einen fest um-
grenzten Kreis von Pflichten und Rechten bedeutete: sie
sprechen von „preußischen Freien“, „Kölmern“, „Preußen“,
„Instvolk“ und von „Gesinde“, doch auf die Frage nach der
Volkszugehörigkeit dieser Menschen im heutigen Sinne des
Wortes und nach ihrer Muttersprache hören wir so gut wie
keine Antwort, denn diese Fragen interessierten den damali-
gen Menschen fast gar nicht. Erst im Zusammenhang mit der
Forderung Luthers, das Wort Gottes in der Muttersprache zu
verkünden, begann sich wenigstens ein Interesse für die Mut-
tersprache anzubahnen. Mit Recht wird man in der Fachlitera-
tur gewarnt, das Wort „Preuße“ in den Quellen lediglich als
Bezeichnung einer Volkszugehörigkeit zu verstehen, die es zu
Beginn der Ordenszeit war, doch wurden den Volkspreußen
eben schon damals viele Rechte genommen und Pflichten auf-
15
erlegt, die die „Kölmer“ hatten bzw. nicht zu erfüllen brauch-
ten, so daß die Bezeichnung auch eine juristische Bedeutung
gewann, die sie später ausschließlich hatte, so daß auch Volks-
preußen „Kölmer“ sein konnten, und umgekehrt’”.
Da, wie gesagt, in den Quellen eine direkte Angabe der
Volkszugehörigkeit und der Muttersprache der genannten
Menschen fehlt, die wenigen vorhandenen Andeutungen aber zu
selten und zu allgemein gehalten sind, soll im Folgenden ver-
sucht werden, mit aller Vorsicht aus den Personennamen der
Bekannten Bretkes auf ihre Volkszugehörigkeit zu schließen
und zugleich die Frage zu untersuchen, wie weit damals das
Wort „Preuße“ und „Kölmer“ noch neben der juristischen Be-
deutung zugleich die einer bestimmten Volkszugehörigkeit
hatte. Im Folgenden die Namen der Kirchensteuerzahler aus
zehn Dörfern der nächsten Umgebung Bretkes, wie sie in der
schon genannten Kirchenrechnung von Auglitten aus den Jah-
ren 1545—47 angegeben sind:
Kölmische Dörfer:
Auglitten (12 Personen): 6 Namen sind deutsch („Andres Flanße“,
„Hans kruger““, „Hans schmit““, „Kater“, „Der moller“ (2), „Der alde
Kruger“), 1 Name ist preußisch („Jacob gauden[n]e“) 5 Namen sind zweifel-
haft (‚„Salomon“, „Cleosaj“ (1546: „Cleofas“), „Andres“, „vrban“, „Silke“st,
wobei letzterer Name deutsch und litauisch sein könnte)#.
Kommerau (10 Personen): 5 deutsch („Thiues hun“, „Cristoff stuck“,
„Hans meißner“, „Hans waltheuer“ (1546: „Hans Walt“)®, „Urban wal-
theuer“), 5 zweifelhaft („josepff suncke“, „Stenczel“, „Pater“, „Ein par inß-
falck“).
»»7.B. wird am 10. Jan. 1584 im „Abscheid aller Balgischen Kirchen...“
gesagt: „Preußen zue j Colmers gemacht“ (Manuskr. „S 30“ der Königs-
berger Stadtbibliothek, S. 92).
#3 Wenn es sich hier auch sicherlich um Vornamen und Berufsbezeichnungen
handelt, die über die Volkszugehörigkeit direkt nichts aussagen, so pfleg-
ten aber doch Mühlen, Schmieden und besonders Krüge nur an Deutsche
verliehen zu werden.
# Wohl Spottname.
5 Trautmann, Personennamen, S. 29 u. 137.
51 Lit.: silike = Hering, preuß.: „Sylecke“ (Trautmann, Sprachdenkmäler,
S. 90 u. 426) oder deutsch: „Sielke“.
5 Falls es sich bei „waltheuer“ um eine Berufsbezeichnung handeln sollte,
würde die gleiche Person sicherlich nicht auch „Walt“ genannt.
14
ee
Herrendorf (4 Personen): 4 Namen sind deutsch®® („Cristoff lemcke“,
„Thomas lemcke“, „Marcus kirsten“, „Thiues“ (1546: „Thiues Blancke“).
Hohenfeld (11 Personen): 7 Namen sind deutsch („Hans kiper“,
„Lucaß ertman“, „Hans großuater“, „Lurentz kiper“, „Thomaß mergen-
bergk“, „Jacub meyer“, „Ludewick“), 4 Personen sind preußisch („Eynhart
trumpe“%, „Linhart trumpe“, „Clement trumpe“, „Hans jonelle“®).
Schönwalde (13 Personen): 13 Namen sind deutsch („Merten pul-
ma[n]“, „Greger pulma[n]“, „Der iuln]ge hun“, „Der alte Hun“, „Greger
scholcz“, „Simon scholez“, „Der Kruger“ (1547: „Peter Ranefurer“, „Jorge
Ranefurer“, „Andres muldenhewer“, „Hans tausentfreude“, „Jorge tausent-
freude“, „Kirsten Roßaw“, „Peter newman“),
Schönbaum (14 Personen): 9 deutsche Namen („Peter bremer“,
„Albrecht Riquart“, „Michel Grunewalt“, „Peter Clinckenbein“, „Hans Dit-
ner“, „Hancz scholez“, „Cender scholcz“, „Macz scholcz“, „Alex scholcz“),
1 Name ist preußisch („Ambrosien prebot“®), 4 zweifelhaft („Adam“, „Jorge
Rußke“, „Jorge tobie“, „Lucas“).
Preußische Dörfer:
Angarben (8 Pers.): 4 Namen sind preußisch („Barnate“, „Beneditte
bunße“s, „Jorgelle“®, „Brosien manten“®), 4 sind zweifelhaft („Beneditte
stecke“, „Bartholomeus fischer“, „Jacub“, „Clein Greger“).
Kipitten (11 Personen); 3 Namen sind deutsch („Vrban Lepert“,
„Bartholome[us] schadewinckel“, „Cleme[n]t wener“), 5 preußisch („Paul
Gamptine“e, „Hans Gressigk“® (1547: „Hans gresien“), „Cristoffel Gressigt“
(1547: „Hans gressig“), „Hans suge“®), 3 sind fraglich („Lucas Dottor“®,
„Ihomas polen“®, „frantze“).
53 Bzw. wie der ursprüngliche slavische Name „lemcke“ längst germanisiert,
so daß ihr Träger als Deutscher anzüsprechen ist.
s%* Trautmann, P.N,, S. 108 u. 160 (litauischer P.N.: Trumpa).
55 Deminut. von „Jone“, siehe Gerullis, O.N., S. 51, zu „Jonekaym“, zur
Endung -el-e siehe Trautmann, P.N., S. 174f. u. 190 (litauischer P.N.:
„Jonelis“). ö
5 Siehe Trautmann, P.N., S. 79, zu „Preybuth“.
#" Bern — belegt in pr.: „Bernelle“, Trautmann, P.N., S. 190; zum Wechsel
-a -e siehe Trautmann, Sprachdenkm,, S. 104; zur Endung -at -e: Traut-
mann, P.N., S. 183 u. 190, oder vgl. lit. „Bernotas“ aus Bernhard.
5 Trautmann, P.N,., S. 21.
®T.c,S. 41, zu „Jurge“.
© Trautmann, P.N., S. 144, zu „Mant-“.
% Der Name ist irgendwie verschrieben, aber zweifellos preufisch.
#2 Gras — gres — belegt in „Grasicke“ usw. und „Grezym“ (Trautmann,
P.N,., S. 36).
% Siehe Gerullis, O.N., S. 176, zu „Sugenyn“ u. „Suggelaw“.
% „Doctor“?
% Deutsch? (Trautmann, P.N., S. 78, zu „Polan“: „ist häufiger Zuname auch
von Deutschen“).
15
Schöntritten (8 Personen): 6 Namen sind preußisch („Merten
pucke““, „Thiues pucke“, „Jorge pucke“, „Brosien kalicke“, „Greger kalicke“,
„Lurencz kalicke), 2 Personen nicht genannt (1 Pfarrer, 1 Schulmeister).
Bammeln (4 Personen): „Ein preusch freyer“ (1546 f.: „Greger der
frey“) mit Zunamen „Warnin“, wie aus anderen Quellen hervorgeht®, 3 un-
bestimmt („blasien fischer“, „Caspar fustigk“®, ein Hirte).
In diesen kölmischen Dörfern haben also von 64 genannten
Personen 44 einen deutschen (68,75 %), 6 einen preußischen
(9,375 %) Namen, dagegen sind 14 Namen nicht bestimmbar
(21,875 %), von denen einer (1,6%) vielleicht ein litauischer
Name ist.
In den preußischen Dörfern haben von 31 Personen 3 einen
deutschen (9,7 %), 16 einen preußischen Namen (51,6%), da-
gegen sind 12 unbestimmt (38,7 %).
Durchmustert man die hier bei den kölmischen Dörfern
als zweifelhaft angegebenen Namen, so wird bei den meisten
sehr wahrscheinlich, daß es sich gleichfalls um deutsche Namen
handeln wird, desgleichen sind die meisten der bei den preu-
Rischen Dörfern als unbestimmt angegebenen Namen sicherlich
preußisch. In dieser Gegend ist zu dieser Zeit also eine als
„preußisch“ bezeichnete Person mit hoher Wahrscheinlichkeit
tatsächlich ein Volkspreuße, wenn auch Ausnahmen sicher be-
reits häufiger vorkamen, wie z. B. die Namen „Lepert“,
„schadewinckel“ und „wener“ in Kipitten nahe legen. Die Tat-
sache, daß die meisten der als Preußen angegebenen Personen
tatsächlich Volkspreußen sind, ist ja auch nicht verwunderlich,
denn bereits 140 Jahre früher (1406, 1417 und 1427) wurde
gesetzlich bestimmt, daß kein Preuße in Städten oder Dörfern
wohnen, dienen oder Bier schenken solle, noch dürfe man ihm
ein „Erbe“ (Bauernanwesen) zu deutschem (d. h. kölmischem,
magdeburgischem) Rechte verkaufen”; diese Bestimmung
dürfte den Verschmelzungsprozeß zwischen den Volkspreußen,
die nicht vorher, als „freie Preußen“ anerkannt, mit Land zu
kölmischem Recht belehnt oder in den deutschen Adelsstand
os Vjelleicht zu „Pockel“ (Trautmann, P.N.,.S. 78).
# L.c., S. 48 „Colicke“,
#8 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54, und oben, S. 11, sowie S. 13.
® Wohl Spottname „Faustdick“ (Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54).
7° Mortensen, I, S. 100.
16
mW Im
aufgenommen worden waren, und den Deutschen sehr er-
schwert haben.
In den kölmischen Dörfern leben sechs Familien mit preu-
Rischem Namen zu gleichen Rechten und Pflichten mit den
Deutschen als „Kölmer“. Möglicherweise ist, wie gesagt, ein
litauischer Name darunter, was nicht weiter erstaunlich wäre,
wenn man sich vergegenwärtigt, daß bereits seit dem Ende des
13. Jahrhunderts einzelne Litauer in Preußen angesiedelt wur-
den, und zwar mit Vorliebe im Innern des Landes, so z. B.
westlich von Labiau in Pronitten (Karge, S. 67), wo Karge
geradezu eine Litauerkolonie findet (l. c.), weiter 1372 in Schor-
schehnen und Rogehnen (Samland), 1389 in Lipsaden (Pr. Hol-
land), 1413 Biothen (rund 14 km nordwestlich von Tapiau)
usw. (Karge, 1. c. 67 ff.), ja, der Komtur von Balga siedelte bis
1382 in seinem Gebiete Litauer an und gab dafür 4000 alte
preußische Mark aus, was zur damaligen Zeit eine sehr große
Summe war, die „zweifellos darauf hinweist, daß es sich hier
um eine große Zahl von Kolonisten gehandelt haben muß“
(Karge, 1. c., S. 69, und Ziesemer, Ämterbuc, 5. 150, 23).
Wie aber die Personennamen in einem Gebiete aussahen,
dessen Dörfer zu einem großen Teile aus Siedlungen bestan-
den, die ganz oder fast ganz mit Litauern besetzt waren, zeigt
ein Verzeichnis der „...vnderthanen aüssem Georgenbürgi-
schen...“, die „...dem Hertzo- || gen tzü preüßen tzü Welaü
in || der Kirchen gehüldet vnnd || geschworen den letztenn Ja- |
nüary Anno 1570“, also derjenigen Personen, die zu einem
großen Teile Pfarrkinder Johannes Bielauks waren. Da heißt
es z.B.:
»...Daß Dorf Pleinlaucken (!) | Mattheas Henskensans I Vrbschus
Jurggelaitsche, I Matzullus Mickkaits, I Lorentzuschs Syell, H Merttin
Plickkaits Hens- |] kesan
Das dorf Gillischke || Jursge Stappannait I Nyt Peterraits, | Sten
Puts Massuthaittis I Clements Nocklis Jacobbaits ll Pallollus Simo-
naits...“7® usw. usw.
Was jedoch in diesem Gebiete vor noch gar nicht zu langer Zeit
geschehen ist, zeigen mehrere Siedlungen, deren Bewohner
damals fast ausschließlich litauische Namen trugen, während
die Siedlung selbst noch mit einem preußischen Ortsnamen
% Ostpr. Fol. 513U, Seite 268r.
2 Falkenhahn, Bretke 17
bezeichnet wurde, wie u. a. unser „Pleinlaucken“. Doch kehren
wir zu der Betrachtung der Gegend von Bammeln zurück.
Der in dem kölmischen Auglitten genannte „Jocub gau-
den[n]e“ ist doch wohl ein Nachfahre jenes preußischen Freien
„gaudinne“, der schon 1405 in „Annegow“ (heute Angarben”)
rund 2 km nordwestlich von Auglitten, 2,5 km nordöstlich von
Bammeln saß, wodurch gezeigt würde, wie lange die Familie
bereits frei und in diesen Dörfern ansässig ist. Den Brüdern
dieses „gaudinne“ von 1405, „...Nicklas Micheln vnnd
Matte...“, sowie „...jrenn rechten erben vnnd nachkom-
lingenn...“ hat der Orden 1415, wie wir schon sahen, jenes
Freigut in Bammeln verschrieben, auf dem wir ein Jahrhundert
später das Geschlecht der Warnin fanden (oben S. 10). Falls
jene Brüder des „gaudinne“ von 1405 in „Annegow“ wirklich
die Ahnen der Warnin sein sollten, würde Bretke ein Ver-
wandter unseres „Jocub gauden[|n]e“ in Auglitten sein.
Ein Blick auf die Karte (S. 7) zeigt, daß Bammeln in einem
Streifen von Dörfern lag, die in den Akten aus der Zeit Bret-
kes als „preusch“ bezeichnet werden, er also damals in einer
fast rein preußischen Umgebung gelebt zu haben scheint, wenn
nur die Liste der Kirchensteuerzahler berücksichtigt wird.
Noch ganz abgesehen davon, daß in den Verzeichnissen dieser
Art nur das Familienhaupt angegeben wurde, nicht aber die
mehr oder minder zahlreiche Familie, wurden Personen, die
zum Gesinde gehörten, nicht verzeichnet, wie der in jedem
Dorfe ziemlich gleichmäßig hohe Steuersatz zeigt. Daß selbst
die preußischen Bauern Gesinde hielten, wird wiederholt
gesagt, wenn auch wohl sicher zufälligerweise für diese Gegend
die Zeugnisse etwas jünger sind. So klagen die „Einwohner
des dorffs || Plauen vndt Potmitten (!)“” 1585 über schwere
Scharwerk bei Bastian Flans, sie müßten
„»... alle wege zu
zweien auß dem hausse...“
um das Scharwerk zu verrichten.
»... Nemlich Man vnnd
weib den kein gesinde könne[n] wir vnther
Jme nicht haben wegen der Jagt vnd scharwerg...“
74 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55 Anm. 3; Barkowski, Besiedlung, S. 178.
2 E.M. 137 d; präs. 10. 11. 1585,
18
„... Arme vnterthanen vnd freyen des
Dorffs Moterauen, Lischkauen vnd Keileben....“
"za dem Herzog 1591
.„.auß Hochdringender nott.
Das; sie immer mehr mit Scharwrerk belastet würden, und sagen,
„...wen wir sonsten vnser gesinde Zum scharwercke
schicken, so werden sie ohn vrsache vom Kemmerer
dem steffen vberfallen, vnd dermaßen geschlagen,
d[aß] sie in etlichen wochen Keine handt regen Konne[n]
Der halben konne[n] wir kein gesinde bekommel[n], vnd
Dlaß] selbige d[aß] wir Haben, Konne[n] wir mit gewalt
nicht Zum scharwercke bringen ...“7
Dieses Gesinde, das sogar von Preußen gehalten wurde, sicher
aber in noch größerer Zahl von Kölmern und den adligen
Junkern, wurde, wie gesagt, von keiner Liste erfaßt, sondern
tritt uns in den Quellen immer nur als „das Gesinde“ oder als
„ein Knecht“, „eine Magd“ entgegen. Die Fälle, wo ihr Name
genannt wird, sind sehr selten. So schreibt der Hauptmann
von Angerburg, Nikel von Sperwein, am 18. Mai 1569 an den
Bürgermeister und den Rat von Friedland,
„...Daß meines vorwalthennden Ambs Vnderthanen einen,
Zwene Meyde vngefehr Zwene oder Drey Wohlen]|n,
Nah Ostern, Außem Dinnste endtgang[en]n, Mith Namen,
Griette vnd Ewa...“
und da sie in Friedland in Dienst gegangen sein sollen, bittet
er, sie zu verhaften und zurückzuschicken”. In einem Gerichts-
protokoll vom 4. August 1608” wird von „...Ortusche Hans
Willmans Magtt...“ gesprochen. In einem Schreiben eines
L. Rauters und Marens Dääse (?), offenbar zu Branden-
burg (Pr) am 16. Januar 1591 an den Mühlmeister zu Friedland
wird eine Magt „orte“ genannt, die
„...bei dem
Flanse (nahe bei Friedlandt) etliche Jahr, wie sie dan
sein vnderthan, diennen mußen, sollichen
dienst sie nicht lenger ausstehen kon-
nnen...
” E.M. 137 d; kein genaueres Datum.
”4 Depositen Friedland, Paket (rot) 22.
5 Depos. Friedland, Paket (rot) 26, S. 9”.
2%*
„19
sie wäre
„...daruon gegangen
Zu Jrem Vater, Alß Peter witten”®,
Zu angarben kommen ...“”,
„Ortusche“ ist nun aber zweifellos eine Litauerin, höchst-
wahrscheinlich auch „Griette“, „orte“ ist dagegen die Tochter
eines Preußen. Das Gesinde bestand also sicher zu einem Teile
aus den Kindern der Preußen, doch da diese selbst Gesinde
hielten, muß kein geringer Teil von anderswo gekommen sein.
Schon diese wenigen Beispiele lassen vermuten, daß es Litauer
und Litauerinnen sein könnten, die aus dem rund 25—30 km
nach Norden und Nordosten beginnenden litauischen Sied-
lungsgebiet kamen, in dem von den Pfarrern damals bereits
litauische Gottesdienste gehalten werden mußten.
Daß es ein Pfarrer dieser Gegend mit Preußen und Litauern
zu tun hatte, beweist auch ein Briefrest eines „Barthololus] (!)
milnilster eccl[es]ie || in plarJua Schonaw“, den er sicherlich
doch genau wie das vollständig erhaltene Schreiben von seiner
Hand dem
„Graclilosissimo d[omi]no Paulo
Spe[r]ato” grlacila[m] (!) dei Epl[iscop]o suo
Reu[er]endissimo“
schrieb”. In diesem Briefrest heißt es:
„Et qluia] prutenice [et] litwanice loqui culm] hom/in]ib[us]
vbi nu[n]c habito non valeo / mallem versari
inter almanos (!) [et] polonos / plures tulm] almanos
qluam] polonos Quia licet polonice loqui possum
[et] intellig[er]e / et modicalm] p[o]p[ullo exortatio[nem] facere
non tulm] longu[lm] edere [ser|mone[m]‘”®,
7° Der Name ist preußisch, s. Trautmann, P.N., S. 120, und zum Suffix -en-
S. 167.
”" Depos. Friedland, Paket (rot) 33.
7 D. Paul Speratus aus Schwaben, zunächst Pfarrer in Iglau, Mähren; von
?—1530 Pfarrer an der Altstädtischen und danach an der Schlofkirche in
Königsberg; von 1530 bis zu seinem Tode 1554 Bischof von Pomesanien
(Arnoldt, Nachr. I, S. 3£.).
” Beide Dokumente: E.M. 137d San-Schö, Aktenheft: „Pfarrer zu Klein
Schönau und Groß Engelau 1533.“
» In Kl. Schönau wohnten nach der „Rechnung des Ambtts Tapiau...“ von
Michaelis 1535 bis Michaelis 1536 (Ostpr. Fol. 10 772, Seite 19r f.) 9 Steuer
zahlende Bürger: „Lobell“, „Stormer“, „Brosie wilm“, „Simon witte“,
„Jorg Doring“, „Blasie“ (Vorgänger: „peter ll hoppe“), „Steffan Elerr“,
„haymang“ (an anderer Stelle: „hainmang“), „Backhawsische“.
20
ri Bi A
u
In dem zweiten Schreiben vom 11. November 1533 heißt es:
„Obedientialm] [et] subiect[ionem] in d[omi]no Graclilosissime
plate]rnitati v[est]re opto
grjatilas im[mJortales p[ro] beniuolencia [et] p[ro]uisione
illa S[ed] certis ex caüsis
[con]iu[n]x mea nüllo modo nulloq[ue] pacto sequi velit
v[er]s[us] Ma[r]iewerd[er]
et eade causa suppelectilem dom/[us] [et] pl[e]cora dissipare
vel ve[n]dere
S[ed] ut ialm] pridem dixi / si in via (?) glene]rosissime
platernitas] v[estra]| nu[n]c pler]git
se offerret aliqua plar]ua ciuitas / non adeo longe posita / que
opus habje]ret pastore / [et] homi[n]es illi me [et] mea hine
tollere velint
p[ro]Jeul dubio fac[erjem [et] sub manü gl[en]erosissime
platernitatils v[estrae] vellem esse libent[er]
qluia] cognoüi erga me cor bon[um] S[emjpler]...“
Folgt Schlußformel.
Es gab also gar nicht zu weit ab schon Städte, wohin der
Hausrat und das Vieh geschafft werden konnten, die nach
dem Herzen unseres Herrn Bartholomeus waren, wo er nur
deutsch zu sprechen brauchte, d. h., in deren Umgebung keine
„undeutsche“ Bevölkerung lebte oder diese bereits so weit
germanisiert war, daß sie ihn verstand, wenn er deutsch
sprach. Andererseits’ zeigen diese Schreiben deutlich, daß dies
in der Umgebung von Schönau und Engelau nicht der Fall
war. Daß es in der Umgebung von Bammeln, das nur 5 km
südöstlich von Kl. Schönau liegt, nicht anders aussah, liegt auf
der Hand, wird aber zum Überfluß noch dadurch bestätigt,
daß damals in Friedland in der Kirche ein Tolke gehalten
werden mußte”.
Wie gesagt, die Akten zeigen in der dortigen Gegend so
wenig litauische Namen — im Kirchspiel Auglitten unter 70
bestimmbaren Namen vielleicht nur einen —, daß die Zahl der
ansässigen Litauer unter der Masse der Deutschen und Preußen
verschwindend gering gewesen sein muß. Es kann sich also nur
um Menschen gehandelt haben, die von den Akten nicht erfaßt
wurden, und das ist eben das Gesinde. Wie es selbst rund 50
Jahre später noch in der Gegend von Mohrungen in sprach-
® Tolkenrechnung 1538—1541: Ostpr. Fol. 1274, S. 281”.
21
licher Hinsicht mit dem Gesinde bestellt war, zeigt jene Notiz
im Fürstlich-Dohnaschen Hausarciy aus der Zeit von 1620, in
der der preußische Burggraf Christoph zu Dohna (geb. 1583)
mitteilt, daß die Hausfrauen zur Zeit seiner Kindheit wegen
des Gesindes drei Sprachen verstehen mußten: deutsch, pol-
nisch, preußisch“. Zweifellos hatte man es in der Umgebung
Bretkes mit einem recht großen Prozentsatz litauischen Ge-
sindes zu tun, der weder preußisch noch deutsch sprach.
Über die Leute selbst, die Bretke ständig in seiner Um-
gebung sah, über ihr Leben und ihre Stellung geben wenige
Dokumente dürftige Auskunft.
In Zusammenhang mit einer Klage der „...paurn Zw ||
Annegawenn...“®, 3 km nordöstlich von Bammeln, über An-
dreas Flans, der ihnen allzugroßes Scharwerk auferlegt hatte®,
heißt es in einem Schreiben vom 9. Oktober 1551 aus Taplacken,
das den Inhalt der den Bauern verlesenen Antwort des Her-
zogs wiedergibt: Der Herzog hätte erfahren,
»...das sie nit alleine,
geglen] Jr[en] Junckern, Sondern auch geg[en] d[en] pfarhern
als Jr[en] selsorg[er] sich gantz vnbillichs vnchristlich ertzeig[en]
Den sie eines teils es solle sich Zugetrag[en] hab[en],
das etliche von Jrn weibern beZichtiget wurd[en]
Als solt[en] sie mit teuffels Kunsten vmbgehlen].
Darumb dan eyne, vnd durch das feur Jre
straffe erlitten] Nu solle der pfarher solch
laster gestraft hab[en], do soll[fen] die Kinder offent-
lich In dfer] Kirch[en] sich vnZuchtig vnd seuisch
gehalten, Auch furtze wischen lassen
dorff[en], so sie nu solchs that[en] an denen and[ern]
do die laster gestraffet wurd[en] vnd gottis wort
gehandelt wurde, thet[en], were leichtlich Zuer-
acht[en], was sich sonst vor Zucht vnd erbarkeit
Jn Jnen Zu uorseh[en]
Jt[fem] wan man das gebot vnd Sacrament handelt
do soll[en] die meydens Jn der Kirche sitz[en] vnd
eynal[n] der die Zopffe flecht[en]
Jt[em] als der pfarh[err] die ober Zelte laster ge-
si Nach einer Mitteilung des Herrn Dr. Krollmann (Königsberg) an Prof.
Dr. Gerullis. Siehe Gerullis, Streitbergfestschrift, „Zur Beurteilung des
Altpreußischen Enchiridions“, S. 100.
8 Heute Angarben, siehe oben, S. 18.
8 H.M. 137 c—d Bött.
22
straft, so sollfen] Sie Zu hohn vnd spot des
Pfarhers vihe die oren abgeschnitt[en], vnd
dasselbe beZeubert hab[en] ...“
Sie sollten in Zukunft dergleichen nicht mehr tun, da der Her-
zog strafend einschreiten würde.
In der Klageschrift der „... Einwohner des Dorffes || Anne-
gawenn...“ an den Herzog von Ende September oder Anfang
Oktober über Andreas Flans hören wir diese Menschen selber
sprechen“:
...so Zwingst (!) er vnß, wir mussen vnsere
Kinder Zu im in den Hoff schickenn, das sie im mussenn in
der scheunenn stehenn vnd dreschenn. welchs wir bei vnsernn
vorigenn Junckernn nicht thuenn dorfftenn, vnnd wenn er
sie in seyner arbeit nicht mehr bedarff, so schickt er sie seine[n]
schwegernn tzw vnd lest da arbeitenn, auff das wir armenn
mit vnser arbeit verhindert werdenn, So hot vnser nach
2 paur einer gesprochenn, Guttiger Juncker, ich kan meyne
Kinder nicht entperen den ich selbst kann, mit solchen arbeit
nicht vmgehenn, ich bin alt vnd schwach, Do hot er den selbi
genn mann so yemmerlich tzerschlagen mit dem schwein spiefß
das er denn eynenn arm nicht rurenn Kann...“
„»...So habenn wir mussenn vnser getreyde dem Junckern
leyhenn vnd wen wir ym drumb ansprechenn das ers vnf
wider gebenn sol, so wil er vnß schlaenn vnnd türmenn
So mussenn wir armenn lewthe, auß nach andernn
Kornn, vnnd mussenn also des vnsernn entperenn
auff Das wir vnß enzazann vnd enthaltenn Kon
nenn
Jtem so Hot er tzwei pawrenn vonn Bamlenn weg geiaget,
so schwingt (!) er, vnß nuhe, das wir instadt der tzweier
menner mussenn schwarwerckenn, welchs wir auch nicht
schuldig tzu thun sein, vnd treibt vns vber die massen
so sehr, das wirs auch nicht meher tragenn konnenn
Derhalbenn bittenn wir armenn vnthertenigenn, vmb
gottes willenn, E.F.D. woltenn doch ein mitler
Dartzwischenn sein, auff das vnR eine solche schwere bürd
vnnd last mochtenn vberhobenn sein, Wo aber ehrs
sie vns nicht hindernn wil, vnd noch mit vnß
Handelt wie er vor gethann Hott, So wollen wir
Hauß vnnd Hoff vbergebenn, vnnd vnß vnther
E.F.D.(!) Auff das wir einer solchenn schweren last
mochte geringert werdenn Den wir woll[en] ym von
Hertzenn gerne, vntherthan seyn wie es denn billich
% E.M. 137 c—d Bött.
23
vnd recht ist, wenn wir nurt (!) mochtenn bey vnsernn
altenn rechtenn bleybenn, vnd wie wir bey vnsernn
vorigenn Junckernn gethann habenn
Jt[em] So hot er vnß gebotenn wir soltenn im uiel yagen
vnd sonst ander scharwerck thun welche wir nicht schul
dig tzuthun sein, Dartzu mussenn wir im die Hund helfen]
auffer Zihenn, vnnd wen etwa eynn Hundt wegko[mmt]
so wil ehr vnß schlechts stockenn vnd tormenn...“
In dieser Art geht es in dem genannten Schreiben noch
zwei Seiten weiter. Zum Schluß heißt es:
»... Vnnd die weil vnser Kinder sehenn wie er mit vnß handelt
so grawet ynn, vnd habenn sorge es mocht im (!) auch also
ergehenn, so werdenn sie vnß widerspennig, vnd entlauf-
fenn vnß, so mussenn wir die lande auff vnd nider
reitenn, vnnd sie suchenn, damit wir dann vmb alle
das vnser mit der tzeit komenn...“
Gelegentlich verließ ein Bauer bei Nacht und Nebel mit
seinem ganzen Anhange den Hof und begab sich irgendwo
anders wieder in Dienst. Bei dem herrschenden Mangel an
Arbeitskräften bedeutete dies für den Junker einen erheb-
lichen Verlust. Die Akten sind voll von Beispielen hierfür,
doch seien hier keine mitgeteilt, da bereits genügend bekannt
sind. Erinnert sei nur, daß schon 1435 in den Ständeakten®
gesagt wurde, daß die Schulzen sich fleißig zu bemühen hätten,
„ungewiße gebur“, die „entrennen“ wollen, daran zu hindern
und sie gegebenenfalls zurückzubringen. Die Schulzen sollten
den Zins solange für die wüst gewordenen Hufen zahlen, bis
sie die vorigen Bauern zurückgebracht oder die Hufen mit
anderen Bauern besetzt hätten. Daß auch gelegentlich deutsche
Bauern entliefen, ist ebenfalls belegt“.
Was Andreas Flans auf die Klage seiner Bauern in Angar-
ben zu sagen hatte, wissen wir nicht, denn der Herzog hat
»...des flans[en] bericht munt- || lich[en] angehort...“ wie es
in dem Antwortschreiben des Herzogs auf die Klage der
Bauern an Flans vom 9. Oktober 1551 heißt”. Doch wie Flans
diese „Preußen“ bewertete und mit ihm die damalige Zeit
zeigt sich in einem Brief dieses Flans vom 26. November 1555
85 Siehe Mortensen, I, S. 158.
8 Fbenda, Anm. 601.
8 E,M. 137 c—d, Bött.
24
an den Herzog, nachdem dieser ihn aufgefordert hatte, sich
wegen des zu hohen Scharwerks zu rechtfertigen, um desset-
willen ihn seine „... Preußischenn leute...“ in den „... Dörf-
fern Plauen vnnd Dedmittenn....“ verklagt hatten: Jene Leute
wären „...allein || Die Jenigenn gewesenn, Die sich freuelich
vnnd wy- || dersetzig ertzeigett, Do sie doch als Preusische
leuthe || solten, vnnd weniger || vrsach hettenn Zu klagenn,
Dann andere, Worauß || Dann Ir fursetzlicher freuell vnnd
vngehorsam || mehr dann genugsam erscheinett...“ Er hätte
sie nicht über Gebühr belastet, und er schadete ja nur sich und
seinen Kindern, wenn er diese Leute zugrunde richtete.
Es sei erlaubt, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß es
sich bei diesem für unsere heutigen Begriffe und unser heu-
tiges Empfinden unglaublichen Verhältnis zwischen dem Herrn
“und seinen Bauern nicht um einen nationalen Gegensatz oder
um eine nationale Unterdrückung handelte, wie es von
„Historikern“ ohne historische Schulung oder ohne Willen zur
Wahrhaftigkeit behauptet wird, sondern um einen ganz an-
deren Begriff von Standesunterscieden, als wir ihn kennen.
Diesen völlig andersartigen Standesbegriff und die daraus ent-
stehende Hörigkeit finden wir im 16. Jahrhundert nicht nur
in Preußen, sondern mutatis mutandis in allen Ländern
Europas, wofür die Literatur jener Zeit wohl die beredtesten
Zeugnisse liefert! Für Polen sei nur an die ergreifende Schil-
derung der „Zehcy“ („die Schnitterinnen“) von Szymonowicz
(1558— 1629) erinnert.
Die Haltung, die der Herzog in der Sache zwischen den
„Preußen“ von Angarben und ihrem Junker einnahm, wie sie
aus den beiden schon genannten Schreiben an Flans und an die
Leute von Angarben zu ersehen ist, zeigt, wie er selbst diesen
‘ seinen doch meist „undeutschen“ Untertanen von niedrigstem
Stande gegenüber eingestellt war.
In dem Schreiben vom 9. Oktober 1551 läßt der Herzog
Flans mitteilen, er hätte nach dem, was bereits früher vor-
gefallen wäre, und nach der Unterredung, die der Herzog mit
ihm hatte, erwartet, er, Flans, würde sich dieses
»...Wwol Zu gemute gefuret,
vor augl[en] gehalt[en], bedacht, vnd sich darauff
gegen den leut[en] der massen er Zeigt haben, das es diser
25
Itzigen weiterunge nit bedorffte, Sonderlichfen]
das er die leute, wie mensch[en] vnd nicht wie vihe
Hielte, wollen Jme nochmals beuol[en] hab[en], er wolte
sich der massen vnd nit anderst geg[en] Jne[n] behalten],
Dan ob wol s f. Dt gewislich mit der von Adel
armen leut[en] nit gern vil Zuthun, So Must[en] doch
Ire f. dht auff der beschwert[en] clage aus furstlich[en]
trage[n] dfem] Ampt billich einseh[en] pfleg[en], weil nu
s fg gemelt aus Jtzig[en] der armen leute
clage, vnd sein[en] geg[en] bericht befinde, das er mit den
leuten nit billich handlete, vnd ob wol
nicht one sein, das sich Zuweilen die
leute geglen] Jme vorseh[en] mocht[en], So wolten doch
s.£. g nochmals wie ob[en] beuo[en] hab[en], das ers also machen
wolle, damit die leute gerne vnt[er| Jme wonet[en],
vorne[mJlich[en] aber wer nit Jr (?) adelich das er die
(Seite 1”)
arme|n] leute der maß[en] mit schleg[en] beschwer[en]
wie s.f.g dan gestrigs tags selbst etzliche
leute die er Je[m]merlich Zerschlag[en], gesehen,
Desselb[en] wolte er hinfuro vor sfg
vngnade vormeyd[en], hette er aber gute
fugliche vrsache die leute Zustraff[en]
khonde er vnd gebitte Sich auch solchs
durch andere verordente mittel Zuthun,
Sf g wolt[en] demnoch beuol[en] hab[en], das er
den armen man dene[n] er so Je[mjerlich
geschlag[en] mit ethwas Jnfride stelle vnd stille
Darob er seins schmertzens Zuuorgessen, vnd
durch flans[en] selbst bose nachrede vor
hutet werden moge Vnd nachdem dan
sie sich auch vorne[m]blich, das er ]nen
Jre kind[er] nehme, Sie auch nit allein vor
sich brauchte, Sondern auch sein[en] schwegern
Zu dynen Zwinge beschweren. Jn dem sol er den vnder-
scheidt halt[en] damit die leute vber geburenden
landbrauch nit beschweret, oder aber Jnen Jre
Kinder vber Jren will[en] nit genomen wurdlen] ...“
In der Antwort des Herzogs an die preufischen Bauern
selbst, deren Einleitung schon S. 22f. mitgeteilt wurde, heißt es
zu diesem Punkte:
»...wo dan auch ethlihe von Jnen vbrige
Kind[er] hett[en]. vnd die Zubetreib[en] der erbe
nit bedorfft[en], halt[en] S.f.g. nit vor vnbillich
das sie delm] Junckern, doch vmb Zimliche,
vnd gleichmessige belonunge, dyenen, lass[en]...“
26
In dem Schreiben des Herzogs an Flans heißt es u.a. weiter:
(Seite 2r)
„»...50o er den leut[en] am getreide ethwas
schuldig, das sol er Jnen erstatt[en]
Jt[tem] er sol sie wie er das f dht Zugesagt
bey der schar werck den sie vor alters
gethan, bleib[en] lass[en], vnd sei Jn bedacht
des gross[en] Zinses den sie geb[en] müssen,
hoher nit drangen...“
In dem Schreiben an die Bauern heißt es zum Schluß:
(Seite 2r)
»...Bey de[m] alten scharwerck so sie dem von
weyern® gethan, soll[en] sie bleib[en], doch versihet sich
dler] Juncker, Sie werden sich
geglen] Jme mit d[er] talck®® dinstlich erZeigen...“
Etwas später wurde auf letzterem Schreiben vermerkt:
„item vber dise gegebene Abschide habl[en] sie von beid[en]
theillen] gewilligt sich mit eyn[em] genan|n]ten scharwerck
Zuüergleich[en]“. Die Akten schweigen darüber, ob diese Eini-
gung wirklich von Dauer war. Klar ist nur, daß, wie schon an-
gedeutet, 1555 die preußischen Bauern von Plauen und Det-
'mitter über Andreas Flans und 1585 die Bauern der gleichen
Dörfer über dessen Sohn Sebastian heftig beim Herzog Klage
führen.
Über Friedland, das Bretke, wie schon gesagt, als seine Hei-
matstadt bezeichnete, ist so viel Literatur vorhanden”, die ein
Bild der Stadt aus jener Zeit vermittelt, daß hier nur einige
ergänzende Bemerkungen über sprachliche Verhältnisse erfor-
derlich sind.
Friedland hatte in der Zeit von 1553—1575 nicht ganz 200
Bürger, die Grundzins zahlten“. Doch zu diesen „eigentlichen“
Bürgern kamen in den damaligen Städten, abgesehen natürlich
#8 Hans v. Weier hatte nach der oben, S. 5, bereits zitierten Verschreibung
der Güter des Andreas Flans vom Herzoge diese Güter bis 1525 inne, wo
sie ein Heinrich v. Döberitz und danach A. Flans erhielt.
® Frischbier: Talk, m., Talke, f., freiwillige Hilfsarbeit, die man dem Nach-
bar leistet.
» 7.B. W.Sahm, Geschichte der Stadt Friedland, Ostpreußen.
%1 Depositen der Stadt Friedland: „Grundzins-Buch der Stadt Friedland von
cirka 1550 (verb. aus 1500) ab.“
27
von den Familien dieser Bürger, noch allerlei andere Bewoh-
ner der Stadt, wie Gesinde u. dgl. Noch um 1727 heißt es z. B.
im „Erleut. Preuß.“”, daß das 20 km von Friedland entfernte
Wehlau rund 250 Bürger hätte, „...ohne die übrigen Einwoh-
ner, Inst- || leute vnd Tagelöhner...“. Somit dürfte Friedland
zur Zeit Bretkes 1500—2000 Einwohner gehabt haben.
Friedland war, nach den Namen der Steuerregister zur ur-
teilen, eine rein deutsche Stadt. Namen wie „Georg feier-
abendt“, „Jacob Brückner“, „Hans Rote“, „Matz wiechman“,
„Jacob Meißner“ usw. usw. sowie deutsche Berufsbezeichnun-
gen wie „Rimer“, „Kramer“, „Dreher“ usw. bildeten mit rund
95 % die erdrückende Mehrheit aller Namen. Eindeutig preu-
Risch sind „Hans Possarge“, „Brix glotte“, „Georg Saudin“,
litauisch wohl „Melcher Parrickies“, „Andres Illies“ und auch
„jJanku[n] glaser“”, polnish sind „Valten Starost“, „Danil
Starosta“”, „Lenertt (!) Spiberofskij“ und „Bogdan“. Fragliche
Namen sind z. B.: „Greger gudde“, „Benedict Wessell“, „Valt-
ten Pole“ u.a. Auch Spitznamen wie „Peter Hirnlos“ kommen
vor.
Wie schon die Darlegung über das Gesinde auf dem Lande
bei Bammeln wahrscheinlich machen dürfte, bestand auch das
Gesinde in Friedland genau wie dort aus preußischen, litaui-
schen und sicherlich auch aus deutschen Knechten und Mägden.
Ob damals schon der Zuzug des polnischen Gesindes begonnen
hatte, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten, ist aber, wie wir
später bei der Behandlung der Königsberger Zeit sehen wer-
den, sehr wahrscheinlich. Sicher ist aber, daß dieser Zuzug nach
Friedland in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des
17. Jahrhunderts stark gewesen sein muß, denn in den Prozeß-
akten der Friedländer Depositen wird verschiedentlich gesagt,
daß jemand zu den Mägden „...ihr Polnisch[en] Huren...“
usw. gesagt hätte. Überhaupt findet sich der Ausdruck „Pole“
oft als Grund einer Beleidigungsklage, so hat jemand: 1600
92 Bd. IV, 1727, S. 697.
»® Außer dem Grundzinsbuch (oben, S. 27 Anm. 91) wurde noch das Ver-
zeichnis der Bürger von 1578 verwertet, die sih an den Kosten „...den
seigerthurm zu decken...“ beteiligen mußten. Depos. Friedl., Paket (rot) 24.
28
ZZ Ed nd Zn
en Ze de u A EZ a U ZU D
„... Hferrn] || Davidt Kottken in trunckener Vnbescheidenheit
Vor ein blen- || deling vnd Polen gescholden .. .“*.
Aus der Kopie eines Briefes „...D: Behmen Vndt Mag:
Möllers...“ vom 1. Februar 1623 an den Rat der Stadt Fried-
land ersehen wir, wie weit die Entwicklung damals schon ge-
diehen war:
»... Wir haben Newlicher Zeitt,
auß deß Herren Friedlandischen Pfarherrs vnd der
beyden Herren abgesanten Relation vernommen Daß
der Friedlandischen Kirchen notturfft wollstand vndt
wollfahrt erfordere, Daß das Polnische vnwießende ge-
sinde vnd Völcklein, sie (I) ietzo Heuffig, in der Stadt fast bey
allen Heusern Zu befinden sein soll, in dem Heiligen
Catechismo in der Beicht vndt Fragstucken, Durch schech-
te einfeltige Polnische Predigten trewlich vnd vleißig
vnderrichtet vndt gelehret werde...“
Weil dieses nun zu
„»...des armen, Elenden vnuerstendigen, Polnisch[en] volcks
Ewiger Sehligkeit gereichet....“
und
weil weder der Herr
Pfarrherr noch der Her ak Der Polnischen sPra-
chen Kündig..
hätte der Rat Sedit daran getan, daß er
„...einen solchen Schulmeister Zu Ihrer Schul-
len Vociret vnd beruffen, welcher der geburt ein Pohl
ist, vnd das Polnische völcklein, in Obgemelten Stucken
gar woll lehren ‘vndt vnderrichten kan...“
Der Streit nun zwischen dem Pfarrer und dem Schulmeister,
um dessetwillen man sich nach Königsberg gewandt hatte,
wird dahin entschieden, daß ‚...die Herrschaft...“ zur Hohen-
und zur Vespermesse (vor dem Mittag und nachmittags) gehen
soll,
»...das Polnisch gesindt aber
am fuglichsten des Morgens frue dem Gottes dienst bey-
wohnnen, vnd darnach Ihrer Herrschafft nöttige Haußgeschäfte
ohne Hindernuß, vnd ohne abbruch Ihres Christenthumbs verrich-
ten kan vndt mag...“
% Depos. Friedl., Paket (rot) 26, Protokoll vom 13. 1. 1601, S. 3’ff. Daß es
sich hier nicht um den Ausdruck eines Nationalitätenhasses handelt, zeigt
eine andere Beleidigungsklage, bei der „... Herr Joachimus Blieffert ||
Pastor...“ ein „... Pommerischer schelm Jniuriret...“ wurde (ebenda,
S. 10°).
29
Von Preußen und Litauern ist also gar nicht mehr die Rede.
Es wird hier in Friedland genau so wie in Königsberg gewesen
sein, wo wir in der Mitte des 16. Jahrhunderts noch weit mehr
Litauer als Polen finden, 1602 aber zehnmal soviel Polen zur
Kirche kommen als Litauer”. Bretke dürfte in Friedland also
mindestens die Anfänge dieser Bewegung miterlebt haben und
somit neben preufischem und litauischem auch einigem pol-
nischen Gesinde begegnet sein”. -
Von den Friedländer Pfarrern jener Zeit steht bis auf einen
fest, daß sie von den in Preußen gesprochenen Sprachen nur
deutsch konnten, denn Michael Eusebius (1546—1547) sowie
Briccius Lehmann (nur kurze Zeit) kamen aus deutschem
Sprachgebiet und gingen wieder dorthin zurük. Nur über
Simon Dewitz (1550—1559) läßt sich nichts Bestimmtes sagen.
Auch die Diakone Basilius Kuntz (1543 wegen Trunksuct ab-
gesetzt), Bonaventura Fischer (um 1550) und Erasmus Landen-
berg (wohl dessen Nachfolger) konnten sicher nur deutsch.
Ob die Schule in Friedland damals schon den Charakter
einer Lateinschule trug, steht nicht fest, ist aber sehr wahr-
scheinlich, denn schon 1528 war der dortige Schulmeister gleich-
zeitig Kaplan, also eine Person mit akademischer Bildung, wie
auch sein verhältnismäßig hohes Gehalt von 30 M. zeigt”. 1538
unterrichteten dort zwei Lehrer, nämlich der Kaplan und
außerdem ein Schulmeister, wobei Sahm noch mehr Lehrkräfte
für möglich hält. Etwas später dürften die oben genannten
Diakone gleichfalls unterrichtet haben. 1594 wird die Schule
von 115 Knaben besucht”.
Die Durchsicht der Akten von Friedland und Umgebung
hat nur eine Person des Namens „Bretke“ ergeben, und zwar,
wie schon gesagt, einen „Valten Bretke“, der um 1554 in das
neu angelegte Steuerverzeichnis zugleih mit den anderen
Grundzins zahlenden Bürgern der Stadt eingetragen wurde”.
®5 Siehe unten, S. 89 ff.
#5 In der „Rechnung des Ambtts Tapiau...“ von Michaelis 1535—36 (Ostpr.
Fol. 10772) wird unter dem Gesinde wie „Pawll ein knecht“, „Philipp ein
Jüng“, „Pusche eine maidt“, „Grethe eine maidt“, „Priße eine maidt“ usw.
auch auf S. 64 ein „Jhan ein knecht“ und „Polack ein Jung“ genannt.
%® Sahm, Friedland, S. 291 ff.
»” (Signatur des Steuerverzeichnisses siehe oben, S. 27 Anm. 91), S. 24v,
30
Dabei ist anzunehmen, daß Valten Bretke schon vor dem großen
“ Brande Friedlands ‚...ao 1553 am abendt Petri Pauli...“ dort
ansässig war, obwohl keinerlei Akten davon berichten und
auch wohl nicht berichten können, denn damals
»...ist die Stadtt in den grundt bis vff die
Kirchen ausgebrandt, da auch alle der Stadt
Privilegia mit Verbrandt, so doch Hernacher
vff anhaltten BurgerMeisters, Rahtts, Gerichts
vnd der Gemeine, Die folgende Jahre von
Margraff Albrecht dem Eltern vffs neue
gegeben worden ...,“%
Sicher sind damals auch alle anderen Akten mitverbrannt.
Beachtet man bei der Durchsicht des genannten Steuerver-
zeichnisses, daß die Eintragungen in verschiedenen Tinten-
arten geschrieben sind, so zeigt sich, daß die Hauptmasse der
Eintragungen, zu der auch die von „Valten Bretke“ gehört,
etwa 1554 gemacht sein müssen, wie aus den gelegentlich an-
gegebenen Daten hervorgeht”. Es wird somit sehr wahrschein-
lich, daß es sich hier um den Vater unseres Johannes Bretke
handelt. Auch der Umstand, daß Valten Bretke bald nach 1575
starb und Johannes in einem Brief von Juli 1580 plötzlich von
einem Patrimonium spricht, das er in der Wirtschaft hätte ver-
brauchen müssen, nachdem er sich vorher dauernd Geld leihen
mußte, spricht dafür, daß Valten der Vater unseres Johannes
Bretke ist'”.
Wie aus der Steuerliste hervorgeht, hatte Valten folgenden
Grundbesitz, den er versteuern mußte: ein Haus, ein Brau-
haus, einen halben Hof, ein (?) Gerbhaus und einen halben
Morgen „Im heiligen waltt“*. Bretkes Vater war also wohl
Gerber und braute auch Bier, das er ausschenkte, jedenfalls
kam sein Nachfolger, der nach Valtens Tode dessen Frau hei-
ratete und den ganzen Besitz übernahm, Merten Neumann,
»... bier- ||schenckens halben so wol bey nacht Zeit, als vnder
®8 Depos. Friedland, Paket (rot) 29. In Schreiben vom 19. 11. 1666 auf eine
amtliche Anfrage nach dem Gründungsjahr des Friedländischen Hospitals.
® Z.B. S. 189°; 13. 11. 1554.
100 Qu., S. 426, Z. 11, und S. 77f. Man beachte, daß im damaligen Sprach-
gebrauch „Patrimonium“ und „Matrimonium“ unterschieden wurden, es
handelte sich bei Bretke also um ein Erbe von väterlichem Besitz.
101 Heiligenwalde, 30 km nordwestlich von Friedland.
31
der predigt || Am Östertage...“ mit dem Gesetz in Konflikt,
wie es in einem Gerichtsprotokoll vom 24. April 1595 heißt”.
Somit hat die Familie Valten Bretkes augenscheinlich zu einer
wohlhabenden Mittelschicht gehört.
Unser Johannes Bretke hat offenbar die Schule in Fried-
land besucht, denn als er 1555 neunzehnjährig in Königsberg
immatrikuliert wurde, hatte er bereits die zum Theologie-
studium erforderlichen Vorkenntnisse, ohne die kein Grund
vorgelegen hätte, ihn zu immatrikulieren; nur Adlige und
Wohlhabende wurden zuweilen um der erhöhten Einnahmen
willen, auch ohne die zum Studium erforderliche Reife zu
haben, inskribiert'*, doch Bretke wird als „pauper“ und als
„pupillus“ bezeichnet, und zahlte deshalb nur die Hälfte der
üblichen Immatrikulationsgebühren, nämlich fünf Groschen
statt zehn. Hätte er erst die Sprachen erlernen müssen, wäre
er auch bestimmt nicht bereits nach eineinhalb Jahren nach
Wittenberg gegangen'*. Doch sagt er selbst in einem lateini-
schen Briefe an den Herzog von Januar 1563'*: „...[et] ego,
qui in hac patria mea dulcissima || prima literarum fundamenta
ieci, [et] ab amicis in studijs bonarum || artium promotus
sum...“. Wie diese Wendung zu verstehen ist, zeigt ein in den
„Acta Borussica“"” veröffentlichter Brief des pomesanischen
Bischofs Wenediger, der im Dorfe Venedig, zwei deutsche Mei-
len von Liebemühl, geboren ist: „... Adhibitus autem || ad
scholas, postquam in vicinis locis pri || ma artium fundamenta
percepisset, Regio- || montum, in Academiam est missus,
sumpti- || busque Alberti I. Ducis Prussiae sustenta- || tus...“
Möglich ist natürlich auch, daß irgendwelche gebildetere
„amici“, wie Bretke in dem lateinischen Briefe sagt, den begab-
ten Knaben im Lateinischen und wohl auch in den Anfangs-
gründen des Griechischen unterrichteten oder unterrichten
ließen.
102 Depos. Friedland, Paket (rot) 26.
103 Der Rektor, der ja die Inskription vornahm, erhielt % der Immatriku-
lationsgebühren, die im Laufe eines Semesters nicht unerhebliche Summen
ausmachten. Erler, Königsberg, S. CXf.
108 Sjehe unten, S. 42f.
165 'Qu., S: 418, Z. 1—2.
108 1732, Bd. III, S. 383.
32
Wie war es aber möglich, daß Bretke bei seiner Immatriku-
lation 1555 angab, „arm“ und „Waise“ zu sein, da sein Vater
doch verhältnismäßig wohlhabend gewesen zu sein scheint,
und wo er, Bretke, fast acht Jahre später in dem schon erwähn-
ten lateinischen Brief (Januar 1663) von seinen Eltern spricht,
die ihn aus ‚„...superiori Germania...“ zurückgerufen hätten‘”,
was 1562 geschehen sein muß'®? Tatsächlich kann der Rektor
Bretke auch nicht zu den Ärmsten gerechnet haben, denn er
erließ ihm die üblichen Gebühren von zehn Groschen nur auf
fünf, wobei er in der Matrikel pflichtgemäß‘® den Grund des
Erlasses mit „pauper pupillus“ angab, doch anderen erließ er
diese Gebühren bisweilen auf zwei Groschen, nicht selten so-
gar ganz. Vielleicht war die Familie Bretke infolge des Bran-
des tatsächlich vorübergehend verarmt.
Der Ausdruck „Waise““ ist nur so zu verstehen, daß Bret-
kes Mutter 1555 schon gestorben war, wobei sein Vater aber
später wieder geheiratet haben müßte. Valten Bretke, der 1575
noch in einem Steuerverzeichnis"* als „Valtten Prattke“ auf-
geführt wurde, hinterließ bei seinem Tode, der bald darauf
erfolgt sein muß, eine Frau, die erheblich jünger gewesen zu
sein scheint als er, denn sie heiratete, wie schon angedeutet,
einen „Mertten Neuman“, der bereits 1578 in jener Liste an
Stelle Valten Bretkes erschien, die die zum Kostenbeitrag zur
„Anlage den Seigerthurm zu decken“, verpflichteten Bürger
enthielt. Dieser Merten Neumann muß kurz vorher erst das
Bürgerrecht in Friedland erworben haben, denn in einem „Vor
Zeichnus derer so mir weglen] || Burgerrechts geZahlen vnd
noch || schuldigk, ieder j stuf wein...“ ist auch „Der Prattk-
sch[en] Man, Mertt[en] Neuman“ aufgeführt‘. Diese Frau des
107 ,...parentum meorum petitionibus ex superiori ll Germania reuocanti-
bus...“, Qu., S. 418, Z. 3.
108 Siehe unten, S. 45 ff.
1% Arnold, Kirchengesch. I, Beilage S. 120, 147 und 149; Erler, Königsberg,
S. XCHX.
110 „Waise“ bedeutete im 16. Jahrhundert wie heute noch „sierota“ im Polni-
schen, „cupomä“ im Russischen und „cipama“ im Weißrussischen, nicht
nur „Vollwaise“, sondern auch „Halbwaise“ (Grimm, 13. Bd., S. 1043 ff.).
#11 Siehe oben, S. 30, und unten, S. 158.
112 Tepos. Friedland, Paket (rot) 30,
13 Wbenda, ohne Datum.
3 Falkenhahn, Bretke 35
Valten Bretke scheint eine geborene Borgau gewesen zu sein,
denn am 4. Juni 1602 gibt ein „...Steffan Borgau mitburger in
Friedlandt...“ eine schriftliche Erklärung ab, daß „...Der
Ersame vnd Einsichtige Merten Neuman || mein lieber Schwa-
ger mir die vorsessener Erbgelde, so er mir || noch Zu thun
schuldig gewesen, gentzlichen abgelegt || vnd bezablet...“*.
Wenn es sich um eine Schwester des Neumann gehandelt hätte,
könnte ja Neumann nur dieser Erbgeld schuldig sein, und
Borgau hätte Geld für seine Frau quittieren müssen, was in
der Quittung angegeben zu werden pflegte; also war die Frau
des Neumann sicherlich eine Schwester des Borgau.
Eine besonders interessante Persönlichkeit, die in Bretkes
Jugend sein Mitbürger war, ja sogar mit ihm — wohl mütter-
licherseits — verwandt gewesen zu sein scheint, ist Dr. Christoph
Alzunius, Altzon‘*, Halczunius“ usw., dessen Name offenbar
von einem preußischen Namen „Alzune“ oder „Alsune“ ab-
geleitet wurde”, der sich selbst in einem Briefe vom 10. Mai
1559 „Friedlandensis“ nannte‘ und der uns bereits als Vor-
mund der Frau des Brose Warnin begegnet ist‘.
Obwohl er sich, wie gesagt, selbst als „Friedlandensis“ be-
zeichnete, begegnet der Name in den Steuerverzeichnissen von
Friedland nicht. Im Sommersemester 1552 wird er als „Christo-
phorus Alzunius, Prutenus“ in Königsberg immatrikuliert und
zahlt nur einen Groschen Immatrikulationsgebühren’”. Mög-
lich ist nun, daß seine Eltern vor dem großen Brande in Fried-
land gewohnt haben, nachher aber aus irgendwelchen Gründen
die Stadt verließen, so daß sie in den Steuerregistern nicht
mehr erschienen, oder aber, daß die Familie denjenigen Schich-
ten der Stadtbewohner angehörte, die von dem Register nicht
erfaßt wurden. Jedenfalls scheint Alzunius arm gewesen zu
114 Ebenda, Paket (rot) 25.
115 Lohmeyer, Nostitz, Haushaltungsb., S. 183 u. 18%.
40 Bullingers Tagebuch, siehe Wotschke, Altpr. Monatsschr., Bd. 44 (1907),
S. 151 Anm. 1.
47 Siehe Trautmann, P.N.,S. 12: „Alsune“, und Gerullis, Stud. Balt. V, S.58.
us K. Forstreuter, Altpr. Biogr., S. 11.
110 Siehe oben, S. 13.
120 Erler, Königsberg, I, S. 15.
34
es
sein, wie die geringe Immatrikulationsgebühr zeigt, auch
scheint er auf Kosten des Herzogs studiert zu haben, denn in
dem genannten Briefe aus Wilna (1559) an den Herzog preist
er die reichen Wohltaten, die er selbst und andere von ihm,
dem Herzoge, erfahren hätten‘. An andern Universitäten im:
deutschen Sprachgebiet hat Alzunius scheinbar nicht studiert,
wie eine Durchsicht der veröffentlichten Matrikeln der deut-
schen Universitäten zeigt'”. Über Basel siehe weiter unten.
1559 sehen wir ihn in Wilna, von wo aus er den eben ge-
nannten lateinischen Brief an den Herzog schrieb, in dem er
erzählte, daß er augenblicklich u. a. den Sohn des Königlichen
Oberküchenmeisters (Magnifici domini Alberti Jassinsky"*,
Sacrae Regiae Maiestatis Archimagiri) in feinen Wissenschaften
und Künsten sowie in guten Sitten” unterrichte, also in Krei-
sen des litauisch-polnischen Hochadels in Wilna Hauslehrer
war, wohin er scheinbar auf der damals in den späteren Se-
mestern üblichen Wanderschaft gekommen ist. Gleichzeitig bat
er den Herzog um eine Empfehlung, da er sich um die Stelle
des eben verstorbenen Königlichen Bibliothekars, Stanislaus
Cosutius, bewerben wolle”. Am 26. Juli 1563 erhielt Alzunius
vom Herzog 100 Taler zum Studium in Italien, wofür er sich
jedoch verpflichten mußte, nach seiner Rückkehr zunächst dem
Herzoge seine Dienste anzubieten‘*. Am 2. August 1563 ist er
in Wilna, wohin er die Vorladung eines Wilnaer Bürgers durch
die preußische Regierung und die Stadt Königsberg gebracht
hatte. Ende des gleichen Jahres reiste der „Präceptor Christo-
phorus Halczunius“ „mit den Lithauern Christophorus Zieno-
wic, Nicolaus Dziewaltowsky, Joannes Swieczirsky, Joannes
Lissovsky, Mathias Worpuczavsky, Gregorius Wosgelius‘“*
und dem Sohne des 1554 verstorbenen Wojewoden von Wi-
121 Lohmeyer, Nostitz, Haushaltungsb., S. 183 Anm. 3.
122 Außer der Königsberger Matrikel wurden noch folgende durchgesehen:
Bologna, Erfurt, Frankfurt a.O. Freiburg, Greifswald, Jena, Leipzig,
Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. _
13 Nach „Poczet Rodöw“ (A. Boniecki), S. 106, war „Wojciech Jasienski“ in
den Jahren 1546—1560 „Litauischer Kiüchenmeister“ sowie 1558 Tiwun,
also „Magnus Procurator“ (siehe unten, S. 397 £.) von Wilna.
14 K.Forstreuter, Altpr. Biogr., S. 11.
125 Wotschke, Altpr. Monatsschr., Bd. 44 (1907), S. 151 Anm. 1.
= 35
tebsk'*, Johannes Kißka, ebenfalls einem Litauer, der am
26. August 1563 von seinem Onkel mütterlicherseits, Radziwill,
einen Empfehlungsbrief an den Züricher Kreis erhalten hatte,
zunächst nach Basel, wo sich alle immatrikulieren ließen und
Kißka im Hause des bekannten Reformators Bullinger
wohnte"”. Seit dem 10. November 1566 begegnet er als Diener
des Herzogs, der ihm verschiedene Dienste im In- und Aus-
lande anvertraute‘”, Am 4. Juli 1571 gehört er zu den (besol-
deten) Hofräten, die bei der Wahl des samländischen Bischofs
mit einigen Bedenken für Heshusius stimmten'”, Anläßlich der
Vorbereitung zur Königswahl 1572 reist er in einer sehr wich-
tigen Sendung nach Litauen’*.
1575 war Alzunius, wie schon gesagt, der Vormund der
Frau des verstorbenen Brose Warnin in Schallen, während
Bretke in Labiau die Vormundschaft ihrer beiden Kinder über-
nommen hatte‘”.
Sicher konnte er, der „Prutenus“ aus Friedland, genau wie
Bretke, Preußisch und auch Litauisch, was er ja zu lernen min-
destens in Wilna Gelegenheit genug hatte. Als sich im Sommer
1578 die „Sweygerrawer vndter Gattenhoffer“ beim Herzog
über zu hohes Scharwerk beklagten und sich mit „Gatten-
hoffer“, ihrem Herrn, nicht einigen konnten, ist auch Alzunius
in der vom Herzog entsandten Kommission. In dem Verhand-
lungsbericht heißt es u. a. .,... Alzunius hatt getolckett...“*.
Da Schwägerau 7 km östlich von Norkitten am Pregel liegt,
dürften die dortigen Hörigen wohl fast ganz aus zugewander-
ten Litauern und litauisierten Volkspreußen bestanden haben.
Der 1587 in Königsberg immatrikulierte Albertus Fridericus
Alzunius aus Königsberg war wohl sein Sohn.
Um 1590 dürfte Alzunius gestorben sein, da von da ab sein
vorher recht oft genannter Name in den Akten nicht mehr be-
gegnet'”.
126 „Poczet Rodöw“ (A. Boniecki), S. 129.
127 Wotschke, Altpr. Monatsschr., Bd. 44 (1907), S. 151 Anm. 1.
128 Siehe K. Forstreuter, 1. c.
122 Nicolovius, Die Bischöfliche Würde in Preußens evangelischer ER 1834,
S. 237, und Lohmeyer, Nostitz, Haushaltungsb., S. 183 Anm. 3.
130 Siehe oben, S. 13.
121 Ostpr. Fol. 184 („Haus-Buch des Amts Insterburg, Lit. A.“), S. 165r.
36
Lou Ad dee u
A u a U
2 dh FD Be me EZ da EEE Zn tn
Alzunius ist ein Beispiel dafür, wie Forstreuter (l. c.) mit
Recht betont, daß eine stammpreußische Familie im 16. Jahr-
hundert zu hohen Würden aufsteigen konnte.
Es dürfte nach allem sehr wahrscheinlich sein, daß Alzunius
im Leben Bretkes eine Rolle gespielt hat, wie die weitere Dar-
legung des Lebens Bretkes noch zeigen wird, ohne daß es sich
aktenmälfig belegen ließe.
Was Bretke als Jüngling vor seinem Eintritt in die Uni-
versität gemacht hat, wissen wir nicht, da direkte Nachrichten
über sein Leben aus der Zeit in Bammeln und Friedland
fehlen, doch legt die Untersuchung seiner Sprache die An-
nahme nahe, daß er irgendwo im litauischen Sprachgebiet bei
einem litauischen Pfarrer mit polnischer Bildung „in die
Lehre“ gegangen ist. Siehe darüber unten S. 210f. und 253.
Bretkes Königsberger Studienzeit.
Im Alter von etwa 19 Jahren, was für die damalige Zeit
spät ist'*, ließ sich Bretke am 14. Juni 1555 in Königsberg imma-
trikulieren.
Was ihn, den Bürgersohn aus Friedland, dazu veranlaßte,
und wer ihm, der er sich, wie gesagt, als „arm“ bezeichnete, das
Geld zum Studium gab, ist unbekannt. Fest steht jedoch, dafß
Bretke als Student nie ein Stipendium vom Herzog erhalten
hat, wohl auch sicher nicht Alumnus gewesen ist, da das in
Bittschreiben regelmäßig angegeben zu werden pflegte. Es ist _
das auffällig, weil der Herzog sich besonders um die Gewin-
nung preußisch sprechender junger Leute bemühte, und die
für sie an der Universität geschaffenen Freistellen nicht alle
besetzt waren, weil sich nicht genügend fanden.
Bretke muß aber „gutte freünde“ gehabt haben, die seine
Begabung erkannten und ihm auch durch ein größeres Dar-
lehen das Studium ermöglichten, denn in dem schon genannten
lateinischen Briefe schreibt er an den Herzog: „...ab amicis
in studijs bonarum |] artium promotus sum...“”, und Ende
122 So war z. B. „Valentinus Lauben, Regiomontanus“, 15 Jahre (geb. 1533
(Arnoldt, Hist. Un. 1,40), in Königsberg immatr.: S. S. 1548 (Erler, Kö-
nigsberg, I, S. 8)).
138 Qu. S. 418, Z. 2.
37
Februar 1569: „...Jch auch vber das eine Mercliche summa
geldes || so mir lenger denn fur 10. Jharen von gutten freünden
zu meinen studys vergesteckt wurden, auch schuldig bin ...“"*
Über das Königsberg des 16. Jahrhunderts, das damals rund
30000 Einwohner hatte”, sowie über die alte Universität am
Dome, der heutigen Stadtbibliothek, in der Bretke studierte,
ist soviel Literatur vorhanden, daß hier nur einige Ergän-
zungen zu jenen bereits veröffentlichten Darstellungen ge-
bracht zu werden brauchen. Außerdem siehe unten, S. 86 ff.
Als Bretke nach Königsberg kam, studierten dort etwa 150
Studenten'*.
Wie eine Durchsicht der Königsberger Matrikeln aus den
Jahren kurz vor Bretkes Studium und während desselben
zeigt, war die Studentenschaft dort zu der Zeit in nationaler
Hinsicht stark gemischt, wenn auch das deutsche Element bei
weitem vorherrschte.
Eine genaue Angabe über die völkische Zusammensetzung
der damaligen Hörerschaft läßt sich für Königsberg wie für
die meisten Universitäten ebensowenig machen wie über die
genaue Zahl der Studenten, denn die einzelnen Studierenden
wurden nur zu Beginn ihres Studiums in das Matrikelbuch
eingetragen, ihr Abgang aber nur in ganz seltenen Fällen ver-
merkt; dazu studierten nicht alle Personen, die immatrikuliert
wurden (Kinder, Beamte, irgendwo auf dem Lande amtierende
Pfarrer usw., siehe Erler, Königsberg I, S. CXIX ff.), sondern
manche ließen sich nur um der Privilegien willen (besondere
Gerichtsbarkeit usw.) inskribieren.
Doch erhält man ein annähernd richtiges Bild von der natio-
nalen Zusammensetzung, wenn alle Studenten, die seit Som-
13 Qu., S. 420, Z. 40—43.
155 Siehe unten, S. 92; zum Vergleich sei daran erinnert, daß Berlin gleich-
zeitig rund 6000, Riga 7000 und Wilna 100000 Einwohner hatten (zu letz-
terem siehe Orgelbrand).
120 Frler, Königsberg, I, S. CXXXII, wobei mir die Durchschnittsstudiendauer
für Königsberg mit 2 Jahren zu niedrig gegriffen erscheint; so studierte
Valentinus Lauben, Regiomantanus, 8 Jahre (Herzogl. Briefarch. I, (1556),
„Matthias Mattie, Rastenburgensis“ mindestens 6% Jahre (ebenda), Bar-
tholomäus Stephani, Rastenburgensis, 7 Jahre (Herzogl. Briefarch. I;
(1557)).
38
mersemester 1551 bis Ende 1556 (Weggang Bretkes nach Wit-
tenberg) immatrikuliert wurden, 1.nach ihrer Herkunft, 2. nach
der wahrscheinlichsten Zugehörigkeit ihres Namens zu einer
bestimmten Sprache zusammengestellt werden.
Von den genau 200 Studenten — mit Bretke 201 —, die seit
} Sommersemester 1551 bis Ende 1556 immatrikuliert wurden,
stammten aus:
dem späteren Ost- und Westpreußen . . . . 84 ( 42,00%)
dem übrigen Deutschland (Schlesien 17, Keehetan 18,
Pommern 11, Brandenburg 6, Thüringen 5, West-
falen 2, Oldenburg 2, Bayern 2, Württemberg 2,
Köln a. Rh. 1, nt Din. 56105 (430:5010/0)
Polens. ER ee 300 (21:140010/0)
Litauen . 6 ( 3,00%)
Livlande ee er 0 (3:0010/0)
Riga en ae er hr. Re ER SE a > (1 010/0)
Böhmen 1 ( 050%)
Holland ee 1 (015010/0)
Herkunft ht Bent Bei an 1280 8:50,0/0)
200 (100,00 %o)
Von den 22 aus Polen stammenden Personen haben:
1.polnishe Namen etwa %, genau 14 (Gnoynski, Sommersem.
1551; Drosdouius, Sommersem. 1551; Wwuorloufky, Wintersem.
| 1552—53; Lipieius, Wintersem. 1552—53; Glintzki, Sommersem.
1553; Quiafhkoiosky, Sommersem. 1553; Kochanousky, Sommersem.
1554; Grabowinsky, Sommersem. 1554; Petrowiez, Sommersem.
1554; Kochanouski, Sommersem. 1555;. Golinski, zweimal Winter-
sem. 1555—56; Kochanouius-Rey, Wintersem. 1555—56; Voro-
biowsky, Sommersem. 1556);
ı 2. deutsche Namen etwa !/, genau 3 (Schultis, Sommersem.
1553; Vogel, Sommersem. 1553; Glitzer, Wintersem. 1554—55);
3.zweifelhaft sind 5 Namen (Vierly, Wintersem. 1551; Felix,
| Sommersem. 1553; Azacrozim, Sommersem. 1554; Criscouius, Som-
{ mersem. 1554; Verat, Wintersem. 1555—56).
Von den 6 aus Litauen stammenden Personen haben:
} 1. litauische Namen 3 (?) (Petschuga (?), Sommersem. 1551; Kie-
meß, Sommersem. 1552; Purna, Sommersem. 1555);
2. deutsche Namen 2 (Heyn, zweimal, Sommersem. 1551);
3. zweifelhaft ist 1 Name (Dauid, Wintersem. 1552—53).
Von den 200 Personen bezeichnen sich außerdem 16 mit „Prutenus“,
davon
nur eine mit zweifellos altpreußishem Namen (Alzunius, Sommersem.
1552);
39
9 (?) mit deutschem Namen (von Werder, Sommersem. 1551; Kyttel (?),
Wintersem. 1551—52; Lieb (Bartenstein), Wintersem. 1552-53); Rauter,
Sommersem. 1553; Kruger, Sommersem. 1553; Radewalt, Wintersem. 1554—55;
Greylich, Wintersem. 1552—53; Parger (?), Liebemühl, Sommersem. 1555;
Binewald, Sommersem. 1555);
2 mit polnischem Namen (Bilinski ex Billingsdorff, Sommersem. 1555;
Byelsky, Wintersem. 1555—56);
4 Namen sind unbestimmt (a Sulslau, Sommersem. 1551; Brodouis,
Sommersem. 1553; Sacoliliensis, Wintersem. 1554-55; Theothadeus (Prost-
ken)!?, Sommersem. 1555; Faber, Sommersem. 1556).
Auf der Königsberger Universität hörte Bretke natürlich
in erster Linie Lateinisch sprechen'*. Abgesehen von den Stu-
denten mit deutscher Muttersprache kam Bretke, nach obiger
Aufstellung zu urteilen, dort täglich meist mit solchen aus
polnischem Sprachgebiet zusammen, weniger mit solchen, deren
Muttersprache Litauisch war, wenn sich auch unter den pol-
nischen Namen manch polonisierter Litauer bergen mochte.
Doch sieht man die Stammbücher der Studenten aus der zwei-
ten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch, so finden sich erheblich
mehr polnische Symbola als litauische; preußische Symbola sind
nicht bekannt, obwohl theoretisch solche durchaus zu erwarten
wären, denn unter den scheinbar deutschen Namen barg sich
sicher mancher Preuße, und fraglos verstanden damals einige
Studenten auch Preußisch; war es doch gerade zu jener Zeit
unter dem Einfluß des Humanismus Mode, Symbola in mög-
lichst vielen Sprachen zu schreiben, wie u. a. das Beispiel des
Hieronymus Opitius zeigt, der seinem Studiengenossen Joachim
Mörlin Psalm 119 Vers 105 in acht Sprachen einschrieb, und
zwar: hebräisch, arabisch, syrisch, äthiopisch, griechisch, la-
teinisch, deutsch und kirchenslavisch (Abb. 1, T. 1). Diese
Stammbuchseite ist ein beredtes Zeugnis für die Sprachenfreu-
digkeit jener Jahrzehnte, in denen unser Bretke studierte.
Bei der Ankunft Bretkes in Königsberg waren von 18 Plan-
stellen für Professoren an der Universität nur 8 tatsächlich
besetzt; die anderen nicht besetzten Lehrstühle wurden ver-
1377 Wohl „Bog dan“.
138 So schreibt Mosvid 1549 nach fast zwei Studienjahren in Königsberg und
einem Pfarramtsjahr in Ragnit: „non calleo aliquantulum germanice“.
Gerullis, Skait., S. 2. Siehe auch Wotschke, Zeitschr. f. sl. Ph., II, S. 103
Anm. 1. ;
40
u De Da A A BE nt
tretungsweise von anderen Professoren oder von Geistlichen
mit versehen. Die osiandristischen Streitigkeiten hatten auch
die Reihen der Professoren gelichtet. An der theologischen
Fakultät sollte der erste ordentliche Professor der Theologie
täglich nachmittags von 2 bis 3 Uhr über das Alte Testament
und der zweite Theologieprofessor vormittags von 8 bis 9 Uhr
über das Neue Testament im Auditorium Maximum lesen, doch
war damals nur die zweite Theologieprofessur tatsächlich be-
setzt.
Zweiter Theologieprofessor war D. Rupert Durrius; er ging
jedoch nach März 1556 nach Baden, wonach sein Lehrstuhl erst
wieder 1557 im März durch den Dompfarrer Math. Vogel mit
zwei Wochenstunden über das Neue Testament vertreten
wurde.
Seit 1552 war die theologische Fakultät ohne ersten Theo-
logieprofessor. Die Stelle wurde erst 1558 wieder besetzt. Ver-
tretungsweise hatte M. Joh. Eccurius oder Eichhorn, der da-
mals Hofprediger war, wöchentlich zwei Stunden über das
Alte Testament zu lesen. Er stammte aus Nürnberg und war
seit 1546 in Königsberg.
Mit den andern Fakultäten stand es nicht besser: ein und
derselbe Professor las nacheinander über Mathematik, Grie-
chisch und Ethik.
Der Professor für Beredsamkeit und Poesie, M. Urban
Stürmer, war im Nebenamt Hofkapellmeister.
Es ist also kaum verwunderlich, wenn die damalige Uni-
versität Bretke nicht besonders fesselte, zumal er sich mit der
Erlernung der zum Studium erforderlichen Sprachen sicher
nicht aufzuhalten brauchte, sondern gleich ans Studium selbst
gehen konnte.
Bedeutsamer könnte gewesen sein, was. Bretke hier an
Pfarrern erlebte: An der Steindammer Kirche, die später auch
sein Wirkungskreis werden sollte, amtierten damals der litaui-
‘sche Pfarrer Willent und der polnische Pfarrer Seclutian.
Sicher hat er beide gesehen und gehört. Möglich, daß Bretke
später vorschwebte, für die litauische Kirche das zu werden,
was Luther für die deutsche geworden war, und was Seclutian
damals für die polnische zu werden versprach, der u. a. bereits
den Kleinen (1545) und Großen (1547) Katechismus Luthers
41
übersetzt, ein Gesangbuch (1547) geschaffen hatte und gerade
bei Herausgabe des Neuen Testamentes war. Falls Bretke zu
der Zeit bewußt Litauisch betrieben haben sollte, standen ihm
als Lesestoff, soweit wir wissen, nur der Katechismus von
Mosvid (1547) und dessen „Giesme S. Ambraßeiaus“ (1549) zur
Verfügung, es dürfte aber eher nur das gesprochene Wort auf
ihn gewirkt haben.
An der Altstädtischen Kirche predigte M. Johann Funk, der
später enthauptet wurde; Diakone waren Nicelaus Jagenteu-
fel, Peter Groß, Johann Freudenhammer.
Am Dome war M. Matthäus Vogel Pfarrer, der vorher
Pfarrer in Wehlau gewesen war und später 2. Theologie-
professor in Königsberg wurde. Als Diakone wirkten dort die
sonst kaum bekannten Paul Grünwald, Martin Lembcke und
Heinrich Coppius, vorher Diakon in Wehlau. An der Schloß-
kirche finden wir George Döring aus Thorn und M. Ottomar
Epplin aus Schwaben. An der Löbenichter Kirche predigte der
-Franke Peter Hegomon; Pfarrer am Großen Hospital war
Heinrich Schönehut aus Frankfurt a. M.
Die Zeit in Wittenberg und Oberdeutschland.
Ende 1556 verläßt Bretke Königsberg und begibt sich nach
Wittenberg, wo er am 16. Januar 1557 mit einem „Christo-
phorus Knopfius Regiomontanus“ zugleich immatrikuliert wird.
Seine Matrikul lautet: „Johannes Bretke‘* Friedlandensis.“*
Wittenberg stand damals noch an der Spitze der evangeli-
schen deutschen Universitäten und dürfte, als Bretke dort
weilte, bei einem Jahresdurchschnitt von 600 Neuimmatrikula-
tionen und bei einem Aufenthaltsdurchschnitt von drei Jahren
etwa 1500—2000 Studenten „ex omni genere, natione et disci-
plinatae Europae populo Itali, Galli, Hispani, Lusitani, Angli,
Scoti, Polarium insularum incolas, item Sarmatae, Hunni,
Illirici, Scythae, ex oriente meridie, occidente et aquilone“,
wie es in einer Abschiedsrede 1588 heißt'“, gehabt haben.
Sicher zog Bretke wie so viele andere der Ruhm an, den
Wittenberg als Lehrstätte Luthers in den protestantischen Län-
19 Die gedruckte Matrikel (Foerstemann) liest fälschlich „Brecke“,
120 Foerstemann, I, 324 b.
121 Friedensburg, S. 340.
42
dern genoß, aber vielleicht noch mehr die Möglichkeit, dort
noch die Mitarbeiter Luthers zu hören.
Es waren vor allem Melanchthon, der große Gegner Osian-
ders, deren Streit vor ein paar Jahren Preußen so tief er-
schüttert hatte, Bugenhagen, Georg Major, Johann Forster, der
Verfasser des für damalige Verhältnisse ausgezeichneten
hebräischen Wörterbuches (der jedoch kurz vor Bretkes An-
kunft am 7. Dezember 1556 starb), und Paul Eber.
Melanchthon, der nach Luthers Tode als dessen Nachfolger
“ und als Oberhaupt der Lutheraner galt, war, als Bretke nach
Wittenberg kam, fast 50jährig'”; er war von den endlosen
Kirchenkämpfen, die ihm eine kaum zu bewältigende Arbeits-
last aufbürdeten, in so hohem Maße in Anspruch genommen,
daß er nur wenige Vorlesungen halten konnte. Dazu kam
schweres Leid in der Familie (z. B. 1557 Tod seiner Gattin),
so daß seine Gesundheit in den letzten Lebensjahren stark
zerrüttet war. Bezeichnend für die Einstellung Melanchthons,
‚ aber zugleich auch für den Geist, in dem jene Kirchenkämpfe
ausgefochten wurden, sind die Gründe, warum man den Tod
nicht zu fürchten brauchte, die Melanchthon wenige Tage vor
seinem Tode auf einen Zettel schrieb: „Discedes a peccatis. ||
Liberaberis ab aerumnis et a rabie Theologorum““*.
Am 19. April 1560 starb Melanchthon an einer Erkältung,
die er sich auf einer seiner vielen Dienstreisen zugezogen
hatte. Bei der Fülle der Studenten ist kaum anzunehmen, daß
er in nähere persönliche Berührung mit Bretke gekommen
wäre.
Auc Bugenhagens letzte Lebenszeit — er stand bei Bretkes
Ankunft im 72. Lebensjahre‘* — wurde durch die Kämpfe im
eigenen Lager verbittert; 1557 mußte er infolge von Alters-
schwäce und Erblindung auf einem Auge seine Predigttätig-
keit einstellen, doch starb er am 20. April 1558 frischen und
ungebrochenen Geistes. Auch er dürfte kaum in persönliche
Berührung mit Bretke gekommen sein.
Georg Major, der zu sagen gewagt hatte, „daß gute Werke
zur Seligkeit nötig sind“, und dadurch eine besondere Kirchen-
1° Geboren am 16. 2. 1497.
13 Corpus Reformatorum, IX, S. 1098; Schmidt, Melanchthon, S. 664.
1 Geboren am 24. 6. 1485.
453
fehde entfachte, die Bretke zum Teil miterlebte, war 1557
55 Jahre alt. Seit 1558 führte er das theologische Dekanat in
Wittenberg. Ihn hat Bretke wahrscheinlich gehört.
Einen besonderen Einfluß hat sicherlich die sympathische
Gestalt Paul Ebers auf Bretke ausgeübt, der besonders eng
mit Melanchthon und einst mit Luther befreundet war. Eber
begann als Professor der Philosophie, las dann aber über Ge-
schichte, Naturwissenschaften u. a. und wurde 1557, 46jährig,
Professor der Theologie und Nachfolger Bugenhagens. Von
seinen religiösen Liedern, die er dichtete, werden noch heute
einige im Gottesdienste gesungen. Infolge seiner persönlichen
Fürsorge für die Studierenden und seiner pädagogischen Be-
gabung war er unter den Studenten beliebt und hatte viele
Hörer. Nach Melanchthons Tode 1560 galt er als der erste Ver-
treter der lutherischen Kirche.
Bretke scheint nach Wittenberg keine andere Universität
‘ mehr besucht und dort sein Studium abgeschlossen zu haben,
jedenfalls enthält keine Matrikel der damals bestehenden pro-
testantischen deutschen und schweizerischen Universitäten in
der fraglichen Zeit Bretkes Namen. Untersucht wurden außer
der Königsberger und Wittenberger Matrikel noch folgende:
Basel, Frankfurt a. d. O., Freiburg, Genf, Greifswald, Heidel-
berg, Jena, Leipzig, Mainz, Marburg, Rostock, Straßburg, Tü-
bingen, Zürich. Doch stünde Bretke hierin im Gegensatz zu
den meisten anderen Studierenden aus dem Herzogtum Preu-
ßen, die mehrere Universitäten nach Königsberg bezogen’,
außerdem heißt es in dem unten, S. 106, zitierten Brief aus-
drücklich von ihm: „...da er draußen Zu wittenberg vnd
sonsten an andern Ortten seinenn Studijs obgelegen....“
Vom Wittenberger Aufenthalt und der Zeit danach fehlt
aber von Bretke jede Nachricht. Wir finden ihn erst 1562 in
„Oberdeutschland“ wieder, was, wie schon gesagt, nicht Wit-
tenberg ist, sondern Süddeutschland oder die Schweiz'”. Was
116 So z. B. der schon erwähnte „Mattias Mattie“: Königsberg, Frankfurt,
Wittenberg (S. 38 Anm. 136).
1 Nach einer mündlichen Mitteilung von Herrn Professor Dr. St. Kot
verstand man damals unter den in dem lateinischen Ausdruck „Germania
superior“ zusammengefaßten Gebieten auch noch die Schweiz. Aus dem
44,
Se WE
ihn dorthin geführt hat, ist unklar. Sollte er auch, wie Alzunius,
Praeceptor bei litauischen Magnatensöhnen gewesen sein? Als
gesichert kann jedenfalls gelten, daß Bretke dort nicht im
Kirchendienst stand, ehe er nach Preußen zurückkehrte und
den Labiauer Pfarrdienst antrat, wie etwa der Rastenburger
Mattiae, der nach einem Studium in Königsberg, Frankfurt
und Wittenberg in Küstrin Kaplan wurde‘”, denn sämtliche
Angaben Bretkes in seinen Briefen über den Zeitpunkt des
Anfangs sowohl seiner Labiauer Pfarrzeit als auch überhaupt
seiner geistlichen Amtstätigkeit ergeben immer ziemlich genau
die gleiche Zeit:
Mitte 1590 sagt Bretke, er stünde im 29. Jahre seines Pre-
digtamtes und hätte in der Zeit mit Seufzen gesehen, daß die
Litauer ohne Bibel wären‘*; Ende 1598, er wäre im 36. Jahre
Diener des göttlichen Wortes'”, und Ende 1599, daß er im
38. Jahre im Kirchendienst sei'”; es ergibt sich für den Beginn
seiner geistlichen Amtstätigkeit etwa 1562.
Bezüglich seines Dienstantritts in Preußen sagt Bretke
Ende 1568, daß er im 7. Jahre in Preußen Pfarrer wäre‘, An-
1745 gedruckten 43. Band des von Johann Heinrich Teder (Leipzig, Halle)
verlegten „großen vollständigen Universallexikon“, S. 275, geht hervor,
daß die „Terra Rhenensis“, Schwaben, Bayern und Franken zur Zeit der
Frankenherrscher als „Oberdeutschland“ zusammengefaßt und „Nieder-
deutschland“ mit den übrigen Gebieten, wie Niedersachsen, Thüringen
usw. gegenübergestellt wurden. Die spätere Einteilung Deutschlands in
Kreise (seit 1512) hat die Grenze zwischen „Ober- und Niederdeutschland“
nicht verschoben. Wittenberg gehörte immer zum „niederdeutschen“ Ge-
biet und ist im Sprachgebrauch nie als „Oberdeutschland“ bezeichnet wor-
den. L. Diefenbach sagt zu „Germania“, daß es im 15. und im Anfang
des 16. Jahrhunderts neben „tutschlant“ usw. auch „nider dewtschland“
usw. bedeutet hätte, was natürlich auch ein „Oberdeutschland“ als Gegen-
satz fordert. Skarga schreibt in der Dedikation zu den „Kazania o sied-
miu Sakramentach“ von der Häresie „w niskich i wyzszych Niemcach“.
In der „Wtöra pobudka do modlitwy czasu wojny“ heißt es: „W gör-
nych i w niskich Niemcach“ usw. (Biblioteka Narodowa, Nr. 70, S. 31).
17 Stellenangabe oben, S. 38 Anm. 136.
18 Qu. S. 431, Z. 34—38. ;
#0 Qu., S.458, Z. 44—S. 439, 2.2.
160-Qu., S. 441, Z. 21 ff.
217 Qu.,.S. 4192 2.114 ff.
45
fang 1569, daß es fast 7 Jahre seien'”, Anfang 1570: 8 Jahre‘,
Mitte 1580: 18 Jahre‘, Mitte 1584: fast 22 Jahre‘, Anfang 1587:
fast 25 Jahre‘*, Mitte 1590: im 29. Jahre"” und Anfang 1602, daß
er im 40. Jahre im preußischen Kirchendienste stehe'*; auch
diese Angaben ergeben etwa das Jahr 1562.
Falls Bretke seit seiner Immatrikulation Mitte 1555 bis
etwa Mitte 1562, also sieben Jahre, ohne Unterbrechung stu-
diert haben sollte, wäre das für die damalige Zeit nicht be-
sonders lange, wie folgende Beispiele zeigen:
Valentinus Lauben studierte mindestens 11 Jahre‘*, M. Mat-
tiae mindestens 6%, wahrscheinlich aber länger‘, B. Stephani
7 Jahre‘“, H. Heylli 9 Jahre‘*, G. Boie 6 Jahre‘®, J. Lidicus
mindestens 5 Jahre‘* usw.
152 Qu., S. 420, Z. 25 ff.
155 Qu., S. 424, Z. 1—2.
15 Qu., S. 426, Z. 24.
155 Qu., S. 427, Z. 30—33.
1586 Qu., S. 428, Z. 39.
157 Qu., S. 431, Z. 34—36.
158 Qu., S. 443, Z. 34—37.
158 Immatrikuliert S.S. 1548 (siehe oben, S. 38 Anm. 136), wurde am 26. 11.
1556 (Arnoldt, Hist. I, 40) Magister; in einer Obligation vom 14. 6. 1556
verspricht er später nur dem Herzoge zu dienen, der ihm bereits „...etz-
lich Jahr lang...“ ein Stipendium gegeben hätte, und ihm jetzt ein wei-
teres Studium von drei Jahren in Tübingen zusagte (Herzogl. Briefarch. I,,
Kasten 1556).
100 Siehe oben, S. 38 Anm. 136.
1641 Siehe oben, S. 38 Anm. 136.
102 Frler, Leipz. I, 719: Wintersem. 1557 wird er mit folgender Matrikel unter
den „Poloni“ immatrikuliert: „Heilimandus Heill Elbingensis dt totum
7 gr.“; Erler, Leipz. II, 752, S.S. 1559, wird er unter denen, die das Bakka-
laureatsexamen bestanden haben, aufgezählt: Foerstemann, I, 371a: Am
26. 3. 1560 wird er in Wittenberg immatrikuliert; die Matrikel lautet:
„26. Heilmandus Heil Elbingensis, filius Doctoris, Christophori Heil Me-
dici.“ Am 25. 10. 1562 gelobt Stud. theol. Heylmandus Heyll in Witten-
berg dem Herzoge, daß er nur ihm dienen werde, weil dieser ihm „...
mith einem iahrlichen stipendio... nun ethliche iahr... geholfen habe...
vnd weitter zu folzihung || meiner studien mier solch beneficium noch
auff Zwei iahr gne- | digst prorogirt (l), mith dem bescheidt, daß ich zu
Wittenberg || noch Zwei iahr in studio theologicio fortfaren soll...“
(Herzogl. Briefarch. Js, Kasten 1562). Arnoldt, Nachr. II, S. 486: „7. Heil-
mann Heil ein Pommer (?), ward aus Wittenberg, wo er auf fürstliche
46
Jedenfalls 1562 wird Bretke von seinen Eltern aus „Ober-
deutschland“ zurückgerufen und ihm im Auftrage des Her-
zogs, d. h. auf Veranlassung der Regimentsräte, von Johann
Aurifaber, der damals Vizepräsident des samländischen Krei-
ses war, das besonders schwierige'® Pfarramt in Labiau über-
tragen, weil er Litauisch und Preußisch kann. In dem Brief an
den Herzog von Mitte Januar 1563 lautet der diesbezügliche
Passus so: „...ego... parentum meorum petitionibus, ex su-
periori || Germania reuocantibus... cessi... || ... Et docendi
Euangelij christi munus in oppidolo || Labiau, cum Lituani-
cam/et] Prutenicam linguam mediocriter || teneam, ex mandato
Celsitudinis tuae, per...||...dominum praesidem, mihi imponi
passus sum... .“*,
Es entsteht die Frage, auf wessen Veranlassung Bretke, der
doch aller Wahrscheinlichkeit nach seit Ende 1556 außer Lan-
des weilte, dieser Posten angetragen wurde. Die Worte:
„... mihi imponi passus sum...“ in dem sonst so bescheidenen
Tone des Briefes klingen nicht so, als ob Bretke, vielleicht
brieflich, seine Dienste dem Herzog angeboten hätte. Nach
allem ist doch am wahrscheinlichsten, daß die Regimentsräte
durch Alzunius‘” oder durch die von Gehren'* auf Bretke hin-
gewiesen worden sind, wie es scheint auch auf Wunsch der
Eltern Bretkes, vielleicht auch mit seinem Wissen; auch mög-
lih, daß durch die Verwandten seiner Braut, des Fräulein
Kosten studierte, 1566 den 24. Febr. verschrieben, verwaltete das Kirchen-
wesen im Oberlande... und starb 1570.“
16 In Wittenberg immatrikulierte am 29. 8. 1564: „29. Gerhardus Boge Son-
densis“, Stralsund (Foerstemann, Wittenb. II, S. 72b „Pomern“) in einer
Obligation, daß ihm Herzog Albrecht ein Stipendium „... ad Facultatem
theologicam funf Jar lang Jherlich sechsich taler gnedichlich bowilli-
get (!)...“ und verpflichtet sich nach fünf Jahren dem Herzoge in Preu-
ßen zu dienen.
1 Am 25. 6. 1559 in Wittenberg immatrikuliert: „Johannes Lidick Gutsta-
diensis Prutenus“ (Foerstemann, Wittenb. I, S. 363 a). Am 19. 2. 1564 sagt
der Stud. theol. „Johannes Lidicius“, Königsberg, in einem Obligations-
schreiben vom Herzog: „...ut me uel in Vitebergensi l uel in Lipsensi
Academia per triennium | aleret...“ (Herzogl. Briefarch. ],, Kasten 1564).
15 Über die Anforderungen des Labiauer Kirchendienstes siehe unten, S. 52 ff.
166 Qu., S. 418, Z. 1—9.
167° Oben, S. 34 ff.
18 Oben, S. 6.
47
von Werthern'®, Bretke wegen seiner Sprachkenntnisse emp-
fohlen wurde. Auf jeden Fall lagen höheren Orts Empfeh-
lungen vor, die Bretke für den Labiauer Kirchendienst ge-
eignet erscheinen ließen, und somit wurde er berufen; hier-
durch wird klar, daß seine Kenntnisse des Litauischen und
Preußischen bekannt und etwas Besonderes gewesen sein
müssen.
Die Labiauer Zeit Bretkes.
Labiau, wo Bretke mehr als 25 Jahre lebte und einen
großen Teil seiner Übersetzungen schrieb, ist nach der Be-
schreibung im „Erl. Preuß.‘ damals „...nur ein Dorff || und
Marct-Flecken gewesen, in welchem || meisten theils Bauern
gewohnet, die dem || Amte haben Scharwerc&ks Dienste thun ||
müssen...“, bis der Ort 1642 zur Stadt erhoben und mit bür-,
gerlichen Freiheiten begnadet wurde.
Rund 160 Jahre nach Bretkes Amtsantritt, nachdem Labiau
schon zur Stadt erhoben war, zählte man dort nur „...110 ||
Bürgerhäuser, in deren einigen wohl 3. || bis 4. Familien woh-
Den...
Über die niedrigen Insthäuser des 16. Jahrhunderts hinweg
ragten das „Haus Labiau“, eine 1258 zunächst in Holz, Ende
des 13. Jahrhunderts aber in Stein'” erbaute Ordensburg und
die Kirche (erbaut in Stein Ende des 13. Jahrhunderts’”); sie hat
seit der Zeit Bretkes nur unwesentliche Veränderungen er-
fahren'”,
Der Ort liegt an der Deime, rund 4 km vom Kurischen
Haff entfernt, und zwar so niedrig, daß bei Sturm und Hoc-
wasser oft einige Straßen unter Wasser gesetzt werden'”.
Jenseits der Deime begann die nach heutigen ihn
weglose „Wildnis“, die sich in einer Gesamtausdehnung von
etwa der Ostpreußens weit in das Innere des heutigen Litauen
168 Oben, S. 8.
170 „Erleut. Preußen“, Bd. II, 1725, S. 710 ff., im Artikel: „Kurtze Beschrei- '
Dir des |] Schlosses und der Stadt Labiau.“
171 Ebenda, S. 714.
172 Harnoch, S. 153.
173 Fr], Preuß. II, S. 716; Harnoc, S. 153.
171 Doskocil.
175 Erl. Preuß., S. 715.
48
A
u re
u ee ee Be
(bis Kaunas), Lettland und Polen erstreckte, in der die deut-
schen „Städte“ Ragnit, Tilsit und Memel, sowie die verstreu-
ten, damals schon meist litauischen Siedlungen mit ihren ur-
baren Landflächen wie Inseln lagen, und durch die ein nennens-
werter Verkehr fast nur im Sommer zu Schiff über das Haff
und die Flüsse, sowie im Winter in gewissem Umfange über
das Eis möglich war‘“.
Es war ein von Sümpfen durchzogenes und von Heide-
flächen unterbrochenes Urwaldgebiet, in dem undurchdring-
liche Dickichte mit lichteren, wahrscheinlich meist Eichenwäl-
dern abwechselten. Abgesehen von den genannten „Städten“
und Siedlungen, sowie einzelnen Jägern, Fischern und „Beu-
tern“ (Honigsuchern), denen man dort gelegentlich begegnete,
war es ein menschenleeres Gebiet'”, in das sich Herzog Albrecht
mit wenigen Begleitern zu Pestzeiten flüchtete'”.
In Labiau selbst wurde hauptsächlich deutsch gesprochen,
daneben litauisch und, wie es scheint, mitunter auch preußisch
und lettisch (kurisch). In einem Schreiben der Labiauer Ge-
meinde, in dem sie nach Bretkes Fortgang um Einsetzung ihres
Schulmeisters Schenk als Pfarrer bittet!”, heißt es „...weill...
wir Armen leutte dis Kirchspils, wegen || vnseres littauschen
gesindes'”, vnd Vberhabschen‘* mitt- || nachparn einen pfar-
herrn so beides deuttscher so || wohl littauscher sprachen alhier
nöttig bedurfften...“ und „...dieweiln wir einen gar fertig
beider Sprachen also in eill nicht haben könnten...“ In einem
Schreiben der Labiauer Amtskanzlei'* wird gesagt, daß Bretke
der „...Littauischen Sprachen || sehr wol künndig vnnd er-
fahren, vnnd allso || vmb desselben willen allhier bey diser ||
Kirchen, vor anndl[er|n sehr nützlich dienen || khan...“
178 Siehe hierzu Mortensen, „Die Wildnis im östlichen Preußen...“, S. 5ff.,
S. 45 ff, sowie die Karte der Wildnis um 1400 bei S. 220, die aber im
16. Jahrhundert die gleiche Ausdehnung gehabt hat, wie aus den Quellen
hervorgeht.
#8 Arnoldt, Nachr. I, S. 4: Der Pfarrer D. Poliander mußte den Herzog 1527
der Pest wegen in die Wildnis begleiten.
1 E,M. 102 e 4, erledigt 1. 9. 1587.
180 „Gesinde“ wurden damals manchmal auch die hörigen Bauern genannt,
siehe S. 4 Anm. 15.
181 „Uberhabschen“ Plural, die Bewohner jenseits der Haffs, Frischbier.
12 W.M, 102e 4, Datum 11. 9. 1578.
4 Falkenhahn, Bretke 49
Wie groß die Zahl der Litauer in Labiau damals war, läßt
sich nicht sagen. Als 1656 der Labiauer Pfarrer Georg Matthaei
gestorben war und die litauische Gemeinde um Simon Mederus
bat, schrieb eine schwer lesbare Hand auf die dritte Seite ihres
Bittschreibens"*: „Al die Weiln der Pfarr zu Labiaw Wegen
der || Lithawschen gemeine die fast gröster ist || alß die deutsche
et necessitate die Lithawsche || sprache wißen Vnd in der
sprache lehren vnd || predigen muß; Alß ist mein vmvorgreiff- ||
liches bedenken, das man auf die erbawung || Vnd Ehre Gottes
sehen soll. Weches Jch || Meine Herrn Collegen Zu fernerem
ver || nunfftigem nachdenken anheim stelle.“ Also wohl die
Anmerkung eines der Oberräte.
Doc in dem „Erleut. Preuß.“ heißt es bei dem Bericht von
der Teilung des Labiauschen Kirchspiels nach Einweihung der
Kirche in Gilge (24. Juni 1707)*, daß „...der Labiauschen ||
Littau schen Gemeine nur die 4. hinter dem || Deim-Strohm
beym Curischen Haff liegen- || de Fischer-Dörffer Peltzen, Lab-
begienen, || Runderort, und Tacktau gelassen worden, so || daß
jetzo die Litthauische Gemeine in Labiau || kaum 200. Personen
starck ist. Dahero auch || nicht alle Sonntage ihnen vorgepre-
diget || wird, sondern nach der Anzähl der Zuhö- || rer zum
öfftern nur abgesungen, auch wenn || bey starcken Sturm-
Winden die Litthauer || garnicht nach Labiau überkommen
können, || gar keine Predigt'* gehalten wird“.
Außer deutsch und litauisch wurde, wie gesagt, in und bei
Labiau preußisch und kurisch gesprochen.
In dem schon öfter zitierten lateinischen Briefe sagt Bretke,
daß er nach Labiau berufen sei „cum Lituanicam [et] Pruteni-
cam linguam mediocriter || teneam.. .“*. Preußen mit Länd-
besitz werden um Labiau erwähnt”. In dem Schreiben des
Konsistoriums über Bretkes Bewerbung um die Pfarrstelle von
Scloßbach'* 1587 wird gesagt, daß es in Labiau „nicht ||
ıss E.M. 102e 4, Aktenheft von angeblich „14 Blatt“, präsen. 8. 6. 1658.
1 5, 726 ff.
185 In Druckfehlerverb. S. 877: „gar kein Gottesdienst“.
180 Qu., S. 418, Z. 6-7.
17” E.M.102d 2, Scharlak: „Greger Kalckh, ein preusch frey zu scharlaucken“,
hat dort 6 Hufen.
188 Früher Pillupönen.
180 Qu., S. 430, Z. 15 ff., eingeg. 21. 4. 1587.
50
alleine Littauen, sondern auch Kuhren vnd Preußen, || daselbst
hatt“, und Bretke, „welcher der Sprachenn, || der leutte vnnd
gelegenheitt der Kirchen Kundigk“, schwer entbehrt werden
könne.
Die Kuren kamen von der Kurischen Nehrung herüber, die
immer mehr versandete, und wurden hier wie im Amte Tilsit
und Ragnit ansässig, wo sie in den beiden litauischen Regie-
rungserlassen von 1578 neben den Litauern” erwähnt werden.
Zu dem Labiauer Kirchspiel gehörten weit entlegene Dör-
fer, so z.B. Tawe, Tawell und Kriszahnen (letzteres mit 27 km
Luftlinie Entfernung von Labiau). Erst nach der erwähnten
Einweihung der Kirche in Gilge am 24. Juni 1707 wurden die
„Fischer-Dörffer als: Gil- || ge, Petrikken, Nemonin, Wippe,
Juvent || und Agill“ von dem Labiauer Kirchspiel getrennt und
zu Gilge geschlagen.
Die Kirche war für die Bewohner dieser Dörfer, die zum
Teil die Wildnis zu durchreisen hatten, was sie meist auf den
Flüssen‘® mit ihren Kähnen bewerkstelligten, besonders bei
den Frühlings- und Herbsstürmen nur schwer zu erreichen.
Die Zustände unter den Pfarrkindern Bretkes schildert ein
am 1. August 1549 erledigter Brief des aus Schlesien stammen-
den Pfarrers Georg Reich an den Herzog®”. Er spricht zwar
von dem weiter nordöstlich liegenden Gebiet von Tilsit und
Kaukehmen, doch dürfte es in Bretkes Pfarrbereich wenig
besser gewesen sein: 70- und 80jährige Leute können das
Vaterunser nicht, unter 1000 Personen sind kaum 10, die das
Abendmahl in ihrem Leben empfangen haben, an Sonn- und
Feiertagen wird gearbeitet, „Es kommen etlich Eheweiber,
klagen erbermlich wie'” ire Men- || ner seindt weggelauffen,
Habe etliche solche weiber zu zweien || auch zu dreien Jaren,
oder lenger, mit kleinen kindern im || Elendt gesessen, vnd
dieweile kein hoffnung ist, das Ihre || weggelauffene Menner
190 Gerullis, „Skait.“, S. 57: „per Kurschus ir lietuwnikus“, S. 62: „Daug
Kurschu ir Lietuwniku.“
121 Supplikation „Der | kriszanen vndt Tabeller Im l Laubiau-
schen“ (!). E.M. 102d 2 G-—Lauk. Siehe auch unten, S. 296.
102 Qu. S. 414 ff.
13 „wie“ — „daß“ in der Umgangssprache damals gebräuchlich, so auch z.B.
Simon Grunau; Mitteilung Prof. Ziesemers.
> 51
solten wider kommen, So bitten sie || Orlob, andere Menner
zunemenn, Welchs in vnser macht || nicht ist, Soll man sie dan
kegen konigsbergk fur das || Geistlich gericht weisen, So ists
solchen Armen leutenn, vnmug- || lich, haben die vnkosten nicht
auszurichten, wissen sich auch in || die sach des Rechts nicht zu
schickenn, Bleiben also ohne Ehe mitt || grosser fahr der Ge-
wissen sitzen.“ Die Leichen werden zum Teil irgendwo auf
dem Felde begraben, über sittliche Verkommenheit wird
schwer geklagt usw.
Auch die beiden schon erwähnten Regierungserlasse für die
Tilsiter und Ragniter Kirchen von 1578 sowie die beiden
Briefe Moswids"” zeigen ein ähnliches Bild: Höher gestellte
Personen, die ein Vorbild geben sollten, sind 40 Jahre nicht
zum Abendmahl gekommen und gehen nicht zur Kirche; die
Litauer und Kuren treiben Hurerei und Götzendienst, allerlei
Aberglauben und Zauberei mit Wachsbildern von Menschen,
Tieren usw.
Auch die Kirchenväter des Amtes Insterburg können dem
Herzog in einem Schreiben‘” von 1585 „... nicht ber- || gen, daß
in diesen Littawischenn || Orthe, deß mehrern Theils gar ein
Barbarisches || vnnd Heidnisches volck...“ usw. wohne.
Diese Zustände mögen für Bretke mit ein Beweggrund
gewesen sein, nach dem N. T. und den Psalmen zuerst diejeni-
gen Teile des A.T. zu übersetzen, die einen frommen, vorbild-
lichen Lebenswandel zeigen, wie einige Apokryphen und die
Weisheitsliteratur.
Zu der in und um Labiau ansässigen Bevölkerung mit ihren
vier verschiedenen Sprachen kamen besonders im Sommer,
wenn die Ströme und das Haff schiffbar waren, noch viele
Fremde, die durch Labiau reisten und dort Halt machten. Der
ganze Schiffsverkehr von Wilna, Kaunas, Ragnit, Tilsit u. a.
mit Königsberg und den westlichen Ländern vollzog sich auf
der Wasserstraße: auf Wilja, Memel, Gilge, Haff, Deime und
Pregel und ging somit durch Labiau, wo jedes Schiff je nach
der Fracht ein gewisses Schleusengeld zu zahlen hatte.
1 Gerullis, „Skait.“, S, 55 ff. und 61 ff.
195 Gerullis, Tauta ir Zodis, IV, S. 426-432; siehe unten, 5. 404.
1se F.M. 35e eingeg. 6. 12. 1585.
52
In dem Schreiben des Konsistoriums, das Bretke in Labiau
halten möchte, an den Herzog?” heißt es, daß „...sonderlich
bei sommer || Zeitten, viel frembdes volcks alda wanckett...“,
desgl. in einer vom Labiauer Amtsschreiber Paul Pörner ge-
zeichneten Eingabe an den Herzog‘ wegen eines neuen Schul-
zen, „...das der fleckhen |] nicht allein wegen der mutwilligen
einwohner, || Sondern auch wegen des fremden Hier durchrei- ||
senden volckhes vnd Teglichen Zufelle im Ambte...“ einen
tüchtigen Schulzen an die Stelle des verstorbenen brauchte,
der lesen, schreiben und „die SPrachen Könt.“
In einem Briefe vom 19. Juli 1587'* schreibt der Pfarrer
und Konsistorialrat Artomedes an den Herzog, daß das Kon-
sistorium Joachim Schenk, der als Nachfolger Bretkes vor-
geschlagen wurde, geprüft hätte: „...Ist Vnns doch bedenk-
lich, dz er an diesem ort, da der frembde Mann mit hauffenn
hin Vnnd her reiset, Vnnd sich allerle (!) schwere fell zutragl[en]
können, soll gesetzt werde[n] ...“, er müsse noch studieren, was
er dann auch tat.
Als Schenk dann Pfarrer in Labiau geworden war und 1616
einen Adjunkt braucht, schreibt das Konsistorium u. a. an den
Herzog?”, daß ein gewisser zu dem Posten vorgeschlagener
Wichmann nicht nur gut litauisch könne, sondern auch tüchtig
Theologie studiert hätte, „wer || auch zu Labiau nur solche
Persohn || wegen vieler frembder Leute von || allerlej Religion
durchzuges nötigk || vndt dienlichen .. .“
Noch Anfang des 18. Jahrhunderts heißt es in der öfter
zitierten Beschreibung im „Erleut. Preuß.“ II, S. 714: „Sonsten
ist die Stadt || Labiau wegen der starcken Passage derer zu ||
Wasser und zu Lande Reisenden sehr nahr- |] hafft.“
Eine genaue Beschreibung des Wasserweges und ein Bei-
spiel für die „allerle(!) schwere fell“, die sich „an diesem ort,
da der || frembde Mann mit hauffenn hin Vnnd her || reiset‘”",
zutragen können, bietet „Erleut. Preuß.‘””:
197 Qu., S. 430, Z. 14—15; eingeg. 21. 4. 1587.
158 E.M. 102b 4, Aktenheft: „Labiau. Beamte. 1582—1693“; Datum 18. 8. 1585.
19 F,.M. 102e 4.
20 E,M. 102e 4, Aktenheft: „Pfarrer zu Labiau 1616“, Datum 15. 9. 1616.
201 Siehe oben.
202 „Erleut. Preuß.“, Bd. IV, 1726, S. 278 ff.
53
„die so genannte Wit | tinnen oder grosse Fahr Zeuge... welche mit
sehr vielen reich-beladenen || Waaren jährlich aus dem Groß-Hertzog- ||
thum Litthauen nach Preussen herab kom- || men, und in Königsberg
ihre Waaren nie- ll dersetzen, die von da weiter nach Deutsch- || land,
Holland und Engeland verschiffet wer- l den. Diese Wittinnen kom-
men, wie ge- || sagt, aus Litthauen her, und passiren zu erst ll bey
Ragnit und Tilsit den breiten Memel- || strom; Darauff begeben sie
sich beij Schan- || tzen-Krug, einer alten Schantze, und Zoll- || Kruge
(wo der Memel-Strom zur rechten || in die Russe und zur lincken in
die Gilge || fällt) in den Gilge-Strom. Aus demselbi- I gen sind sie
vormals? Rautenburg vorbey zur || rechten Hand in die Krümme nach
Gilge- || dorff gegangen, und allda ins Curische Haff || gekommen:
Auff demselbigen haben sie drey | Meilen fortschiffen müssen, bis sie
eine vier- || tel Meile vor Labiau bey dem Fischer Dorff || Peldzen, in
den Deim-Strom angelanget, || da sie denn mitten durch die Stadt
Labiau || Durch den so genannten Schleussen-Garten I immer in der
Runde, biß nach der neuen I Deim beym Vorwerck Schmerberg ge- N
gangen, von da sie in einer geraden Linie |] nach Tapiau in den Prege
gekommen, und I durch denselbigen in die Runde nach Königs- I berg
angelendet. Es sind aber diese grosse I Fahrzeuge die Wittinnen auff
dem Curischen || Haff sehr unsicher gegangen, indem sie zum I öfftern
von dene[n] da selbst brausenden starcken || Sturm- Winden, auff-
gethürmeten Wellen || und auff getriebenen asser-Fluthen derge-
stalt verunglücket worden, daß sie nicht nur l zuweilen zerscheitert
und zerschlagen worden, || und dabey ihre Waaren und Gütter dem
Wasser überlassen müssen, sondern daß auch || die darauff befindliche
Menschen gutentheils |] selber haben müssen elendiglich ersauffen und
im Wasser ihren Geist auffgaben. Hie l zu ist noch die Boßheit der
Menschen ge- || kommen. Denn da die Preussische Landes- || Herrschafft
höchst rühmlich verordnet, daß || die an dem Curischen Haff wohnende
Fischer I solchen Wittinnen zu Hülffe kähmen, ihnen || in dem Wasser
die eigentliche Bahn und || Gang zeigenten, und sie so viel möglich
möch- || ten glücklich überbringen; oder wenn sie ja I wo auffm Lande
oder im Marrast stecken || geblieben und verunglücket, wenigstens
Menschen und Waaren retten möchten: So || haben unterschiedliche
böse und gottlose Men- I schen solche Wittinnen mit allem Fleiß auff l
die gefährlichsten Oerter gebracht, da sie || am allerersten verunglücken
und die Men- || schen ertrincken können, damit sie sich nur | ihrer
Waaren bemächtigen und damit || bereichern möchten. Wie man denn
sonder- || lich zuletzt, ehe der neue Graben gezogen || worden, von
sehr vielen traurigen Begeben- I heiten auff dem Curischen Haff ge-
höret, l und von sehr vielen scharffen Inquisitionen I und Executionen
gottloser Räuber und Menschen Mörder, die man theils auf- l hencken,
theils mit dem Schwerdt hinrich- l ten, teils rädern und verbrennen,
208 Vor Ziehung des Friedrichsgrabens.
5
und || sonst auff andere Weise vom Leben zum Tode || bringen, und
ihnen ihren verdienten Lohn er- || theilen müssen.‘
- Somit war Labiau ein Ort, der große Anforderungen an
die Sprach-, Welt- und Menschenkenntnis des dortigen Pfarrers
stellte.
Als Bretke nach Labiau kam, bestand dort eine Schule, wie
damals fast bei jeder Kirche in Preußen, wie die entsprechen-
den Kirchenrechnungen (größtenteils in den Ostpreußen-
Folianten) zeigen, die neben dem „pfar“ einen „schulmeister“
nennen; so z. B. 1541 für Labiau?%, wo gesagt wird: „XXVII M
Hat der pfar“ (folgt Aufzählung des Pfarrackers usw.), und
gleich danach: „xij M dem schulmeister.“
Die Schulmeister an kleineren Orten waren, wie die ge-
ringe Besoldung®* von 12 und 6 M. jährlich, ohne Land und
nennenswerte Naturallieferungen (während der Pfarrer 20,
27 und 50 M.?", meist vier Pfarrhufen und sonstige Einnahmen
hatte), sowie ihr schneller Wechsel zeigt’”, genau wie die pol-
nischen „zacy“ und die ukrainischen „Djaken“ (aus „Diako-
nos“), junge Leute ohne Familie, meist Theologiestudenten
ohne Abschlußexamen, die im Lande herumzogen, den Pfarrern
halfen und sich gewöhnlich als „Schulmeister“ für eine gewisse
Zeit verdangen, um so die Mittel für ihr weiteres Studium
oder ihre Weiterreise zu erwerben. So schreiben der Königs-
berger „Rector Vnndt Senatus || Academiae...“ am 1. Juli 1623
in einem vom Herzoge angeforderten Gutachten über „Fride-
ricus & Lingen“, der als Pfarrer für Auglitten in Aussicht ge-
nommen war, „...Daß Er Von || Lingen Zwar für etzlich Jha-
ren allhie nalen. sich |} aber nicht allwege bey der Vni-
versitet aufgehaltten; || Sondern Zue Zeitten im Lande Her-
umbgezogen, Vor- || wendende, daß er sich im Predigen Exer-
cire...‘”® Ein „Franciscus Bauarus || S.S. Theologiae Stu-
dios[us]“ erinnert den Herzog in einem Schreiben vom 6. Mai
1600 daran, daß ihm Beförderung versprochen sei, und bittet,
‚... weil ietzt der H[err] Lampertus Pfarrer Zur || Goltbach
2% Ostpreuß. Fol. 1273, S. 122°.
20 Fbenda, S. 123, desgl. Ostpreuß. Fol. 1274, S. 310".
206 Wert des Geldes siehe unten, S. 63.
207” Siehe Labiauer Schulmeister unten, S. 56.
268 E,M. 137 c—d Bött., Aktenheft: „Auklitten.“
55
Von E.F. Dht. An Ein Andern Ort bey || Holandt liegendt ver-
versetzt ist worden...“, und die Stelle wieder mit einem
Pfarrer besetzt werden müsse, „...Insonderheit mit || einem
Solchem (!) der der Litiauischen sprache auch || erfahren sey,
weil es An dem ort Viel Littaue[n] || hatt... E. F. Dht.
wolten mich || armen Studiosum vor eim Andern, der ich auch ||
schon den gantzen winter auffgewartet habe, Zu || Solchem
Pfardienst nach der Goldbach verhelffen || Vnd weil Ich (Dei
benignitate) die Littauische sprache || Zimlich studiret, mich An
Ermelten Ort Vnd Pfardienst || Versetzen...“; in einem Ver-
merk auf dem gleichen Briefe heißt es etwas genauer, er hätte
schon „...alhie Jm land Jn || schulen gedienet... .””.
Da sie gewöhnlich, wie gesagt, nicht lange an einem Ort
blieben, ist es nicht verwunderlich, daß so wenige Namen
dieser „Schulmeister“ und so selten konkrete Angaben über
ihre Persönlichkeit erhalten sind.
So ist auch für die Zeit Bretkes erst 1577 ein Schulmeister,
„Albertus‘”' genannt, „der litauisch predigte und sang“, des-
gleichen ein Daniel Vrassus (Theol.), der in demselben Jahre
angenommen wurde und im gleichen Jahre entlief, 1579 im
Sommer unterzeichnet ein „Johannes Pyleannder (?)’”* Ludi-
moderator in Labiaw“ die Concordienformel, der gleichfalls
Theologe war, 1580 ist dort ein Christoph Weiner (Theol.),
15853 ein Salomon (Theol.), von Anfang 1586 bis Mitte 1587
Jochem Schenk (Theol.), der nach Vollendung seines Studiums
in Labiau Bretkes Nachfolger wurde; 1589 „sind ein Haufen
gewesen“.
Somit könnte, soweit zu sehen ist, nur vielleicht jener
Albertus für Bretkes Sprachkenntnisse von Bedeutung gewesen
sein.
Die Pfarrstellen in Bretkes nächster Nachbarschaft waren
wie folgt besetzt:
In dem etwa 5 km entfernten Legitten, wo 1531 ein preu-
Risch predigender Pfarrer saß, der höchstwahrscheinlich Va-
20 E.M. 137d, Goldbach, Aktenheft: „Pfarrer zu Goldbach 1600.“
210 Die Angaben über die Schulmeister verdanke ich Herrn Superint. Dos-
kocil.
211 Siehe Abb. 5, T. IV (unterschrieb nach Bretke).
56
een
un
lentinus Gersdorf hieß und 1558 dort starb”*, war, als Breike
das Labiauer Pfarramt antrat, der 64jährige Conradus Listrius
oder noch Hieronymus Musculus, der aber sicher bald von
C. Listrius abgelöst wurde, da dieser 1567 das Corpus Doctrinae
„Conradus Listrius pastor In Legitte[n]‘“”* unterschrieb.
Es ist sicher der gleiche „Chunradus Listrius“, der von
1534(?)—1555 Pfarrer in dem 25 km entfernten Heiligenwalde,
von da ab bis zum Antritt der Stelle in Legitten aber noch
woanders Pfarrer war, denn im Wintersemester 1566/67 wird
in Königsberg ein „Caspar Lystrius, Heiligen waldensis“”*
immatrikuliert, der also ein in Heiligenwalde geborener Sohn
unseres Lystrius in Legitten war und etwa 1570 von dem „Ca-
talogus Alum- || norum“ des Königsberger Alumnats „in Tartia
Classe“ als „Casparus Listrius“ ohne weitere Angabe einer
Sprache, die er beherrschte, aufgeführt wurde (siehe hierzu
unten, S. 402). 1579 unterzeichnet er die Concordienformel
neben seinem Vater „...Conradius Listrius Senior pastor La-
gittensis || octuagenarius denuo” subscripsit‘*" wie folgt: „Ca-
sparus Listrius junior pastor Lagittensis || manu mentogq[ue]
subscripsit“”*.
Vielleicht konnten beide Preußisch, denn sowohl Heiligen-
wald wie Legitten liegt im preußischen Sprachgebiet, und ein
Tolke wird weder hier noch dort genannt, dagegen in der Le-
gittener Kirchenrechnung von 1594” „6 M tolckgeldt dem Herr
pfar“, was nicht unbedingt bedeuten muß, daß der damalige
Pfarrer M. Joh. Fabritius preußisch gepredigt hätte, denn es
wurde das Tolkgeld den Pfarrern aus alter Gewohnheit noch
einige Jahre hindurch gezahlt, ohne daß sie einen Tolken hielten
oder selbst predigten; doch bedeutet dies, daß irgendwann, wohl
nach C. Listrius, ein Tolke gehalten worden ist.
212 Siehe Gerullis, „Zur Beurteilung des altpr. Enchiridions“, Streitbergfest-
schr. S. 103.
213 Siehe zum „Corp. Doctr.“ unten, S. 64.
»14 9, 2. 1567, Erler, Königsb. I, S. 39.
215 Er hatte die Concordienformel schon einmal auf S. 2r wie folgt unter-
zeichnet: „Ego Conradus Lystrius aetatis meae 80 et ministerij 45 pastor
Legittensis || Ecclesiae subscribo.“ Damals unterschrieb sein Sohn nicht,
»10 5. 15v; siehe Abb. 5, T. IV, Abb. 29, T. XV.
27 E,M. 102d 2 Leg.
57
Litauisch können beide Listrius also mindestens von Hause
aus nicht gesprochen haben.
Conrad Listrius starb wahrscheinlich Januar 1585. Sein
Nachfolger und Bretkes Nachbar wurde ab 25. Februar 1585
M. Joh. Fabritius, der noch 1603 im Amt war und das Tolkgeld
erhielt.
Wer um 1563 in dem 10 km entfernten Laukischken (oder
Friedrichsburg) Pfarrer war, läßt sich nicht feststellen.
1579 unterschreibt: „Daniel Gallus pastor Ecclesiae dei in
Laukisch- || ken“ die Concordienformel, der wahrscheinlich da-
mals vor nicht zu langer Zeit dort hingekommen war”“. Er
konnte ausgezeichnet Litauisch, korrigierte bis zu Bretkes Weg-
gang von Labiau nach Königsberg fast jedes biblische Buch des
Bibelmanuskripts und später in Ragnit gemeinsam mit an-
deren?" die „Postilla“ Bretkes. Er war noch 1602 im Amt und
wurde 1607 nach seinem wohl in dem gleichen Jahre erfolgten
Tode durch seinen Sohn, Andreas Gallus, abgelöst.
In den etwa 20 km entfernten Kirchdörfern Posteniken,
Rinau und Ceymen wurden preußische Tolken gehalten, so
daß die betreffenden Pfarrer sicher nur Deutsch konnten.
Die Pfarrstelle war, als Bretke nach Labiau kam, an Land
mit 1,5 altkulmischen®” Hufen und 8,5 altkulm. Morgen Acker,
Wiesen und Strauch dotiert, wozu noch ein „Pauer Erbe“ von
21 altkulm. Morgen Acker und 9 altkulm. Morgen Wiesen und
Strauch in Reickeninken, sowie ein Pfarrhube „hinder den
Stegen“ kam, „so mangelt Jme noch dass er || 4 hueben nicht
Voll hatt 6% Morgen“, Da hier eine altkulmische Hufe 30
altkulmische Morgen hat, betrug die Gesamtfläche des Kirchen-
ackers 113,5 altkulm. Morgen oder nach heutigem Maß 63,7 ha”.
Das Gehalt betrug etwa 40-50 Mark?*”. Dazu hatte er „einen
218 Genaueres siehe S. 247 ff.
212 Siehe S. 102 ff.
22° Zu den Angaben „altkulmisch“ usw. sowie zu den Umrechnungen in heute
gebräuchliche Maße siehe Stein: Agrarreform, S. 20 ff.
22 URS A255 Zr 10— 17; "
>22 Nach der Kirchenordnung von 1568 (siehe Georg Grube: Corpus Constitu-
tionum Prutenicarum..., Königsberg 1721, Pars 1, S. 9) war verordnet,
„das an vermüglichen Oertern ein Pfarherr I soll haben 4 Huben Landes /
und funfftzig Marck“. Labiau war nun kein besonders vermögendes Amt,
58
freien tisch“, aber doch wohl sicherlih, wie der „Schul-
geselle“, nur als Unverheirateter*. j
Naturallieferung hat er anfänglich vom Hause Labiau nicht
erhalten, sondern nur 10 M. Bargeld, die ihm aber auch erst
später zugelegt sein können, Bicdeuralls 1568 hatte er sie be-
reits’”.
Als Bretke nun im Herbst oder spätestens Ende 1562 nach
Labiau kommt, heiratet er alsbald seine Verlobte, das Fräu-
lein von Werthern, die er sicher schon aus der Zeit in Fried-
land und Bammeln kannte. Sie war, als sie heiratete, bereits
Vollwaise. Die Hochzeit hat Ende Januar oder Anfang Februar
in Labiau stattgefunden.
Es war damals üblich,. daß der Grundherr seinen Unter-
gebenen eine Beisteuer zur Hochzeit spendete, und daß diese
ihn darum angingen. So wurde auch der Herzog von höheren
und niederen Beamten seiner Patronatsgebiete um einen Teil
der Hochzeitsausrichtung gebeten; so wendet sich z. B. die
Witwe „des Caplans auff dem berge“ in Königsberg 1559 mit
einem Schreiben” an den Herzog, teilt ihm mit, daß sie den
nach Tilsit bestimmten Pfarrer „Egidio“ (Löbel””) heiraten
wolle: „...Dieweil aber mein seliger lieber Ehegath
E.F.Dt. ein Zeitt lang gedienet, sich ije vnd allwegen
aller gnaden Zu E.F.Dt. versehen, desgleichen auch mein
itziger Breuttgam, Der Zuversicht Gnedigster Fürst
. Vnnd Herr, Hab ich nicht vnderlassen können (, vnd
sonderlich das ich weiß, daß E.F.Dt. Den Sehlsorgern
obwohl es der Herzogin Anna Maria bei der Hochzeit als „Leib gedings
Ambt“ übereignet wurde (Doskocil; Lohmeyer: Nostitz, S. 104 Anm. 3).
Das Gehalt des litauischen Pfarrers Willent in Königsberg, der keinen
Acker, sondern nur ein gewisses Deputat hatte (siehe unten, S.89 Anm. 353),
betrug damals 70 M., es wurde aber wahrscheinlich 1563 auf 90 M. er-
höht, da er mit seinem Gehalt nicht auskam (siehe unten, S. 71); somit
dürften die vier Pfarrhufen Bretkes mit 40—50 M. in Anschlag gebracht
worden sein.
228 Ostpreuß. Fol. 1273, S. 122”, 1541, siehe auch Bretkes Angabe, er müsse
heiraten, weil er nicht im Gasthause speisen könne (unten, S. 60, und
Qu., S. 418, Z. 10 ff.).
22 Siehe unten, S. 304 ff.
2» Qu., S. 423, Z. 24f.
220 E.M. 138 ee, registr. 2. 7. 1559.
2” Arnoldt, Nachr. II, S. 137.
59
gnedigst gewogen.) E.F.Dt. mit Diesem meinem geringen
Schreyben In aller vnderthenigkeyt zu besuchen gantz vnder-
theniglich biettende, dieweil wir von beyden theilen
arm siend vnd wenigk vermögen, E.F,Dt. wolden
das lohn von Gott dem allmechtigen nemen, Vnd vns mit
einer kleinen steuer, Zu solchen Hochzeitlichen früden
in gnaden Zu Hülff komen, es sey warmitt es wolle...“
Darauf wurde ihnen vom Hause Tilsit „1. fas bir || 6. scheffl
Rock[en]** || 2 schefl weitzen?* || [item] ettwas fleisch“ ange-'
wiesen.
Ebenso weist „Thomas glaiboth“, „Jeger Zu Labiaw“, 1573
in einem Schreiben?” auf seine elfjährige Dienstzeit hin und
bittet den Herzog, er wolle ihm zu seiner „...hochzeitlichen
freüde, etwan mit 6 scheffeln || Rocken. auch einem par fasse
bier. vnd etwan || mit einem Elendt. aus gnaden behülfflich
sein.
So wendet sich auch Bretke vor seiner Hochzeit, Anfang
Januar, in einem für die damalige Zeit recht guten Latein’*
an den Herzog, seinen Patronatsherrn — es ist das erste er-
haltene Schreiben von seiner Hand.
Bretke kann nicht wie andere bereits auf irgendwelche Ver-
dienste oder eine längere Dienstzeit beim Herzog hinweisen,
so stellt er seinen Dienst in Labiau als Dank gegen das Vater-
land, die Freunde und die Eltern für die empfangenen Wohl-
taten hin, denn nach den Worten Ciceros gäbe es „nihil enim
magis pium, nihil honestius, [quam] || patriae parentibus [et]
amicis pro acceptis beneficijs gratias referre“ und erinnert
nicht nur durch das klassische Zitat zu Anfang und durch das
Latein voller Perioden, sondern auch noch ausdrücklich durch
Erwähnung seiner litauischen und preußischen Sprachkennt-
nisse an seine Gelehrsamkeit und seine Fähigkeiten.
Bretke gibt als Grund seiner Eheschließung an, daß das
Haushalten ohne Frau und das Speisen in einem Gasthause,
wo täglich das gemeine Volk lärmt, für einen gelehrten Mann
(wie ihn) beschwerlich sei?”. Er bittet, weil er „ob sumptuum
228 6& altpr. Scheffel Roggen = 222,2 kg oder rund 4,5 Zentner.
222 2 altpr. Scheffel Weizen = 77,1 kg oder rund 1,5 Zentner.
20 E,M. 102b 2, Datum 16. 1. 1573.
2: Nach dem Urteil von Herrn Professor Dr. Theiler, Königsberg.
22 Qu., S. 418, Z. 10#f.
60
penuriam [et] facultatem || tenuitatem“ die Hochzeit nicht
„usitato [et] honesto more“ feiern könne, um die nötigen Le-
bensmittel; der Herzog wäre seine letzte Hoffnung.
Darauf wird das Haus Labiau am 20. Januar 1565 angewie-
sen, ihm 3 Scheffel Weizen?®, 6 Scheffel Roggen’*, ein Maß Bier
und einen halben Ochsen zu geben.
Bretke feierte Hochzeit und begann sein Leben in Labiau
als Pfarrer und Ackerbürger.
Wie Ostermeyer berichtet””, ist er „der erste, der in Labiau
ohne Tolken || gepredigt“, wobei sich Ostermeyer vielleicht
wie Arnoldt in den „Nachrichten“ auf „Stimers Bericht“ oder
auch nur auf Arnoldt stützt, bei dem es heißt: „weil er der
littauischen Sprache mächtig war, || predigte er nach Stimers
Bericht ohne Tolken oder Dollmetscher.“
Fraglos hat Bretke aber nur deutsch und litauisch gepre-
digt, denn in dem Schreiben der Labiauer Amtskanzlei an
Georg Friedrich vom 9. Juli 1584” heißt es von Bretke: „das
ehr zu der || deutschen predig auch Littauisch predigen muß“,
und deshalb solle der Kirchendezem der Litauer etwas erhöht
werden, damit er „seines Ambtts in Beiderley || Sprachen mitt
desto mehren vleiß vnd nutzs“ obwarten könne.
Die dortigen Preußen und Kuren werden sicher bereits
entweder Deutsch oder Litauisch verstanden haben. Bretke
hätte an den verschiedenen Stellen in seinen Briefen an den
Herzog, wo er um irgendwelche Vergünstigungen bat, dabei
seine Verdienste um die Kirche hervorhob und von seinen
deutschen und litauischen Predigten sprach, sicher nicht ver-
schwiegen, wenn er auch preußisch oder kurisch gepredigt
hätte. So schrieb er in einer am 18. Dezember 1568 erledigten
Eingabe’* an die Regimentsräte: „das Jch der || kirchen Christi
Zu Labiaw beide Jn Deüttscher || vnd Littawscher sprace...||
mit predigen vnd Sacrament reichen...||... hab || für gestan-
den...“, in einem am 23. Februar 1569 beantworteten Briefe
233 152,17 Ltr. = 115,65 kg, rund 2,3 Zentner.
»3® Rund 4,5 Zentner, siehe S. 60 Anm. 228.
?35 „Liedergesch.“, S. 18.
se I], S. 49.
2” E.M. 102e 4, Aktenheft von 14 Blatt, Blatt 1.
2s8 Qu., S. 419, Z. 11—15.
61
an die gleichen’®: „...dieweil Jch meinem Vaterlandt ]n deüt-
scher || vnd Littauscher sprache nach Vermugen ]n meine[m] |
ampt Zu dienen, nicht indler|gelassen...“, am 29. März 1570
an den Bischof’, wenn ihm seine Forderungen erfüllt würden,
wäre er „...erputtig dieser Kirchen... ||... Jn deudscher vnd
littauischer sprache || wie bishero geschehen, auch ferner vor
Zustehen“, an Georg Friedrich in einem am 21. Juli 1580 ein-
gegangenen Schreiben”: „das Jch nun gantzer Acht Zehen Jhar
der Christ- || lichen Kirchen Zu Labeaw beide in Deutscher vnd
Litta- || wischer sprache...|| gedienet“, in einer am 3. Juli 1584
‘erledigten Supplikation’” an den gleichen: „das ich zu Labiaw
Jtzt fast vmgehender Zwey || vond Zwantzig Jhar fur Einenn
Pfarherr, beide || Jnn Deutscher vnnd Liettauscher sprach,
gedienet || habe“, in seiner Bewerbung” um die Pillupöner
Pfarrstelle endlich, die am 27. März 1587 eingegangen ist,
gleichfalls an Georg Friedrich, daß er fast ein alter Diener sei
„...Vvnd so || eine lange Zeit beide der Deütschen vnd Lit- ||
tauschen Kirchen ... gedie- || net“.
Es wäre Gelegenheit genug gewesen, von seinen preu-
Rischen und kurischen Predigten zu sprechen. Bretke hat also
nur in der individuellen Seelsorge und im persönlichen Ver-
"kehr Preußisch und Kurisch gesprochen. Wie schon angedeutet,
suchten die Regierung und das Konsistorium Bretke hauptsäch-
lich seiner Sprachkenntnisse und seiner theologischen Gelehr-
samkeit halber, die im Verkehr mit Leuten von allerlei Be-
kenntnis nötig war, immer wieder in Labiau zu halten“*,
Aber so viel Erfolg Bretke auch infolge seiner Fähigkeiten
als Pfarrer hatte, so wenig glückte es ihm als Ackerbürger.
Im Laufe der ersten vier Jahre borgt er sich von „gutten
leudten“”* in Labiau etwa 100 Florinogulden (= 150 preu-
2» Qu, S. 421, Z. 2—3.
220 Qu., S. 423, Z. 39—42.
21 Qu., S. 426, Z. 24.
222 Qu., S. 427, Z. 30-33.
238 Qu., S. 429, Z. 19-20.
' 24 Siehe z. B. unten, S. 85.
2 In der Verschreibung von 150 M. der Herzogin Anna Maria (E.M. 102e 4,
Datum 26. 12. 1567) heißt es von Bretke, er habe „...gutte leudt vmb
hulff anruffen ll vnd sich Jn schulden stecken mussen welches l sich vn-
geferlich Jnn die einhundert gulden l verlauffen solle...“
62
Rische Mark), was ungefähr das Drei- bis Vierfäche der Summe
ausmachte, die er jährlich an Bargehalt erhielt’. -
Anstatt daß jetzt, wo Bretke im Amt war, seine Studien-
schulden abgetragen wurden, die er auch Anfang 1569 noch
nicht bezahlt hatte”, kamen noch ganz ansehnliche weitere
Summen hinzu.
Wie war das möglich? Er hatte doch fast 4 Hufen (63,7 ha)
außer seinem Bargehalt; selbst wenn der Acker z. T. schlecht
oder auch anfangs noch nicht recht urbar war, so war min-
destens das Land an der Kirche in Ordnung und das Land in
Reikeninken nicht schlecht, da Bretke später dort noch eine
Hufe durch Tausch zu gewinnen sucht, die er auch bekommt.
Der Bauer von damals hatte, wie die Landverleihung des
Ordens an Kolonisten zeigt, gewöhnlich zwei altkulmische
Hufen (33,62 ha), was bereits als ein vollwertiger Bauernhof
angesehen wurde, während ein Einhüfer, d. h. der Besitzer
nur eines „Bauernerbes“, für armselig galt’*.
Man konnte also zur Not von einer Hufe leben, Bretke
hätte aber bei einigem guten Willen im ungünstigsten Falle
nach einem Jahre über 2% Hufen in Ordnung und hinfort den
entsprechenden Ertrag haben können.
Dazu kam, wie gesagt, das Gehalt von 40-50 M.
Um eine Vorstellung von dem Werte des Geldes zu er-
halten, seien folgende Preise aus der 2. Hälfte des 16. Jahr-
hunderts mitgeteilt, wobei zu beachten ist, daß nach 1540 die
Preise langsam ansteigen”.
1559 Tapiau für 10 M 20 alte Schafe
1559 n „ 9 M 30 Lämmer
1575 Tilsit „ 10 M 385,5 kg Weizen (1 Ztr. = 1,5 M)
1575 „ 10 M 49,1 kg Butter (1 kg = 0,2 M)
1576—77 Taplacken „ 10 M 22 kg gute Schafwolle (1 Pfund 0,46 M)
.1576—77 ” „ 10 M 27,5 kg schlechte „preusche“ Wolle
(1 Pfund 0,37 M)
1576—77 „ » 6-10 M eine alte Stute
1576—77 ” bis 60 M eine gute Stute
:16 Wert des Geldes siehe hier unten.
217 Siehe weiter unten.
218 Siehe R. Stein, Agrarverfassung, S. 113 ff.
4 Mitteilungen von Herrn Dr. Stein, Königsberg.
63
1583 bei Memel für 10 M eine alte Stute
1583 „ re »„ 15 M ein Wallach
1583 „ > » 8M ein alter Wallach
15853 „ hs » 7 M eine Kuh
15835 „ .n » 6M eine Sterke
1583 „ 5 » 3 M ein Bulle im zweiten Jahre
1583 „ 10 M 120 Hühner
1585 een „ 10 M 932,48 kg Hafer (1 Ztr. — 0,54 M)
1595 Tilsit „ 10 M 462,85 kg Roggen (1 Ztr. = 1,08 M)
1599 Taplacken „ 7—10 M eine Kuh.
Wenn das Gehalt somit auch dürftig war, so war es doch
ein ausgezeichneter Zuschuß zur Wirtschaft und auch nicht
anders gedacht.
Nach vier Jahren, Ende Mai 1567, ist Bretke in Königsberg
und nimmt an der Generalsynode?” teil, auf der durch das
„Corpus Doctrinae“, das von den anwesenden Pfarrern durch-
beraten, angenommen und unterschrieben wurde, den osian-
drischen Wirren ein Ende gemacht werden sollte“.
Möglicherweise übergab Bretke schon damals den zustän-
digen Stellen persönlich?” ein Bittgesuch an die Herzogin Anna
Maria, in dem er seine Not schildert, an der der schlechte
Acker und das geringe Gehalt schuld sein sollen, und bittet
um 100 Florinen, um seine Labiauer Schulden bezahlen zu
können. Jedenfalls forderte die Herzogin in der 2. Hälfte des
Jahres 1567 von dem Labiauer Amtshauptmann und dem dor-
tigen Amtsschreiber Paul Pörner einen Bericht über Bretkes
wirtschaftliche Lage, worauf sie ihm in einer Verschreibung
vom 26. Dezember 1567 die 100 Florinogulden (= 150 preu-
Bische Mark) zur Tilgung seiner Schulden zu geben verspricht,
und zwar in drei Raten zu 50 M. Gleichzeitig bekommt das
Amt Labiau Anweisung, Bretke drei Jahre hindurch je 50 M.
außer seinen sonstigen Bezügen zu geben”.
Bald darauf erhielt Bretke die erste Rate’“.
Die Herzogin Anna Maria wurde öfter von Leuten aus
250 26.—30. 5.1567. Abb. 4, T. III.
25 Arnoldt, Kirchenhist., S. 313 ff.
252 Chr. Alzunius war bereits besoldeter Hofrat Albrechts (Forstreuter,
Alzunius, Altpr. Biogr., S. 11, und oben, S. 36).
:» E.M. 102e 4; siehe oben, S. 62 Anm. 245.
253 Qu. S. 421, Z. 6f.
64
ihrem „Leibgedings Amt Labiaw“ in der Not um Hilfe ge-
beten: 1554 bitten die Kirchenväter sie unter Berufung auf
ihre Zugehörigkeit zu dem „Leibgedinge“ um Ziegel für das
Schulhaus’®, 1567 klagen die Kirchenväter über ihren Bürger-
meister”; dem Amtsschreiber von Labiau, Daniel Brachwitz,
verschreibt sie auf seine Supplikation 300 M., die in drei Jah-
resraten zu 100 M. gezahlt werden sollten” usw.
Doch wie sich bald zeigen wird, ist Bretke mit dem Gelde
nicht geholfen, die Labiauer Schulden werden nicht getilgt,
und die sechs erhaltenen Briefe aus der Labiauer Zeit sind
ausnahmslos Klagebriefe über seine schlechte Wirtschaftslage,
deren Grund der minderwertige Acker und das geringe Ge-
halt sein sollte.
Hier entsteht die Frage: Hat Bretke in diesen Briefen an
seine Obrigkeit die Unwahrheit gesagt, oder ging es ihm tat-
sächlich aus irgend einem Grunde schlecht?
Die Durchsicht der entscheidenden Stellen in den Klage-
briefen hilft weiter. Es sind folgende:
(An den Herzog, Mitte März 1563) -
„...cum ob sumptuum penuriam [et] facultatem
tenuitatem, nuptias celebrare usitato [et] honesto more non possim‘258
(in dem Konzept zur Verschreibung der Herzogin vom 26. De-
zember 1567 heißt es von Bretkes Gesud, er hätte:)
»... furgebracht,
Wie25 er einen geringen Acker vnd kleines
einkumen zu seinem Pfarambt
neben geringer besoldung hette. Darbej
er sich etzliche Jar her nicht erhalten künnen.
sondern gutte leudt vmb hulff anruffen
vnd sich Jn schulden stecken mussen‘2%
(an die Regimentsräte, erled. 18. Dezember 1568)...
„»...Hette mich auch verhoffet, das
dieweil Jch des altars daselbs pflegte, Jch auch
von demselbigen meine notturfftige leibes vn-
terhaltung haben würde. Nun aber hab Ic
25 F,M. 102e 4, Pack 3.
2° E.M. 102e 4, Pack 3.
257 E.M. 102b 2.
258 Qu., S. 418, Z. 14 ff.
2» „wie“ — „daß“, siehe S. 51 Anm. 193 und S. 188.
260 Siehe oben, S. 62 Anm. 245,
5 Falkenhahn, Bretke 65
diese gantze Zeit vber, der vier pfarhuben. auch
souiel nicht genissen können (denn es sehr
nidriger, sumpffichter vnd Seegründiger acker ist)
das ich dauon bier vnd brott zu vnterhaltung
meines hauses hette haben können. Sondern
hab sampt weib, Kindern vnd gesinde alleine
von der Jerlichen besoldung leben müssen .. .“2%
(an die Regimentsräte, beantw. 23. Februar 1569):
»...Jch... || ... habe
zuerkennen geben das Jch Zu Labiaw einen vnfrucht-
baren acker habe, vnd mich von der blosen besoldung
Jtzt fast sieben Jhar nicht erhalten können, sondern
damit Jch weib und Kindt erneren möchte, mich ]n
merckliche schülde hette stecken müssen .. .“22
(an den Bischof, der vor % Jahr visitierte, Datum 29. März
1570): »...Das auch, dieweil der
acker so die kirche noch hat? Zürstrewet,
weit abgelegen. vnd ein Pfarherr dessen
ein gutt teil Zu seinem nutz nicht brauchen kan...?%
wenn die Wünsche nicht erfüllt würden...“ Zwinget
mich die große armut, vnd schult, darein
Jch mich diese acht Jhar vber nothalben habe
stecken müssen...“, daß er sich woanders hin begibt.
(an den Herzog, eingeg. 21. Juli 1580):
»:.. (Weill aber Doselbst eine gar geringe
vnterhaltung, vnd sunsten der Acker welcher Zwar
an Jhm selber nicht so gahr böse) von...“ dem Pfarrhause
z.T. weit abgelegen, machen ihm die Bauern viel Schaden,
so daß er in Schulden geraten ist und all sein Vieh ver-
kaufen musste?%,
(an den Herzog, erled. 3. Juli 1584):
„...Kann Aber...
Abermahl nicht Vorhaltenn, das
die Einkunfte daselbs Also geschaffenn, das ich ]n
Eusserster Armutt dieselbige lange Zeit mit weib
Vnnd Kindt, Hab lebenn mussenn, welchs Am meis-
tenn dahero kommenn, das der Kirchenn Acker nicht
Alleine nichts taug, sondernn die helfte fast vber ein
261 Qu. S. 419, Z. 15—22.
28271. 9.420, 2, 21—29.
es Ein Teil des Ackers ist ihm inzwischen abgenommen.
I (Of Br Ar :
205 Qu., S. 426, Z. 5 ff.
66
virtelweges?® Abgelegenn ist, da ich Jn denn nicht Allein
mit Zwifachenn Vnkostenn beerbeittenn, sondernn
auch Leidenn mussenn, das mir von den Einwonnern
Jm dorff Regnikenn, Jerlichenn meinn Gedreidich,
durch Jhr viehe ist Abgefretzet wordenn, Ja Auch stets
bestolenn, wie mir denn das vergange ne Jhar in die
4 fuder gebundene gerste hinweg gefuret ist wordenn
Weil mir denn Jnn solcher Eusserstenn Armutt
vnnd Vngelegenheit mit Weib vnnd Kindern
Zuuorharrenn vnmuglich, als Zwinget, mich die hehe
noht...“, um Versetzungen an ein „...bessers vnd
Ruhesamer ortleinn...“ zu bitten?%,
(an den Herzog, eingeg. 27. März 1587):
„...das Ich
auch... mich sampt weib vnd Kindern
hinfort nicht entsetzen Kan, denn ob wol die
stehende besoldung sich auff 60 fl? erstrecket,
so sind doch dargegen hier Keine Acciden-
tia?®% wie anderswo, vnd die Pfarhuben, so
nidrig. naß, Kalt, vnd vnfruchtbar das
Jch kein Jhar meines hau
ses notturfft
an Bier oder Brot habe bawen Können,
sondern alle Zeit meine besoldung vor
der Zeit auffheben, vnd in die heushaltung
stecken müssen...“
Weil die Jahre immer schwerer werden.
»...vad mir Jmer-
dar in solcher armut Zu leben gar beschwerlich,
Zwinget mich die eusserste noth vnd armut,
das Jch meine verbesserung anderswo suchen
moß.. “270
Es fällt auf, daß sich Bretke betreffs der Güte und Brauc-
barkeit des Pfarrackers erheblich widerspricht. Während er
an die Regimentsräte Dezember 1568 schreibt, daß er mit Fa-
milie und Gesinde „alleine || von der Jerlichen besoldung leben
müssen“, 1569 an die gleichen, daß er einen „vnfrucht- || baren
206 eine Wegstunde etwa 5 km.
207 /QYu., 32427. 70 55.88:
2 fl — Florinogulden; das Anfangsgehalt ist im Laufe der Labiauer Zeit
erhöht worden, siehe unten, S. 831.
2 Akzidenzien — Gelegenheitseinkünfte der Geistlichen für Begräbnisse,
Taufen, Trauungen usw., Stolgebühren.
270 Qu., S. 428, Z. 45 ff.
a 67
acker“ habe und sich „von der blosen besoldung || Jtzt fast
sieben Jhar nicht erhalten können“, drückt er sich 1570 in dem
Briefe an den Bischof, der vor % Jahren da war, vorsichtiger
aus: „...dieweil der acker so die kirche noch hat“, zer-
streut und weit abgelegen sei, „vnd ein Pfarherr dessen |] ein
gutt teil Zu seinem nutz nicht brauchen kan“, ja, in dem Schrei-
ben an den Herzog von 1580 gar „der Acker welcher Zwar || an
Jhm selber nicht so gahr böse“, nur weit (2 km) abgelegen sei.
In dem Briefe an den Herzog von 1584: „...das der Kirchenn
Acker nicht || Alleine nichts taug“, sondern auch abgelegen sei;
ähnlich 1587 an den gleichen.
Das heißt also, daß der Acker mindestens zu einem großen
Teile durchaus brauchbar war, und Bretke auch eine Landwirt-
schaft mit Gesinde betrieb, wie aus dem Schreiben von 1568
hervorgeht, wo er sein Gesinde erwähnt.
Hat Bretke somit die Unwahrheit gesagt?
Sieht man die Privatkorrespondenz anderer Geistlicher und
Beamten mit ihrer Behörde aus jener Zeit durch, so zeigt sich,
daß auch sie zum größten Teil aus Klagebriefen über schlechte
Wirtschaftslage infolge geringen Einkommens besteht und in
gleichem Ton geschrieben ist, so daß hier ein gewisser „lite-
rarischer Stil“ vorzuliegen scheint, in dem die Wünsche nach
Einkommensverbesserung zum Ausdruck kamen, ohne daß in
jedem Falle’eine wirkliche Not die Veranlassung zu einer sol-
chen Klageepistel gewesen zu sein brauchte.
Auffällig ist die verhältnismäßig große Zahl der von Bretke
erhaltenen Supplikationen, die m. W. die der anderen Geist-
lichen übertrifft. Es mag Zufall sein, daß gerade von Bretke
so viele erhalten sind, hängt aber auch möglicherweise mit
seinen Beziehungen zusammen, die er nach oben hin hatte, die
ein Gesuch von vornherein viel aussichtsreicher erscheinen
ließen.
Doc die Tatsachen, daß Bretke sich im Laufe von vier
Jahren eine so große Summe leiht, daß er sich seine Ernte vom
Felde stehlen läßt und schließlih zur Befriedigung seiner
Gläubiger seinen ganzen „viestvnd“ verkaufen muß, bezeugen,
daft er tatsächlich ernstliche wirtschaftliche Schwierigkeiten
hatte. Das ist unter den oben dargestellten Umständen nur
möglich, wenn Bretke und seine Frau schlecht wirtschafteten.
68
Ostermeyers Worte im „Preuß. Archiv‘”“, die er schrieb,
nachdem er die Verhältnisse auf dem Lande 54 Jahre”? lang
selbst gesehen und erlebt hatte, scheinen — obwohl 200 Jahre
später geschrieben — Bretkes Fall zu charakterisieren:
„Hätte der I Prediger an manchen Orten den Akker nicht so l müßte
er umkommen; und wie wenn er zur 1 Wirtschaft keinen Hang hat;
wenn er, wie sehr N oft geschiehet, vom Akkerbau keine Kenntniß
hat. ll und eine Frau bekommt, die auch nichts davon ver- || steht; so
kann davon doch wohl keine andere Folge || als die bitterste Armuth
seyn...“
Einige Stellen in den Briefen Bretkes zeigen, woran es lag:
(An die Regimentsräte, erled. 18. Dezember 1568)
„Bitte dem-
nach Zum demüttigsten ewere G:G: vnd herr-
ligkeit wollen hiefurder die vier pfarhuben ]n
F.D. vnsers gnedigsten herren nutz wenden,
vnd mir an stadt derselbigen, von dem hause
Labiaw ein Jerliche ausspeisung mildiglich reichen
lassen. dabey Jch mich entsetzen, meiner studia hin-
fürder desto ruhesamer warten, vnd also der
kirchen Christi mit mehrerm nutz vorstehe muge...“?7?
(an die Regimentsräte, beantw. 23. Februar 1569)
er hatte gebeten
»...ewere g.g. vnd herrligkeiten wollen die verschaf-
fung thun, das Jch an stadt des bösen ackers ein Jer-
liches deputat an getreidich vnd andernn haben möchte
dabej Jch mich entsetzen kündte...“?”4, doch ist ihm seine
Bitte nicht erfüllt worden, daher bittet er wieder „...ewer
g.g. vnd herrligk: wollen...
die verschaffung thun. das mir anstadt der vier
pfarhuben auch ein Jerliche Ausstewer vom Hause
Labiaw gereicht werde, damit Jch meines studirens
deste Ruhesamer warten vnd meinen pfarkindern
deste mit mehrerm nutz furstehen möchte...“
(an den Herzog, eingeg. 21. Juli 1580)
»... Jch auch neben der großen drue-
kenden Armuth meine Studia, vnd sonderlich die
Arbeit wormit Jch viel Jhar vmbganyen, nemlich die
1 „Preuß. Archiv“, 1795, Artikel: „Fortsetzung der Nachrichten von den
Litthauischen Kirchen“, S. 395.
?2 Ebenda, S. 392.
273 Qu., S. 419, Z. 32—38.
27a Qu., S. 420, Z. 29 ff.
69
vornehmen Bucher Altes vnd Newen Testaments in
Die Littawische sprache Zu vbersetzen (weill Die Nation
Gott beßers, biß anhero in Jhrer sprache derer bucher
gahr Keine gehabt) nicht Kan, wie Jch gerne wolte,
Continuiren vnd vortstellen .. .“275
er möchte daher fort von Labiau, wenn der Herzog ihn aber
da haben will, bittet er, ihn
»... von dem schweren haußhaltn
Des Ackerbawes zu entledigen...“ und „...mit notturff-
tigem Brott vnd Vnterhalt Zuuersorgen. Dagegen
Könten E.f.Dt. die 4 Pfarhuben annehmen vndt
dermaßen anwenden, das dieselben viel mehr nutz
vnd besten als Jch gehabt, daruon haben Konten ...“?7e
Es ist klar, daß Bretke für die Landwirtschaft kein Inter-
esse zeigte; er wollte in der Zeit, die ihm der Pfarrdienst ließ,
seinen gelehrten Neigungen leben, litauische Übersetzungen
anfertigen, und nicht in der Wirtschaft nach dem Rechten sehen.
Er, der in Wittenberg studierte und ein reges Interesse außer
für seine Theologie noch für Sprachen und Geschichte hatte,
er, der „homo studiosus“, der wegen des Lärmens des gemeinen
Pöbels nicht im Gasthause speisen konnte und deshalb heiraten
mußte, war gezwungen, in seiner Freizeit einen Teil seines
Einkommens auf dem Felde zu verdienen! Wenn auch eine
gute Dosis Ehrgeiz mitgesprochen haben mag, so ist doch nicht
daran zu zweifeln, daß Bretke, wie kaum ein anderer Geist-
licher der damaligen Zeit, nach dem Examen auf seiner Pfarre
weiter gearbeitet hat: Schon in Labiau übersetzte er das
„Kleine Corpus“ von Judex, das Neue Testament, die Psalmen
und weitere Bücher des Alten Testaments und sicher noch an-
dere Werke, von denen die Zeit, in der sie übersetzt wurden,
nicht feststeht; außerdem schrieb er dort mindestens einen
Teil des „Chronicon“. Weiter lassen eben dieses „Chronicon“
sowie die zahlreichen Exzerpte aus Schriften Luthers, Meland-
thons, Bullingers, Vatablus, Osianders, Münsters, Pellicanus,
Marlorats, Lyras u. a. am Rande und auf freien Blättern der
Bibelhandschrift, sowie die verschiedenen benutzten Bibelaus-
gaben?”, von denen er doch sicherlich einen Teil selbst besessen
275 Qu., S. 426, Z. 16-24.
276° Qu., S. 426, Z. 35—39.
277 Siehe den 2. Teil dieser Arbeit.
70
haben wird, auf eine verhältnismäßig sehr große eigene Biblio-
thek schließen.
Wie sonst eine Pfarrbibliothek damals aussah, zeigt das
Gesuch des Pfarrers Leonardus Budonianus in Rhein’*,
»...bey der Kirchen an Buchernn,
das auch nicht ein einige Bibel oder vffs
wenigist mit einem Neuen Testament, Jre
lehr ZubeZeugenn, die kirch[en] versorget.
Dieweill aber solchs m.g. Dh [en]. Zum offternn
mhal[en] ernnstlich beuolh[en], Salche vnd der-
gleich[en] kirchen notturfft Jn vorrath ]n
die Jnuestaria den kirch[en] Zum besten Zu-
bestellenn, Vff Salche Ir. f[en]. g[en].
gnedige meinung hot abgemelter pfarher
der kirch[en] Zum bestenn vnd derselbenn hohlen]
notturfft, die hernach geschriebenenn
bucher bestelt.
Erstlich[en].
Nicephorus Ecclesias: Histo: [con]stat vi} (6,5) M
Eusebius \/ (4,5) M
Primus K
Secundus
Tertius Thomus Lutheri [con]sta[n]t XX M
Quartus Latine
Quintus
Sextus
Dise Bucher bit der pfarher vffs vnderthenigst
von wegen seines kirchspils Ir. ffen]. g. wollen vorgünen vam
gemeinem kirch[en]gelt Zubetzalen, vnd der
kirchenn Jns Jnuentarium, als ein hohlen] Schatz ]n-
uentiren lassen, damit sich derselben Jre pfarher
Jeder Zeit Zugebrauch[en].“
Auch Willent muß dem Herzog 1554 untertänigst vor-
stellen, daß ihm einige, vor allem theologische Bücher fehlten,
die er „zu Erlernung göttlichen Wortes“ brauchte. Er könne
von seinem kärglichen Gehalt keine Bücher kaufen. Darauf
wurden ihm vom Herzog fünf Florinogulden (7% M.) für
Bücher gegeben. (Siehe Grzybowski, S. 7; E.M. 77b 3.) Die in
dem oben mitgeteilten Briefe angegebenen Buchpreise zeigen,
wieviel Bücher Willent für das Geld kaufen konnte!
Wie wenig es Bretke letzten Endes um das Geld ging und
ihm damit geholfen war, sondern darum, die Landwirtschaft
78 Herzogl. Briefarc. I, Kasten 1557 (ohne näheres Datum).
41
loszuwerden, beweist, daß Bretke dem Bischof Mörlin?”, als
dieser Herbst 1568” — also nachdem Bretke bereits die ersten
50 M. von der Herzogin erhalten hatte — gelegentlich einer
Visitation in Labiau ist, seine Lage und seine Wünsche vor-
stellt, und daß Mörlin ihm verspricht, sich beim Herzog dafür
einzusetzen, daß ihm der ganze Kirchenacker von rund vier
Hufen abgenommen wird und ihm dafür vom Hause jährlich
eine halbe Last Roggen” und eine halbe Last Gerste”” geliefert
werden soll’®, Sicherlich hat ihn Bretke gebührend auf seine
„Studia“ hingewiesen und ihm klar gemacht, daß er für die
litauische Kirche des Landes die Bücher ins Litauische über-
setzt, welche die geltende Kirchenordnung als unerläßliches
Inventar jeder Pfarre bezeichnet hat, und die noch nicht ins
Litauische übertragen worden sind”*; das „Kleine Corpus Doc-
270 Mörlin, der erbitterte Gegner Osianders, war seit 1566 Bischof und starb
1571. Nachfolger wurde Tielemann Heshusius 1574—1577.
280 Die Zeitangabe ist wie folgt gefunden: In dem Briefe vom 29. 3. 1570 an
den Bischof Mörlin (Qu., S. 423, Z. 17 ff.) erinnert Bretke ihn an die Ab-
machungen gelegentlich der Visitation. In dem am 23. 2. 1569 beantwor-
teten Schreiben an die Regimentsräte (Qu., S. 420, Z. 21ff.) erinnert er
an eine „Supplication (so der Achtbare vnd || Hochgelerte D: Joachim
Mörlin Samblendischer Bischoff || von meinet wegen vberreicht)“, was
„vergangenen herbst“ geschehen sei. Eine Supplikation an die Regi-
mentsräte, die am 18. 12. 1568 erledigt wurde, ist erhalten (Qu., S. 419).
In allen Schreiben handelt es sich um die Befreiung Bretkes von der
durch die Landwirtschaft verursachten Arbeitslast und Lieferung des
nötigen jährlichen Unterhalts vom Hause Labiau; siehe darüber weiter
unten.
21 0,5 Last — 30 Scheffel = 1521,72 Ltr. = 22 Ztr. und 21,5 Pfund.
232 0,5 Last — 30 Scheffel = 18 Ztr. und 26 Pfund. Die Lieferung von 30
Scheffel Roggen und ebensoviel Gerste dürfte dem Jahresverbrauch der
Familie Bretkes entsprechen, da der Tilsiter Erzpriester Hier. Mörlin in
einem am 16. 2. 1597 registr. Schreiben an den Herzog (E. M. 138 ee,
Paket 4, Aktenheft: „Erzpriester in Tilsit“) den Jahresverbrauch seiner
großen Familie „auf dem Lande“ mit 40 Scheffel = 28 Zir., 35 Pfd. an-
gibt. 22 Ztr. und 21,5 Pfd. Roggen im Jahre bedeuten bei den damals
geringen Mahlabfällen ziemlich genau eine Tagesration von 6 Pfd. Rog-
genmehl, oder bei der üblichen Gewichtszunahme von 0,3 des Mehl-
gewichts: 8 Pfd. Brot.
288 Qu. S. 423, Z. 17 ff. und Anm. 280.
34 S. siehe im 2. Teile der Arbeit über die Werke Bretkes.
72
trinae“ von Judex”” hatte er wohl bereits übersetzt und Mörlin
zugestellt.
Bretke und Mörlin machten darauf weiterhin aus, daß, falls
Mörlin mit dieser Sache nicht durchdringen würde, er wenig-
stens dahin wirken sollte, daß Bretke für eine minderwertige
Hufe am Haff ein „Pauer Erbe“ (1 Hufe) zu Reikeninken ein-
tauschen könnte”, Aber zunächst sollte Mörlin versuchen, ihm
die Landwirtschaft vom Halse zu schaffen. Bretke gab Mörlin
damals einen Brief an die Regimentsräte mit, in dem er nur
um das jährliche Deputat an Stelle der vier Hufen bat, damit
er seiner „...studia hinfürder desto ruhesamer warten...“
könne.
Doch Mörlin scheint die Sache nicht sofort betrieben zu
haben, denn der Brief Bretkes wird erst am 18. Dezember mit
dem Vermerk erledigt, daß die fürstliche Kommission bei der
nächsten Revisionsreise die Frage an Ort und Stelle prüfen
und entscheiden solle. Dabei bleibt es, und Bretke wartet bis
zum Februar 1569 vergebens auf eine Antwort.
Aber nicht nur das: Nach dem Tode der Herzogin und des
Herzogs (20. März 1568) kommt auch die zweite Rate von 50 M.
infolge von Kassation gar nicht mehr zur Auszahlung””.
Die Labiauer Schulden waren noch nicht bezahlt, und außer-
dem mahnten ihn seine „gutten freünde“ täglich hart, die ihm
„lenger denn fur 10. Jharen“ eine größere Summe Geldes zum
Studium geliehen hatten’®. So wendet er sich Mitte Februar
1569 aufs neue mit einem in verhältnismäßig scharfem Tone
gehaltenen Bittschreiben”® an die Regierung, in dem er seine
285 S. siehe im 2. Teile über dieses Werk; Qu., S. 424, Z. 7—9.
2s0 Qu., S. 423, Z. 29-32.
.28” Schreiben Bretkes an die Regimentsräte, beantw. 23. 2. 1569 {Qu., S. 420,
Z. 56—39): Ihm wäre nicht nur die in der vom Bischof überreichten
Supplikation ausgesprochene Bitte nicht erfüllt, sondern die Regiments-
räte hätten sogar noch „die el gulden“, die die Herzogin ihm
zur Bezahlung seiner Schulden geschenkt, „gecassieret vnd || versaget“,
von denen’ er „vor einem Jhar schon 50 M empfangen“ (Qu,, S. 421, Z. 6f.).
288 Fbenda: „Jch auch vber das eine Merckliche summa geldes ll so mir
lenger denn fur 10. Jharen von gutten freünden l zu meinen studijs
vergestreckt wurden, auch schuldig bin |] vnd teglich hart darumb ge-
manet werde.“ (Qu., S. 420, Z. 40 ff.)
288 Siehe Anm. 287.
73
Not schildert, um den Restbetrag von den 100 Gulden und
wieder um Austausch des Ackers gegen ein Deputat bittet, und
wieder sagt Bretke: „...damit Jch meines studirens || deste
Ruhesamer warten... ||... möchte...‘“”°. Ende Februar wird
ihm geantwortet und das Amt Labiau angewiesen, ihm den Rest
zu zahlen und die Verschreibung an sich zu nehmen. Bretke
erhielt aber nur die zweite Rate von 50 M."; bezüglich des
Kirchenackers bekam er offenbar einen negativen Bescheid,
denn es blieb alles beim alten, und auch die Labiauer Schulden
bleiben ungetilgt’*.
Im März 1569 wurde Bretke mit anderen litauischen Pfar-
rern im Zusammenhange mit einem Prozeß gegen den Pfarrer
von Pillkallen, Marcus Roßenfky, der die Bauern gegen den
Ragniter Amtshauptmann aufgewiegelt haben soll, nach Ragnit
zur Verhandlung zitiert. Der Prozeß scheint weitere Kreise
gezogen zu haben, denn in dem Verhandlungsbericht des
Bischofs Mörlin von Mitte März 1569 (E.M. 118e 3) nennt er
»...das||beklagte theill, den Pfarher von Pillicalm 3 (Rand: 3
vnd seinen || beistandt) D. Lucam || vonn Neuenhauf’® D. Jo-
annem vonn Kheimen”“, || vnnd Pfarherrenn von Labiaw, zu
dennen der || Pfarher vonn Gropißki getretten.‘“””
Auch der Pfarrer zu Kattenau, Jacobus Hoffmann, war ver-
»0 Qu., S. 421, Z. 10 ff.
22 Im Kanzleikonzept zu einem Gutachten des Hauses Labiau für den Her-
zog vom 11. 9. 1578 (E.M. 102e 4): Bretke hätte gebeten, „...Jhme die
funnffzig M so Jhme vonn dem vonn Weijlandt der Hochloblichenn l
Herzogin Christsseliger gedenncken, ver- I schriben, gnaden gellt
hind[er] stellig...“, zu geben.
:® In dem am 21.7.1580 eingegangenen Schreiben Bretkes an Georg Fried-
rich (Qu., S. 426, Z. 12ff.): „Jch... I auch in dermaßen schwere schulde
geraten, das Jch itz l Zu befriedung meiner gleubiger, all mein viestvnd
habe l verkauffen muß...“
#® Lucas Edenberg, Pfarrer in Neuhausen, stammt aus Wittenberg. (Der
im Sommersemester in Königsberg immatrikulierte „Lucas Edenbur-
gius, Wittenburgensis Magistri Lucae fillus“ ist sicherlich sein Sohn.)
Nach Arnoldt, Nachr. II, 37, ist er selbst seit 1562 zu Bartenstein Rektor
und wird am 30. 9. 1568 als Pfarrer nach Neuhausen ordiniert.
„Johann Werner, Pfarrer in Caymen, von Oesfeld im Magdeburgischen“.
Arnoldt, Nachr. II, S. 22.
205 George Wedar oder Wehder? (Arnoldt, Nachr. II, 96, und II, Register.)
2
3
>»
74
dächtigt, mit Roßenfky unter einer Decke zu stecken. In einem
Brief vom 10. Februar 1569 (bei Verhandlungsber.) an den
Hauptkläger, den Schreiber zu Ragnit, D. Burchard, will er
sich von dem Verdacht reinwaschen und schreibt u. a.:
„»... meines I allen (!) meinung ist diese, das die Littauische Plebanj
So sie In das Fürstenthumb kommen, rechte grobe I Paurische au
gutt Seuisch Patres sein, Denn 1 fressen nur Barttß In litauen,
alhie l aber woll[en] sie balde die Heuptleuthe Pochen....“
Weiter braucht er die Wendung: „...beij dem Littauisch[en]
volcke, wo Jch darinn begriff[en] werde...“
Wie zu sehen, waren zum mindesten Hoffmann, Edenberg
und Werner Deutsche.
Bei der Verhandlung stellt sich heraus, daß der Pillkaller
Pfarrer lediglich Zusammenkünfte der vom Ragniter Stadt-
schreiber benachteiligten Bauern bei sich geduldet und nach
Beratungen mit ihnen für sie eine Supplikation geschrieben
hat, die durch die Vermittlung des litauischen Pfarrers Wil-
lent in Königsberg an den Bischof gelangt ist. Auch der Rag-
niter litauische Pfarrer August Jamund verteidigte die An-
geklagten energisch. Sie wurden freigesprochen, jedoch er-
mahnte der Bischof sie, keine Versammlungen bei sich zu
dulden”,
Am 7. Juli 1569 soll Bretke vom Bischof Mörlin erst ordi-
niert worden sein, wie Arnoldt in den „Nachr.“ angibt”, was
jedoch wenigstens im Datum nicht stimmen kann, da der 7. Juli
ein Donnerstag’ war und nach der Kirchenordnung von 1568
die Ordinationen am Sonntage stattzufinden hatten.
Wieder war ein ganzes Jahr vergangen, und immer noch
war alles beim alten geblieben, auch die Anfang des Jahres
1570 fälligen 50 M. blieben wieder aus’®.
6 Verhandlungsbericht, siehe Qu., S. 422, Z. 11 ff.
27” Arnoldt, Nachr. II, S. 49; Quandt, Bd. 4, S. 114: „Bretke ist 1569. 7. Julii
vom Bischof l Morlino zu Labiau... (? unleserlich, durchstrichen) ordi-
niret.“
#8 Die restlichen 50 M. waren auch 1578 nicht gezahlt, denn in einem Schrei-
ben der Labiauer Kanzlei vom 11. 9. 1578 wird von einer Supplikation
Bretkes gesprochen, in der er bittet, „Jhme die funnffzig M. so Jhme
ahn dem vonn Weijlandt der Hochloblichenn Herzogin Christseeliger
gedenncken, verschriben gnaden gellt hind[er] stellig...“
25
Da schrieb Bretke am 29. März einen für den damaligen
Ton im schriftlichen Verkehr unfreundlichen Brief an Mörlin’®,
erinnerte ihn an ihre Abmachungen und: „Jm fall mir aber
solchs (welchs Ich mich doch || nicht versehe) solte versaget wer-
den, so Zwinget || mich die große armut vnd schult, darein || Jch
mich diese acht Jhar vber nothalben habe || stecken müssen,
das Jch mich meiner verbes- || serung nach an einen anderen
ort (wie Jch denn Izt Zwei || Vocationes habe) Zu begeben“,
auch: „wollen e.a.w. das kleine Corpus || doctrinae Judicis,
welchs ich In Littausche sprache || transferiert, und e. a. Zu-
gestellet, mir bey brieffes || Zeigern wider Zuschicken.“
Das wirkte. Der Bischof tat die nötigen Schritte bei der °
Regierung. Der Regimentsrat und Oberburggraf Christoph
von Kreitzen forderte vom Labiauer Amtshauptmann Bastian
Poerlein”®* Bericht, den Poerlein am 8. Mai 1570 an ihn abgehen
ließ’®. In dem Bericht schilderte Poerlein die ganzen Acker-
verhältnisse Bretkes sehr genau”" und riet, Bretkes Bitte nach-
zukommen, denn selbst wenn ihm sein Wunsch erfüllt würde,
fehlten immer noch 6,5 Morgen an vier Hufen, und die Ein-
künfte des Pfarrers hier wären so schlecht, daß er sich ohne
besondere Hilfe vom Herzoge nicht halten könnte. Die Pfarr-
hufen wären zum Teil noch unkultiviert und die Hufe am Haff
zum großen Teil sumpfig, so daß die Leute nur eine Mark
Pacht jährlich dafür bieten. Doch würden die Bauern in Reike- '
ninken wenig erbaut davon sein, daß Bretke das Land in einem
Stücke bekäme, da sie auch ihre Äcker nicht beisammen hätten,
und sie würden sich ohne ausdrückliche Verordnung des Her-
zogs mit dieser Lösung nicht abfinden. Doch der Herzog ver-
!öre durch den Tausch nur die Scharwerksleistung der einen
:»» Qu., S. 423, Z. 42 ff.
20» Bastian v. Poerlin ist nach Gallandi und dem handschriftlichen Verzeich-
nis der Amtshauptleute im Königsberger Staatsarchiv wahrscheinlich be-
reits vor Bretkes Ankunft in Labiau Amtshauptmann. Seine Schwester
Ursula war die Gattin des oben S. 5f. bereits erwähnten Franz v. Hohen-
dorff; somit war, Poerlin wahrscheinlich mit Bretke entfernt verwandt.
Er bat 1572 um seine Entlassung. 1574 ist Valentin Manstein an seiner
Stelle.
0 E.M. 102e 4, Aktenheft: „Pfarrer Bretke in Labiau wegen der Pfarr-
hufen.“
ı Siehe oben, S. 58, und Qu., S. 424 ff.
76
u Bi 5 v
Er
I
4,
Hufe. Bezüglich des Deputats von 1% Last Roggen und % Last
Gerste antwortete Poerlein wohl absichtlich reichlich unklar;
es klingt so, als ob er dafür wäre, daß Bretke, „Weyl die
Pfarhueben noch fast Unge- || reumbt Vndt nicht Zu gange
bracht“, zu dem Acker noch das Deputat von 0,5 Last Roggen
und 0,5 Last Gerste erhalten sollte, was, wie gesagt, etwa die
Jahresration für eine Familie ist’,
Wie zu sehen, muß sich Bretke mit Poerlein und dem Amts-
hauptmann gut gestanden haben.
Es wird aber lediglich die Haffhufe gegen die gewünschte
Hufe in Reikeninken umgetauscht”; doch sollte, wie Poerlein
richtig prophezeit hatte, Bretke auf die Dauer an dieser Rege-
lung der Frage wenig Freude haben; die verärgerten Bauern
ließen ihr Vieh auf dem Acker in Reikeninken weiden und
bestahlen ihn ungehindert“,
Zu allem Kummer blieb die dritte Rate von 50 M. nach wie
vor aus. er
Über acht Jahre lang fehlt von Bretke jede Nachricht.
Im Sommer 1578 ist Bretke plötzlich imstande, einen „Gar-
ten“ zu kaufen, denn in dem Konzept zu dem Gutachten der
„Zur haufßhalltung deputirte herrn Raeth“ vom 11. September
1578°° wird von einem Gesuch Bretkes gesprochen, in dem er
„vmb erlaßung def Scharwercks, so Er von seinem || erkaufftem
garten sonsten zu pflegen || schuldig“.
Aus der zu diesem „Garten“ gehörenden Verschreibung im
Labiauer Hausbuch’”, die damals dem heutigen Grundbuc-
blatt eines Grundstückes entsprach, geht hervor, daß es sich
um „...ij hofestat meit (!) einem || garten Zu labiaw fur dem
schloß ((verbessert: hauß)) gelegen || Zu der rechter Hannd
negst gabriels...“ gehandelt hat, die zuerst der Ragniter
Komtur 1469 „... vnnserm lieben getreuen Jorge || manicke...“
2 Siehe S. 72 Anm. 282,
5 In dem Brief Bretkes an den Herzog, eingeg. 21. 7. 1580, wo Bretke
wieder über den Acker klagt, erwähnt er diese Hufe nicht mehr, was er
sicher getan hätte, wenn er sie noch gehabt hätte, dagegen spricht er
nur von seinem Acker in Reikeninken.
202 Sjehe unten, S. 80, und Qu., S. 426, Z. 8ft.
ss E,M. 102e 4.
309 Ostpr. Fol. 209, S. 123° £.
1
und seinen Nachkommen verliehen hatte, und zwar „...den
selbigen garten || mit ij Hofestat Zu eim scharwercke in || Craft
dieses briefs Zu Colmischen rechte || erblich vnnd ewiglich
Zubesitzen, sonderlich || so gonnen wir Dem egenannten Jorge
manicke || seinen rechten erben vnnd nachkomelingen || Braw
gewandt Zuschneiden vnder allerlej || kromerej vnnd hückerej
welcherlej die || benehmet werden, veil Zuhabenn vnnd
Zuuor- || keupfen (!) vand mit allerlej nutz...“ zu gebrauchen,
dafür sollten „... Jorge Manicke seine rechte erbe vnd nachko ||
melinge vnnserm Hause labiaw alle Jor || Jerlichenn einhalbe
marck gewenlicher ((S. 124)) preusscher muntz vf...“ Martini
zinsen. Eine andere Hand schrieb etwa 1610 darunter: „Diese
stedte hatt der Hlerr] pfarherr Johannes Bretkius domals ||
pfarher Zu Labiau Ao j593 ((verbessert: 1583)) erkauft, || Itzo
aber paul porner. Ambtschreiber Zu labiau gehorig || welcher
Er vom ollermeltem (!) H[err]n pfarhern erkaufet. || Itzo hal-
tens die Erben“. Daß sich der Schreiber, der diese Bemerkung
eintrug, im Jahre des Verkaufs geirrt hat, geht aus dem oben
genannten Briefe eindeutig hervor.
Mit diesen beiden Hausgrundstücken, oder genauer: der
für zwei Hausgrundstücke berechneten Bodenfläche, zu der
ein Garten gehörte, hatte Bretke das Recht erworben, zu
brauen, Stoff und andere Dinge zu verkaufen. Ob er das wirk-
lich getan hat, wie es von seinem Amtsbruder Bielauk in
Georgenburg feststeht, ist nicht gesagt, aber nach allem sehr .
unwahrscheinlich. Daß dieses Recht aber mindestens von den
späteren Besitzern ausgeübt wurde, geht aus einer Eintragung
der gleichen Hand von etwa 1610 hervor, die den betreffenden
Passus im Text unterstrich und am Rande dazu schrieb: „NB®”
Eine halbe M weglen] || der Höckerej Jehr- || lichen Zu reichen.“
Woher hat Bretke nun aber plötzlich das Geld zu diesem
Kaufe? Wahrscheinlich hängt dieses, wie schon oben gesagt,
mit einer Erbschaft zusammen, von der er in einem Briefe vom
Juli 1580°® spricht, die mit dem Tode des Valten Bretke in
Friedland nach 1575°® in Zusammenhang stehen dürfte.
In seiner Supplikation wegen Erlassung des Scharwerks
se” Nota bene.
08 Siehe unten, S. 80.
so? Siehe oben, S. 30f.
78
- bittet er gleichzeitig, ihm die restlichen 50 M. auszuzahlen, die
also immer noch ausstanden; gleichzeitig unterläßt er es nicht,
seine große Not gebührend zu schildern“. Der Herzog ver-
langt darauf von den „zur haußhaltung deputierten herrn
Räethen“ ein Gutachten.
Gleichzeitig führte die Labiauer Kirche, wie aus einigen
Akten des Königsberger Staatsarchivs hervorgeht”, einen Pro-
zeß gegen den Krüger Wiegandt, der sich angeblich wider-
rechtlich aus einer an der Kirche gelegenen Roßweide einen
Garten gemacht und daselbst ein Häuschen erbaut haben soll.
Die Kirche hatte einen schriftlichen Entscheid vom damaligen
Bischof Mörlin, in dem dieser vor zehn Jahren beides der
Kirche zugesprochen hatte. Beide Parteien riefen den Herzog
an, der am 9. September 1578 zugunsten Wiegandts entschied.
Am 11. September 1578 gaben die Herren Räte das ange-
forderte Gutachten dahin ab, daß man Bretke die 50 M. zahlen
solle, obwohl die Zahlungspflicht durch Kassation aufgeho-
ben sei,
»... dieweil
er sein Not so hoch Claget...
Zu dem auch der Litauischen Sprachen
sehr wol künndig vnnd erfahren, vnnd allso
vmb desselben willen, allhier bey diser
Kirchen, vor annd[er|n sehr nützlich dienen
khan.., Deßgleichen wol-
len auch vorwolgedachte Herrn Deputirte
Räthe nicht wid[er] Räthen, das offtermellt[er]
Pfarherr, d[er] scharwerckh für sich vnndt
sein Haußfraw, Zu Jrer beeder Lebtagen,
gefreyet, solcher auch sein Elltister Sohn, de
Er mit der Zeit an seines Vattern statt
tretten vnnd Zu einem Pfarherrn tüglich[en]
sein würde...“
erlassen werden sollte’, Offenbar sind ihm diese Wünsche
erfüllt worden.
»10 Siehe unten.
31 B,M. 102e 4.
312 Doch ist nie ein Sohn Bretkes auf einer deutschen protestantischen Uni-
versität immatrikuliert worden, noch sonst irgendwie nachgewiesen.
Fest steht nur, daß Bretke Töchter hatte, von denen eine Barbara hieß.
Siehe unten, S. 122.
79
Am Freitag, den 6. März 1579, beginnt Bretke mit der Über-
setzung der Bibel, und zwar übersetzt er zuerst das Lukas-
evangelium, das er am 30. März abschließt”. Wohl wegen der
mit dem nahen Osterfest, danach mit dem Pfingstfest und
schließlich mit der Feldbestellung zusammenhängenden Ar-
beiten bleibt die Übersetzung den Frühling und Sommer hin-
durch liegen. Erst am 9. Oktober beginnt Bretke wieder mit
dem Römerbrief und vollendet in einer nur um Weihnacten
von einer längeren Pause unterbrochenen Übersetzungsperiode
das ganze Neue Testament und anschließend die Psalmen, die
er am 7. Juli 1580 beendet.
Bretke hat sich diesmal, wie die an jedem Tage übersetzte
Seitenzahl zeigt, durch die Feldarbeit nicht wesentlich von
seiner Übersetzungstätigkeit abhalten lassen, sondern genau
so weitergearbeitet wie im Winter. (Genaueres siehe in der
chronologischen Tabelle im 2. Teile dieser Arbeit.)
Die Folgen davon traten dann auch ein: Wenige Tage nach
dem Abschluß der Psalmen schrieb er einen verärgerten und
verzweifelten Brief an den Herzog”, in dem es heißt, der Acker
wäre nicht „...so gahr böse...“, doch zum Teil „...sehr weit
in einem doffe...“ abgelegen,
..da dan ae Zeit, wenn gleich ettwas gewachsen || desselbige von
der Pawren Viehe vertrettet vndt abge- || fretzet wirdt also, ob Jchs
woll an meinem fleiß den | Ackerbaw \ treiben, nicht allein nicht
mangeln lassenn, l sondern auch mein Patrimonium, vnd alles was
Jch sonsten || yermocht, darzu hinein gesteckt vnd angewandt Jch
dan- I noch nicht allein anders nichts als Armut vnd Kummer || Dar-
bei erlanget, vnd nun soviel Jhar außgestanden, Sondern || auch in
dermaßen schwere schulde geraten, das Jch itz I Zu befriedung mei-
ner gleubiger, all mein viestvnd habe | verkauffen muß, Ich auch
neben der Großen drue- \ kenden Armuth meine Studia, vnd sonder-
lich die et vormit Jch viel Jhar vmbgangen, nemlich die || vor-
nehmen Bucher Altes und Newenn Testaments in | Die Littawsche
sprache Zu vbersetzen (weil Die Nation, || Gott beiers, biß anhero
in Jhrer sprache derer bucher || gahr Keine gehabt) nicht Kan, wie
Jch gerne wolte, || Continuirn vnd vortstellen....“
313 Wie im 2. Teile dieser Arbeit im Abschnitt über die Werke Bretkes |
gezeigt werden wird, begann er mit dem Lukas-Evangelium, weil die
meisten Sonn- und Festtagsperikopen, die Bretke nach der vereinfachten ’
Lutherschen Perikopenordnung brachte, aus diesem Buche der Bibel
entnommen sind. So hat auch die „Postilla“ am meisten Lukas-Perikopen.
s4 Registriert am 21. 7. 1580, Qu., S. 426, Z. 8—24.
80
Sieht man aber angesichts dieser Klage nach, was Bretke
in den 127 Tagen vom 3. März, wo er mit dem 2. Korintherbrief
begann, bis zum 7. Juli, wo er die Psalmen abschloß, an Über-
setzungsarbeit geleistet hat, so zeigt sich, daß sein Durc-
schnittspensum in dieser für die Landwirtschaft so arbeits-
reichen Zeit an 74 Tagen genau 12 Quartseiten seiner Bibel-
handschrift betrug, und daß er sogar noch im Juli an einzelnen
Tagen 10%, 17%, ja 28 Seiten schaffte. Bretke übersetzte also
in den 74 Tagen: 2. Kor., 1. und 2. Petr., 1., 2. und 3. Joh., Jac.,
Jud., Hebr., Apoc., Act., Mc., Mt. und die Psalmen, wobei
2. Kor., Hebr., Apoc. und die Psalmen als ausgesprochen
schwere Texte gelten.
Weiter sind von den übrigen 53 Tagen, an denen er an der
Bibel nicht gearbeitet hat, 13 Sonntage, auch fallen das Oster-
und Pfingstfest in diese Zeit, die Bretke als Pfarrer stark in
Anspruch nahmen.
Es ist also klar, daß Bretkes Fleiß, „...den Ackerbaw zu
treiben ....“, nur sehr gering gewesen ist, und die Katastrophe
war nur natürlich.
Jedenfalls will Bretke sich nicht mehr länger in dem
„argastulo“”° der Pfarrstelle in Labiau plagen und sieht sich
gezwungen, seine und der Seinigen Sache „...auff Andere
wege...“ „antzustellen vnd vort Zu- || setzen...“ Er wolle
seinem „... geliebten Vater- || lande...“ vor allem dienen und
bittet den Herzog, ihn anderswohin zu versetzen, oder aber —
und damit kommt er auf seinen alten Lieblingsplan zurück —
ihn von dem „schweren haußhalten || Des Ackerbawes zuentle-
digen...“, vnd ihn... „mit notturff- || tigem Brott vnd Vnter-
halt zuuersorgen, Dagegen || Könten E.f.Dt. die 4 Pfarhuben
annehmen vndt || dermaßen anwenden, das dieselben viel mehr
nutz || vnd besten als Jch gehabt, daruon haben Konten“.
Sollte ihm der Herzog die Bitte aber auch diesmal nicht er-
füllen, so würde er sein Glück anderswo versuchen, „... wenn
Js auc || gleich in Littawen oder sunsten suchen solte...“
Irgendwann im Frühling oder Sommer 1579 war Bretke in
Königsberg, um dort, wie fast” alle Amtsbrüder, zusammen
315 FErgastulum = „Zuchthaus, Stock“ (Qu. S. 426 Anm. 40).
310 Ju., S. 426, Z. 25ft.
317 Siehe unten, S. 249 Anm. 809.
6 Falkenhahn, Bretke si
mit ihren Schulmeistern die Concordienformel zu unter-
zeichnen.
Wie Abb. 5, Taf. IV zeigt, wurde Bretke dabei besonders aus-
führlih. Nach ihm unterschrieb sein Schulmeister Johannes
Pyleannder, weiter seine Amtsnachbarn in Legitten, Conrad
und Caspar Lystrius, weiter unten, auf dem Bilde nicht mehr
sichtbar, Daniel Gallus” aus Laukischken.
Möglicherweise hat Bretke das oben genannte Schreiben
wieder persönlich in Königsberg abgegeben, so daß er danach
im Juli in Königsberg gewesen sein müßte.
Doch die Regimentsräte gaben den Bescheid, daß sie in der
Sache nichts tun könnten, da der Herzog außer Landes weilte“.
So blieb alles beim alten, Bretke behielt den Acker nach
wie vor, und die Bauern in Reikeninken bestahlen ihn un-
gehindert weiter. Nun tat er über fünf Jahre lang keinen Strich
mehr an der Bibelübersetzung. Er muß es aber auch vorgezo-
gen haben, seine Drohung bezüglich seines Fortganges nicht
wahrzumachen.
Über die litauische Eidesformel von Bretke siehe die „Be-
richtigungen und Ergänzungen“.
Erst nach vier Jahren hören wir wieder von Bretke: In
einem am 3. Juli 1584 erledigten Schreiben an den Herzog”
klagt er wieder, wenn auch viel mäßiger als nach der Kata-
.strophe vor vier Jahren, über seinen Acker, der diesmal aber
nicht nur
„... nichts taug, sondernn die helfte fast vber ein
Virtelweges Abgelegenn ist, da ich Jn denn nicht Allein
mit Zwifachenn Vnkostenn beerbeittenn, sondernn
auch Leidenn mussenn, das mir von denn Einwonnern
Jm dorff Regnikenn, Jerlichenn meinn Gedreidich,
durch Jhr viehe ist Abgefretzet wordenn, Ja Auch stets
bestolenn, wie mir denn das vergangene Jhar in die
4 fuder gebundene gerste hinweg gefuret ist wordenn...“?%1
Er bittet, ihn an „...ein bessers vnd Ruhesamer ort-
leinn...“ zu versetzen und ihm nicht Ursache zu geben, daß er
sein „...heil ausser diesem Furstenthum || versuchen dörffe“.
318 Sjehe unten, S. 249 und Abb. 29, T. XV.
12 Qu. S. 427, Z. 18—21.
»20 Qu., S. 427.
1 Qu., S. 427, Z. 39 ff.
82
Darauf fordern die Regimentsräte vom Labiauer Burg-
grafen, Hans Lankheim, und dem Amtsschreiber, Paul Poerner,
sowie von den Kirchenvätern einen ausführlichen Bericht über
Bretkes Kirchenacker und bitten um Vorschläge, wie ihm zu
helfen sei. Ihr Schreiben geht am 9. Juli an den Herzog ab’*.
Sie geben Bretke bezüglich des Ackers voll und ganz recht
und
»... Können...
...fuglicherre weg nicht
finden, das wan E f dh: die 4 Pfarhuben,
weilen sie dem Hoff hier gar weitt abgelegen
. mit Pauren besetzten, dagehen aber dem Helrr]n:
pfarherrn ettwa Jerlichen ein Last Korn®® vnd
ein Last Gerste®* vom Hauß alhier gereichett,
vnd den littauen (wegen das ehr zu der
deutschen predig auch Littauisch predigen muß:)
der Kirchen Tecem vmb ettwas erhöhett würde...“;
sie hätten
„...auch auß dem H. pfarherrn verstanden
do ihme sein vnderhalt nicht etwa geendert
vnd verbeßert wurde, Ehr lieber seinen stockh weitter
setzen woltte...“
Bretke muß mit dem Amtshauptmann, dem Amtsschreiber
und mit den Kirchenvätern in sehr gutem Verhältnis gelebt
haben, denn die Forderung, die sie für Bretke erheben, ist un-
verschämt, da, wie schon gesagt, der Jahresverbrauch an Rog-
gen selbst bei einer großen Familie” nur 40 Scheffel betrug.
Das Antwortschreiben aus Königsberg, das am 5. August
abging”*, ist verloren. Doch ist die Forderung, den Acker gegen
ein Jahresdeputat einzutauschen, abgelehnt worden, da 1587 in
dieser Beziehung alles beim alten ist.
Doch scheint tatsächlich eine Anordnung getroffen worden
zu sein, die Bretke ein höheres Gehalt verschaffte, denn 1587
bekommt er jährlich 60 Florino-Gulden oder 90 preußische
Mark”. Diese Verordnung dürfte sich jedoch sicher erst nach
#2 FB, M. 102e 4, Äktenheft von 14 Blatt, Blatt 1.
323 60 Scheffel = 2221,71 kg, rund 44,4 'Ztr.
2 60 Scheffel = 1826,06 kg, rund 36,5 Ztr.
525 Siehe oben, S. 72 Anm. 282.
»° Vermerk der Königsberger Kanzlei auf dem Gutachten Lankheims,
Signatur Anm. 322.
#7 Siehe unten, S. 84.
6 83
längerer Zeit praktisch ausgewirkt haben. Jedenfalls nimmt
Bretke nach etwa 1% Jahren, am 12. November 1585, die Arbeit
an der Bibelübersetzung wieder auf und übersetzt mit ge-
ringen Unterbrechungen bis zum 11. Dezember Jesus Sirach,
Tobith (Tobias) und die Proverbien’*. Dann, nach einer Pause,
die sicher durch Weihnachten, Neujahr usw. verursacht wurde,
geht es am 26. Februar 1586 weiter.
In der nun folgenden Übersetzungsperiode erledigt Bretke
weitere alttestamentliche Apokryphen sowie den Prediger
und die Weisheit Salomonis. Die Arbeit geht mit geringen
Unterbrechungen bis zum 18. März 1586, wo Bretke, wohl
wieder wegen des bevorstehenden ÖOsterfestes und der be-
ginnenden Feldarbeit, aufhörte und nur noch ganz vereinzelt
im Sommer ein paar Seiten übersetzt, um dann wieder für
lange Zeit ganz aufzuhören.
Auffällig ist, daß er während dieser Zeit im Verhältnis zu
früher nur eine geringe Seitenzahl während eines Tages
schaffte. Da er im Winter auch nicht mehr leistete, dürfte dies
nicht mit dem Mangel an Zeit wegen seiner Betätigung in der
Landwirtschaft zusammenhängen, vielmehr werden ihm die
alttestamentlihen Texte größere Schwierigkeiten bereitet
haben.
Wieder kommt Bretke ein ganzes Jahr hindurch nicht
weiter.
Da mact er mit seinen Drohungen Ernst; der Tod des
Pfarrers in Pillupönen®”, Nicolaus Blothno’”, gibt den letzten
Anstoß. In einem am 27. März 1587 in Königsberg eingegange-
nen Schreiben an den Herzog" kündigt Bretke seinen Labiauer
Pfarrdienst,
„»...denn ob wol die
stehende besoldung sich auff 60 f[en]??? erstrecket,
so sind doch dargegen hier Keine Acciden-
328 Bretke begann das A. T., nachdem die Psalmen schon 1580 übersetzt waren,
mit den Apokryphen und der Weisheitsliteratur, die das Ideal eines from-
men Lebenswandels zeigen und voll von Morallehren sind.
3° Heute Schloßbach.
330 Siehe unten, S. 260 ff.
1 Qu. S. 429, Z. 2ff.
5:2 F]orinogulden, siehe oben, S. 64.
84
tia wie anderswo, vnd die Pfarhuben, so
nidrig naß, Kalt, vnd vnfructbar...“
daß er kein Jahr sein Bier und Brot davon hatte; so zwingt
ihn ‚,...die eusserste noth vnd armut...“, daß er seine „... ver-
besserung anders wo suchen || moß...“, und bittet um die Pillu-
pöner Pfarrstelle”*,
»... die widerumb mit einem Gottfürchtigen vnd
getrewen lehrer, welcher der Littauschen sprachen Kündig ist...“,
besetzt werden muß.
Am 10. April 1587 wird das Schreiben Bretkes mit der Bitte
um Vorschläge, „... Wie Suplicanten Zuhelffen |] od[er] Ob
Jhme Von Labiau Zu- || lass[en] furd[er]lichen“ wäre”*, an das
Konsistorium überwiesen.
In dem oben bereits mehrfach zitierten sehr interessanten
Antwortschreiben des Konsistoriums an den Herzog”* wird
esagt,
gesagt »...daß der gutte Mahn aus dem ortt,
vnond von seiner Kirchen, nicht sei Zuuerlassen, den ob
woll Die Kirche Zu Pille Penen, fast ein groß Kirch sPiel
dazu nehe an der Polnischen grentze gelegen, da ein ge-
lerter, vorstendiger gottseliger Mahn woll Zu wunschen
wehre, So ist es doch mitt der Kirche Zu Labiau auch
also geschaffen, das dieselbe, Weill sonderlich bei sommer
Zeitten, viel frembdes volcks alda wankett, vnd nicht
alleine Littauen, sondern auch Kuhren vnd Preußen,
daselbst hatt, Jhren Pfarrer, welcher der Sprachenn
der leutte vnnd gelegenheitt der Kirchen Kundigk, vbel
können entrathen . ..“33
Weil er aber in Pillupönen ohnehin eine Zulage brauchen
würde, schlägt das Konsistorium vor, der Herzog solle ‚... viel
mehr an diesem ortt”® dem Armen Manne, eine Zuschub thun,
damit er sich Könne behelffen, vnnd nicht vrsache habe, seine
vorbesserung anders wo Zu suchen... .“.
Bezüglich der Hilfe, die Bretke in Labiau zuteil werden soll,
heißt es:
„...do es ettwa
mitt acker vnnd wiesen, oder ander hulff vom
hause nicht kan geschehen wolten wir hoffen, er
ss Qu., S. 429, Z. 34—36.
»: Fingegangen am 21. April 1587.
335 Qu., S. 430, Z. 9—18.
0 d. h. in Labiau.
85
sollte zu frieden sein, wan. E:f:dt: mit 20 M
seine besoldung Jerlich vorbesserten ...“3?7
Doch in Königsberg war der dortige litauische Pfarrer, Bar-
tholomäus Willent, gestorben, und der Herzog bestimmte
Bretke zu dessen Nachfolger’*.
In einem Schreiben der Oberräte vom 9. Mai 1587 wird
Bretke aufgefordert, sich unverzüglich nach Königsberg zu be-
geben, wo ihm seine Versetzung nach dort eröffnet wurde”.
Wie schwierig es war, für einen Mann wie Bretke in Labiau
Ersatz zu schaffen, zeigt der umfangreiche Schriftwechsel, der
darum geführt werden mußte’; immer wieder werden vor-
geschlagene Personen abgelehnt, weil sie entweder „die Spra-
chen“ nicht konnten, es ihnen an theologischer Bildung oder
auch an der auf dieser Pfarre erforderlichen Lebenserfahrung
fehlte.
Bretke als Pfarrer in Königsberg.
Königsberg, die neue Wirkungsstätte Bretkes, wo er die
„Giesmes Duchaunas“ und die „postilla“ herausgab, vor allem
aber die Bibelübersetzung abschloß, bot dem Gebildeten sicher
durch die Universität, deren Professoren z. T. Pfarrer an den
Kirchen waren, manche Anregung.
Infolge des lebhaften Binnen- und Transithandels herrschte
ein reges Leben; aus aller Herren Länder kamen die Schiffe,
»...Des grossen Negotii mit den benachbarten
Pohlen und Litthauen zu geschweigen, welche
ihre Wahren auf grossen Kahnen und Wi-
tinnen anher bringen; auch des innländi-
schen Handels und der großen Zufuhr nicht
Zu gedencken, wodurch die Stadt sehr leben-
dig und nahrhafft gemacht...“
wurde, wie es 1724 im „Erleut. Preuß.“ heißt; zweifellos ist
es zur Zeit Bretkes nicht anders gewesen.
Die Bevölkerung war allergrößtenteils deutsch.
„... Darum denn auch die deutsche Spra-
che daselbst am meisten geredet wird. Wie-
7” Qu., S. 430, Z. 22 ff.
338 Qu., s. weitere Akten E.M. 102e 4 und E.M. 72£.
ss Qu., S. 431.
»0 E.M. 72£. und E.M. 102e 4.
sı1 ], 1724, S. 213, Artikel: „Summarische Beschreibung der Stadt Königs-
berg.“
86
wol wegen der Handlung mit Pohlen und
Litthauen auch beyderley Sprachen im Ge-
brauch sind... “3%
Die Entstehung dieses litauischen und polnischen Bevölke-
rungsanteils im damaligen Königsberg zeigt u.a. Ernst von Wal-
lenrodt im „Erleut. Preuß.“*: Der Hochmeister Tiber von Wal-
lenrodt veranlaßte,
„...daß ehrliche, fromme und
ehrbare Leute aus Pohlen Curland und
Littauen (als welche Länder ohne das wegen
der Nachbarschaft und wegen des steten
Handels schon vereinbahret) sich darinn se-
tzen und ehrliche Nahrung treiben möchten.
Wodurch diese neu angelegte Städte über
Vermuthen so zugenommen,.daß ausser de-
nenselben an manchen Orten noch Vorstädte
gebauet wurden. Denn die an Pohlen und
Littauen Angräntzende (weil gemeiniglich da
Sedes Belli war, und unter dem Orden in
bessern Friede zu wohnen, ihnen schon be-
kannt war) wie auch die aus Samayten und
Curland, so schon unter dem Orden waren,
und vom gewissen Land-Meister oder Com-
pthur regieret wurden, und deßwegen als
Unterthanen des Ordens nicht kunten ge-
hemmet werden, zogen in die neue Preus-
siche Städte, daselbst zu wohnen, Ausser
dem, daß viel Leute aus Pohlen, Moscau
und Groß-Littauen handelten, und die Preu-
siche Städte mit Waaren verlegten, denen
sich in diesen Oertern auffzuhalten auch
nicht wol verwehret werden kunte, dafern
Handel und Wandel im Lande seyn solte.
Hiedurch ward dieses Land mit vielem Volck
und Manufacturen angefüllet, und wurden
theils des Ordens Intraden, als auch der
grossen Städte Einkommen durch solche
neue Bürger zum Bürger zum grossen Teil vermehret.“
Auch brauchte der Orden diese Leute, die Verwandte und
Bekannte in den Nachbarländern hatten, als Vermittler und
Bindeglieder zu diesen Staaten.
Zu diesem Grundstock kamen noc bis zur Zeit Bretkes
»22 Ebenda, S. 228.
33 ], 1724, S. 333 ff.
87
und danach geflüchtete Hörige aus Litauen, hauptsächlich
aber arme Litauer und Polen, die als „Schmackenknechte‘““*
oder sonstwie hergekommen waren und sich dann hier nieder-
ließen, sich irgendwo verdangen oder ein bescheidenes Hand-
werk ausübten.
Noch 1602 schreiben die Vorsteher der Kirche auf dem
Steindamm an den Herzog, er möchte doch die Wünsche der
polnischen Gemeinde erfüllen, da sie erregt sei, was besonders
bedenklich wäre, da jetzt aus den katholischen Ländern allerlei
fremde Elemente herüber und zu den Polen gekommen seien”.
In dem Taufbuc der Altstädtischen Kirche werden biswei-
len Litauer genannt, z. B.: 1588
„Michel ein Littaue, Eimer-
binder, Einen Sohn tauffen la-
Ren, Christoff. Die Paten: Der
Kruger Von Laußken, ein Bac-
ker, die Andern weiß er nicht...“
»... des littauschen Muler toch-
ter“ usw.
In dem Bittschreiben der litauischen Gemeinde von Februar
1603 an den Herzog” sagen die Litauer von sich selbst, sie
brauchten einen Pfarrer, „...Dieweil dan vnter vnß, viell ein-
feltiger leutte, || seindt welche weder polnisch Noch deutzsche
vorstehen....“
. Johannes Rehsa schreibt in einem am 26. September 1624
erledigten Schreiben an den Herzog” von seinem „Muhseligen
Littawschen Pfarrdienst“, da er seinen
»... Pfarr kindern, wie Zerstreieten Schaffen, sowoll
in den dreyen Städten alß in allen vorstätten gewissens vndt
Amptß halben in allen Stinckenden Kiffen®: vnd Kattan (?)?® muß nach
34 7.B. oben, S. 288, und Qu., S. 447, Z. 22—25.
%5 „Schmacken oder ReiseKähne“, „Erleut. Preuß.“, Bd. V, 1741, S. 391.
328 Qu., S. 446, Z. 33 ff.
a7 953. Jan. S. 17r.
ss Altstädt. Taufbuch, 9. Juli 1592, S. 63r.
s» Qu., S. 445, Z. 4ff.
0 Qu. S. 454, Z. 3ff.
»1 Frischbier, Bd. I, S. 359: „Kiffe, Küffe, fem., kleines, baufälliges, elendes
Haus...“
32 Hbenda, S. 345: „Kathe, ...fem. kleines, schlechtes Bauernhaus, zu dem
selten Ackerland gehört, unansehnliches, schlechtes Haus überhaupt...“
88
krichen, zu Gebott stehen vndt versorgen...“ und daß er
„»... wegen der eussersten Armut...“ seiner „...Littaw
schen zuhörer, die meistenteilß Bredtschneider, Taglöhner vnd Zer-
streute dienstboten sein...“,
von denen er „...gar schlechte ia fast keine
accidentia haben kan, Ja nach gelegenheit in ihrer eussersten Not
vndt Armutt ein Stuck Brodt vndt ein groschen geldt auß
mitleidendem hertzen mitt ihnen teillen muß.“
In welchen Stadtteilen die Litauer damals hauptsächlich
wohnten, ist schwer zu sagen, da sich die Angaben hierüber
widersprechen.
Auffällig ist, daß nach Aussagen der Quellen die Zahl der
Litauer in Königsberg noch 1563 noch erheblich größer ge-
wesen sein muß als die der Polen, während sich das Zahlen-
verhältnis im Laufe von nicht ganz 40 Jahren mindestens um-
gekehrt zu haben scheint.
So heißt es in einem Begleitschreiben der Bürgermeister
und Räte der drei Städte zu einer Supplikation Seclutians um
Gehaltserhöhung im Jahre 1563:
»... Vber das haben wir
vns des Littauschen vnnd Polnischen Gesindes
willenn, denn Littauschen vnd Polnischen Predicanten[n]
etzliche vnnd viel Jahr hero vntterhalten mussen,
dere dann. E.F: dht: Leutte?%, so wol als die vnsern,
gebrauchenn, Nun ]st es vns fast vnmuglich,
dem guttenn hern Secluciano seine besoldung
Zuerhöhenn, denn wir schon dem Littauschen Predicante[n]
seine besoldung vff 20 marck, das er also neun Zigk
marck ]Jnn alle Zur besoldung hatt, erhöhen mussen,
Jan anmerckung das des Littauschen Volckes viell
mehr, als des Polnischen bey diesenn dreien Stedten +
Jst.“
Das hieße also, daß damals die Zahl der Litauer in 1
Stadtteilen Altstadt, Kneiphof und Löbenicht erheblich höher
gewesen wäre als die der Polen. Dagegen schrieb die Polnische
Gemeinde rund 39 Jahre später, Anfang November 1602, in
einer Supplikation’®
„...Zum ersten so ist es Clar vnd offenbar das die Pol-
nische Gemein vngleich großer vnd volckreicher
s® Herzogl. Briefarch. I,, Kasten 1564; beantw. 14. 12. 1563.
» Also die Bürger der zum Schloß gehörenden Stadtteile.
35 E,M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/04, 54 Blatt.“
89
ist als die Littauische, Denn da der Littauische Pfar
kaum einen, der Polnische dakegen Zehen, da der
Littauischen kaum Zehen, Polnische dagegen
hundert auditores, confitenten vnd Communicanten
hatt wie solches ihre Kirchen register außweisen....“
In dem Begleitschreiben der Bürgermeister und Räte der
"Altstadt und des Kneiphof zu dieser Supplikation an den Her-
zog vom 13. November 1602” sagen diese:
»...So ist auch die Polnische Gemein vngleich grösser vnd
Volckreicher,
bey diesen Städten / als die Littauische,
Dann da der Littauische Pfarherr einen hatt
den Er beicht hören vnd Communiciren muß, finden
sich dagegen wol 10.20 auch mehr Polnische Confitenten vnd
Communicanten....“
Nach den Angaben der genannten Bürgermeister und Räte,
sowie denen der polnischen Gemeinde, wohnten die Litauer
jedenfalls zur Zeit Bretkes in Königsberg hauptsächlich in den
zum Schloß gehörenden Stadtteilen Roßgarten und Sackheim,
wie wiederholt gesagt wird, z.B.:
„Wan aber E.gn. h[en] vndt. g. wissende
ist, das das meiste Littausche volck vf den furstlichen
freyheiten, Sackheim vnd Roßgarten, wenig aber
in den Stedten Konigsbergk vnd ihren vorstädtten
sich aufhalten thut...“s#7
Diese ungewöhnlich schnelle Verschiebung des Zahlenver-
hältnisses zu ungunsten der Litauer ist nun wohl nicht nur so
zu erklären, daß etwa die Litauer im Laufe von 39 Jahren zum
größten Teile in die Schloßfreiheiten, und die Polen in die
drei Städte Königsbergs: Altstadt, Löbenicht und Kneiphof
gezogen wären, wie es nach den angeführten Quellen zunächst
der Fall sein könnte, denn der eine polnische und litauische
Pfarrer waren ja praktisch für alle Polnisch und Litauisch
sprechenden Personen im ganzen Stadtgebiet da, vielmehr hat
die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts besonders
starke Zuwanderung aus Polen und dem polnischen Siedlungs-
gebiet, von der offenbar in dem Gesuch der polnischen Ge-
meinde von Ende März 1603 auch gesprochen wird’*, das Zah-
se E.M. 72f., „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 1603/04,
54 Blatt.“
»7 E,M. 72£, Bl. 31 ff.
ss (Ju., S. 446, Z. 34—37.
90
‚lenverhältnis zwischen den Polen und Litauern im Stadtgebiet
tatsächlich erheblich verschoben, wobei es sich meist um arbeit-
suchende Polen, größtenteils Gesinde, handelte, wie wir das
auch in Friedland beobachteten®”, während der Zuzug aus Li-
tauen oder aus den litauischen Siedlungsgebieten nachgelassen
zu haben scheint.
Zum Überfluß heißt es in dem Gesuch der polnischen Ge-
meinde von Oktober 1602, das Grzybowski noch vorgelegen
hat’®:
„Es ist namentlich viel polnisches Gesinde aus der Masav, der polni-
schen Grenze und aus dem Papsttum ((Anmerkung Grzybowskis:
Ermland)), die kaum das Vaterunser und das Ave Maria konnen,
wenn es viel ist. Kommen sie zum Abendmahl, so muß sich der Geist-
liche mit ihnen im Beichtstuhl plagen, schimpft er sie aus, so kommen
sie überhaupt nicht mehr wieder... .“3%1
Nach Grzybowski stellt das samländische Konsistorium am
17. Juli 1613 fest:
„Weil des polnischen Gesindes eine grosse Menge allhier in den drei
Städten und Vorstädten hin und wieder vorhanden und sich täglich
mehr häufet, erfordert es dahero die hohe Notdurft, daß dieselben,
insonderlich die Armen des großen Hospitals polnischer Zunge, gebühr-
lich versorget werden mögen ...“?%
In der Bestallungsurkunde des Diakons Christoph Lieb-
bruder, der 1620 an die Steindammer Kirche kam, heißt es
nach Grzybowski als Begründung seiner Anstellung:
„Nachdem die Herrn Regenten des Herzogtums Preussen von dem
samländischen Konsistorium berichtet worden, dass die Zuhörer des
Göttlichen Wortes von Tag zu Tag sich bei der polnischen Kirche
häufen und mehren, dem einzigen Pfarrer aber die Verrichtung der-
selben Kirchensachen zu schwer gefallen, derowegen ...“?%, usw.
wodurch jeder Zweifel behoben sein. dürfte.
Die Litauer werden wohl, wie die Äußerung ]J. Rehsas
sagt“, über ganz Königsberg verstreut gewohnt haben, viel-
leicht im Roßgarten und auf dem Sackheim besonders dicht.
Auch über die Zahl der Litauer, mit denen es Bretke in
Königsberg zu tun hatte, lassen sich keine bestimmten An-
35° Siehe oben, S. 28 ff.
0 A, Grzybowski, „Geschichte der evangelischen Steindammer Kirche“, S. 13.
361 Zitiert nach Grzybowski: ebenso das Folgende.
322 Ebenda, S. 11.
33 Fbenda, S. 12.
ss Qu., S. 454, Z. 4-5 und Z. 17—20.
9
gaben machen, da die einzigen Zahlen, die aber auch nur mit-
telbar auf die Stärke der litauischen Gemeinde einen Schluß
zulassen, aus Bittschriften der litauischen Gemeinde selbst
stammen, in denen sie um einen Pfarrer bittet und die Not-
wendigkeit eines solchen möglichst groß erscheinen lassen will.
Es sind folgende:
Juni- Juli 1603 sagt „die gantze Littausche gemein bei den
dreien Stetten Königsbergk“ in einer Supplikation an den
Herzog’:
„»...Seindt vorgangenn Osters vber 200.
Fischer Knecht derer Keiner Teuzsch Kann, deß-
gleichen schmackenn Knecht, wie auch viell meght
auß den Stettenn, nicht eins Zur Kirchen kommen...“
Ende September 1603, nachdem die Pest vor einem Jahre
gewütet hatte, schrieb „Die Gemeinn der Littawen Alhie ]nn
Königspergk“ an den Herzog", daß sie „faß bey 1300 Mann
starben...“
Berechnet man die Gesamtzahl der Toten in den drei
Städten nach den ebensowenig zuverlässigen Angaben des
Bürgermeister Peter Michel (1557—1620)°”, so ergibt sich die
Zahl von rund 9000. Legte man diese sehr anfechtbaren Zahlen
zugrunde und bedächte man, daß die Sterblichkeit unter den
in sehr ärmlichen Verhältnissen lebenden Litauern um ein
Vielfaches größer war als unter den besser gestellten Bevöl-
kerungsschichten, so ergäbe sich, daß die Litauer mit ganz
ungefähr 5—4000 Seelen etwa ein Zehntel der Gesamteinwoh-
nerschaft ausmachten’®.
Als Bretke nach Königsberg kam, war Seclutian bereits
neun Jahre tot, und somit wurde dessen Adjunkt und Nac-
folger, der polnische Pfarrer Leonhard Dembowius, sein näch-
ster Amts- und Flurnachbar.
Soweit ich feststellen konnte, kommt keiner der 20 Pfarrer
95 Siehe unten.
3° Qu., S. 448, Z. 14f.
37 Siehe weiter unten.
8 Die Einwohnerzahl Königsbergs vor der Pest 1602 ist mit 30 000—35 000
eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, wenn aud Berlin nach der Flögel-
schen Jubiläumschronik (1855), S.34, im Jahre 1640 kaum 6000 Einwohner
zählte. R. Armstedt und L.v.Baczko geben die Bevölkerungsziffer für
1700 mit 40 000 an.
9
und 10 Diakone, die während der Pfarrzeit Bretkes in Königs-
berg neben- und nacheinander an den damaligen sechs Kö-
nigsberger Kirchen® und dem Großen Hospital amtierten, als
Förderer der litauischen Sprachkenntnisse Bretkes und als
Ratgeber beim Übersetzen, wie es etwa Gallus in Laukischken
war, in Frage. Der Diakon am Löbenicht, Caspar Frischeinz,
der vor seiner Amtszeit in Königsberg (1589—1602) Pfarrer
in Salau gewesen war, also auch den litauischen Gottesdienst
dort versehen mußte, wäre sicher nicht an den Löbenicht nach
Königsberg versetzt worden, wenn er ordentlich Litauisch ge-
konnt hätte. Daher kann auch in ihm kein Helfer Bretkes
vermutet werden.
Es ist auch an sich nicht wahrscheinlich, daß sich Bretke
von seinem litauischen Schulmeister auf dem „Steindamm“
hätte helfen lassen, der im besten Falle einige theologische
Bildung besaß, dessen Kenntnisse aber doch auf keinen Fall
zu einem Abschlußexamen gereicht haben. Dazu war der
Schulmeister bereits alt, denn in dem Taufbuc der Altstädti-
schen Kirche, in dem er öfter als Pate erscheint, wird er be-
reits „alt“ genannt, so z. B. auf S. 37° in einer Eintragung vom
7. Dezember 1589: „...ein geselle || beim Altt littauschen
Schul- || meister...“ Er hieß wahrscheinlich Daniel mit Fa-
miliennamen.
Preußisch und kurisch dürfte Bretke in Königsberg nur
gelegentlich mit zugewanderten Pfarrkindern aus den unter-
sten Schichten gesprochen haben, dagegen hatte er ständig
Gelegenheit, das Polnische von seinem Amtsbruder und Flur-
nachbarn,; Leonhard Dembowius, und nach dessen Tode?” von
dem Nachfolger, Stephan Wilkau, der Bretkes Schwiegersohn
wurde, oder doch von deren Pfarrkindern zu hören.
Leonhard Dembowius war nach Grzybowski’* aus Turobien
in Polen gebürtig, wurde 1572 polnischer Diakon in Barten-
stein, im November 1574 Seclutian adjungiert und wurde
dessen Nachfolger. Über Stephan Wilkau siehe unten, S. 120 ff.
see Dom, Schloßkirche, Altstädtische mit Steindammer, Löbenichter und Ha-
berberger.
22020350.1595:
s1ı A, Grzybowski, „Geschichte der evangelischen Steindammer Kirche“,
S. 41. Grzybowski standen noch heute scheinbar verschollene Urkunden
im „Archiv der Steindammer Kirche“ zur Verfügung.
95
Wahrscheinlich ist, daß Bretke durch Caspar Henneberger
manche Anregung erhalten hat, der von Frühling 1590 bis zu
seinem Tode am 29. Februar 1600 Pfarrer am Großen Hospital
-war, dessen Feder wir bekanntlich zwei Abschriften aus Bret-
kes Chronicon verdanken?”,
Die Kirche auf dem Steindamm ist das älteste Gotteshaus
in Königsberg (erbaut Mitte des 13. Jahrh.) und steht heute
mitten im Gewühl der Großstadt mit nur unwesentlichen Ver-
änderungen fast genau so da wie zur Zeit Bretkes, nur daß sie
in der Umgebung der modernen hohen Häuser besonders klein
wirkt.
Als Bretke hier predigte, lag sie noch außerhalb Königs-
bergs in der sich an beiden Seiten des „Steinthamm“ lang hin-
ziehenden Vorstadt’”.
Diese Kirche diente seit 1550 der polnischen und litauischen
Gemeinde gemeinsam zu ihren Gottesdiensten”“, und zwar so,
daf sie an dem einen Sonnabend und Sonntag den Polen, an dem
nächstfolgenden Sonnabend und Sonntag aber den Litauern zur
Verfügung stand; nur die Mittagspredigt an den Sonntagen
scheint immer litauisch gehalten worden zu sein, da der pol-
nische Mittagsgottesdienst abwechselnd im Dom und in der Alt-
städtischen Kirche stattfand. So schreibt die polnische Gemeinde
in ihrem Gesuch von Anfang November 1602; es wäre sehr
beschwerlich, daß sie „...von 14 tagen Zu 14 tagen auff die
absolution vnd Communion warten mussen...“, und in der
Supplikation von Ende März, die das „...Ambt der || Pol-
nischen gemein“ unterzeichnet hat’”,,
Bee BAHN Dhtt
Ist Vngeborgen. wie vnnd welcher gestalt
Es beij den Stätten Konigspergk mit den
Polnischen Vnnd Littawschen gemeinenn
In Predigenn Vnnd Administrirung. Der
372 Gerullis, Arch. f. sl. Phil. 40, 117 f.
#73 Siehe den Geringschen Stadtplan von 1613 (von Armstedt in der Gesch.
Königsbergs, S. 160, veröffentlicht).
3” A. Harnoch: S. 38.
» E.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/04.“
se Qu., S. 446, Z. 10—17.
94
H: Hochwirdigen Sacrament bis Anhero
gehaltten. Das einen Sontagk vmb den .
Andern. ]Jn der Steintamschen Kirchenn
Polnisch Vnnd Littawsch ge Predigt. Vnnd
die Mittags Predigt im Polnisch einenn
Sontag Jm Kneiphoff. Denn Andern
Jn der Altenstadt gehaltten worden‘“?””,
Schließlih klagt der schon genannte polnische Pfarrer,
Stephan Wilkau, nach einer späteren Abschrift’:
»... Was die Predigt anlanget, habe ich müssen in den dreijen
Kirchen, als
Kneijphoff, Altstadt vndt Steintahm predigen, vndt also nicht
mit geringer Beschwer
vndt vbellstandt mich mit meinen Kirchspiels Kindern vmbher-
schleppen.
Das Sacrament des H. Abendmahls habe ich mit dem
Littawschen Pfarrherren Jo-
hanne Bretkio per alternatam vicem einen Sontag vmb den anderen
auff dem Steintahm
in S.Nicolai administriren müssen, vndt in den Städten Beicht hören.
Nach Verrichtung der Predigt vffm Steintahm, habe ich
Zu Mittag wieder im
Kneijphoff der Altstadt, auch alternatim pretdigen müssen .
Somit hatte der litauische Prediger nur alle 14 a vollen
Dienst mit Beichte am Sonnabend, und Morgen-, Mittags- und
Nachmittagspredigt sowie Abendmahl am Sonntag.
Auch von den beiden Festtagen der hohen Feste gehörte die
Kirche den Litauern am ersten, den Polen am zweiten Tage,
worüber die polnische Gemeinde in dem genannten Gesuch
von Anfang November 1602 heftig klagt:
»...Sonderlich ist das der Polnischen Gemein Zumahl
schmertzlich vnd beschwerlich, das sie in den hohen
festen des ersten Feijertags Zu keiner Kirchen vnd
Communion kommen vnd ihres Gottesdiensts nichtt
abwarten können, Sintemal der H[err] Littauische
Pfarrher, auffm Steintham in den selben Festtagen
zu Predigen pfleget...“
Dies bedeutete natürlih auch eine Entlastung für den
litauischen Pfarrer"*
#7” Weitere Belege unter E.M. 72f.
#8 Depos. der Steindammer Kirche, Abt. I, Nr. 1: „Abschriften von Akten
zur Geschichte der Steindammer Kirche 1595—1765“, Seite 3.
3” Signatur siehe S. 94 Anm. 375.
95
Bretke bekam in Königsberg jährlich 200 M. Gehalt”, dazu
12 Scheffel Roggen vom Hofe“, doch das Pfarrland fehlte, so
daß er der Ackerwirtschaft enthoben war und so in Königs-
berg erheblich günstigere Arbeitsbedingungen vorfand, als sie
in Labiau waren.
Nachdem sich Bretke auf das Schreiben der Oberräte vom
9. Mai 1587 nach Königsberg begeben hatte und ihm dort seine
Versetzung an die Steindammer Kirche eröffnet worden war,
predigte er dort bereits am 1. Pfingstfeiertage, am 4. Juni”*.
In einem im Auftrage Georg Friedrichs geschriebenen, am
8. Juni registrierten Briefe der Regierungsräte an D. Rogge”*
und Benedict Morgenstern, Pfarrer an der Altstädtischen
Kirche, wird diesem amtlich mitgeteilt, daß
„Wir
den auch Wirdigen vnsern lieben ge
treuen ((Rand: Johannem Bretken)) den Pfarh[err]n zu Labiau
an des verstorbenen Littauischen Pre
digers statt, alhier vffn Steintham,
wid[er] umb zu einem Prediger ange-
nomen ....?%
...Als befelhen Wir gnediglich[en]
Ihr wollet gedachten Littauischen
Prediger vff nechsten Sontag ]n
»0 In dem Schreiben der Bürgermeister und Räte der drei Städte an die
Regimentsräte wegen Neuregelung des litauischen Pfarrgehalts für
Sengstock (erled. 19. 3. 1604) heißt es: hat doch der „... vorige pfarherr
vorhin, mehr nicht alß. 200 M. gehabtt.“
»1 444,34 kg, rund 9 Ztr. In einem undatierten Schreiben, wohl von einem
der Regimentsräte auf ein Gesuch Sengstocks wird gesagt „...das...
ein l littischer Prediger alhie von hof | mehr nicht als 12 sch/Korn Jer-
lich[en] l Jnhalts des hofstals gehabt hat...“
»2 Siehe S. 86 und Schreiben Georg Friedrichs an den „Burggrauen vnd
Ambt l schreiber zu Labiau“ (2. 6. 1587, E.M. 102e 4), wo es betr.
Willent d. J. heißt, sie sollten „... Jhnen || diese Pfingst feyertage vber
(weill N der ander ((d. h. Bretke)) alhier vfm Steinthamb Pre- ll digen
muß)...“ in Labiau Probepredigten halten lassen.
#3 D. Eberh. Rogge, Offizial (juristischer Beirat im Konsistorium), geb.
Danzig 1536, studierte in Wittenberg, reiste nach Italien, doktorierte
1567 in Frankfurt a. d. O., darauf herzogl. Rat, 1574 Konsistorialrat des
Bischofs Heshusius am samländischen Konsistorium, } 20.5.1592. Arnoldt,
Zusätze, S. 185 ff.
s E.M. 72£., Aktenheft: „Litthauischer Pfarrer auf dem Steindamm 1587“,
BI®2:
96
der Steinthammischen Kirch[en] gebuerlich[er]
vnd ordentliecher weise einweisen...“
Somit wird Bretke am Sonntag, den 11. Juni 1587, in die
Steindammer Kirche feierlich eingewiesen, wo er von nun an
zusammen mit dem polnischen Pfarrer auf dem Steindamm
in dem neben der Kirche stehenden „Widdem“, dem ehemali-
gen Pfarrhause, wohnte”®
Es beginnen jetzt die fruchtbarsten Jahre Bretkes, doch
die Wirtschaftsnot hört nicht auf.
Im ersten Jahre nach der Übersiedlung nach Königsberg
scheint er zwar nicht zur Arbeit gekommen zu sein, doch
schrieb er vielleicht damals einige von den in dem Verzeichnis
von 1591 angegebenen Werken, die wohl verloren sein dürften.
Am 3. Juli 1588 nahm Bretke die Arbeit an der Bibel wieder
auf, und zwar begann er jetzt die Übersetzung der Genesis,
die er mit Unterbrechungen im Durchschnitt mit fünf Folio-
seiten täglich am 5. September 1588 beendet.
In dem nun folgenden halben Jahre wird Bretke sicher die
„Giesmes“ zum Druck vorbereitet haben, zu denen er am
11. April 1589 das Vorwort schrieb, und die bald darauf er-
schienen.
Die Bibel bleibt wieder ein halbes Jahr liegen.
Während der Zeit arbeitete Bretke sicher an seiner Postille,
die er Anfang September 1589 fertig hatte, und die er durch
die Regimentsräte dem Herzog anbot, und zwar überreichte
Bretke ein deutsches und ein litauisches Exemplar. In seinem
Schreiben hat Bretke offenbar ausführlih von seiner Über-
setzungstätigkeit berichtet und gebeten, daß die „HausPostil“,
wie die Regimentsräte sagen, korrigiert werden solle, und
zwar schlagen sie vor, daß auch Pfarrer „...aus dem König-
lichen || theill®”, solche Postill vbersehen helffen....“
»5 In der Bittschrift des Amts der polnischen Gemeinde, eingeg. 30. 3. 1603,
an den Herzog, heißt es: „Jtem Das die Littawsche so woll auch I der Pol-
nische bis An Hero Vfen Stein- ll tham gewoHnet. was VngelegenHeitt ll
solchs gebracht.“ (Qu., S. 446, Z. 17—19.)
» In dem am 11. 5. 1590 präsent. Schreiben Bretkes, in dem er dem Herzog
die Postille zum Druck anbot, sagt Bretke, daß er sie den Regiments-
räten „...vngeferlich vor einem Jhar angedeütet...“ hätte (Qu., S. 432,
Z. 19£.).
»” Also aus dem Grofßfürstentum Litauen.
7 Falkenhahn, Bretke 97
In dem Schreiben der Regimentsräte, mit dem sie sich am
14. Oktober 1589 an den in Onolsbach“ weilenden Georg
Friedrich wandten, sagen sie nach der Grußformel (Seite 2°):
„»...das der Jzige Littausche Prediger
alhie Johannes Bretkius so Zuuorn ezliche 20 Jahr
zu Labiau Pfarrherr, gewesen, vnd vngefehr vor
Drietthalben Jahren, nach des Damals gewesenen
Littauschen Predigers Tödtlichen abgang, anhero
uociret vnd bestellet worden, etliche opuscula theo-
logica in Littauscher sprach gefertiget, verhofft auch
vnd ist in willens do Ihme Gott das leben vergönnet,
mit seiner almacht Hulffe, die ganze Bibel in die
Littausche sprache Zu transferiren, vnd dieselbe: E:fl[en]; Dht:
in vnderthenigkeit Zu Dediciren, vnd in diesen Lezten
Zeitten, dem Armen vndeutschen Völcklein so mehrer-
theils Barbarj vnd von Gott vnd seinem Wortt
wenig od[er] nichts wissen, sonderlich weill in
Dieser sprach ausser Dem Cathechismo Passional
Predigten vnd Psalmbuchlein in Theologieis noch Zur Zeit
nichts Zufinden, mit solcher seiner Arbeidt Zudienen,
Als hat aber vnder andern, ermelter Johan Bretkius
(Seite 2°)
für diesmahl: e: fl[en]: Dht: ein HausPostil vnderthenigst offeriret,
vnd darbey hochvleissig angehalten vnd gebetten,
sintemahl er diese seine Arbeidt allein Zu Gottes
ehre Zu erbreitterung seines sehligmachenden worts
vnd Zuerbauung vnd vermehrung der Christlichen Kirch[en]
furgenommen, das soches Opusculum durch gelehrte,
wolgeubte reine vnd erfarne Theologen, die der
deutschen so woll der Littauschen Sprach kundig
examinieret, censuriret vnd geurtheilet, auch do die
der Wahren religion der Augspurgischen Confession
gemes, vnd auf Gottes wordt gegrundet, befunden
wurden, fur der vf: E: fl[fen]: Dht: verlag dem Armen
vndeutschen volck Zu guttem in Druck gegeben,
werden möchten,
Wan wir dan erachten das solch sein suchen vnd vor-
haben an imselbsten Christlich vnd billig Zuforderst aber
Zu Gottes ehren, Zu fort Pflanzung seines Göttlich[en]
worts, vnd Zuuermerung der Christenheit gereichet
auch do dies gefertigte opusculum durch gelerte Theo-
logen approbiret, mit der heyligenschriefft einstimmig
befunden, vnd hernacher sonderlich do kunfftig auch die
Bibel in dieser sprach ediret vnd durch: e: fl[en]: Dht vor-
schub dem Druck
283 Ansbach.
98
Committiret, werden solte, nicht allein e flfen] Dht bey menniglich
(Seite 3r)
einen vnsterblichen Nahmen vnd Ruhm machen
sonder auch hierdurch viel der armen vndeutschen
leutte, so woll von den benachbartten, als
e fllen] Dht vnderthanen, vnserm Herrn Christo
gewunnen (!), vnd Zum Christenthumb gebracht
werden Köndten, Als haben wir
solches: e: fl[en]: Dht. hiemit vnderthenigst Zuberichten
nicht vnderlassen sollen, vnderthenigst nicht
Zweyflendt: e: fl[en]: Dht: werden Dieses Werck selbsten
hochuerstendig erwegen, vmd was sie hierinne
gnedigst Zuthun gemeinet, vnd ob die solches
opusculum vf derselben vncosten in Druck Zugeben
bedacht, Ihre gemuets meinung vns In gnaden
eröffnen,
Wir Zwar mussen bekennen das vber vorige
angeZogene vrsachen, alle, auch Durch Dieses Werck
dem gegentheil den PaPisten (welche vnlangst
des Canisij®® Cathechismum in Littauscher sprach
in Druck ausgehen lassen, vnd Der Ortt bereidt
hin vnd wieder vnder die leutte gestecket,
auch vnZweiflich Ihren giefft vnd menschen-
tandt durch andere bucher mehr in solcher sprach
(Seite 3”)
fort Zubreitten, vnd das arme vndeutsche vnd
meistes theiles von Gott vnd seinem wortt
vnwissendes Volcklein Zu inficiren vnd in mehrere
abgötterey Zufueren nicht feyern,) begegnet vnd hir-
durch Ihnen Jr vorhaben gehemmet werden Köndte,
Wolten Demnach:e: fl[fen]: Dht: in vnderthenigkeit nicht
rathen, das:e: flfe]: Dht: vf vorhergehende Censur vnd exa-
mination solche von dem gedachtem Bretkio e fl[en] Dht
dedicirte Littausche Postill verlegen,
vnd vf derselben vncosten, obiger vrsachen halben in
Druck verferttigen hetten lassen, Jnmassen wir
dan Zu dem Ende solche bucher, weill er sie In
Deutscher vnd Littauscher sprach vbergeben, das
deutsche exemplar, den Professoribus Theologiae so woll
auch den Pfarrherrn vnd Consistorialibus alhie Zu
examiniren vnd vmb ]hr schriefftlich bedenckhen
ZuZustellen fur gutt angesehen, Wollen auch gleichs-
fals das Littausche exemplar durch derselben
sprach kundigen vnd gelehrte Theologen, so man in e fl[en] Dht
Landen, so woll von den benachbarten vnd der
ss® Siehe unten, S. 100 Anm. 391.
7r
augspurgischen Confession Zugethanen in der nehe
haben kan, etwa Zu Rangnit, oder wo es der ortt,
am fuglichsten wirdt geschehen können, examiniren
(Seite Ar)
vnd ob sie mit der Wahren religion vnd der heylig[en],
schriefft einstimmig Censuriren lassen, vnd dauon
Jhr schriefftlich iudicium fordern, Damit also dies
Werck Cummuni calculo, do es anderst e fl[en] Dht gnedigs
gefellig, vnd es dieselben beuehlen, Weiter ge-
fordert, .vnd dem Druck Committiret werden
möchte, wie den solche der Theologen bedencken, so
baldt die an vns gelangen, e fl[en] Dht von vns vnuer-
lengt in vnderthenigkeit Zugeschicket werden sollen,
Vnd ob sich woll der verlag vnd die vncosten etwa
in die Dreyhundert od[er] mehr gulden belauffen möchten,
sonderlich do den Jenigen, so aus dem Königlichen
theill, solche Postill vbersehen helffen, eine geringe
ergezligkeitt Ihrer muhe geschehen solte, wollen wir
doch vnderthenigst hoffen es werden:e : fl[e]: Dht: ein
solch gering geldt nicht ansehen, oder sich dasselbe
tauern lassen, sondern vielmehr solch werck, so
Zu Gottes ehr vnd vermehrung der Christlichen Kirchen
gereichet, auch e fl[fen] Dht einen vnsterblichen Nahmen
vnd ruhm gebehren wirdt.. .“?%
Also Bretke hatte 1589 bereits ‚„... etliche opuscula theo- ||
logica in Littauscher sprach gefertiget...“ und die „... Pa-
Pisten...“ hatten bereits damals „...vnlangst || des Canisij"*
Cathehismum in Littauscher sprach || in Druck aussgehen
lassen...“ und auch in Preußen unter die dortigen Litauer
gebracht.
Am 24. November 1589 teilen die Geheimen Räte Georg
Friedrich mit, daß es um der Ausbreitung des Christentums
und „...beferd/erjung || d{er| armen leutt || seelen seelig-
keit...“ willen und „...dem Armen vndeuttsch[en] voldh
Zu || guettem...“ wert wäre, die 5300 Gulden auszugeben”.
390 (eh. Staatsarch. Berlin, Rep. 7 (alt.) 80 cc.
»1 Petrus Canisius (de Hondt?), „erster deutscher Jesuit“, geb. in Nym-
wegen (Geldern); 1549 bestimmten ihn eine Vision am Grabe Petri, in
der ihm das Herz Jesu erschien, und eine besondere Weihe des Papstes
zum „Apostel der Deutschen“, zum „2. Bonifatius“, wurde ein bedeuten-
der Gegenspieler Melanchthons; er schrieb u. a. den bekannten Kate-
chismus (1555). (R.G.G., Bd. I, S, 1447, und Jesuitenlexikon, Spalte 294 ff.)
#2 Signatur wie Anm. 390.
100
“ Gleichzeitig legen sie ihm ein ausgearbeitetes Antwortschrei-
ben an die Regimentsräte in Königsberg vor, das in Konzept
und Reinschrift im Berliner Staatsarchiv erhalten ist. Da heißt
es, daß er, Georg Friedrich, die Postille für die armen Litauer
drucken lassen wolle, doch wären nach seiner Ansicht 300
Gulden etwas viel, und er tadelte, daß die Rechnung nicht
spezifiziert worden wäre; doch er sei
„»... Zufrieden dass- solche Postil, beides Jn
Teüscher (!) vnnd Littawischer Sprach ett-
lichen reinen vnnd gelartten Auch
der sprachen kundigen Theologis vntt[er]-
geben, vnnd Jm fall dieselb vnnserer
wahren Christlichen Religion der
Augspurgischen Confession gemeess er-
funden oder von ermeltten Theologen
darauff corrigiert würdt, Alss dann
vff vnnsere verlag, Jedoch alles mit
ringsten vncosten Jn den Truck ver-
ferttigt werden...“
solle.
Die Reinschrift ist ohne Unterschrift und Datum, daher ist
es möglich, daß der Brief in anderer Form oder auch gar nicht
abgegangen ist.
Nachdem Bretke Anfang September die Postille abge-
schlossen hatte, nahm er am 13. September 1589 die Arbeit an
der Bibel wieder auf und erledigte mit nur ganz kurzen Unter-
brechungen Josua, Judices, Ruth, 1. u. 2. Samuelis, 1. u. 2. Regum,
1. u. 2. Chronicae, Esra, Nehemia, Esther, Asaria, Gesang der
drei Männer im Feuerofen, Gebet Manasses, Canticus Canti-
corum, Stücke in Esther, führte 1. Makk. zu Ende und über-
setzte 2. Makk., Job, Jesaia, Jeremia und Threni, das er am
11. April 1590 Anschlen]
In einem am 11. Mai 15% eingegangenen Brief an den Her-
zog bot er ihm wiederum seine „...Littausche predigten vber
die || Fest vnd Sontags Euangelia...“ zum Druck an.
In dem Briefe sagt Bretke (Seite 1) u. a., daß — wie er nun
schon 29 Jahre gesehen hätte’”
»...die Littawische
Kirche bisdahero, mit Gottes wert (!) in
Jhrer sprache, nicht dermassen, wie
»s Qu., S. 431, Z. 36-8. 432, Z. 11.
101.
es die Notturfft erfordert, geweidet
ist werden (!). Denn ob wol E.F.D. lie-
ber herr Oheim, Marggraff Albrecht,
milter vnd hochloblicher Gedechtnis, vnser gne-
digster Landesfürst, Gottes wort mit
rechtem Ernst in diesem Fürstenthumb
gemeinet vnd gepflantztet, auch neben
der Academia Fürstliche vnd milde
beneficia, der Jugent, so studiret, ver-
(Seite 2)
ordnet vnd gereichet: Jst doch fast niemant
funden, der da etwan mit einem Lit-
tawischen Scripto, derselbigen vndeud-
schen Kirchen gedienet hette. wie auch
im Königschen teil meines Wissens,
nicht das geringste Büchlein, in
Littauscher Sprache. bisdahero geschrieb[en]
worden, dadurch denn solche Kirche
merklichen verseümet...“
Sicher wußte Bretke von der litauischen Übersetzung des
Katechismus des Canisius, und sicher meinte er, daß in Litauen
keine lutherischen Schriften geschrieben worden seien.
Es sind seine „...Littausche predigten...“, die „...ein-
feltig || vnd kurtz gestellet...“, die er selber gehalten hat.
Wenn auch die Sprache von andern überarbeitet ist und auch
auf ihren Rat hin, manche...“ gantz vmb Zu giessen....“, ver-
ändert worden sind, so hören wir doch in ihrem ganzen Tenor
in ihnen Bretke litauisch predigen.
Der Herzog ordnet am 13. Mai eine Konferenz Litauisch
sprechender Geistlicher „...an ein gelegenen ortt || nemblich
nach Ragnit...“ an, wie es in dem an Bretke gerichteten
Schreiben heißt”.
Sie solle
»... den nechstkonftti- ll gen Sontag Cantate welcher l sein wird der
siebentzehende | Maij...“
beginnen, und Bretke sollte mit
„... voserm Pfarrherr in Knijp Il hof3%5 zugleich vffbre[chen] ...“
und sich nach Ragnit begeben, wo ihnen und den anderen
2: E,M. 72f, Aktenheft „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590—
1592“; siehe Bezzenberger M.L.L.G. III, 1893, S. 124: „Zur litauischen
Literaturges&hichte.“
#5 Artomedes, siehe unten, S. 105 Anm. 400.
3 Signatur Anm. 394.
102
Konferenzteilnehmern (Johannes Höpfner, Simon Waischna-
rus, Zacharias Blothno, Johannes Bielauk, Alexander Radunius
und Daniel Gallus) die nötige Unterkunft und Verpflegung
im Hause Ragnit gegeben werden würde. Bretke sollte sich
aber für die Zeit der Ragniter Konferenz vom polnischen
Pfarrer (Leonhart Dembowius) in Königsberg vertreten lassen,
»... damitt
„spielskinder
nich allein die Kirch“ mitt
Gottes wortt vnnt Pre-
digten versehen, sondern
auch sonsten, was euer Ambt
erfordert, nichts verseu-
met werden möge...“
Dies war das erste Mal, soweit wir wissen, daß in der
iitauischen Literaturgeschichte vor dem Drucke eines Werkes
eine derartige Korrektur stattfand. Doch Bretke hat, wie aus
dem oben’ (S. 98) mitgeteilten Schreiben hervorgeht, um eine
derartige Konferenz gebeten, und zwar vermutet Hermann
wohl mit Recht’”, daß Bretke das Vorbild Luthers und seine
Ratschläge für das „Dolmetschen“ dazu bewogen haben.
Ende Mai ist die Korrekturarbeit bereits beendet, was die
Konferenzteilnehmer in einem am 1. Juni eingegangenen
Briefe dem Herzog mitteilten.
In dem sehr interessanten Schreiben von der Hand Arto-
medes sagen die Korrektoren”® von sich (Seite 3)
„...wegenn Herrn Johannis Bret-
kij Postill haben wir...
wo vnSS
in rebus od[er] phrasibus bedencken Vor-
gefallen, den autorem Candid£ [et]
fraterne monirt, vnnd nach vnnser ein-
falt, was vons besser vnnd bequemer
gedaucht, substituirt, welches er
gern geschehenn lassenn. Weil
auch ettlich gantze predigtenn wol kön-
nen was ordentlicher, volliger vnnd
verstendtlicher gefasset werd[en], haben
wir Ihn, solche gantz vmb Zu giessen,
»” Nachr. der K. Gesellsch. der Wissensch. zu Göttingen, Philol. hist. Klasse
1923, sowie unten, S. 149 ff.
8 Herzogl. Briefarch. I, Kasten 1590.
103
vnnd sie darnach Jemand aufß vnn-
serm mittel Zuuberschick [en], gebeten,
welches er auch gutwillig zugesaget.“
Danach sagen sie (Seite 4), daß derartige litauische evan-
gelische Bücher notwendig seien, da der Teufel
»...nun ettlicher seinen
Jesuwiderischen Sewen Litauische
Rüessel formirt, das sie auch in
disem Litauischen Sprengel dem
Herrn Christo seinen Weinberg
Zerwülen vnnd verderbenn sollen,
Wie sie denn albereit allerlei
gifftige Bucher in diser sprach[en]
ausgesprenget, da hergegenn
auff vnnser seiten grosser
mangel, vnnd fast nichts von
reinen nützlich[en] lehrbüchern
Zufind[en] ...“se®
Hierdurch ist eindeutig gesagt, daß schon vor DaukSa außer
dem erwähnten Katechismus des Canisius einige litauische Bü-
cher auf katholischer Seite gedruckt und auch in Preußen ver-
breitet worden sind.
Am 26. Juni nimmt Bretke, nach Königsberg zurückgekehrt,
die Bibelübersetzung wieder auf.
Er übersetzt jetzt mit Unterbrechungen bis zu einem Mo-
nate: Ezeciel, Daniel, die 12 Kleinen Propheten, das 2. bis
5. Buch Moses und holt das seinerzeit bei der Übersetzung
von 1. Regum ausgelassene Kapitel 7 nach, womit er am Sonn-
tag, den 29. November 1590, die Übersetzung der ganzen Bibel
abschloß (Abb. 7, T. VI).
Danach dürfte Bretke an der Umarbeitung der von den
Korrektoren beanstandeten Predigten gearbeitet haben, wo-
mit er Anfang Januar 1591 fertig wurde, jedenfalls schrieb
er damals das Vorwort zu der Postille, worauf sie gedruckt
wurde und erschien.
Als der Druck der Postille abgeschlossen war und die tau-
send Exemplare an den Hof abgeliefert waren, machte Bretke
verzweifelte Anstrengungen, um eine Gehaltserhöhung durc-
zudrücken. Er ging zu dem Dompfarrer und Konsistorialrat
32 Ihre Unterschriften unter diesem Briefe siehe Abb. 30, T. XV.
104
M. Sebastian Artomedes””, zum Pfarrer an der Schloßkirche und
zweiten Theologieprofessor D. Andreas Pouchenius”® und zum
Pfarrer der Altstädtischen Kirche, Konsistorialmitglied, Ordi-
narius für Hebräisch usw. D. M. Christophorus Grunerus”“,
klagte seine wirtschaftliche Not, schilderte seine Übersetzungs-
arbeit und bat um ein Befürwortungsschreiben an den Herzog.
Bretke muß tatsächlich bei diesen hohen Herren Sympathie
gefunden haben, wie ihr interessantes Schreiben zeigt, das sie
Bretke gaben; es ist in einer Abschrift im Berliner Staats-
archiv erhalten” und sei hier ganz mitgeteilt:
„Gottes gnade vnd segen, Zeitlicher vnd ewiger Wolfart
beuorn, Durchlauchtigster Hochgeborner gnedigster
Furst vnd Herr, E.F. Dht sollen wir vnterthenigst nicht
Vorhalten, Das Vns vnser lieber Collega vnd Bruder
in Christo, der wirdige vnd Wolgelarte Johannes
Bretkius Littauscher Pfarrer aüffm Steintham,
fur der Zeit, offt vnd vill mahl. seine Noth vnd Armut
in welcher er sampt seinem Liebe (!) Weibe, vnd armen
Kinderchen, stecke. vnd lebe, wehemudtigklich geclagt
vnd entdeckt, auch angetzeigt, wie er alle das Jenige,
was er von seinenn lieben nuhn mehr inn Gott
#0 M. Sebastian Artomedes, geb. 1544 in Langensee, Franken. Magistrierte
1567 in Wittenberg, 1572 Hofdiakon und Beichtvater Georg Friedrichs.
Kam mit ihm 1578 nach Preußen, wurde 1579 Pfarrer am Dom in Kö-
nigsberg und hatte das Recht, die Pfarrer im samländischen und na-
tangischen Distrikt zu ordinieren. 1599 zum Dichter gekrönt (geistl.
Lieder), } 11. 9. 1602. Arnoldt, Hist. Un. II, S. 477, Zus. S. 93, Nachr. ],
S. 47 ff.
#1 D. M. Andreas Pouchenius, geb. Juni 1552(3?) in Braunschweig. 1577(8?)
magistrierte er in Rostock. 3 Jahre Prorektor in Lübeck, studierte da-
nach 5 Jahre in Tübingen, doktorierte 1586, im gl. Jahre Prof. secundus
in Königsberg und Pfarrer im Löbenicht. 1602 wurde er 1. Theologie-
professor und 1603 Pfarrer im Kneiphof. 7 14. 10. 1615. Arnoldt, Hist.
Un. II, S. 162, 177, Zus. 29, 33.
#02 D), Christoph Gruner, geb. 21. 12. 1551 zu Neustädtel, Meißen. War
Lehrer zu Pforta, danach Diakon zu Wittenberg; mußte als Anhänger
des Kryptocalvinismus fori. 1591 Pfarrer an der Altstädt. Kirche zu
Königsberg. Doktorierte inzwischen 1593 in Jena und wurde im gleichen
Jahre in Königsberg Professor des Hebräischen und 1595 Rektor. War
Mitglied des Konsistoriums. Ging 1589 als Generalsuperintendent nach
Mannsfeld und starb 1606. Arnoldt, Hist. Un. II, S. 196, 560, Zus. S. 38,
Fortges. Zus. S. 12. Nachr. ], S. 33.
#08 Rep. 7 (alt.) 80c. (Seite 19rff.; die Seitenangabe bezieht sich auf die
Blattanordnung im Aktenheft des Berliner Staatsarchivs).
= 105
ruhenden eltern, ererbet, da er draussen Zu witten-
berg vnd sonsten an andern Ortten seinenn Studijs
obgelegen vnd von andern keine Sübsidia stü-
diorum hatt haben konnen, ver Zehren mussen,
Vnd ob er woll verhoffte er wurde solches alles
widerumb einbringen, vnd erobern konnen, da er
seinen vnderhalt vnd dinst, inn diesem loblichen
Fürstenthum vberkommen solle, welchem er alss.
seinem Lieben Vaterlandt, für allem andern mit
dem Talento, so im der liebe Gott Vortrauet dinen
wollen, wie er dan dem selben fast Dreyssig Jahr
am wortt Gottes gedienet, inn allen stucken
seines Ministerij trew befunden, sich auch beflissen
(Seite 19°)
das er der Littauschen Kirchen, welche die Bibel
vnd andere nutzliche Scripta, In ihrer sprache
bisshero nicht gehabt, mit Littauschen schrifften
moge dienen, Vnd Zu dem ende auch eine feine
postillam welche der Littauschen Kirchen dises lob-
lichen furstenthumbs Pfarern approbiret, vnd
ihnen haben gefallen lassen, Inn Littauscher
sprach Zusammen gebracht, so nun mehr durch
den offentlichen Truckh verfertiget wortten,
dartzu noch andere nutzliche vnd der Kirchen
Gottes nottige Scripta, so wohl auch die gantze
Bibel bey im hatt, die er in die Littausche. sprach
hatt gebracht, vnd Verdolmetschet, Auch sein
Ministerium mit einem Erbaren vnstrefflichem
wandel geschmuckt, seinen Zuhorern mit aller-
ley Christlichen Tugenden furgeleuchtet,
Aber gleichwohl biss hero einen. fast schlechten
Vnd geringen Vnterhalt gehabt, das er von
seinem dienst vnd arbeit wenig erobert, vnd
beilegen konnen, Vnnd entlich auch das wenige.
In diesem Jtzigenn dinste, auf dem Steintham
nicht alleine Zu bussen, sondern auch, wie wohl
Vngehrn vnd wider seinen willen, sich inn,
schuldten stecken müssen, wofern er mit
(Seite 20r)
seinem armen weib vnd Kindern, nicht hunger leiden
wollen, Er hatt auch diese seine große beschwer
vnd Armut, den Erbaren Inn E.F.Dht. Steten Konigs-
berg Rethen Zuvnterschiedtlichen Mahlen Zuge-
müth gefuret, Vnd dieselben nuhmehr in die
Zwey gantze Jahr vnderdinstlich gebetten, sie
wollen seine Nott erwegen, vnd ihne mit Der-
massen besoldung versehen dauon er mit sein-
106
nem armen Weib Vnd Kindern seinen notturrft
tigen vnderhalt haben mochte, hatt aber wie
wohl im Vilfeltige vertröstung geschehen bisshero
wenig erhaltten Konen, Wan dan der gutte
Man, fast darumb bekummert, vnd betrubt, Vnd
solche seine betrubnis, auch dener grosser wirt,
das er vermerckt, wie er togteglich, an Krefften
abnemme, Vnd schwächer werde, auch seine Zimliche
erwachsene, Töchter fur im sihet, vnd nicht weiss,
wie Vnd woüon er die selben, alss einem Treuen
Vatter geburet, versorgen vnd begeben Konne, Alss
hatt er vnnss freundlich gebeten, wir wollen vns,
sein anligen treulichen lassen befohlen sein,
vnd an E.Flfe]. Dhl Ime eine vnterthänige Inter
cession schrifft mittheilen, welches wir ihme
(Seite 20°)
alss vnsern lieben Collegae vnd Bruder in Christo,
mit welchem wir ein hertzliches mitleidten tragen,
nicht versagen konnen, Gelanget demnach ann
E.F.Dht. vnser vntertheniges flehen vnd bitten,
dieselbe geruhe diese beschwer, obgedachter vnsers
lieben Collegae Ehrn Johannes Bretkij genedigst
Zubehertzigen, inn bedrachtung, das der sodem Altar
dienet, vom Altar leben solle, Vnd alss ein Verus
Ecclesiae nutritius die gnedige fursorge Zuthuende.
wie solchen seinen beschwer abgeholffen, vnd er mit
notturffttigem Vnterhalt moge Versorget werden,
damit er sein Ministerium mit freiden vnd nicht
mit seufftzen verrichten, auch der Littauschen
arbeit, so er noch vnter henden hatt, desto fleisiger
obligen, vnd desto besser verferttigen konne,
Solches gereicht E F.Dht Zu sondern ruhm vnd
Ehren, vnd wirt es der getreue Gott ein be-
lohner alles gutten, derselben reichlich ver-
gelten vnd erstatten, Vnd seindt vmb E.F. Dht
wir sambt vnsern lieben Collegae mit vnserm
vndechtigen vnd emsigen gebett Zu Gott fur
E.F. Dht. bestendige gesundtheit langes leben
gluckliche vond friedtliche reigierung (!), solches.
Zuuerdinen inn hochster Vnterthenigkeit.
(Seite 21r)
willig vnd geflissen, Hochermelte E.F.Dht inn den
gnedigen schutz des Almechtigen, vnd derselben Zu
gnaden vnnss vnterthenigst befehlende,
E.F. Dht.
Vntertänigste vnd gehorsame
diener am Wortt Gottes,
107
Sebastianus Artomedes
Andreas Pouchenius D
M Christophorus Grunerus
(Seite 21°)
Der Pastorn der 3 Stedte.
Konigsperg. Jntercession
vor denn Littischen Predig/er]
seines Vnderhalts halb[en].“
Mit diesem Schreiben begab er sich (etwa Juli-August 1591)
zu den Bürgermeistern und Räten der drei Städte Königsberg
und bat um eine diesbezügliche Eingabe beim Herzog, der er
ein Gesuch an den Herzog, das Schreiben der drei Geistlichen
und ein Verzeichnis seiner bis dahin übersetzten Schriften bei-
fügte. Das Schreiben der Bürgermeister und Räte sowie das
Verzeichnis ist im Berliner Staatsarchiv erhalten®, Beide
sollen ihrer Wichtigkeit halber hier mitgeteilt werden:
(Seite 17”)205
„Durchlauchtigster, Hochgeborner. Furst, Gnedigster.
Herr, E.F: dht. seindt vnsere vnderthenige Pflicht
schuldige. vnd gehorsamme, Dinste, Jederzeit Zu-
uorn bereit, Gnedigster Furst vnd Herr.
E.Fl[e]. Dht. werden in gnaden beiligente befinden;
was an vns der wirdige, Johannes Bretkiuss;
Littauscher. Prediger, auf dem Steintham:
wegen seines vnderhaltts; Jn dem selben Zuer-
besserren bittet, Nuhn Haben wir dem gutten
Manne, souil vns Immer moglich[en] gewesen, vnd.
wie es Jedere Stadt, nach Ihrem vermogen,
thun konnen, an besoltung gern gereicht, vnd.
gegeben werdten, wie dan wir auss der Alten
stadt, nicht allein die Steinthamische Kirche-
sondern auch die Wiedem, oder daß Pfarhaus,
Jedertzeit inn beiüehlichem wessen, vnder-
Halten müssen, vnd vns wohl in die 200 M.
dieses vergangene Jahr; auff erbesserung
der wiedem gegaangen (!) Darob wie in disen.
Stedten, ein mehres auf den Littischen Pfar-
Herren Zu wenden nicht vermugen, Wan aber.
wie der Pfarherr setzet, das meiste Littauische
volckh auff E.Fl[e]. Dht. Freyheit, dem Sackheim
Rossgartten, vnd Tragheim wohnett, vnd sich
aüfhelt, Vnd warlich der gutte man, seiner
#% Berliner Staatsarchiv, Rep. 7 (alt.) 80.c.
#05 Bezüglich der Seitenzählung siehe oben, S. 105 Anm. 403.
108
(Seite 17°)
treue vnd arbeit halben, welche er in Vertirung etlicher
gutter bucher Jn das. Littausche, wie Jm beiligen-
den Zettel, Zu sehen anwendet; werth ist, das er
wohl vnd erlich vnder halten werdte, Allss. ge-
langt. An E.F.Dht, vnser vnderthinges bitten,
Sie wollen, als der gnedige Furst vnd Patron, aller.
Kirchen, dem gutten, man, Jre gnedige milde Handt,
ertzeigen vnd beweissen, vnd demnach Jme. nach
EF. Dht. gnedigem willen vnd wolgefallen, mit
etwass das Littyschen volks, vf vnd inn E Fl[en] Dht.
freijheit wonende, Halben Zur besoldung Zu hulffe
kommen, vff das der gutte man, nicht noth leiden,
vnd also verursacht werden möchte, sich von hinen
Zubegeben, Wie er sich dan auch richtig dahin
erclert, do Ihme nicht Jehrliche hulff vnd Zü-
schub geschehen solt, das er sich wo anders vmb-
sehen, vnd seine Verbesserung suchen. muste,
wie wir dan auch Zimliche nachrichtung haben,
das er von gutten Leuthen, derentwegen ist an-
geredet wordten, das er sich an andern ortten,
soll bestellen lassen, derowegen bitten wir aber-
mahls E. Flle]. Dht. gantz vnderthenigklich, sie geruhen
inn gnaden, den gutten man, Jherlichen mitt einner
gnedigen Hulffe Zubedencken, Solches wirdt,
Gott der almechtige E.Fl..Dht hier Zeitlich
(Seite 18r)
vnd inn ewigkeit, vnuergolten nicht lassen,
vnd wir sendt (!) solches vmb die selben, als getreue
vnderthanen Zuuerdinnen schuldig vnd bereidt.
E. F. Dht.
Gehorsame vnderthanen.
Burgermeister vnd Rath
mane der dreyer... Stede,
Konigsbergk
(Seite 18°)
Burgermeister Vnnd
Raht der dreien Stedte.
Konigsberg wegen.
Johann Pretky Littisch[en]
Predigers...“
Das beiliegende Verzeichnis lautet’”:
(Seite 22r)407
„Libellj & Johann Bretkio Borusso
408 Signatur wie S. 108 Anm. 404; siehe auch Gerullis, Stud. Balt. V, S. 52.
407 Bezüglich der Seitenangabe siehe S. 105 Anm. 403.
109
in Lithuanicam Linguam translatj.
Augustana Confessio.
Paruum Corpus doctrinae Christianae
Mathia Judieis
Corpusculum doctrinae Christianae
Johannis Wigandj
Schmalcaldiej Articulj
Postilla Coruinj in Euangelia Dominicalia
ohne die itzt gedruckt worden
Biblia veteris et nouj Testament[orum].“
Die Regimentsräte antworten den drei Städten in einem
am 9. November 1591 registrierten Schreiben, dessen stark
beschädigtes Konzept im Königsberger Staatsarchiv liegt, und
zwar sagen sie u. a.:
»...Ihr euch erstlich[en]
selbst[en] der gebuhr er-Innert, vnd
die Motiuen, so Ihr in ewere[n]
Intercession schreib[en] Zu erlangung
dler] gebetten[en] addition, gebraucht,
Eu[ch s]sibst[en] zu gemüth Ziehen
vn[d] dfer] Addition halb[en] ein[en] an-
fang gmacht, hettet, dann Ihm
deme Ihr bekennen vnd erkenn[en]
must, das der Littawische
Pfarh[er] mit dem geordtnet[en]
vnd[er]haltt nicht versorget, Sond[er]n
darbei Noth leid[en] müst Doch seiner
gabe[n] halb[en] eines bessern vnd[er]halts
wurdig seij, hett Euch Zuuordler]st
gebühr[en] woll[en], wie Euch dann
d[er] Stätt gemein halb[en] noch obliget
vnd gebühren will da nicht allein
Zurath[en]: Sond[er]n auch Zu thatten
das der Pfarh[er] Joan: Bretkius [vnd]
dfer] Littawisch[en] einwohner Seel-
sorg[er], dermass[en] vndfer]halt[en] werde,
das Er djer] dringent[en] Noth halb[en]
nicht vrsach habe, seinen fueß
and[er]st wohin Zu wend[en] od[er]
seinen dienst ferner mit sorg[en] vnd
seuffzen obzuwart[en] ...“
Dies alles würde unterbleiben, wenn die Städte ihm die
jährliche Verbesserung geben würden. Es ginge doch nicht an,
daß die Gehaltserhöhung den Regimentsräten alleine zuge-
410
schoben werden sollte. Doch wären sie den Dienern göttlichen
Wortes nicht ungeneigt, und sonderlich nicht
„...dier] gleich[en] Pastor[en] welche den Kirch[en]
In frembde Sprach[en] nicht allein mit
lehr[en], Sond[er]n mit schreib[en] vnd
Ihrer extra ordinarj arbeitt
dienen, diselb[en] mit Ihrer arbeit
erbreitern, vnd das Gottlich wortt,
durch frembde in schrifft[en] Zuuohr
fast vnbekante Sprach[en] erweitt[er]n...“
Es wäre mit Bretke nicht recht geschehen; die Städte sollten
um der litauischen Gemeinde willen den treuen Dienern die Ur-
sache nehmen,
„»...Ihrn dienst andl[er]st
wohin Zu wendlen]
Wenn dann Joan Bretkius Jhn
Jnhalts der dreien Pastore[n] Com-
mendation, biß dahero Jn seine[m]
dienst ((durchstr.: d[as] seine)) fast all sein [ver]mogl[en]
Zugesetzt, Nichs desto wenigl[er] ab[er]
seine[m] A[m]bt [vnd] dinst fleissig ob-
gewarttet, darZu ]Jn heylig[en]
schrifft ((Rand: mit Vertirung
derselb[en] in die
littawische Sprach)), des gleich[en] von Kein[em] Littauisch[en]
Pfarh[er]n nicht erfahren grosse arbeit
[ver]richtet, lauts der verzeichnus
eracht[en] wir Nettig [vnd] halten es fur
fur billich vnd recht, d[as] dem
littawisch[en] Predig[er] sein vnd[er]halt
d[er]mass[en] [ver]bessert werde das er
sein dienst belohnet vnnd [vnd]
Jhme vrsach gegeb[en] werde, nicht allein
bei d[er] littawisch[en] gemein alhier
Zu Pleiben: Sond[er|n vert... (?) In
dler] littawisch[en] Sprach[en] vort Zu arbeit[en]...“
Damit es aber nicht an ihnen liegen solle, haben sie bereits
etwas bewilligt, doch da das nicht ausreiche, um Bretke zu
helfen, und um der Litauer willen, die in den drei Städten
wohnen, verlangen sie, daß die Räte in gleichem Maße hülfen,
»... welches dann Ne Bretkius I mit seine[n] l getrewen | dien-
st[en] wid[er] | einbring[en] vnd mit dessen Arbeit I Zu verdiene[n]
wissen wird... 8
ı®@ E.M. 72f.
111
In ihrem Bericht hierüber, der sich im Berliner Staatsarchiv
befindet‘, sprechen die Regimentsräte gleichfalls von der
VON
keinem Littauschen Pfarhern nicht erfahren,
grosse arbeit...“ die Bretke getan hätte
„...Jahalts der dreyer Räth
vbergebenen vertzeichnus...“
Weiter sagen sie dort (Seite 11)“ bezüglich des Deputats
vom Hofe, daß es ihm:
„»... alle
Jahr vff Michaelis. solang er Bretkius im dienst
sein wurdt, gefolgett werden soll, Doch soll
diese addition weitters nicht. dann vff den herrn
(Seite 11”)210
Pretkius vnd solang es fl[en]. Dht. gefellig ge-
meint sein, Dagegen hatt herr Pretkius
Zugesagt, vnd ist schuldig, das Consistorium
so oft er darzu erfordert wirdt, Zubesuchen,
vnd demselben beizuwohnen, ]Jtem was von
hoff. Jn Littauischer sprach zu Vertiren sein
wurdt, solches Zuuertiren. vnd fl[en]. Dht. sonsten
getreue Dienst Zuleisten, =
Fur die dedication der Littauschen Postil,
soll Jhme herrn Pretkaw hundert Exemplar
verehret sein, die er so hoch. als er kan, Zu
geldt machen, verkauffen. vnd Zu seinen
nutz wenden mag...“
Das gleiche sagen sie in dem Bericht an den Herzog vom
25. November 1591“, nur daß sie dort betonen, daß aus dem
Verkauf der verbleibenden 900 Exemplare der Postille die
Unkosten gedeckt werden sollen, die der Druck und die Her-
ausgabe verursacht haben. In diesem Schreiben übersandten
sie dem Herzog das Verzeichnis der Übersetzungen Bretkes.
Ende Oktober 1591 ratifiziert der Herzog alles“*, weist aber
ausdrücklich an, daß die Regimentsräte mit den drei Städten ver-
‘ handeln sollen, auch noch etwas dazuzugeben.
20 Rep.7 (alt.) 80c; Datum 9. 9. 1591 (Seite 10° im Aktenheft).
‚0 Im Aktenheft.
“1 Ebenda, S. 24r ff.
42 Fbenda, S. 15r ff.
112
ee
Tatsächlich bekam Bretke von jetzt ab vom Hofe zu den
12 Scheffeln Korn noch 18% weitere, dazu 10“* Scheffel Gerste
sowie „Ein Priester Kleyd oder 19 M. 13 R“ 3 Dn““. %, denn in
dem Bericht eines Regimentsrates (?) in den Jahren nach Bret-
kes Tode wird gesagt:
„Jch weis vff dise Supplication anders nichts Zuberichten,
Als das worhin
bei lebzeiten hochseliger fdt. ein
littischer Prediger alhie von hof
mehr nicht als 12 schl Korn Jerlich[en]
Jnnhalts des hofstals gehapt hat,
hernach hat die Regirung Ao 91
dem seligen Littischen Predig[er] vff ratification noch Jerlichen
18 schl. Korn 10 schl gerst[en] vnnd
ein prister Kleidt Zugeworff[en]
weil er über 40 Jar Jnn disen
landt dem ministerio vorgestand[en]
Vnd in schreiben vnd predig[en] viel gethan ....““?
Es sieht so aus, als ob die drei Städte nichts gegeben haben.
Ein ganzes Jahr fehlt von Bretke jede Nachricht. Er hat
sich aber offensichtlich in dieser Zeit mit den schweren „Phrasi-
bus“ und Wörtern in seiner Bibelübersetzung beschäftigt, die
ihm entweder inhaltlich oder sprachlich Schwierigkeiten mach-
ten, denn, obwohl er die Übersetzung bereits am 29. November
1590 abgeschlossen hatte und spätestens Herbst 1591 der Druck
der „Postilla“ vollendet war, wandte sich Bretke das ganze
darauf folgende Jahr hindurch nicht an den Herzog mit der
Bitte um Drucklegung, sondern er kündigte diesem erst Mitte
September 1592 die nahe Vollendung der Bibel an und bat nach
zwei Konzepten der Herzoglichen Kanzlei“, daß, (Rand):
»... Alldiweil in
solchem werck aller-
“8 12 + 18 = 30 Scheffel = 1110,86 kg, rund 22,25 Ztr. -
#4 304,34 kg, rund 6 Ztr. =
415 Schilling.
40 Denaren.
#47 E.M. 72f, Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/04“, Bl. 52.
“8 1. Konzept zu einem Schreiben des Herzogs an den Hauptmann zu
Ragnit vom 20. 9. 1592. 2. Konzept zu einem Schreiben des Herzogs an
die zur Bibelkorrektur bestimmten Pfarrer vom 22. 9. 1592. Beide haben
die Signatur: E.M. 72f., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 3 und 6.
8 Falkenhahn, Bretke 113
lej schwehre phrases
vnnd wörter, welche
in denselben vn-
deutschen sprachen
vngebreuchlich
vorgefallen
etliche vnserem
Ambtt Ragnitt der Littauischen
sprach erfharnen Pfarhern ((durchstr.: Zue censurieren [vnter]-
gebenn werdenn möchten (überschrieben: consoliren vnnd sich
derethalben
mitt Jhnen vnterreden) (Rand: vnnd sie derethalben
nach Ragnit verschrieben
werden möchten))....“
In dem 2. Konzept zu dem Briefe an die zu der Konferenz
bestimmten Pfarrer wird gesagt, Bretke wäre
„»...in ettlichen Phrasibus... Zweif-
lich... ob die eigentlich dem Teutschen nach also zu
geben ((überschrieben: sein mögen oder nicht)) ...“*8
Am 20. September 1592 ordnete der Herzog die Konferenz
in einem Schreiben an den Hauptmann zu Ragnit an und sagte
weiter:
»...Du wollest, wann ermelter
Bretkius Zue Rangnitt ankömptt, Simonem Waisch-
narum, Zue Rangnitt, vnd Johanne[m] Gedecantum Zu
Schirwinten, Georgen Musam Zue Pikallen,
nebenst Friederichen Mosalskj Zu Pricolß
pfarherrn ((Rand: denen
wir auch
dasselbe durch
vnnsere sonder-
bare bevehlich
angemeldet)). vf vnser Hauß Ragnitt erfordern
Jhnen nebenst Bretkio ein gemach eingeben, Vnndt
...Auch sie solche Zeit vber, mitt notturf-
tiger liefferung, ann Essen vnnd Trincken ver
sehenn lassenn.‘19
Bretke dürfte sich sofort nach Ragnit begeben und so die
Konferenz in Gang gebracht haben. Die beorderten Korrek-
toren stellten sich ein“, und man begann mit dem Alten Testa-
ment. Doch bald zeigte sich, daß unsere Pfarrer, obwohl sie
#0 Signatur wie S. 113 Anm. 418, Bl. 1.
20 Signatur wie S. 115 Anm. 418, Bl. 11.
114
sicher Litauisch von klein auf sprachen, der Aufgabe nicht ge-
wachsen waren, nahezu aus dem Stegreif eine Übersetzung
schwieriger biblischer Stellen zu geben, oder genauer: eine
große Menge litauischer Wörter zu schaffen, die es in ihrem
Vokabelschatz nicht gab und nicht geben konnte, ebensowenig
wie es heute jemandem, der fließend Niederdeutsch spricht,
möglich sein würde, ohne lange Vorarbeit z. B. einen hoch-
deutschen politischen Text, den er mühelos versteht, ins Nie-
derdeutsche zu übersetzen. Bei der Postillenkorrektur war
die Aufgabe leichter, da es sich da allergrößtenteils um freie
Rede handelte, die nur zu verbessern war. Die Pfarrer kann-
ten eben nur die lateinische, günstigstenfalls die polnische und
deutsche Bibel und deren Termini, so daß sie scheitern mußten
und unmöglich aus dem Stegreif Fragen beantworten konnten,
mit denen sich unser fleißiger und gewissenhafter Bretke schon
lange vergeblich abgemüht hatte. Dazu ist ihnen Bretke offen-
sichtlich noch mit dem Hebräischen gekommen!
Sie gaben die Sache daher bald auf und schrieben am
10. Oktober gemeinsam von Ragnit aus an den Herzog”, daß
die Bibelübersetzung eine löbliche und nützliche Sache sei, die
viel Arbeit und Zeit gekostet hätte, und daß sie gehorsamst
zur Korrektur nach Ragnit gekommen wären, doch
Bi SWEillER.,
...Zu einer solchen hohen schweren
sachen viel vnd raume Zeit gehöret,
wir vnß auch Viel Zu geringe, schwach,
vnd vnuormogen Dar Zu erkennen,
So gelanget ahn E F D alß unsern
gnedigsten fursten vnd hern vnser
allervntethenigste bitte, Die wollen vnß
auff eine gelegene Zeit etzliche gelarte
menner in hebraischer sprache erfahren,
Zuordnen, damit solches hohes nötiges
vnd christliches werck mochte vorrichtet
vnd in Druck gebracht werden... .“22
Bretke bat darauf sofort die Regimentsräte um eine wei-
tere Konferenz mit Hebraisten entweder in Ragnit oder in
“1 Signatur wie S. 113 Anm. 418, Bl. 11.
#2 Die Unterschriften dieser Korrekturen unter dem Briefe siehe T. XXXV,
Abb. 75.
& 115
Königsberg”. Die Räte wandten sich deshalb am 3. November
1592 an den Herzog und baten, er möchte die Kosten einer
solchen Zusammenkunft nicht scheuen ...,
„... weil ((überschrieben: noch zur Zeit)) in dieser sprach
ausser dem Cathechismo i
Passional, Predigten, Psalm-
büchlein, vnnd dieses Bretkij
außgangene Postillen in theo-
logieis nichts Zu finden ist.
Als gelehrten Thetlonend nannten sie besundähs „ED!
Georgium || Mullerum“. Nach der Korrektur solle dann das
Werk unter dem Namen des Herzogs auf dessen Kosten gedruckt
werden.
Der Herzog wandte sih darauf am 8. November 1592 an
das Konsistorium und bat um Mitteilung ihrer Ansicht,
‚... wie vand welcher gestalt
((überschrieben: Ihr vermeinet)),
..Das dieses werck vollenden
Zu absoluiren, auch was fur personen
hierZu gebrauchen ((überschrieben: sein mögen)) an welchem ort
sie ((Rand: am fuglichsten)) zusammen Kommen ((überschrieben:
können)) vnnd wieuiel
Zeit ((durchstr.: Zu solch vollendung sie)) dan Zu
Zu nemen sein wolle.“
Sie sollten „...Bretkium auch deßfalls hören...“ und dann
Bericht erstatten.
Diese setzten sich sofort mit Bretke in Verbindung und
teilten darauf in einem am 12. November 1592 eingegangenen
Schreiben“ dem Herzog mit, daß sie (Seite 4)”*
»... mit mehrge-
dachtem Bretkio Vnterredunge gehalten ....“,
und daß es zwar ein „...sehr Christliches Vnnd nutzliches werk
seij...“ Es wäre aber sehr
„...schedlich, wo solche Version der Heiligen Schrifft
nicht mit den fontibus einstimmet, Vndt man
“3 B,M. 72£., Aktenheft: „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590—
1592“; siehe Bezzenberger, M.L.L.G. III, S. 126, „Zur litauischen Lite-
raturgeschichte.“
»24 E,M. 72£., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 4.
25 Ebenda, Bl. 7ff., Qu., S. 433 ff.
20 Seite im Brief.
116
frombte‘?” sinn Vnnd Verstandt auch wider Gottes
wortt darein menget, Vnnd breuet, derwegen
(Seite 5)228
alhier Christliche fursicht wil Vonnothen sein, Vnndt
thut er Johannes Bretkius recht Vnnd wohl, das er
nicht allein seinem Kopff folget, sondern sich mit
andern in dem was er nicht assequiren kann, Zu unter
reden erbeut, Vnnd selber darumb bittet, dan
ob Zwar der Herr Luterus seliger gedechtnuß,
durch große muh Vnnd arbeit die Biblia auss der
Hebraischen Vnnd Grichischen Sprache in die deut-
sche so hell Vnnd klar gebracht, das ein Jder deutscher
solches wol Verstehen, Vnnd den sinn der wortt fast
erreichen kan, Demnach (?) Hat ein ider Sprach seine
Idiotismos Vnnd wie sonderlich schwer gefallen, auch
diss was deutsch gemacht, in eine frembte Sprach
die noch nie aussgearbeitet ist, wie die Littauische,
recht Proprie, Zu bringen, Das aber gewisße Per-
sohnen solten dartzu geordnet werden, welche sanctö
Linguam studiret Vnndt die der rechten Littauischen
sprache Kundig, konnen wier nicht finden, wie
solches mochte ohn abbruch Vnnd Verhinderunge ihrer
Empter geschehen, so sie diesem werck alleine abli-
gen solten, auch wolte es Viel reißens geben, Vndt
ein lange raume tzeit dartzu gehoren, da man
in einem Jahr kaume Konte hindurch kommen,
Derowegen were Vnsere meinunge also, das er
(Seite 6)
Johannes Bretkius Zuuor ein Stuck nach dem andern
(wie er sich auch erbotten.) fur die Handt nehme,
dasselbige Vbersehe, Vnnd wo er irgendt ein dubium
Hette das auftzeichnete, Vnnd alles ordine aufschriebe,
Vnnd den Theologis Vnnd Pastoribus alhier Zu schickete,
das sie priuatim das bedechten, Hernach auch in Conuen
tu daruon redeten, sich der sachen einigten, Vndt ime
ihr bedencken vff alle questiones antzeigeten, Als,
das er itzt baldt die bucher Mose für sich nehme, Vndt
was er im, 1.2.3.4.5. Nicht recht verstehen konne,
das sonderlich vftzeichnet Vndt sich des raths bei dem
Consistorio erholete, Vnnd sein arbeit Hernach in
translatione richtete, Wan nun diß geschehen, So konten
E.f. dht. solche stuck, welche Bretkius verfertigett, den
Pastoribus im Ragnitischen, als Waschmaro (!) Musae Vndt
Gotkanto auch denen Zur Tilse Vnndt Insterburgk ((Rand: Zusenden))
ihr Judicium Von der Version erfordern, Doch inen
#27 Fremde.
117
alles Vnnotiges grubeln Vndt stacheln Verbieten,
Wo nichts wider den sensum scripturae gefunden wur-
de, wo aber sie oder ein ider in Sonderheit was No-
tabile Hetten, das auf tzeichneten, Vndt anhero sen-
deten, auch Hernach eine gewisse tzeit ihnen ansetzen
das sie selber sich beij dem Consistorio alhier ein
stelleten, Vndt daselbst Vrsachen Contradictionis
(Seite 7)
antzeigten, da als den leicht allen sachen kan abge-
Holffen werden, Vnnd also das erste stucke nah, E.
f. dht, befehl Vnndt Vorschub in druck Verfertigt,
vond dergleichen mit den andern buchern, biß
durch Gotliche Hulffe die Biblia gantz Hindurch
gebracht... .“?28
Darauf wurde Bretke vom Konsistorium mitgeteilt, er solle
„...das Erste teil des Alten Testaments,
nemlich die 5 Bücher Mosi (!) vonn Newens Reuidiren, vnnd
was... ihm darinnen bedenklich oder schwer fallen würde, solches
ihnen anmelden, so wollten sie ihm... hirinnen Ihre handt reichen...“
wie Bretke in einem Briefe an den Herzog fast dreiviertel
Jahre später (eingeg. 18. Mai 1593) schreibt”
Bretke sah hierauf die fünf Bücher Moses in der angegebe-
nen Weise allein durch und korrigierte selbst nach jeweiliger
Rücksprache mit Hebraisten.
Als Bretke nach einem Dreivierteljahr fertig war, wandte
er sich mit dem. erwähnten Briefe Mitte Mai 1593 wieder an
den Herzog und berichtete” „...ich dan solche 5 Bücher
Mosi (!) wieder vberlesen, vnnd mit derselbigen herren Rath.
so viel mir müglichen gewesen corrigiret habe...“, und bat
wieder um eine Konferenz, in der die Bibel auf das Litauische
hin durchgesehen werden sollte:
„+... Ihue demnach E Fdhtt Ich die-
selbige meine arbeit abermahl in vnderthenigkeitt praesenti-
ren nicht zweiffelend E.F.dhtt. werden solch nötig werck,
nu mehr durch andere, vond der Littauschen Sprachen Kündi-
gere in meinem beysein, Zum druck vollends verfertigenn,
vond auff Ihrer F.G. vnkosten drücken lassen...“
Gleichzeitig übersandte Bretke dem Herzoge das Manuskript
der fünf Bücher Moses, den ersten der fünf Foliobände.
223 Qu., S. 433, Z. 34 ff.
222 (Ju., S. 435, Z. 36 ff.
#0 Fbenda, Z. 38 ff.
118
Über zwei Jahre vergehen, und Bretke erhält keinerlei
Antwort.
Vielleicht ist es kein Zufall, daß Alzunius, der noch 1589 in
den Etats als Beamter des Herzogs erschien, ab 1593 fehlt‘”,
Da erinnert Bretke Mitte Juli 1595” den Herzog an seine
„Littausche Erbeit“, die er
„»...schon vor Zweyen Jharen...
vnterthenigst praesentiert...“ hat, und zwar in der „...meinung
ob etwan E F.D. dasselbige, Jn diesem Jhrem
Fürstenthum vnd gantz Littawen auch Samai-
ten, hochnötige werck Jn Jhrer F.D. Bibliothe-
ca begerten, oder es durch andere der Littau-
schen spraachen kündige vnd gelerte menner
vollents in druck verfertigen Zu lassen, geson-
nen weren: Nun bin Ich aber in so rau-
mer Zeit wegen dieser meiner praesentirung
nicht beantwortet werden, Das ich also nicht
weis, ob mein angewenter vleis vnd trew-
hertzige Erbeit E.F.G. angeneme ist: Derhal-
ben Ich verursacht umb ein gnedige antwort
vor das mahl bey E.F.D. in vnterthenigkeit x
anzuhalten. Do nun E F.D. mein
wolgemeinte Erbeit angeneme ist, bin Jch erpet-
tig die vbrigen teil der Littauschen Bibel E FD.
auch ZuZustellen: Soll aber mein angewendeter
vleis bey. E F.D. vber verhoffen nicht angenem
sein: So bitt Ich vnterthenigst mir das erste teil
der Bibel. nemlich die 5. Bücher Moisi wi-
derumb ZuZustellen, damit d[as] gantze werck also vn-
zerstümmelt, bey einander bleib[en], vnd Ich demselbigl[en]
etwan einen andern Patronum desto füglich[er]suchen
müge...“
Die Drohung, sich einen „andern Patronum“ zu suchen, tat
ihre Wirkung: Schon am 18. Juli 1595 schrieb der Herzog nach
der üblichen Rekapitulation des Tatbestandes:
»... Wann aber die anordtnung
der Reuisoren bis dahero nachgebliebenn, vond Er
pretkius nunmehr gewis sein will, beedes / was
wir der Reuision, denn nach derselbenn / der pub-
licationn halbenn, zuthun gesonnen, Mit den an-
hang, do vnns solch werck nicht annemblichenn, d[as]
#1 Forstreuter, Alzunius, in Altpr. Biogr., S. 11.
#2 Registr. 17. 7. 1595 (Qu., S. 436, 2. 25 ff.).
119
er als dann einen andern patronum suchen möchte /
Als seindt wir sonderlichenn vf die Commendation /
so zum theil von euch / vnndt anderer Littauischen
pfarherrn vnndt Kirchendiener beschehenn. vndt...
schloßenn, mit Joannij pretkio vmb das] exemplar / der
Vertirten Littauischen Biebel, handlung pflegenn
Zuelaßenn, vnd solches Zue vnnsern handen Zuebringe[n] /
doch d[as] Er pretkius dem bedencken nach / nicht
allein der reuision, die wir furderlichenn anzuordt-
nenn gedenckenn / bey wohne, d[as] exemplar / nach der
censur fertige / vnndt vnns daßelbe bestendig vnd
gerecht vberantworte, Sondern do hernacher vnndt
noch beij seinem lebenn d[as] werck dem Truck
beuehlenn werdenn solte, d[as] Er den Truck iedes-
maln vbersehe / die Correctur halte, damit d[as] ohne /
mangel vnndt Correct ausgehenn möge
Seinen derowegenn vnnd begerenn gnedigst, Jhr wollet
ermelten pretkiunn (!) an ein bequem ortt fur mich er-
fordernn, ihme vnnsere gemuets meijnung anmelden,
vndt Zu obiger maßenn vmb dl[as] exemplar der vertierten
Littauischenn Biblia, doch bis vf vnnser beliebenn vnd
Ratification“®® handlenn, vnndt in der Handtlung gleich-
wol dis in acht nehmenn, Weiln er diese seine arbeit
der Littauischen Kirchenn Zum besten gemeinet,
vondt angewendet, d[as] er auch mit vberlaßung der-
selbenn, sich also erzeige, das die belohnung er ((durchstr.: nicht))
recht, vnndt nicht Zuhoch halte, damit d[as] werck der
Kirchenn Zue guetem, ihme selbst Zue Ruhme,
furter an tag gebracht werden kenne, Was ihr
nun also verhandlenn werdet, dauon werdet vns
vf vnser Ratification# bericht in schrifften Zukom-
menn laßen.. .“%
Doc aus irgendwelchen Gründen wurde die Anordnung
des Herzogs nicht ausgeführt, und Bretke wartete vergebens
auf eine Antwort. Es fehlte jetzt offensichtlich die Person im
Schloß, die sich seiner Sache annahm.
In dieser Zeit starb Bretkes Flurnachbar, der polnische
Pfarrer Leonhard Dembowius, und Stephan Wilkau, der, wie
gesagt, Bretkes Schwiegrsohn wurde, trat an seine Stelle.
„Stephan Wilcow“, wie Arnoldt ihn nennt‘, wurde am
27. November 1568 in Hohenstein geboren, besuchte nach Grzy-
433 Bestätigung, Einwilligung.
#4 Signatur wie S. 116 Anm. 424, Bl. 16 ff., Qu., S. 437, Z. 27 ff.
435 Nachr. I, S. 42.
120
bowski’* in Neidenburg die Schule und begann nicht ganz
20jährig am 1. Februar 1588 in Königsberg zu studieren, wo
er als „Stephanus Wilkau, Hohensteinensis Borussus“, ohne
Immatrikulationsgebühren zu zahlen, immatrikuliert wurde®”.
Nicht ganz einen Monat nach dem Tode Dembowius’ begann
Wilkau am 20. Juli 1595 den Examensturnus, der am 5. Sep-
tember mit der feierlichen Ordination seinen Abschluß fand,
denn Wilkau war nach Grzybowski vom Magistrat seinen
Mitbewerbern vorgezogen worden, „da er ein fein und deut-
lich vornehme Ausrede habe, ein ziemblig Alter und gutes
Verständnis gezeiget, auch der polnischen Sprache mächtig
sei‘, worauf er am 21. September durch Bretke in einem
Introduktionsgottesdienst in sein neues Amt eingewiesen
wurde. Seine Aufzeichnungen hierüber veranschaulichen die
ganze Prozedur, der sich damals ein Kandidat zu unterziehen
hatte, um wohlbestallter Pfarrer zu werden. Hören wir ihn
daher selbst**:
„Anno 1595. In vigiliä Johannis Baptistae, [quae] fuit dies 23 Junij
Leonard[us] Dembovi[us] Pastor I olim Polonic[us] dien (?) obijt. I
Eödem annö Dolminlicä 5. post Trinit. [quae] fuit 20 dies Julij habui
concionem primam Polonicam (ego Ste- || phanlus] Wilkau) pro locö
in Templö Cathedrali Kniphofiano, coram consulib[us] [et] reliqvis
Polonicae Lingvae || gnaris in magnö conventu auditorum. || Eödem
annö. 25. Augusti a Consulib[us] Consularib [usque] Trium urbium
Regiomonti Illustrissimo Princi- || pi, prae reliqvis Competitoribus
(utpote Jacobö Fednero Soldaviensi, Rectore Sestensi. Georgio Andrea
Pa- Il store Texensi, Georgio Bernhardi et caeteris:) pro Pastore Po-
lonico com[mjendat[us] sum per literas, qvarum exem- || plar extat
in repositoriö dom[us] meae. | Eödem annö et die, ämeridie Illustris-
sim[us] Princeps ej[us]dem|que] Conciliarij adpraedictas literas
Com[m]endatorias || me deklarant Pastorem Polonicum [et] ad examen
mittunt. || Albrecht Freijh[err] Zu Cittlitz || Hanss Rauter Burggraff ||
George Pudewels. Obr. Marschall. || Caspar Prantener D. subscripsit. |}
Eödem annö. 4. Sept. steti in examine hora 1. pomeridianä ad horam
vsq[ue] qvartam. Examinato- | res fuere. D[omiln[us] D. Paulfus]
Weiß, Concionator Aulic/us] [et] Th. Prof. in Acad. Prim. Df[omi]-
n[us] D. Christophor[us] Gru- I ner[us]. Ebr. lingvae Prof. et Pastor
Veteroppidan[us). D[omiln[us] M. Sebastian[us]| Artomedes Super-
#88 ].c., S. 41.
437 Erler, Königsberg, I, Wintersem. 1587.
488 Signatur dieser in späterer Abschrift erhaltenen Aufzeichnungen Wil-
kaus siehe oben, S. 95 Anm. 378.
121
intendens [et] pastor || Templi Cathedralis. || Ao. 1595. 5. sept. Qvo-
niam D[omiln[us] Superintendens ac Templi Cathedralis Pastor Se-
bastian[us] Arto- ll medes ex pedib[us] laboräre coepit, in templö
Loebenicensium una cum Laurentiß Puschiö Lithvanö Pastore !
s
futurö Kusnensi, q[uod] pag[us] in distrietu Insterburgensi sit[us]-
[est], ordinati sum[us). Fuerunt autem testes Ordinatio- nis [et]
impositionis manuum Df[omiln[us]. D. Andreas Pouchenil[us], Pastor
Loebenicensis, [et] Theol. Prof. Acad. Reg. || [qui] verba ordinationis
recitabat. Dfomiln[us] Caspar[us] Frischheintz [et] Christophor[us]
Mirovi[us] Diaconi ibidem. Item D[omiln[us] || Casparus Hennenberg
Pastor in Xenodochiö Majore Loebenicensi. n 21. Sept. celebrabatur
Introductio, per D[omilnum Johannem Bretkium, Socerum (tum tem-
poris) futur[um]. a legato Illustrissimi Prineipis, Nobilitate [et]
Doctrinä Clar[us] Vir Johannes Heidenstein Consiliari[us] I Aulic[us].
Df[omi]n[us] Jacob[us] Brandt Veteroppidan[us] [et] Tilemannf[us] de
L(?)amp, Cniphöfin[us] (?) Consiliarij. || 5 Octobris. i. e. Do[min]icä
j6. post Trinitatis habui primam Missam ad Div. Nicolaum Extra l
portam.“
Bald darauf muß Stephan Wilkau die Tochter Bretkes, Bar-
bara, geheiratet haben, denn ihr Sohn, Christoph, der später
zu dem Dichterkreis um Simon Dach gehörte, wurde am 3. Fe-
bruar 1598 geboren”.
Doch wir kehren zu Bretke zurück.
Nach fast dreieinhalb Jahren vergeblichen Wartens schreibt
Bretke im Dezember 1598 wieder an den Herzog“, er hätte
„...angesehen das die Littausche Kirche,
sonderlich dieses Fürsten thumbs Preussen die
Bibel Jn Jhrer sprache, bis dahero nicht gehabt...“
deshalb hätte er sie „...aus des herrn Lutheri löblichen deüd-
schen Version“ ins Litauische übersetzt, und diese ‚,... Arbeit.
schon vor einer raumen Zeit EF.D. angemeldet...“ und die
fünf Bücher Moses übersandt. Wieder bittet er um eine Ent-
scheidung, ob der Herzog die Bibel entweder korrigieren und
dann drucken lassen wolle, oder das ganze Manuskript für
seine Bibliothek begehre. Falls er aber keins von beiden
wünsche, möchte er die fünf Bücher Moses wieder zurück-
erstatten lassen,
„...damit das gantze Opus un Zerissenn
beyeinander bleyben müge.“
48 Grzybowski, 1c 41.
#20 Siehe unten, S. 138 ff.
a1 Fingeg. 10. 12. 1598 (Qu. S. 439, Z. 3 ff.).
122
en.
Die Drohung mit dem andern Patron unterbleibt diesmal,
auch ist der Ton sehr ruhig, was nach so langer Zeit des ver-
geblichen Wartens erstaunlich ist.
Erst am 14. Februar 1599 übersendet der Herzog Bretkes
Brief den Konsistorialen und beauftragt sie aufs neue, weil
er das Manuskript in der Bibliothek haben möchte. „...mit
gemeltem Johanne Brettkio vmb solch transferirte Littauische
Bibell zu handeln“, wie es in dem Antwortschreiben des Kon-
sistoriums vom 24. Mai 1599 an den Herzog heißt”:
„»...vnd mit Ihm vergleichung Zu treffen was
Ihm wegen Angewentes vleisses muhe vnd Arbeitt
vnseres guttachten, Zugeben, vnd E. Fl[en] dhrtt. nebenst
vberschickung der geferttigten Andern Bucher (weil
die 5 bucher Moysis allbereit vberantworttet sein)
dauon zu berichten...“
Aus unbekannten Gründen antworten die Konsistorialräte
darauf erst am 24, Mai 1599:
..das wir
zwar mit Brettkio derentwegen ch Er aber
nichts in specie fordern wollen, Sondern E. fl[en] dhrtt
stellet er es anheimenn E. fl[en] dhrtt. werden Zu
betrachtung seiner Langwirigen Arbeitt vnd hoch
angewantes fleisses, daruber er in die 12 Jahr
laboriret welche zu nutz der Christenheit gemeinet
Jhm, der doch beij seinem geringen dienst nichts für sich
bringen können, eine Löbliche erstattung thun,
Vnndt damit E. fl[fen]dhrtt. wir vnser vnterthenigst
bedencken vermelden, achten wir, wan solche
Arbeitt in druck verferttiget bey den
Littauen. die doch die Bibel in Ihrer sprachen nicht
haben, zum aufwachs der Kirchen Christj gelangen
wurde, Als das billich E. fl[en]. dhrtt. Brettkio zuuer-
geltung seiner Arbeitt 500 oder 600% gulden Aus
gnediger Mildigkeitt reichen lasse, des gleichen
auf die druckereij als ein Nutricius Ecclesiae Keine
vnkost sparen solle...“
Doch die Übersendung der an der Bibelübersetzung fehlen-
den vier Folio- und drei Quartbände unterblieb, auch hörte
Bretke danach nichts weiter.
“4: Signatur wie S. 116 Anm. 424, Bl. 20 ff.
#3 {| Gulden — 1,50 Mark, also 750-900 M.; über den Wert des Geldes siehe
oben, S. 63f.
123
Etwa eineinhalb Monate vorher, am 14. April 1599, trug
Bretke sich in das Stammbuch des Joachim Mörlin (des Sohnes
seines ehemaligen Bischofs)** ein, wobei er als Symbolum
Joh. 20, 22—23 aus dem Stegreif*” neu übersetzte (Abb. 9).
Diese Eintragung zeigt, daß Bretke seine litauische Ortho-
graphie geändert hat, was sicher nicht der Fall gewesen wäre,
wenn er nicht in den Jahren seit dem Abschluß der Bibelüber-
setzung Litauisch geschrieben hätte.
Als Bretke keinerlei Antwort erhielt, wandte er sich mit
einem am 19. September 1599 eingegangenen Schreiben“ aufs
neue an den Herzog. Er sagte darin fast wörtlich dasselbe wie
in dem Briefe vom Dezember vorigen Jahres — wieder hat er
die Bibel „...aus des herrn Lutheri || löblichen Deutschen
Version“ in die litauische Sprache übersetzt, wieder bittet er
den Herzog, sich zu entscheiden, und erbietet sich, die fehlen-
den sieben Bände zu liefern, falls das dem Herzog genehm
sei, andernfalls er aber den ersten Band zurück haben möchte.
In dieser Zeit verlangte der Herzog von den Königsberger
Theologieprofessoren, die ja z. T. zugleich Konsistorialräte
waren, ein Urteil über die Bibel, das scheinbar für Bretke sehr
günstig ausfiel, denn in seinem am 28. Oktober 1600 ein-
gegangenen Schreiben an den Herzog sagt Bretke:
„...Das auch die herrn
Theologi dieser Stadt, solchen .meinen vleis beliebet.
vnd Jhr Judicum dauon, auff E.F.G. gnediges begeren
vor einem Jhar vbergeben haben...“
Sicher hängt auch das Bemühen der Konsistorialräte um
den Druck des Neuen Testaments in dieser Zeit damit zu-
#4 Das Stammbuc, auf das mich Herr Prof. Kot, Krakau, aufmerksam
machte, befindet sich in der Universitätsbibliothek Kopenhagen; Signa-
tur Thott 385—80.
#5 Die Übersetzung lautet im Bibelmanuskript Bretkes, S. VII, 220 „...Kaip
mane Tiewas siunte, taip || esch siuncziu ius. Ir kaip tatai biloio || dwese
ant iu (verbess.: Kwepe in ios (nach 1590)) ir bila iemus. Imket I schwenta
Dwase, kuriemus Griekus l atleidzat, thiemus ira atleisti, ir Kurie- I mus
Griekus ußturit, thiemus ira l ußtureti.“
”e Qu., S. 441, Z. 14 ff.
#7 Qu., S. 442, Z. 34 ff.
124
2 he Tr a ee
.
sammen, denn auf den am 19. September 1599 eingegangenen
Brief Bretkes hat eine andere Hand vermerkt“*:
„H.D: Paul“® zeiget an dlas] d[ie]
Hlerrn] Consistoriales?5° gerne
sehen dlas] d[as] Neue Testament
des (?) Pfarrern Zum besten
möchte gedrucket w[er]d[en].“
Möglicherweise stammt Bretkes Entwurf zu einer lateinischen
Vorrede zum Neuen Testament auf einem leeren Blatt im
Neuen-Testament-Manuskript”" aus dieser Zeit.
Wieder vergeht über ein Jahr, und Bretke erhält keine
Antwort. Georg Friedrich weilte damals lange außer Landes
und hatte offenbar auch sonst bei den schwierigen wirtschaft-
lichen und politischen Verhältnissen wenig Sinn für derglei-
chen Dinge.
Am 15. Juli 1600 verlor Bretke seine Tochter Barbara, die
Frau des polnischen Pfarrers Wilkau, der jedoch bereits im
nächsten Jahre, am 14. Februar 1601, wieder heiratete, und
zwar eine Ursula Krause”.
Ende Oktober 1600°* schrieb Bretke wieder an den Herzog:
„+... Weil Jch aber
Itzt in das achte Jhar, auff einen abscheit gewartet
vnd keinen bisdahero vberkommen können, werde
Jch verursacht abermahl hierumb bey E.F.G. an-
zuhalten. Bitte demnach vntertheniglich E.F.G. wol-
3 Qu., S. 442, Z. 17—19.
4 D), Paul Weiß aus Schlesien war seit 1566 Archipädagogus am Pädago-
gium, 1568 Professor des Griechischen, 1578 Oberinspektor des Alumnats,
1579 Professor der Poesie, 1581 zweiter, 1586 erster Theologieprofessor;
seit 1591 Konsistorialrat; } 1610. Arnoldt, Nachr. I, S. 8.
450 Im Konsistorium waren damals außer P. Weiß (Anm. 449) noch M. An-
dreas Iris, Offizial (siehe oben, S. 96 Anm. 383) Sebastian Artomedes und
D. Andreas Pouchenius (Qu., S. 441, Z. 1ff. und Z. 7f.). Zu S. Artomedes
siehe oben, S. 105 Anm. 400, zu A. Pouchenius ebenda, Anm. 401. M. Andreas
Iris oder Regenbogen wurde 1540 in Hildesheim geboren, 1559 Baccalau-
reus in Erfurt, lehrte dort neun Jahre Philosophie. 1568 in Königsberg
Subinspektor, bald Archipädagogus; daneben Professor der Poesie und
Sittenlehre sowie Assessor des Samländischen Konsistoriums. 1572 Pro-
fessor der Dichtkunst, 1592 Offizial des Konsistoriums; } 2. 12. 1600.
51 VII 171r (siehe den Abschnitt über die Bibel im 2. Teile meiner Arbeit).
452 Grzybowski, 1. c., S. 41.
53 Eingeg. 28. 10. 1600 (Qu., S. 442, Z. 36 £f.).
125
len sich gnedigst erkleren, was Ihn gnaden bey die
sem hochnötigen Wercke, vnd meiner wolgemeinten
schweren Arbeit Zu thun gesonnen....“
Wieder bat Bretke um eine Entscheidung, er wäre bereit,
die fehlenden Teile der Bibel zu übergeben, möchte aber sonst
um Rückgabe der „...5 Bücher Moijsi...“ bitten.
Bretke bekam hierauf den Bescheid, der Herzog würde das
Manuskript erwerben, doch solle Bretke es ganz durchkorri-
gieren““, womit Bretke sicher die folgenden eineinhalb Jahre.
beschäftigt war.
Von Bretkes Leben aus diesen Jahren in Königsberg ist
wenig bekannt. Es dürfte in ruhigen Bahnen verlaufen sein,
wenn auch das allgemeine Sinken des Geldwertes, das Ende
des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts zu erheblichen Preis-
steigerungen führte, die Lage der Gehaltsempfänger, also auch
Bretkes, sehr ungünstig beeinflußte.
In den Königsberger Jahren erscheinen Bretke, seine Frau
und seine Tochter recht häufig als Paten in dem Taufbuch der
- Altstädtischen Kirche, so z. B.:
27. XI. 1588 (S. 25°): „...der Alte l littawsche Prediger...“
22. VI. 1592 (S. 62°): „...H. Johan- Ins Bretkilus] ...“
13. VII. 1589 (S. 33°): „...H. Brotkj Haußfr:...“
12. VII. 1590 (S. 431): „...die Alt. | littausche Predigerin ...“
8. VII. 1590 (S. 71”): „...Littawerscher Il Predigers Tochter...“
1. (2) VIII. 1593 (S. 74°): „...H. Johan Bretkifus]. ll tochter... .“
Es sind durchaus untere und mittlere Stände, in denen
Bretke und seine Angehörigen zu Gevatter gebeten wurden.
Der polnische Prediger und seine Frau erscheinen selten.
In seinem letzten Lebensjahre mußte Bretke in Königsberg
eine Pestepidemie miterleben, in der sich nach W. Sahm“* das
Sterben „zu so furchtbarer Höhe steigerte, wie es in der Ge-
schichte Königsbergs nur noch einmal vorkommen sollte“.
Von der Pest 1601—1602 geben die Annalen des Peter
Michel“ ein plastisches Bild*”. Über den Beginn der Epidemie
im Herbst 1601 sagt Michel:
45% Siehe unten, S. 127, Brief Bretkes (eingeg. 1. 3. 1602) (Qu., S. 443, Z. 25f.).
55 Wilhelm Sahm, „Geschichte der Pest in Ostpr.“, S. 21.
350 Geboren 1557 in Brandenburg (Knobelsdorf), war seit 1587 Kaufmann im
Kneiphof, wo er später Bürgermeister wurde; starb 1620 an der Pest.
‚7 „Erleut, Preuß.“, Bd. III, 1725, Artikel: „Exzerpta aus Peter Michels ||
Annalibus MSCTis“, S. 242 ff., 391 ff.
126
»...Im Octobr. hat sich die Pest ereu-
get, und den 16. sind in der Altenstadt
beym Holtz-Thor zugleich 4 Todten zu
Grabe getragen worden. Um diese Zeit
sind Doct. Pannonius und sonst viele gute
Leute plötzlich gestorben, also daß die Pest
ziemlich um sich gegriffen, voraus auf dem
Steintham, da auch bey Nachtzeiten vie-
le todte Cörper auf dem Begräbniß gefun-
den worden. Das hat gewähret biß an die
Waynachten, da es, GOtt sey Lob! wieder
gantz stille geworden.“
Zu den „guten Leuten“, die „plötzlich gestorben“ sind, ge-
hörte auh M. Christoph Benicius (22. Oktober 1601), der alt-
städtische Pfarrer, dem Bretke formal unterstellt war.
Inzwischen, wohl im Laufe des Jahres 1601, scheint Bretke
Geld für das Bibelmanuskript bekommen zu haben, denn sonst
hätte er in dem Briefe, mit dem er sich Ende Februar 1602°*
wieder an den Herzog wandte, bestimmt etwas von der Summe
gesagt, die ihm versprochen wurde, aber noch ausstünde; er
schreibt darin nach der Anredformel:
„...auf, E.F. gnaden begeren, habe Ich meine
Littausche arbeit. so Ich an die Bibel gewant,
widerumb reuidiret, vnd so viel mir
Immer müglich gewesen, dieselbige Cor-
rigiret, das nu mehr der Littausche leser,
mit derselbigen Version (wie Ich hoffe)
wol wird Zu frieden sein. Solche
Arbeit aber, wie Ich sie ver der Zeit E.F.D.
praesen tiret vnd dediciret habe. also thue Ich
sie derselbigen hiemit vnterthenigst ein-
antworten. bittende E.F.D. wollen
sie in gnaden von mir annemen, vnd
sich meine geringe person in gnaden lassen
befohlen sein...“
Er benutzt aber die Gelegenheit der Abgabe des Gesamt-
werkes an den Herzog und bittet um Weiterlieferung und
Erhöhung des Deputats:
»... Weil Jch aber dieses nötige
werck mit Gottes hülffe so ferne, gebracht,
als keiner vor mir gethan auch nu mehr
#8 Fingeg. 1. 3. 1602 (Qu., S. 443, Z. 23 ff.).
127
ein emeritus miles worden, vnd ]Jn das
40. Jhar der Kirchen Gottes, in diesem
löblichen Fürstenthum, mit predigen vnd
Sacrament reichen, in deüdscher vnd Lit-
tauscher spraache gedienet, aber seer ge-
ringen vnterhalt gehabt, also das Jch fast
nichts auff dis mein zimlich hochgebrachtes
alter (welchs sich In das 66 Jhar Gott
lob erstrecket) ersparen können, vnd Jn
dieser tewren Zeit Noth leiden muß:
Bitte Jch zum vnterthenigsten, wie auch vor-
hin geschehen E.F.D. welten mir ar-
men Diener Christi, das Deputat, welchs
E.F.D . mir vor 11. Jharen. gnedigst ge-
ordnet, nemlich ein Priester Kleit, 18 schl
Rocken, 10 schl. Gersten, Zu meinem vnd meyner
ner Hausfrawen leben, aus gnaden lassen,
vnd etwa ein tonnen Virtel. Potter,?5®
vnd 2. achtell Brenholtz® dazu ad-
diren...“
Es ist der letzte Brief von Bretkes Hand, der erhalten ist.
Seltsamerweise unterzeichnet er sich hier plötzlich wie in
seinen ‚jüngeren Jahren mit der alten Namensform „Bretke“,
während er über 20 Jahre lang nur die latinisierte „Bretkius“
(„Bretchius“) gebraucht hatte (Abb. 10; zum Vergleich eine
frühere Unterschrift: Abb. 8).
In den Wochen darauf begann die Pest wieder aufzuleben,
um vor allem in den Sommermonaten in ganz Preußen, beson-
ders aber natürlich in der größten Stadt, in Königsberg, zu
wüten”“,
Michel schreibt hierüber:
(Seite 391 ff.)
„ANno 1602. Diß Vorjahr hat die Pest sich wiederum angefangen /
daß die Woche in allen drey Städten ohngefehr bey 200. Personen /
begraben worden. Diese Zeit hat man auff dem Sackheim / auf dem
Platz am Flüsse ein groß Gebäude müssen auffschlagen vor die armen
Leute / so aus andern Oerten hergekommen / weil es auff den Gassen
hin und wieder vollgelegen / und imgleichen etzliche Todten gefun-
den / darzu die Bürgerschafft Zuschub gethan / davon sie erhalten.
#59 {4 Tonnenviertel Butter etwa 32 kg.
60 | Achtel Brennholz etwa 10,5 Raummeter; Bretke bittet also um 21 Raum-
meter. (Die Angaben verdanke ich Herrn Dr. R. Stein.)
1 Siehe hierzu die vorzügliche Schilderung bei Sahm, 1. c., S. 22 ff.
128
Sind auch sonderlich Personen geordnet / die haben müssen umbgehen
und das Geld ein sammeln / doch haben die andern Spithal-Herrn
alles müssen mitordnen.
Im Majo ist das Begräbnifß auff dem Haberberge erweitert wor-
den / von der Kircken an biß zum Ende der Mauren. Das Sterben
hat sich immer gemehret / daß die Woche biß 250/ 260/280. in allen
dreyen Städten begraben worden,
Im Julio ist die Pest immer hefftiger worden / daß die Woche in
allen drey Städten in 500. biß 550. gestorben. und hat die Pest täglich
mehr und mehr grassiret / daß auch im Augusto in allen dreyen
Städten in der Woche 650. Personen gestorben / auch etliche Wochen
wol mehr. Hier im Kneiphoff seyn zum höchsten auff einen Tag
48 Personen gewesen; Ich habe einmahl 13 Todten-Baaren hinterein-
ander sehen hinaus tragen. In dieser Zeit ist hier nichts zu thun ge-
wesen / denn um 10. Uhr hat man angefangen zu läuten und die
Todten hinaus getragen / da ist man mit einem und dem andern zum
Begräbniß gegangen / daß man viele Tage vor 5. oder 6. Uhr auch
langsamer nicht viel zu Hause gekommen. Einen Tag oder Abend hat
ınan mit einem geredet / den andern kranck oder todt / wie sich dann
gute Freunde wann sie voneinander gangen / allwege gute Nacht ge-
geben / und alle Stunde jeder in guter Bereitschafft gestanden / daß
unser HErr GOtt ihn auch besuchen würde. Die Glöckners sind in
allen dreyen Städten umb diese Zeit gestorben / hernach hat es auch
die Prediger getroffen.“
Die Supplikationen der polnischen und der litauischen Ge-
meinde von 1602—1604 geben ein Bild davon, wie es in den
Pestmonaten um das Pfarrhaus auf dem Steindamm herum
aussah, in dem, wie schon gesagt, Bretke gemeinsam mit dem
polnischen Pfarrer Stephan Wilkau wohnte, der damals 34jäh-
rig war. :
Es war dem polnischen Pfarrer unmöglich, die z. T. weit
verstreut wohnenden kranken Mitglieder der polnischen Ge-
meinde zu besuchen. Bretke hatte es bestimmt noch schwerer,
wenn er auch weniger Seelen in seiner Gemeinde’” gehabt haben
soll, denn er hatte zu seinen Königsberger Pfarrkindern doch
wahrscheinlich auch die vielen Litauer, Preußen und Kuren
zu versorgen, die sich verhungert und pestkrank vom Lande.
in die Hauptstadt schleppten, weil sie meinten, dort Hilfe zu
erhalten. In einem Erlaß der Regierung vom 12. April 1602 an
den Rat der drei Städte Königsbergs heißt es’®: „Es ist vor
#2 Siehe oben, S. 89 ff.
#5 Zitiert nach W. Sahm, Geschichte der Pest in Ostpreußen, S. 21. (E.M.
107 a, Stadt-Arch. 214 A.)
9 Falkenhahn, Bretke 129
Augen, dass das arme Litauische und Kurische Volk haufen-
weis sich anhero in die Stadt schlägt, auf den Straßen hin und
wieder an den Orten, wo gemeiniglich jedermann gehen muß,
über einander krank lieget und stirbt. Die andern aber in
der Stadt umher vor den Häusern Almosen sammeln, dass, wo
nicht in Zeiten Mittel und Wege bedacht, einer den andern
anstecken wird. Daher für die armen ankommenden, ver-
hungerten Litauer ein Schauer errichtet werden möge, etwa
an dem Kupferteich oder bei dem Brunnenkruge am Umlauf,
weil derselbe Ort nicht allein dem Begräbnis nahe ist, sondern
auch bequemlich am Wasser und an so einer Gegend gelegen,
dass man das arme Volk, so da häufig hinstirbt, nicht so ab-
scheulich durch die Gassen und Strassen auf und niederfahren,
sondern bald auf den Kirchhof bringen möchte.“
In dem Begleitschreiben zu dem Gesuch der polnischen Ge-
meinde vom November 1602’* schreiben die „Burgermeister.
vnd Räthe der beijden Städte, Altenstadt vnd Kneiphoff“:
(Seite 2)
»...Zu deme so können auch die armen
leute, sonderlich in dieser Jzigen PestZeit, der grossen
menge vnd weiten orths halben, deren etzlich vffm
Nassengarten, Kaltenhoff, Haberbergk, Sackheim
vnd an andern vnderschiedtlichen orten wohnen, nicht
der notturfft nach von dem Polnischen Prediger, be-
suchet, getröstet, vnd mit dem teuren schatz ihrer seelen‘s
vorwahret werden, Vnd muß also mancher, weil ohne
daß solch volck wenigk ohne vnderricht von Gottes
wortt weiß, in seinen stunden (?) sterben vnd vorderben....“
Katastrophal wirkte sich jetzt der Umstand aus, daß zwei
Gemeinden eine Kirche benutzen mußten.
An den Sonnabenden, an denen die Litauer in der Kirche
Beichte hatten, und auch zu andern Zeiten, sammelten sich die
pestkranken Polen, soweit sie es noch konnten, und Angehörige
Kranker vor der Türe ihres polnischen Pfarrers und flehten
in ihrer Not um Beichte, Absolution und Abendmahl für sich
und ihre Angehörigen, doch der Pfarrer wagte nicht, sie zu
as 43, 11. 1602, Signatur S. 89 Anm. 355, Bl. 3 ff.
45 Seite im Begleitschreiben.
#6 Dem Abendmahl.
130
ä
sich ins Haus zu nehmen. So schreibt die polnische Gemeinde
in ihrem Gesuch vom November 1602%”:
„...Sonderlich aber Jtzo in dieser geschwinden Zeit der
Pestilenz ist es vns armen leuten, sehr beschwerlich
das wier von 14 tagen Zu 14 tagen auff die absolution
vnd Communion warten mussen, (viel erlebens nicht.)
kommen vnserm Pfarhern seufzendt des Sonna-
bendts an die thur, samlen vns heuffigk, werden
aber trostloß abgewiesen, Vrsach dieweil die Inficirten persohnen ins
haus Zu nehmen, beicht Zu hören
Zu absolviren vnd folgents auch drin Zu communiciren
ein neues ergerliches, vnd des Pfarhers hause gefehr
liches dingk...“
Aber am nächsten Sonnabend, an dem die Polen in der
Kirche Beichte hatten, kamen hundert, zweihundert und dar-
über mit ihren Seelennöten, so daß der Pfarrer sie unmöglich
alle anhören konnte. In dem Gesuch von Ende März 1603°®
sagen die „Vorsteher der Kirchen aufm Steintham“ hierüber:
As DER
Denn vf ein Mahll bald ]n die Zweij-
Hundertt Zur Beicht gehen wollenn.
Das dem Polnischen Prediger Allein ]Jn
so Kurtzer Zeitt nach Notturfft Zue-
| Hörenn Vnmuglich Vnnd Zum Höchsten
beschwerlich ...“
Nach dem bereits erwähnten Gesuch der polnischen Ge-
meinde von Oktober 1602, das Grzybowski vorgelegen hat“”,
sah es in der Kirche beim Gottesdienst bisweilen folgender-
maßen aus”:
„Und obwohl die polnische Gemeinde am 1. Feiertage der grossen Feste
eine Mittagspredigt hält, so ist sie doch darum in nichts gebessert,
sintemal das deutsche Volk sich mit ihnen zur Vesperpredigt sammelt.
Da ist denn so ein Gezänk und Hader in der Kirche Raumes und
Sitzens halber, ja, wenn der polnische Pfarrer disponieret oder pro-
ponieret hat, so wird die Glocke geläutet. Alsdann erhebt sich ein Ge-
#7 Signatur E.M. 72f, Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königs-
berg betr. 1603/04“. Ohne Datum; das dieser Bittschrift beigefügte Begleit-
schreiben der „...Burgermeister vnd Räthe || der beijden Städte, Alten- I
stadt vnd Kneiphoff, Königs- || bersk“ trägt das Datum 13. 11. 1602.
8 Signatur wie Anm. 467; eingeg. 30. 3. 1603 (Qu. S. 443, Z. 23 £f.).
#% Siehe oben, S. 91.
0 Zitiert nach Grzybowski.
Dr: 131
tümmel, ein Geschrei und Gezänke in der Kirche, ja, es entsteht öfters
ein Schlagen, dass es eine Schande ist: der kann sein eignes Wort nicht
hören, muss abbrechen und von ‘der Kanzel gehen und werden also
die armen Leute gleichsam aus der Kirche gestossen und getrieben...
Der Pfarrer muß im Beichtstuhl sitzen bis in die Nacht um die 8. auch
wohl 9. Stunde. Folgenden Tages muss er sie alle kommunicieren, hat
keine Hilf, wird den armen Leuten zu lang, sonderlich Schwangern
und Kranken und die etzliche Kranke zu Hause haben. Dem Pfarrer
wird es zu schwer, arbeitet sich in Predigen, Singen und vor dem
Altar abe, daß er hinstürzen möchte, und wenn er noch in der Kirche
während der Kommunion vor dem Altar steht, so läutet man schon
zur Mittagspredigt, muß vom Altar stracks in die andere Kirche, un-
gegessen, ungetrunken, im Schweisse wiederum ans Singen und Pre-
digen.“
Als Bretke in dieser schwierigen Lage um Übernahme der
Polen gebeten wurde, soll er gesagt haben:
»...er seij auff die
Pohlen nicht bestellet, mit Zweijen oder dreijen persoh-
nen das er sie in numerum seiner Communicanten neme
ließe es sich thun, Aber mit 40.50. oder 100 keines-
wegs...“71
Wie wir einer Supplikation der litauischen Gemeinde””
entnehmen, starben damals 1300 ihrer Mitglieder, und zwar
„deren Viell gantz Trostloß wie d|as] Vhie“'”.
Das Ende der Pestzeit schildert Michael wie folgt:
(Seite 392)
»...Im Septembr. hat das hefftige Sterben sich GOtt
Lob! zimlich gelindert / daß im Ende dieses Monaths die
Woche im Kneiphoff nur 82 Personen gewesen / und alle
Wochen wieder weniger worden.
Im Novembr. hat es sich mit dem Sterben ziemlich
gestillet / daß allhier im Kneiphofe die Woche bei 30.20 und
im Ausgang dieses nur 13. Personen gestorben. Ist eine
harte Seuche gewesen / nicht allein hier sondern durchs gan-
tze Land...“
Nach einem Schreiben der Regimentsräte an Georg Fried-
rich vom 26. August 1602 heißt es”: „Auch wollen wir E.F.G.
a1 Gesuch der polnischen Gemeinde vom November 1602; Signatur S. 131
Anm. 467.
472 Registriert am 30. 9. 1603 (Qu., S. 448).
«3 Qu., S. 448, Z. 15.
#7“ W. Sahm, Geschichte der Pest in Ostpreußen, S. 23; danach zitiert Ostpr.
Fol. 1032.
1352
ar
nicht verhalten, daß die Seuche nicht allein gemeine Leute,
sondern vornehmlich die Geistlichen in den Städten und auf
dem Lande hinwegnimmt, wie denn nun in % Jahren bei E.F.D.
alten Stadt zwei Pfarrherrn, wie auch viel Rats und Gerichts-
personen, unter anderm aber beide Bürgermeister der Altstadt
und des Kneiphofs, Nickel Schmidt und Friedrich Montfort,
auh E.F.D. Rat und Diener Dr. Abraham Hintz, des F.D.
in derselben Regierung nach Jägerndorf zu gehalten, wie
etlichermassen die aufgegebenen Verzeichnisse ausweisen, daß
bei F.D. Städten Königsberg allein sieder (!) dem Monat Ok-
tober 10000 Menschen gestorben.“
Die Regierung teilte weiter mit (Sahm, 1. c.), daß die Geist-
lichen die Zahl der Pesttoten in Königsberg mit 12000 angäben.
Mehrere Pfarrer und ihre Angehörigen, die uns in dieser
Arbeit begegnet sind, starben in den Jahren 1601—1602, und
zwar doch wahrscheinlich an der Pest, wenn es auch nicht
immer ausdrücklich gesagt wird. So verlor Gedkant in Ragnit
seine Frau und fast alle Kinder‘”, in Tilsit starben der Erz-
priester Hieronymus Mörlin und sein litauischer Pfarrer Za-
charias Blothno d. Ä.
In Königsberg starben u. a. der neue Pfarrer an der Alt-
städtischen Kirche, M. Fabian Weiß (30. Juli 1602), Bretkes Vor-
gesetzter, und der Dompfarrer Sebastian Artomedes (11. Ok-
tober 1602). n
Unter den Pfarrern, die die Pest dahinraffte, war auch
unser Johannes Bretke, der um den 1. Oktober 1602 starb und
mit dem litauischen Schulmeister am gleichen Tage beerdigt
wurde‘”.
Die Not der verwaisten litauischen Gemeinde war groß;
in der am 22. Februar 1603 eingegangenen Bittschrift um einen
neuen Pfarrer, „... welcher || im leben vnd lehren, dem See-
ligen Herrn gleich...“ schreiben sie:
„»...Dieweil dan vnter vnß, viell einfeltiger leutte,
seindt welche weder polnisch Noch deutzsche vorstehen,
die nicht allein in so langer Zeitt, keine predigtt
gehört, Sondern auch ihrer viel ihn eußerster
kranckheit, vonn niemandt besucht, mit Gottes
475 Siehe unten, $. 363 f.
8 Qu., S. 447, Z. 13—17.
133
wortt nicht getröstet, vielweniger mit dem
teuern Zehrpfennig, vnnd letzten Viatico, def
wahren leibeß vnd bludts Jesw Christij, hatt
können vorstehen (!) vnd gelabet werdenn, Alß
Dringet vnß die eußerste höhe noth, E.E.N.W.
Jnn demut anZufallen, vnd vmb einen andernn
Seelenhirttenn, vnnd Littauschen prediger, an-
Zuhalten, damit vnter vnß daß Liebe Wordt Gotteß,
wiederumb geprediget die Krancken besuchtt
vnd getröst, vnd auch die heiligen Sacramenta
ausgespentet werden mögen... .“.77
Ebenso in der Supplikation von Juni-Juli 1603:
»... weil kein pfar vnnd schulmeister vorhandenn
geweßenn, nicht eine litausche predigt gethann
Vielweniger die Hochwürdigen Sacramenta Spen-
diert, Vnnd noch vielweniger die Kranken besuchett
getröstet vnnd berichtet wordenn, daß also man-
nicher mensch ohne Trost dahinn gefahrenn, daß noch
mehr ist, Seindt vorgangenn Osters vber 200.
FischerKnecht derer Keiner Teuzsch Kann, deß-
gleichen schmackenn Knecht?”, wie auch viell megth
auß den Stettenn, nicht eins Zur Kirchen kommen,
Sondern lebenn inmanglung eines Seelen hirtten
(Seite 2)280
mit dem vnuornunfftigenn Viehe in die welder...“
Die Witwe Bretkes bekam vom Hofe, so lange sie lebte,
jährlich 18 Scheffel Korn (666,5 kg, rund 13 Ztr.), 10 Sch. Gerste
(300,4 kg, rund 6 Ztr.) und 10 M.“, denn in dem oben, S. 113
zitierten Schreiben heißt es weiter:
»... Jtzo nach seinem Todt ist
der Wittib auch pro aelimosina
Jerlich 18 schl korn 10 schl gerst[en]
vnd das quartal ((Rand: 2% M)) Zeit sie lebet Zugeb[en]
bewilligt...“
Die Wiederbesetzung der Stelle in Königsberg sollte noch
größere Schwierigkeiten bereiten, als es seinerzeit in Labiau
a7 Qu., S. 445, Z. 4—15.
278 Qu., S. 447, Z. 18—28.
a” Siehe S. 88 Anm. 345.
480 Seite im Gesuch.
81 Wert des Geldes damals schon gesunken, siehe aber S. 63.
134
der Fall war. Da die diesbezügliche erhaltene Korrespondenz
noch einige interessante Mitteilungen zum Thema bietet, seien
die Bemühungen, einen Ersatz für Bretke zu schaffen, kurz
dargestellt.
Die Bürgermeister und Räte der Altstadt und des Kneip-
hofs teilten dem Herzog in dem Begleitschreiben zu dem Ge-
such der polnischen Gemeinde in Königsberg am 13. November
1602 mit””,
»...das Gott der Almechtige
in diesen geschwinden hefftigen sterbens Zeiten vnder anderen
Predigern. so auffm Lande vnd in den Städten, durch die ab-
scheuliche seuche der Pest / hingerafft worden, auch vnsers
Littauischen Predigers nicht vorschonet, sondern kurtz vor-
schiener Zeit denselben auch von hinnen, zu sich abgefordert...“
hätte. Sie schlugen als Nachfolger den Pfarrer in „... Nennerß-
dorff.. .“, Christophorus Frese...” vor,
»...50 der Polnischen; Littauischen Latteinischen vnd Deutschen
sprachen kundigk sein solle, Der künfftigk im notfall
auch in den DeutschenPredigten kan gebraucht werden...‘
Doc es erfolgte keine Antwort, und in dem am 22. Februar
1603 registrierten Begleitschreiben zu einer Supplikation der
litauischen Gemeinde um einen neuen litauischen Pfarrer von
Mitte Februar erinnert sie an ihren Brief vom 13. November
vorigen Jahres, den der Herzog wohl wegen anderer Geschäfte
und infolge Abwesenheit nicht hätte beantworten können”.
Auc das Gesuch der polnischen Gemeinde von Anfang Sep-
tember vorigen Jahres war nicht beantwortet worden, wie die
erneute Bittschrift der Polen Ende März“ zeigte. Auch die
Litauer baten im Hochsommer 1603 erneut, weil bis dahin kei-
nerlei Antwort erfolgt war”.
In einem undatierten Brief, der aber 16053 geschrieben sein
muß, dankt „Samuel Sperber || itziger Zeit pfhar Zu || Stallu-
penen“ dem Herzog für die Berufung nach Wischwill und er-
#2 F.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/04, 54 Blatt“, Bl. 3.
#3 Heute Nemmersdorf, 20 km südöstlich von Insterburg.
“#2 Arnoldt, Nachr. II, S. 101: „Christoph von Düben auch Friese genannt.“
#5 Qu, S. 445, Z. 36 ff.
»6 Signatur wie Anm. 488; Bl. 14 ff.
#7 Qu. S. 447.
135
zählt sein Mißgescick, daß die dortige Gemeinde vor seiner
Ankunft bereits einen andern Pfarrer genommen hätte. Doch
weil
„...1tzt Zur Zeitt nun alhir zu Königsbergk
der Lietawsche pfhar dienst eine gutte Zeyt ledig gestand[en]
welcher Onümbgenglichen muß mit einer andern tuchtigen
person Versehen werden. Gelanget demnach mein
Vntertheniges hohes bitten, E.F.D. mich zu solchen dienst
weil ich nu fast in die 16 Jar hero im predigampt
sitze... in gnaden
komen lassen .. .“?88
S. Sperber muß also Litauisch gekonnt haben, doch hat er
die Stelle nicht bekommen. Sollte sein Litauisch nicht aus-
reichend gewesen sein?
Das Konsistorium hatte sich um die gleiche Zeit an Gedkant
nach Ragnit gewandt, um ihn für Königsberg zu gewinnen,
wie aus einem Brief an den Herzog vom 19. September 1603
hervorgeht, doch er sagte am 4. August ab“,
Die Pfarrstellen auf dem Lande und in den kleinen Städten
boten Personen, die wirtschaftstüchtiger als Bretke waren,
mehr Einkünfte als diesem. In dem gleichen Briefe vom 19. Ok-
tober 1603 schreibt das Konsistorium:
»... Wann aber Leicht abzunehmen, das einer der
seine tag vfm Landt Zugebracht, vnd sich was
in die nahrung geschickt, wegenn des geringen
vnderhalts sich nicht gerne anhero begeben
wurd, Als wißen wir ieziger Zeit (vnange-
sehen, das Gott lob noch feine gelerte vnd
in Sprachen erfarne Leutt in diesem Herzog-
thumb Zuefinden,) fast keinen der zuerheb[en]
wäre...“
Sie schlugen dann aber den ehemaligen Alumnus Zacharias
Blothno d. J. vor, der damals Pfarrer in Picktupönen war””.
«8 FM. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/04“, Bl. 25.
#9 Das Schreiben Gedkants siehe unten, S. 363 f.
#0 „...Zachariam plottnau... ieziger Zeitt ll pfarrern Zue pidtkopeenen (!)
im Tilschischen j| Ambt gelegenn, welcher Fr. dhrtt Christmilder ll se
dechtnus Alumnus gewest, vnd noch ein l Junger Man, aber wol Studirt
vnd der || Sprachen Kündig...“ (Matrikel fehlt bei Erler, Königsb.)
136
Darauf wurde ihm in einem herzoglichen Schreiben vom
26. September die Stelle angeboten”“.
Blothno zeigte anfänglich große Lust und teilte am 11. Ok-
tober mit, nachdem er erst am 9. das herzogliche Schreiben
erhalten hatte, daß er am 18. Sonntage nach Trinitatis®? zwecks
Besprechung des Gehaltes, der Wohnung und dergl. nah Kö-
nigsberg kommen würde”. Er begab sich zwar nach Königs-
berg, doch kehrt er sofort wieder um und macht seinem Ärger in
zwei Briefen Luft. An die Regimentsräte schrieb er“ in einem
Briefe, dem er das Motto „’Evngarrew . xal . eudauwovileıw.“ voran-
stellte, daß er sich pflichtschuldigst nach Königsberg begeben
hätte, doch
»...Wan Ich dan umhöre vnnd sehe, das
bey der newen Littauschen Kirchen auffm Sackheim,
noch Keine Widdem verhanden, Ich mich auch bey der
geringen besoldung, in dieser tewren Zeitt, Gott bessers
nicht behelffen Kan, vnnd mein Pictuppoenischer dienst
diesem alhier viel Zuvore gelegen, als ist mein hochvleissi-
ges bitten e.g. vnd h. wollen mich in gnaden vor dieß-
mall vbesehen (!), vnd also verabscheiden, damit Ich vngeseü-
met mich wiederumb Zu meinen Kirchsspills Kinderenn
welche meiner mit schmertzen warten, mache, vnnd einen
anderen Zu solchem dienst vermögen; denn e. g. vnnd h.
doch von mir nicht begehren werden, das Ich mir Zum schaden
alhier dienen, das meinige dabey gantz vnnd gar verZehren
voand Zum stümpper werden solle...“
In einem lateinischen Brief an den Kanzelarius Rapp
schreibt er sogar noch viel schärfer: Er wüßte sehr wohl, daß
der Königsberger litauische Pfarrer in größtem Elend gelebt
und seine Tage beschlossen hätte. Damit es ihm selbst nicht
genau so ginge, könne er weder noch wolle er die Stelle an-
nehmen, und bäte, sich dafür einzusetzen, daß man die Be-
rufung zurückziehe”*,
#1 Ein Schreiben Blothnos und ein Begleitschreiben des Tilsiter Amtsschrei-
bers Nickel Burchardt, Signatur wie Anm. 494, Blatt 26—27.
#2 Also am 23. Oktober.
#8 Jm gleichen Schreiben, siehe Anm. 491.
»ı E.M. 72f., Aktenheft: „Die Littauische Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/4“," Bl. 30.
#5 Signatur wie Anm. 494; Bl. 29.
137
Inzwischen hatte sich die litauische Gemeinde, die von dem
Angebot an Zacharias Blothno gehört hatte, aber schon damals
meinte, daß sich die Sache zerschlagen hätte, erneut mit einer
Supplikation an die Behörde, diesmal aber direkt an die Re-
gimentsräte, gewandt“. Sie schilderte wieder ihre Not, da sie
fast anderthalb Jahre ohne Gottesdienst gewesen wäre, und
bat um Sengstock in Memel.
Die Regimentsräte wandten sich an Sengstock, aber zu-
gleich an die Bürgermeister der drei Städte betreffs Neuord-
nung und Erhöhung des Pfarrgehaltes, worauf diese Mitte
März 1604*” mitteilten, daß das Gehalt von 200 auf 255 M. er-
höht sei, wozu sie für den litauischen Pfarrer um einen Zuschuß
in Bargeld baten, so daß dieser genau so wie der polnische
Pfarrer vom Hofe nicht nur Naturallieferungen, sondern auch
Bargeld bekäme; sobald dies geschehen sei, wollten sie Seng-
stock berufen’®.
Doch erst am 2. April 1604 erhält Sengstock die Berufung”,
die er annimmt. Am 22. April 1604 wird er von Joachim Schenck
aus Labiau, der der nächste litauische Pfarrer war, in einem
litauischen Introduktionsgottesdienst in die litauische Ge-
meinde und ihre neue Kirche auf dem Sackheim eingewiesen’”.
Nachkommen Bretkes.
Von Bretkes Nachkommen sind nur zwei Enkel bekannt,
die beide hervorgetreten sind und unser Interesse verdienen:
Es ist Christoph Wilkau und Matthäus Praetorius, also beides
Töchterkinder Bretkes.
Christoph Wilkau.
Christoph Wilkau wurde, wie schon gesagt”, am 3. Februar
1598 geboren’” und Sommersemester 1609, also elfjährig, mit
28 Qu., S. 448.
47 Erledigt den 19. März.
#08 Signatur wie S. 135 Anm. 482; Bl. 31 ff.
»e B.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/04“, Blatt 34. |
500 Schreiben Sengstocks, E.M. 72f., Blatt 34.
501 Siehe oben, S. 122.
50? „G. C. Pisanski’s Entwurf einer preußischen Literärgeschichte in vier
Büchern.“ Herausgeg. von Rudolf Philippi, Königsberg 1886, S. 262.
138
seinen sicherlich doch jüngeren Brüdern oder auch Halbbrü-
dern’®, Johannes und Fridericus, in der Königsberger Universi-
tät zu Ehren des Vaters unentgeltlich immatrikuliert, wie aus
der Matrikel hervorgeht:
„Christophorus ) Wilkau Regiom. Boruss., in honorem parentis Do-
-Johannes mini Stephani Wilkau, pastoris Polonici, gratis in-
-Fridericus scriptus.‘‘s02
1628 wurde Christoph Wilkau, den G. C. Pisanski „Will-
kow“ schreibt, Archivarius im Königsberger Archiv, 1629 „Pro-
rector“, also zweiter Lehrer, an der dortigen Löbenichter
Schule und außerdem 1638 Königlicher Polnischer Notarius,
worauf er 1641 das Prorektorat niederlegte’*”.
Christoph Wilkau gehörte zu dem sogenannten Königsberger
Dichterkreis, den „die damaligen besten Poeten in Königsberg“
bildeten’®, d. h. zu dem freundschaftlichen Verein von Dichtern
und Musikern, der im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts in
Königsberg bestand und dessen Haupt der hochgebildete, La-
teinisch, Griechisch, Französisch, Englisch und Italienisch spre-
chende Robert Roberthin war, der diese Vereinigung nach
dem Muster jener italienischen Privatgesellschaften gestaltete,
die damals zur Pflege der Poesie und der Wissenschaften in
Italien blühten. Roberthin war mit Opitz eng befreundet und
stand mit vielen Gelehrten in Briefwechsel, die er auf seinen
wiederholten Reisen in Deutschland, England, Frankreich,
Holland und Italien kennnengelernt hatte.
Die Freunde, zu denen außer Christoph Wilkau u. a. der
Organist Heinrich Albert (1604-1688), Professor Michael
Behm (1612—1650; Sohn des Professors Johannes Behm, siehe
unten, S. 313) und vor allem Professor Simon Dach (1605—1659)
gehörten, versammelten sich zwanglos bei den einzelnen Mit-
gliedern, im Sommer „in den Gärten“, diskutierten über wis-
senschaftliche Fragen oder sangen und lasen einander ihre
Lieder und Dichtungen vor, die oft die Vergänglichkeit alles
503 Seine Mutter starb zwei Jahre nach seiner Geburt, siehe oben, S. 125.
2 Frler, Königsb. I, S. 188.
55 „Gedichte des Königsberger Dichterkreises aus Heinrich Alberts Arien und
musicalischer Kürbishütte (1638—1650)“, herausgeg. von L. H. Fischer,
Halle 1883, S. XIIff. Auch die meisten folgenden Angaben beruhen auf
der Einleitung Fischers zu der genannten Ausgabe.
139
Irdischen behandelten, weshalb dieser Kreis auch „Gesellschaft
der Sterblichkeit beflissener“ genannt wurde. Diese Grund-
stimmung klang selbst in jenem Hochzeitsliede durch, das
Simon Dach seinem Freunde Ch. Wilkau zu dessen späten
Vermählung mit Marie Michaelis am 26. Januar 1643 schrieb’,
natürlich um so mehr in den Klageliedern, die die Mitglieder
des Kreises anläßlich des Hinscheidens ihrer Freunde dich-
teten, von denen auc ein Lied aus der Feder Simon Dachs
erhalten ist, das er seinem „...gewesenen lieben Freunde aus
schuldiger Freundschaft...“, wie er selbst sagt, d. h. Ch. Wil-
kau, nach dessen Tode am 2. November 1647 widmete”.
Gedichte von Christoph Wilkau sind zerstreut in den
Drucken der Veröffentlichungen dieses Kreises aus dem
17. Jahrhundert und handschriftlich erhalten®.,
Matthäus Praetorius (Schulz).
Über Matthäus Praetorius gibt es bereits verhältnismäßig
viel leicht erreichbare Literatur, die sein Leben, sein Werk und
auch seinen Charakter behandelt'”, so daß hier nur einige Er-
gänzungen z. T. aus weniger leicht zugänglichen Quellen mit-
geteilt werden sollen.
Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Bretke und Mat-
thäus Praetorius bereitet einige Schwierigkeiten, zieht man die
bekannten Daten aus dem Leben seines Vaters heran. In
seinem umfangreichen Werke „Deliciae Prussicae || oder |}
Preüssische SchawBühne“ sagt Matthäus Praetorius in Teil I
Fol. 5 bei der Aufzählung der Quellen, aus denen er geschöpft
hat:
508 Walther Ziesemer, „Simon Dach, Gedichte.“ Halle/Saale 1936, S. 117.
50” Ebenda, Bd. III, S. 172.
508 Die genauere Stellenangabe siehe bei L.H. Fischer, 1.c., S. XXILf. Neuer-
dings sind zwei deutsche Gedichte von Ch. Wilkau bei Fischer, 1. c.,
S. 41 ff. und S. 201, und ein lateinisches Altpr. Monatsschr., Bd. V, S. 336,
veröffentlicht. Siehe auch Altpr. Monatsschr., Bd. XII, S. 27.
5 Aug. Gotth. Krause, „Nachrichten über Mathäus Prätorius“, in: „Beiträge
zur Kunde Preußens“, 7, Königsberg 1824, S. 356ff. Dergleiche: „Ge-
schichte der Kirche zu Nibudschen“, Gumbinnen 1833, S. 28. Dr. William
Pierson, „Matthäus Prätorius’ Deliciae Prussicae oder Preußische Schau-
bühne“, Berlin 1871; dort, S. XIV, weitere Literatur. Pierson veröffent-
licht die wertvolleren Stellen und Abschnitte des zweibändigen Manu-
skripts. 7
140
„... Zu diesen Kan gezogen werden, die Historia Rerum Prussicarum,
meines Elter- | Vaters Johann von -Brettchen, der viel rare Dinge,
Zumahlen was die Antiquität ((überschrieben: betrifft)), hat, so woll l
in der angeZogenen Historie, alß auch in seinen Predigten notiret, der
hat viel, anfänglich zu || Labiau wo selbst er viel Abgötterey gefun-
den, observiret, so hat er auch die Conversation vieler l Vornehmen
Herrn in Preußen gehabt, in sonderheit der Herrn von Hohendorft,
und der Herrn von || Schlieben, die ihme ohndeft verwandt gewesen,
von denen er viel geschriebene Chronicken und Notata l bekommen,
auß welchen er viel eingefüget...“
Danach müßte Johannes Bretke, den Praetorius hier adelt,
und dessen Verwandtschaft mit bekannten Adelsfamilien er
hier andeutet, sein Großvater mütterlicherseits gewesen sein.
Nun ist aber der Vater unseres Matthäus Praetorius, den die
Königsberger Matrikel „...Christophorus Praetorius, Sueto-
Marchicus....“ nennt, nach Arnoldt” erst 1601 „...zu Schwedt
in der Mark...“ geboren, also ein Jahr vor Bretkes Tode, der
66jährig starb, und von dem es schon 1591 hieß,
„...das er vermerckt, wie er togteglich, an Krefften abnemme, Vnd
schwächer werde, auch seine Zimliche erwachsene, Töchter fur im sihet,
vnd nicht weiß, wie Vnd woüon er die selben, alss einem Treuen Vatter
geburet, versorgen vnd begeben Konne...“s11
Im Juli 1626 wird ein „Christophorus Praetorius Sueto-
Marchicus“ in Rostock immatrikuliert®*, was doch höchstwahr-
scheinlich der gleiche Christoph Praetorius war. Da seine Ma-
trikel in Königsberg fehlt, dürfte er dort bis dahin nicht stu-
diert haben. Nach den Angaben Arnoldts wurde er 1627
„... Feldprediger bey den Schwedischen Trouppen, || die bey
Memel campirten...“, bis er etwa 1631 das deutsche Diakonat
unter dem Erzpriester M. Matthäus Cörber in Memel annahm’.
Erst am 10. April 1633 ließ sich Christoph Praetorius in Königs-
berg immatrikulieren, um sich auf das Magisterexamen vor-
zubereiten. Die Matrikel lautet:
„Reverendus Dominus Christophorus Praetorius, Sueto-Marchicus, Me-
melensis Ecclesiae Diaconus, Magistrii candidatus, stipulata manu
obedientiam promittit mk. 8. gr. 5.514
510 Arnoldt, Nachr. II, S. 155.
511 Siehe oben, S. 107.
512 Hofmeister, III, S. 67a.
513 Arnoldt, Nachr. II, S. 153 und 155.
514 Erler, Königsb. I, S. 349.
141
Wie die hohe Immatrikulationsgebühr von mehr als 8 M.
(gezahlt wurden gewöhnlich 4 M.) sowie die hochtrabende
Sprache vermuten lassen, war Christoph Praetorius wohl-
habend. Nach Arnoldt”° bestand er am 20. April 1634 das Ma-
gisterexamen, um danach sein deutsches Diakonat in Memel
weiter zu versehen.
Nach den „Merckwürdigkeiten der Stadt || und Festung
Memel“ von dem 1782 amtierenden „Litthauischen Diacon in
Memel und Strand-Pfarrer““‘, dem offenbar noch die Akten des
17. Jahrhunderts vorgelegen haben, heiratete aber Christoph
Praetorius „...vorgedachten || Herrn Ertz-Priesters Cörberi
Tochter ...“, worauf er nach dem Tode Cörbers in Memel 1647
Erzpriester wurde, was er bis zu seinem Tode am 21. August
1673 war”.
Trotz der Schwierigkeiten, die diese Daten aus dem Leben
des Vaters unseres Matthäus Praetorius bereiten, muß bis auf
weiteres aber doch wohl an der Richtigkeit seiner Angabe fest-
gehalten werden, wonach seine Mutter eine geborene Bretke
war, denn er rechnete doch damals mit der Veröffentlichung
seines Werkes, wobei eine etwaige Schwindelei leicht heraus-
gekommen wäre!
Da Matthäus Praetorius nach der Berechnung Krauses”*®
zwischen 1631 und 1636, und zwar in Memel geboren ist, müßte
seine Mutter, eine Tochter Bretkes, in der Zeit als Gattin des
deutschen Diakons Christoph Praetorius in Memel gelebt
haben.
Bemerkenswert ist, daß M. Praetorius das „Chronicon“
Bretkes vorgelegen haben muß, da er es in seiner „Deliciae
Prussiae“ weit über die beiden in Hennenbergers Abschrift
erhaltenen Bruchstücke hinaus zitiert”, desgleichen hat er an-
515 Arnoldt, Nachr. II, S. 155.
518 Frleut. Preuß. IV, 1782, S. 254.
517 Arnoldt, Nachr. II, S. 153.
s18 (Titel, oben, S. 140 Anm. 509), S. 338.
518 Gerullis (siehe Anm. 372, oben, S. 94), S. 125. Bemerkt sei auch, daß
„J. Bretkius“ auch in den bereits in Weiherstadt verfaßten Werken („Tuba
Pacis“ 1685, „Orbis Gothicus“ 1688 und „Mars Gothicus“ 1691) zitiert, bzw.
im Autorenverzeichnis angegeben wird.
142
ie a ae ee
scheinend Manuskripte Hennenbergers besessen, da er sich
1671 in einem Briefe aus Niebudschen an Hartknoch erbot,
„...aus des seel. Herrn Hennebergers MSctis die-
ses Hauses der Herrn von Kalnein, uhralte
Genealogie Ihro Excellentz vorzuzeigen
und zu übergeben ...“520
Möglicherweise hat er beides aus dem Nachlaß Bretkes, in dem
sich durchaus auch Schriften Hennenbergers befunden haben
können, da Bretke offensichtlich mit ihm zusammengearbeitet
hat”, was besonders der Fall gewesen sein dürfte, nachdem
Hennenberger 1590 an das Große Hospital nach Königsberg
versetzt worden war, und Bretke sehr wohl nach dessen Tode
am 29. Februar 1600 Manuskripte seines Freundes erhalten
haben kann.
Das Litauische lernte Matthäus Praetorius als Kind und
als Jüngling in und bei Memel, wo selbst damals noch die Zahl
der Litauer ständig wuchs”.
‘Am 29. Juni 1650 wurde er mit seinen beiden Brüdern (oder
Halbbrüdern?) in Königsberg immatrikuliert. Die Matrikel
lautet:
4 tres fra-
„"Matthaeus Praetorius, Memela-Prussus | {es mino-
-Christianus Praetorius, Memela-Prussus 4 mk
: i rennes R
-Johannes Christophorus Praetorius, 10 gr."s22
Pastoris Meme-
Memela-Prussus art
Doch scheint Matthäus noch so jung gewesen zu sein, daß
er mit dem eigentlichen Studium noch nicht begann, denn am
4. April 1655 wird er aus irgendwelchen Gründen mit folgen-
der Matrikel nochmal immatrikuliert: „Matthaeus Praetorius,
Memelensis Borussus 3 mk 12 gr.“”, was zu Beginn seines
eigentlichen Studiums gewesen zu sein scheint. Gegen die
Möglichkeit, daß es sich hierbei um eine andere Person dieses
damals verhältnismäßig verbreiteten Namens handelte, spricht
der Umstand, daß unser Matthäus Praetorius rund zwei Jahre
später, im Juli 1657, in Rostock, der Heimatuniversität seines
520 Erleut. Preuß. I, S. 116 (siehe Anm. 532, unten, S. 145).
521 Siehe oben, 5. 94.
5212 Frl. Preuß. IV (1728), S. 262.
#2 Erler, Königsb. I, S. 514.
#23 Erler, Königsb. I, S. 547.
143
Vaters, inskribiert wird: „Matthaeus Praetorius Memelensis
Borussus“”*, wo — wie es in der Rostocker Masgisterliste drei
Jahre später 1660 heift — „Augustus Varenius... collegii
philosophici decanus... promovit die XXVI Julii, unum...
Matthaeum Praetorium Memela-Borussum ...‘” Praetorius also
zusammen mit neun anderen Studenten am 26. Juli 1660 die
Magisterwürde erlangte. |
Am 8. April 1661 wurde Matthäus Praetorius „...als
Adj.[unet] des Me- || melschen Ministerii ordiniret, ob er gleich
eigentlich des litthauischen Pf. || Adj. war...“”, und zwar war
damals Johannes Lehmann d. Ä. litauischer Pfarrer, der 1664
starb”.
1665°° oder 1664°° kam M. Praetorius nun nach Niebudschen
(jetzt Steinsee, Ostpr.), wo er im Verkehr mit seinen Pfarr-
kindern, den dortigen Litauern, Material zu den Teilen seiner
„Deliciae Prussicae...“ zu sammeln begann, die noch heute
von Wert sind’”. Das Manuskript dieses Werkes liegt in zwei
dicken Foliobänden im Königsberger Staatsarchiv. Soweit ein
Vergleich seiner „Deliciae Prussicae“ mit den beiden in der
Abschrift Hennenbergers erhaltenen Bruchstücken des „Chro-
nicon“ Bretkes” erkennen lassen, hat M. Praetorius im großen
und ganzen ebenso kritiklos kompiliert wie sein „Elter ||
Vater“, nur daß er mehr aus eigener Anschauung über die Be-
völkerung mitgeteilt zu haben scheint, mit der er täglich zu-
sammenkam, deren Leben und deren Erzählungen er offen-
sichtlich für seine Zeit ungewöhnlich viel Interesse entgegen-
brachte. Wie sehr er um dieser seiner Kenntnisse willen selbst
von dem kritischen Hartknoch’® geschätzt wurde, an den sich
522 Hofmeister, III, S. 196 b.
525 Ebenda, III, S. 210.
526 Arnoldt, Nachr. II, S. 153.
527 Ehenda, S. 157; siehe unten, S. 333 Anm. 1133.
528 Ebenda, S. 103 (Arnoldt gibt hier ein anderes Jahr an als ebenda, S. 155!).
Siehe zu diesem Abschnitt die „Berichtigungen und Ergänzungen“.
52? Siehe „Matthäus Prätorius’ Deliciae Prussicae“ von Pierson, genauer Titel
oben, S. 140 Anm. 509.
590 Siehe Gerullis, „Bretke als Geschichtsschreiber“, Arch. f. sl. Phil. 40,
S. 117 ff.
531 Nach „Das I Gelahrte I Preüssen ...“ 1722, S. 39f., zu Jablonken (heute
Wildenau), 14 km östl. von Passenheim, 1644 geboren, studierte größten-
144
M. Praetorius 1671 schriftlih wandte, worauf beide lange
Freunde waren, geht aus der Abschrift eines Briefes hervor,
den Chr. Hartknoch nach 1681 schrieb, als er bereits mit Prae-
torius verfeindet war”:
(Seite 116)
»... Von derselben Zeit an hielte ich mit
Herrn M. Praetorio gute Freundschafft,
welche hernach vermehret worden, als ich
Anno 1672. den Gradum Magisterii an-
nahm, und mich bey der Universität zu Kö-
nigsberg auffhielte. Denn da ich etliche
Dissertationes von den Alt-Preußischen
Sachen, als de Originibus Prussieis, de Ju-
re Prussorum, de Republica Prussorum, de
Religione veterum Pruss. ausgegeben, hat
M.
(Seite 117)
M. Praetorius von denselben Dissertat., so
offt er nach Königsberg kam, mit mir confe-
riret, insonderheit was die Alt-Preußische
Sprache und der heutigen Litthauer Aber-
glauben und Gebräuche anlanget. Hat sich
auch freywillig und von sich selbst offeriret,
daß er einige Notas über die Dissertation,
de Religione vet. Pruss. zu Papier setzen
und mir zuschicken wolte, welches ich nicht
anders als mit Danck habe annehmen kön-
nen. Er hat auch dieses praestiret, und ein
Scriptum von zweyen Bogen auffgesetzet,
selbiges eigenhändig abgeschrieben, und mir
zugeschicket, wie es auch noch bey mir Tom.
III. MSS. in 4. zu Ende zu finden ist. In sel-
bigen Notatis refutiret er nichts, was ich in
meiner Disputation defendiret, sondern tra-
ctiret meistentheils von der Alt-Preußischen
Sprache, und von der heutigen Litthauen
Gebräuchen. Ueber dieses hat er auch noch
teils in Königsberg, 21jährig in Wilna „Rector“ an der ev. Schule und
Adjunkt an der deutsch-polnischen Gemeinde. 1668 als Prediger nach
Sluck (100 km südl. von Minsk), mußte wegen Lungenkrankheit sein Amt
aufgeben, las und disputierte an der Königsberger Universität, 1677 Pro-
fessor in Thorn, später dort Gymnasialdirektor und starb 3. Januar 1687.
5322 Frleut. Preuß. I, 1724, S. 114ff. der ganze Brief, ebenso „Das gelahrte
Preüssen....“, 1723, S. 350 ff.
10 Falkenhahn, Bretke - 145
ein Scriptum von zweyen Bogen mir zuge-
schickt, darinnen hat er abermahl von der
Alt-Preußischen Sprache gehandelt, und
meistentheils die Differentiam zwischen der-
selben und der Litthauischen und Kurischen
wollen zeigen, welches Tractätlein auch
H3 Tom.
(Seite 118)
Tom. III. MSS. in 4. gegen das Ende zu
finden.
Es ist auch geschehen, daß ich eins-
mahls mit ihme wie auch Herrn Jacob. Phi-
lipp. Hartmann, Med. D auf Sambland
nach H. Creutz, und andere an dem Strand
liegende Oerter gefahren, um den Orth, wo
der Börnstein in der See theils gefischet,
theils in den Bergen gegraben wird, recht in
Augenschein zu nehmen, von dannen wir mit
guter Vergnügung nicht allein wegen des
Orths, den wir gesehen, sondern auch wegen
der angenehmen Gesellschafft, zurück nach
Königsberg gekommen. Darzu ist auch
noch dieses gekommen, daß Herr M. Praeto-
zius mir ein Theil von des Grunovii Chro-
nick, so er aus der Bibliothec Sr. Wolgeb.
Excellentz Herrn Ernst von Wallenrodt,
Preußischen Regiments-Rahts und Land-
Hoffmeisters, gehabt, geliehen, daß ich also die
übrigen Tracktatus, welche ich in Brunsberg
nicht habe wegen Kürtze der Zeit durchsehen
können, auch durchlesen, und in meine FEx-
cerpta bringen könte,..“
In seiner Ausgabe Peters von Dusburg 1679°*, also nach
achtjähriger Bekanntschaft, zitiert ihn Chr. Hartknoch auf
Seite 3 bei der Behandlung des Namens „Preußen“ als „Vir
Clariss.[imus] D[omi]n.[us] M. Matthaeus Praetorius Pastor
Nebudzen- || sis, amicus meus honorandus....“, was immerhin
recht viel war, wenn damals auch Freundschaftsbeteuerungen
und ehrende Titel zum literarischen Stil gehörten; ebenso in
den Anmerkungen (,„Dissertationes“) zu dieser Ausgabe, S. 83,
wo Hartknoch von dem Unterschied zwischen dem Preußischen,
de Dusberg N Ordinis Teutonici Sacerdotis, || Chronicon || Prus-
siae, . Christophoro Hartknoch l Passenheim. Prusso. I Francofurti
et al || -.. Anno MDCLXXIX.“
146
Bu ad 2 u u
Kurischen und Litauischen spricht. Ähnlich, ebenda, S. 129, wo
er die Mitteilung seines Freundes von dem dreigespaltenen
Birnbaum in dessen Garten in Niebudschen bringt, der
„... Prussis [et] Lith- || vanis vocatur Rommota, ut [et] Rumbota
Krausis, id est pyrus (!) coa- || li ta.“ Ähnlich auch schließlich
“ noch ebenda, S. 148.
Daß M. Praetorius als Mensch keinen schlechten Eindruck
machte, scheint auch aus einem Briefe vom 14. Juni 1682 her-
vorzugehen, den ein M. Kempius aus Königsberg, Tragheim,
an Hartknoch schrieb, nachdem dieser seinem früheren
Freunde, Praetorius, bereits grollte, weil er von seinen Ar-
beiten schlecht gesprochen haben sollte, wovon Hartknoch
„... ein gu- || ter Freund von Königsberg bald Nachricht || er-
theilet.. .“”*; in dem Briefe sagt M. Kempis u. a.:
»...80 weit mir aber Herrn Praetorii Gemüth bekannt ist / kan ich
M. H. H.5® wohl sincere versichern / daß er nimmer anders als honori-
fice von desselben löblichen Conatibus geredet habe... .“5®°
Auch aus dem Briefe des Verlegers Martin Halleyorden oder
Hallerwood vom 22. August 1681 an Hartknoch wird anschei-
nend klar, wie es im „Gelahrten Preüßen“ heißt, daß „...der
Irthum einiger / als wenn Praetorius nur aus Jalousie gegen
Hartknochen geprahlet / wiederleget wird“.
Die Volkszugehörigkeit Bretkes.
Stand der bisherigen Forschung.
Die Volkszugehörigkeit Bretkes ist in den letzten zwei
Jahrzehnten stark umstritten worden. Während die einen be-
haupteten, daß Bretke Deutscher sei, erklärten andere ihn für
einen Litauer, wieder andere machten seine altpreußische Ab-
stammung sehr wahrscheinlich.
Die Behandlung und Beantwortung der Frage nad der
Volkszugehörigkeit eines Menschen des 15., 16., ja noch des
17. Jahrhunderts ist, wie schon angedeutet”®, oft schwierig, da
5% In dem oben, S. 145, zitierten Brief Hartknochs, Erl. Preuß. I, S. 120.
535 Also Hartknoch.
5367, .D)as ll Gelahrte l Preüssen ....“, 1722, S. 43; ebendort, S. 42 ff., der ganze
Brief. ö
#7 Ebenda, S. 46; ebenda, S. 45f., ein Auszug aus dem genannten Brief.
538 Siehe oben, S. 131.
10* 147
direkte Angaben über die blutsmäßige Volkszugehörigkeit aus
jener Zeit meist fehlen. Man fragte einen Menschen damals
nur nach seiner Religions- und Standeszugehörigkeit, sowie
nach der Landschaft oder Stadt, aus der er kam, dagegen war
das Verständnis und das Interesse der gebildeteren Kreise, die
in allen europäischen Ländern Latein lasen und sprachen, für
Volkszugehörigkeit weitgehend geschwunden.
Nur so sind Ausdrücke wie: „N. N. Natione pomeranus“,
„Gregorius Vogel, Polonus“, „Stanislaus Schultis, Polonus“*”,
„Vrbanus Sommer Vilnensis Litvanus‘”” usw. möglich.
Auf diese Weise ist zu erklären, daß schon damals gelegent-
lich „Preußen zu Cölmern“ gemacht wurden; Litauer, Stamm-
preußen und Polen, die eine akademische Bildung erworben
hatten, nahmen genau so an dem Wohlstande der Deutschen
dieser Kreise teil, wie sich, besonders etwas später, die Unter-
drückung des Adels sowohl gegen Bauern von deutscher als
auch litauischer und anderer Herkunft richtete. Ja selbst noch
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeigte die umständ-
liche Ausdrucksweise des Begriffes „Volk“ sogar bei gebil-
deten Personen, wie unklar ihnen der Begriff war. So spricht
z. B. Friedr. Sam. Bock 1749 in seiner „Einleitung in den Staat
von Preußen‘®* zwar von „Deutschen Litthauern, und Pohlen“
im heutigen Ostpreußen, doch erklärte er den Begriff
„Deutsche“ sogleich wie folgt: „Die eigentlichen Preußen oder
Deutschen, die von deutschen Familien entsprungen, die auch
die Sprache und Sitte mit den Einwohnern Deutschlands gemein
haben, machen den größten Teil aus...“ usw. 1726 heißt es’*
bei der Beschreibung der Bewohner Preußens gar: „die mei-
sten aber (sind) Rheinstrohmer, Bäyern, Schwaben, Francen,
Thüringer, Vogtländer, Sachsen, Meißner, Böhmen, Schlesier,
Märker, Westphalinger, Braunschweiger, Hollsteiner, Meclen-
burger, Pommern und dergleichen Ausländer...“ Auf den
nächsten Seiten spricht der gleiche Verfasser von der „fran-
zösischen“ und von der „pommerschen“ Nation. Nur der geo-
graphische Begriff „Germania“ war lebendig geblieben.
538 G, Erler, Königsb. I, Sommersem. 1553.
520 E, Foerstemann, Album Acad. Viteb., Bd. II, S. 330, Sommersem. 1585.
sa1 Frl. Preuß. V, S. 176.
522 Frl. Preuß. IV, S. 383.
148
Es ist daher nicht weiter erstaunlich, wenn direkte Angaben
über die Volkszugehörigkeit Bretkes aus jener Zeit fehlen.
Das Interesse für die Volkszugehörigkeit im heutigen Sinne
des Wortes beginnt erst zur Zeit Herders zu erwachen. So
fragt als erster Gottfr. Ostermeyer 1795%: „...ob...er...
wohl gar von litauischen Eltern gewesen, weiß man nicht.“
Ostermeyer fährt dann fort „Doch es sey, daß er ein gebohr-
ner, oder nur gemachter Littauer gewesen, so hat er die Sprache
wohl inne gehabt...“ L. Rhesa äußert sich nicht zu der Frage,
auch A. Bezzenberger nimmt nicht selbst Stellung, sondern
begnügt sich mit der wörtlichen Wiedergabe dessen, was
Ostermeyer hierzu schrieb’ (siehe oben).
Erst Superintendent Hoffheinz (1883) berührt die Frage
wieder und sagt: „...Er (Bretke) mag wohl auch ein geborner
Litauer gewesen sein — der erste Pfarrer in Litauen —, denn
er predigte ohne „Tolken“ (Dolmetscher) und nennt sich in
dem von ihm herausgegebenen Gesangbuche Bretkuns...“”°
M. Stankiewicez (1889), J. Gabrys (1912) sowie A.B. Klai-
pediskis (1913)°® stützen sich ganz auf ÖOstermeyer und
L. Rhesa, ohne selbst Stellung zu nehmen, desgl. Proboöiy
Anükas (d. h. Ansas Bruozis) (1920)°®; nur die Wendung ‚„müsy
Bretkünas“ scheint die Ansicht A. BruoZis zu verraten, daß
Bretke Litauer gewesen sei.
Die erste wirklich wissenschaftliche Behandlung der Frage
bietet Ed. Hermann (1923), Er glaubt, aus der Bibelhand-
schrift Bretkes mit ziemlicher Bestimmtheit beweisen zu kön-
nen, daß Bretke Deutscher war: 1. Bretke schriebe oft Wörter
des deutschen Luthertextes an den Rand und bisweilen in den
Text, wenn er im Zweifel war, wie sie zu übersetzen wären.
58 „Erste Lit. Liedergesch.“, S. 18 ff.
sa „Beitr. zur Gesch. d. L. Spr.“, S. XV.
55 M.L.L.G., I. Bd. (1883), S. 265 ff, Artikel: „Bericht über einen literari-
schen Fund“.
s6 „Studya bibl. n. liter. lit.“
#7 „Liet. Lit. apzv.“
58 „Prüsy Liet. Ras.“
5 „MaZ. Liet. Buv. Ras.“, S. 16.
0 Aufsatz: „Bemerkungen zum altlitauischen Schrifttum in Preußen.“
Nachr. d. K.G. der Wiss. z. Göttingen, Philol. hist. Klasse, 1923, S. 106 ff.,
besonders 114 ff.
149
Darunter sind auch häufig gebrauchte Ausdrücke wie „Flügel“,
„Fittich“, „Feder“, „Augenlid“, „Hinterhalt“, „Riegel“, „Stadt-
viertel“. 2. Bretke scheint in der Verwendung der Aktionsarten
nicht sicher gewesen zu sein. 3. Bretke unterscheidet nicht
zwischen den Präpositionen „isch“ und „nog“, was einem ge-
borenen Litauer nicht passieren dürfte. 4. Die in der Bibel-
handschrift beigehefteten Zettel und der Rest eines Briefes,
der wahrscheinlich an Bretke gerichtet war, sind in deutscher
Sprache geschrieben. Desgl. sind Bretkes Randbemerkungen,
soweit sie nicht lateinisch sind, gleichfalls deutsch. 5. Verräte-
risch wäre vor allem, daß Bretke den deutschen Text der Kir-
chenlieder besser im Gedächtnis hatte als den litauischen, denn
er zitierte im Register seiner „Giesmes Duchaunas“ ein Lied,
das im litauischen Text (Nr. 73, S. 118) beginnt: „Klausikite
ius nu szmones, kaip...“, im Deutschen aber ‚Nu höret zu
jr Christen Leut“, mit „Klausiket ius nu kriksch.“ 6. Bretke
schreibt seinen Vornamen ungleichmäßig, wenn er seine litaui-
sche Namensform „Bretkunas“ verwendet: „Johan“, „Joana“
verbessert in „Jana“, „Jonas“ verbessert in „Janas“, wie er
auch den Namen des Täufers erst „Joannes“ schrieb, dann in
„Janas“ verbesserte. 7. Ihm läge scheinbar das Lateinische
näher als das Litauische, denn er schrieb: „per Ioana (verb. zu
Iana) Bretkium“. 8. Sein Familienname lautet „Bretke“ (d. h.
nicht Bretkünas) und ist somit deutsch. 9. der deutsche Text
Bretkes ist schwer zu lesen, weil er flüchtig geschrieben ist,
während der litauische Text eine fast immer leicht lesbare,
deutliche Handschrift zeigt, also schrieb Bretke scheinbar ge-
läufiger deutsch als litauisch. 10. Bretke hat wahrscheinlich das
Litauisch des Willent, der bekanntlich aus Litauen kam, für
besser gehalten als das seiner eigenen Bibelübersetzung, denn
er zitierte in seiner Postille, die 1591, also nach Abschluß der
Bibelübersetzung, erschien, bei der Angabe der Predigttexte
nicht seine eigene Bibelübersetzung, sondern die entsprechen-
den Abschnitte aus Willents Evangelien und Episteln, jedoch
folgt Bretke nicht sklavisch, sondern ändert z. T. zugunsten
seines Bibeltextes.
Auch Gerullis meint 1927, wohl von den überzeugenden
551 Sen. Liet. Skait., S. 87 £.
150
Gründen Hermanns beeinflußt, es wäre „kaum zu bezweifeln,
daß er nicht Litauer, sondern Deutscher war“, denn Bretke
schriebe nur in seinen litauischen Werken „Bretkünas“, sonst
immer deutsch „Bretke“ oder lateinisch „Bretkius“. Seine Ver-
wandten wären deutsche Adlige, auch spräche er nicht über
die Litauer wie über sein Volk, „sie sind für ihn in der Vor-
rede der Postille ‚illa. gens‘, und im zweiten Teile der Postille,
S. 379, ‚ius lietuwnikai‘, dennoch erfühlt er in seinen Über-
setzungen, wenn sie auch allerlei Verstöße gegen die Sprach-
regeln zeigen, nicht selten den Geist der Sprache so ausgezeich-
net wie nur ein Mensch, der von klein auf Litauisch kann. Ich
weiß nicht, wie das zu erklären ist“’*. K. Forstreuter meint 1950
wohl aus den gleichen Gründen: „Bredtke war Deutscher von
Geburt.”
J. Bertoleit rechnet 1932 als erster mit der Möglichkeit, daß
Bretke altpreußischer Abstammung sein könnte“, oder daß
er von litauischen Eltern stammte, die aus Litauen zugewan-
dert wären, denn Bretke hätte in seiner „Historia rerum
Prussicarum“, wie die daraus entnommenen Zitate in der
„Schaubühne“ des Praetorius zeigen, „so viel aus altpreußi-
scher Vergangenheit, hauptsächlich Nadrauens“, zu berichten
gewußt und hätte schon bei dem Amtsantritt in Labiau „ge-
läufig“ Eitauisch und auch altpreußisch gekommt, und: „Vor allem
weist auch seine litauische Sprache, die der Polonismen nicht
entbehrt, darauf hin, daß sie kaum erst im Labiauer Bezirk
erworben sein kann, seine Bibelübersetzung wurde ja deshalb
in späterer Zeit abgelehnt, weil seine Sprache fremdartig sei
und dem preußischen Litauisch nicht recht entspräche’®,“
1933 äußert sich K. Forstreuter wieder zur Frage; er hält
jetzt die Volkszugehörigkeit für nicht ganz sicher, doch stamme
Bretke aber auf keinen Fall aus Großlitauen, da er ja „bei
Friedland in dem ursprünglich altpreußischen Dorfe Bammeln
geboren ist, entweder also Altpreuße und damit, wie der Rest
552 Sen. Liet. Skait., S. 87 ff.
553 7, f. sl. Ph. VII, S. 129.
55 „Die Reformation unter den Preuß. Lit.“, S. 41 ff.
555 Bertoleit, ebenda.
151
der damals noch vorhandenen Altpreußen, halb germanisiert
oder überhaupt Deutscher von Geburt war“.
Die Auffassung der heutigen litauischen Forscher, die sich
zu dem Problem geäußert haben, zeigt der Artikel des litaui-
schen Literaturprofessors Vaclovas BirZiSka, Kaunas, 1935 im
4. Band der „Lietuviska Enciklopedija“ recht gut. V. Birzi5ka
charakterisiert Bretke, den er Bretkünas nennt, als den be-
deutendsten litauischen Autor des 16. Jahrhunderts in ‚Klein-
litauen“. Nach einer kurzen Wiedergabe der Auffassung
E. Hermanns, Gerullis und ihrer Anhänger, die geneigt seien,
Bretke für einen Deutschen zu halten, fährt V. Birziska fort:
„Die andern und besonders die litauischen Autoren und Vac.
Birziska, der ihre Auffassungen in seinem Buche „Lietuviy
knygy istorijos bruoZai“ (1930) in Einklang gebracht hat, halten
Br. für einen reinen Litauer. Diese Auffassung stützte ]J. Bertoleit
(„Die Ref...“, folgt Zitat) kürzlich mit neuen Beweisen. Br.
wurde in Bamboliai bei Friedland eben gerade auf der Grenze
der von den Litauern bewohnten Wildnis und dem deutsch-
polnischen Kolonisationsgebiet geboren. Die Äußerung, die
aus seinem Briefe von 1563 entnommen ist: „parentum meorum
petitionibus ex superiori Germania reuocantibus“ besagt
durchaus nicht, daß Br.s Eltern aus Oberdeutschland stamm-
ten, denn der Auszug wird nicht richtig vorgenommen: Im
Briefe steht „ab amicis in studiis artium promotus sum, paren-
tum meorum petitionibus, ex superiori Germania reuocanti-
bus“; hieraus kann verstanden werden, daß der Ausdruck
„Oberdeutschland“ nicht auf die Eltern bezogen wird, sondern
auf seine Studiengenossen (]. Bertoleit). Eine andere Äußerung
des gleichen Briefes „Lituanicam et prutenicam linguam medio-
criter teneam“, die geschrieben ist, als Br. nach Labiau berufen
wurde, zeigt, daß Br. nicht erst während des Pfarrdienstes Li-
tauisch gelernt hat, sondern bereits von klein auf konnte; aber
das eigene Litauisch pflegte nicht nur Br. mit „mediocriter“ zu
bezeichnen, sondern auch eine Person, wie der aus Zemaiten
stammende Jomantas (Jamund), der genau so ohne jeden Zwei-
fel Litauer war. Schließlich zeigt die Tatsache, mit der Her-
mann arbeitet — daß nämlich Br. bei seiner Übersetzung der
#° „Deutsche Kulturpolititk im sogenannten Preussischen Litauen“, S. 262.
152
Bibel viele Wörter nicht sofort litauisch wiedergeben konnte
und an zweifelhaften Stellen deutsch aufschrieb — lediglich,
daß es dem ersten litauischen Bibelübersetzer, Bretkünas, der
auf der Universität Lateinisch studiert hatte, an litauischen
Ausdrücken fehlte, während er die entsprechenden deutschen
finden konnte, wenn auc in der deutschen Bibelübersetzung.
Der nicht-literarische litauische Wortschatz, den Bretke ohne
Zweifel von Hause, aus dem Dorfe, mitbrachte, konnte bei
weitem nicht für eine so gewichtige Übersetzung wie die der
Bibel ausreichen. Auch die späteren litauischen Schriftsteller
mußten genau so wie die anderer Völker, ob sie wollten oder
nicht, bei der Übersetzung eines Werkes aus einem neuen
Fach auch zu fremden Ausdrücken greifen, die sie auf den
Schulen gelernt hatten. Höchstwahrscheinlich hat audı Luthers
Handschrift bei seiner Übersetzung der Bibel ins Deutsche nicht
besser ausgesehen als die Handschrift Bretkes. Alle diese Tat-
sachen, sowie Br. gründliche Kenntnis des Litauischen und
sein Interesse für die Belange der Litauer, das er seinen Nach-
fahren vererbte (Matthäus Praetorius), zwingen, nicht daran
zu zweifeln, daß Br. Litauer war.
Seinen Namen schrieb Br. selbst „Bretkunas“, lateinisch:
„Bretkius“, deutsch: „Bretche““. (Es folgt die Behandlung des
Lebens und der Werke Bretkes.)
Gerullis behandelte das Thema (1935) nochmals. Er durch-
suchte die Bammeln und Umgebung betreffenden Akten des
Königsberger Staatsarchivs aus der Zeit des 16. Jahrhunderts
nach Angaben über die Bewohner Bammelns und legte das
Ergebnis im Teil II „Welcher Nationalität gehörte Bretke an?“
des Aufsatzes: „Zu Johannes Bretke“” vor.
Nach Ausweis der Akten wohnten in dem Dorfe, das neun
Jahre nach Bretkes Geburt als: „Bammeln prewsch‘“* bezeich-
net wird: „Ein preusch freyer“, zwei Bauern „Blasien fischer“,
„Caspar fustigk“ und ein Hirt ohne eigenes Anwesen. Die
beiden Bauern waren dem Heino von Döberitz und später An-
dreas von Flans hörig®®. Das preußische Freigut von 45 alt-
5577 Stud. Balt. V (1935-36), S. 55 ff.
58 B,M. 137 f A.
55 Steueranlage von 1539: Ostpr. Fol. 911a 11, S. 3ff.; Ostpr. Fol. 918,
S. 463 ff, und Ostpr. Fol. 912, S. 1 ff.
153
kulm. Hufen und 10 altkulm. Morgen (81,25 ha) besaßen zur
Zeit der Geburt Bretkes bis mindestens 1553 die Brüder „Brose
vnd greger Warnin“, die nach einem Schreiben ohne Datum
in den Jahren danach durch Andreas von Flans zu einem
Tausch ihres kleinen Gutes gegen ein anderes Freigut in Schal-
len (siehe Karte, oben, S. 7) gezwungen wurden”. Das Freigut
in Bammeln war lange in der Familie Warnin, wie die Wen-
dung der „Freyen von Bammell“ in einem Schreiben von 1553
an den Herzog zeigt, in dem sie ihn bitten, nicht zuzulassen,
daß sie dieses Gut verlieren: „Dieweil vnser Für Eltern vnter
E.F.G.“, wol erhalten sein worden“, desgleichen in einem
undatierten Schreiben: „gütter, gelegen zu Bamblen, so vns
von vnseren lieben vetern angeerbet“, das heißt also, daß
mindestens der 1543 genannte Besitzer, der Freie Fabian’® und
der 1532 erwähnte Urban zur Familie Warnin gehörten”, mög-
licherweise aber auch schon die 1415 nachweisbaren Brüder
Nicklas, Michel und Mate, die die Brüder des „Gaudinne“ ge-
nannt werden und damals 5 Haken „jnn dem felde zu Bam-
beln“ frei von Zehnten und Scharwerksdienst erhielten”;
sicher waren sie aber genau so wie die um 1405 in dem preu-
Rischen Scharwerksbauerndorf Bammeln erwähnten Regiil,
Lickucz, Lubarth, Serune, Hindricke, Orute, Gintar und Ge-
daute Preußen”, denn ihr Bruder „Gaudinne“ war offenbar
der um 1405 in „Annegow“ bei Bammeln ansässige preußische
Freie Gaudinne’“,
Bretke kann also nur entweder in der Familie der beiden
altpreußischen Scharwerksbauern oder im Hause der altpreu-
Rischen Freien Warnin geboren sein.
Es ist nun von vornherein wahrscheinlicher, daß Bretke zur
Familie der Freien Warnin gehört, denn: 1. Er heiratete
1563 die Tochter des deutschen Adligen Christoff von Werthern,
dem das kleine Gut Engelau unweit Bammeln gehörte (siehe
soo A.a.O., und Ostpr. Fol. 356, S. 130 ff.
sei Eure Fürstliche Gnaden.
522 W,M. 137d B.
568 Ostpr. Fol. 911a, S. 35.
sa E.M. 18e 3 Nr. 81 Fol. 1.
5e5 Ostpr. Fol. 118, S. 518.
568 Ordens. Fol. 111, S. 97r.
154
ee ee en = Zn 0 0 A nd 0.
Karte, S. 7), was kaum möglich gewesen wäre, wenn Bretke
aus einer Familie eines hörigen preußischen Bauern der näch-
sten Umgebung stämmte. 2. Er hielt sich später in Friedland
auf. 3. Er spricht in einem Brief von 1580°° von seinem Pa-
trimonium. 4. Bei der Erbauseinandersetzung nach dem Tode
des Brose Warnin 1575°® zwischen der „Erbaren vnd thugent-
samen Magdalenen Ambrosij Warninen Von schallen sehligen
Nachgelassene Wiettfrau“ und ihren Kindern sind „herr
Christoff alzunen vnd Pauel Plebe Bürger Meister der Stadt
allenburgk“ Vormund der Witwe, aber die Kinder stehen
unter der Vormundschaft „des würdigen vnd woll gelarten
herren Johannij Bredtkij Pfarhersh zu Labijau, vnd Peter
Dehnen“; es muß also ein zwingender Grund vorgelegen haben,
den Labiauer Pfarrer zum Vormund der Kinder eines preu-
Rischen Freien in Schallen zu bestellen.
Die Mutter Bretkes war wahrscheinlich eine Warnin, auf
jeden Fall stammte sie aber aus einer preußischen Familie.
Schwieriger steht es mit der näheren Bestimmung der Volks-
zugehörigkeit des Vaters. Der Name Bretke kommt in den
recht genau geführten Amtsrechnungen um Bammeln nicht vor,
doch findet er sich in einer erhaltenen Liste der steuerzahlen-
den Bürger Friedlands aus dem Jahre 1575°°, wo zweimal ein
„Vallten Prattke“, „Valten Bretke“ angeführt wird; dessen
Name ist dort durchstrichen und der des neuen Bürgers dar-
über geschrieben. In diesem Valten Bretke darf mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit der Vater Breikes vermutet werden, der
demnach 1575 gestorben wäre. So würde auch das „Friedland-
densis“ der Matrikel gut passen, denn Bammeln gehörte da-
mals nicht zu Friedland. Das „pupillus“ der Königsberger Ma-
trikel könnte dann nur mit dem Tode der Mutter erklärt wer-
den, doch der Vater müßte wieder geheiratet haben, da Bretke
im erwähnten Briefe von 1563” von seinen Eltern spricht.
Die sprachliche Zugehörigkeit des Namens steht nicht ein-
deutig fest: „Bretke“ und „Brettchen“ scheinen als nieder-
s” Qu., S. 426, Z. 11; siehe zu „Patrimonium“ oben, S. 31 Anm. 100.
58 E,M. 137 d Sch.
5® Depositen der Stadt Friedland: „Grundzins-Buch der Stadt Friedland“
von zirka 1550 (verb. aus 1500) ab, Bl. 2r und 30”.
5” Qu. S. 418, Z. 3.
155
und hochdeutsche Formen aufgefaßt worden zu sein. Da Bretke
von Behörden und Kollegen stets „Bretke“ oder „Bretkius“
genannt wurde, ist anzunehmen, daß er seinen Namen in seinen
litauischen Schriften zu „Bretkünas“ litauisiert hat. Doch es
ist auch möglich, daß Bretkes Vorfahren wirklich den litaui-
schen, oder wegen seiner stammpreußischen Verwandtschaft
eher altpreufischen Namen Bretkünas führten, und die ger-
manisierten Vorfahren das baltische Suffix -ünas ablegten, und
daß in der Familie noch Erinnerungen daran lebendig waren.
Doch kann der Name auch deutsch sein und nur zufällig an
das baltische „Bretkünas“ anklingen, wie der deutsche Name
„Wille“ an den altpreußischen „Willune“, lit. „Viliünas“.
Doch der Name „Bretke“ kam auch in dieser Form, wahr-
scheinlich sogar mit der entsprechenden dialektischen Eigenart,
im Samland (&>i) vor: in „Neplacken ein preusch dorff“”" wird
1542/43 ein unfreier Bauer „Jorge Bretkij“ verzeichnet, der
1550 „Jorge Prettkij“ heißt.
Bretkes Vater stammte also wohl aus einer deutschen Fa-
milie, die vielleicht früher altpreußfisch war.
In Bammeln konnte Bretke noch Preußisch lernen, jedoch
wahrscheinlich nicht Litauisch, weil die Akten über Litauer
in der Gegend schweigen.
So wird verständlich, daß Bretke das Litauische so gut er-
faßte und auch noch Kurisch gelernt hat. So würden auch seine
Prussizismen erklärlich (folgen Beispiele wie: ausas = Gold,
balgnas = Sattel usw. aus dem lexikalischen Anhang zu Bez-
zenbergers „Beitr. zur Gesch. der lit. Spr.“)'”, oder, fragt Ge-
rullis, sollten diese Prussizismen dem Litauisch um Labiau an-
gehören?
Auch Forstreuter schloß sich (1937) den Darlegungen Ge-
rullis’ an; es wäre mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß
Bretke von Vatersseite Deutscher, von Muttersseite Altpreuße
war. Forstreuter fügt hinzu: „Die Frage der Polonismen in
rt Ostpr. Fol. 3427, S. 189, und Ostpr. Fol. 3434, S. 84” (unpaginiert). In
letzterem heißt es: „if mr ((= 1% M.)) Jorge Prettkij i} huben ll auf mar-
tinj || ix 8 ((= 9 Schilling)) Wardgeld“.
#2 Siehe die Sammlung von Prussizismen unten, $. 202 ff.
578 „Zeitschr. f. sl. Philol.“ XIV (1937), S. 3.
156
Fi
u 0. u
seinen Schriften ist nicht durch die Annahme seiner Herkunft
aus Großlitauen zu erklären.“
Der Überblick über die Geschichte der Bretkeforschung
zeigt, daß sich in Ermangelung eindeutiger ardivalischer Nach-
richten das Hauptinteresse der Forschung notgedrungen dem
Namen und der Sprache zugewandt hat, da keine andere Mög-
lichkeit zur Bestimmung der Volkszugehörigkeit bleibt.
Es sollen nun im Folgenden der Name und die Sprache auf
breiterer Grundlage untersucht werden, als das bisher ge-
schehen ist.
Der Name Bretkes.
Die Belege des Namens Bretke im 16, 17.
und 18. Jahrhundert.
Erst seitdem feststeht, daß Bretke mütterlicherseits aus einer
altpreußischen Familie stammt, kommt auch der sprachlichen
Zugehörigkeit des Namens seines Vaters eine größere Bedeu-
tung in der Untersuchung der Volkszugehörigkeit Bretkes zu.
Nun ist aber die Bestimmung der Sprache sehr vieler Per-
sonennamen sowie ihre Deutung ohne Belege aus den Jahr-
zehnten ihrer Entstehung eine problematische Angelegenheit
und wird es wohl immer bleiben.
Um aber eine möglichst sichere Basis für die weitere Unter-
suchung zu schaffen, sind 1. sämtliche erreichbaren Belege der
gleichen oder einer ähnlichen Namensform anderer Personen
aus dem 16. bis 18. Jahrhundert buchstabengetreu der Über-
sichtlichkeit halber in einer Tabelle zeitlich geordnet zusam-
mengestellt; dabei enthält Spalte 1—5 die Belege des Namens
unseres Bretke, während Spalte 6 mit eigener Herkunftsangabe
Belege für gleiche oder ähnliche Namensformen anderer Per-
sonen bietet (siehe die Tabelle am Schlusse dieses Bandes).
Die Anmerkungen geben die Fundstelle usw. an. Von mir
stammende Datierungen sind durch ein Sternchen vor der
Jahreszahl kenntlich gemacht. che Begründung hierfür in der
jeweiligen Anmerkung.
Der Gebrauc der deutschen, lateinischen und
baltischen (litauishen) Namensform.
Wie die Tabelle zeigt, waren zu Beginn des 16. Jahrhunderts
die Formen des Namens „Bretke“, „Pretke“ usw. häufiger,
157
während die Formen „Bratke“, „Pratke“ usw. etwa vom letzten
Drittel des gleichen Jahrhunderts ab die Oberhand gewinnen.
Auch Valten Bretke in Friedland wird nach 1554 „Bretke“,
1575 jedoch „Pratike“ genannt, während aber unser gelehrter
Johannes Bretke bei der einmal angenommenen Form mit in-
lautendem e blieb.
Die Tabelle läßt auch im Gebrauch der Formen „Bretke“
(„Bretchen“) und „Bretkius“ („Bretchius“) deutlich eine zeit-
liche Reihenfolge erkennen: Vor dem Rektor der Königsberger
und der Wittenberger Universität nennt sich der 19- bzw.
21jährige Student „Bretke“”“*, denn wie eine Durchmusterung
der Matrikeln zeigt, wurden die Namen oft nicht latinisiert,
auch die nicht, wo es leicht möglich gewesen wäre, wie auch bei
unserm Bretke, vielmehr wurden sie offenbar genau so in der
volkstümlichen Form verzeichnet, wie sie der Rektor aus dem
Munde des Immatrikulanden hörte; im gleichen Semester, in
dem Bretke sich in Königsberg einschreiben ließ, zeigen von
den 18 Namen der neuen Studenten nur zwei eine latinisierte
Form, und zwar ein „Johannes Runcelius, Pomeranus, Steti-
nensis“. und „Bonauentura Czesselius Regiomantanus“. Dem-
gegenüber stehen 16 zweifellos volkstümliche Namen, wie z.B.
„Jacobus Kochanouski, nobilis Polonus“, „Johannes Bilinski
ex Billingsdorff, nobilis Prutenus“, „Georgius Purna Kaunen-
sis, Lithuanus“, „David Perger, Libmulensis Prutenus“ usw.;
so auch die Form „Bretke“, Selbst im lateinischen Briefe an
den Herzog von 1563 braucht Bretke die nicht-latinisierte Na-
mensform.
Bis 1580 unterzeichnet er mit „Bretke“ und wird von an-
deren so genannt, lediglich in dem erwähnten Kanzleikonzept
von 1579 stehen zwei lateinische Formen, desgleichen unter-
schreibt Bretke die beiden kirchenpolitischen, höchstoffiziellen
Dokumente, das Corpus Doctrinae (1567) und die Concordien-
formel (1579) mit „Bretkius“, während sonst aus der Zeit nur
„Bretke“ belegt ist.
Ab 1580 dagegen verwendet Bretke regelmäßig die latini-
sierte Form „Bretkius“ oder „Bretchius“ und wird auch bald
57% Die Wittenberger Form „Brecke“ ist, wie S. 42 Anm. 139 schon gesagt,
Lesefehler; auch im Kanzleikonzept vom 11. 9. 1578 (siehe Tabelle) stehen
die Schreibungen „Bretkij“ (G) und „Brecklij“ (G) (!) nebeneinander.
158
nur mit dieser Form bezeichnet. So geht es durch zwanzig
Jahre. In dem Taufbuch der Altstädtischen Kirche, das Bretke,
seine Frau und seine Tochter oft als Paten anführt, erscheint
nur die latinisierte Form; auch deutsche Briefe unterzeichnet
Bretke jetzt mit „Bretkius“,
Um so seltsamer ist es, daß der alte Bretke in dem letzten
Schreiben von seiner Hand, das wir besitzen, etwa sieben Mo-
nate-vor seinem Tode wieder zu der Form „Bretke“ zurück-
kehrt.
Die Tabelle zeigt auch, daß schon zur Zeit Bretkes neben
den Namensformen auf der Basis on tk-“ solche auf der Basis
„bretch-“ hergingen, von der gleichfalls latinisierte Formen
gebildet werden, wenn die Fälle der Ableitungen von „bretch-“
unter den Belegen auch bedeutend in der Minderzahl sind;
es sind folgende: Bretke selbst nennt sich zweimal „Bretchius“
(ca. 20. Juli 1580 und 14. April 1599), von anderen wird er zu
seinen Lebzeiten einmal „Bretchen“ genannt, und zwar in
einem lateinischen Kontext von seinem guten Bekannten und
‘Amtsbruder Hennenberger (1595), und Ende des 17. Jahrhun-
derts sehr oft von seinem Tochtersohn (?) M. Praetorius, und
einmal (1684) von Hartknoch.
Diese Formen scheinen nach der Tabelle erst später auf-
getaucht zu sein und sich immer mehr, nach Bretkes Tode aber
ganz, eingebürgert zu haben, denn daß die Formen von der
RD sc en : : 2 :
Basis „—-r =tk- die primären sind, unterliegt bei der Ausschließ-
lichkeit ihres Vorkommens während der ersten 25 Jahre, aus
denen Belege vorliegen, wohl keinem Zweifel.
Sicherlich sind die Formen „Bretke“ tatsächlich als nieder-
deutsch aufgefaßt und dann „hochdeutsch“ gemacht worden,
wie Gerullis vermutet’; vielleicht begünstigte der Gleichklang
der Neubildung mit dem damals in Preußen ziemlich bekann-
ten Schloß und Gebiet „Bretchen“” ihre Einbürgerung.
575 Stud. Balt. V, S. 59.
57% Acta Borussica, Bd. II, S. 29, Artikel „Respublica Prussiae“ (1686) „Cul-
menses Capitanei sunt: (8) Bratianensis. (zu Bretchen)“; M. Praetorius,
„Deliciae Prussicae...“ (1698), Teil III, S. 44: „Bretchen Schloß, soll von
einem reichen Pohlnischen Edelmann Johann Sandomir, l den man Brat
159
Adlig ist Bretke nicht gewesen, und sein Enkel Praetorius
adelt ihn nachträglich wohl lediglich, weil sein Großvater (?)
eine von Werthern geheiratet hat und so mit adligen Herren
verwandt wurde”,
Die litauische Namensform „Bretkünas“ findet sich lediglich
in Bretkes Werken von seiner eigenen Hand und im litauischen
Titel der Rehsaschen Ausgabe der Psalmen Bretkes: ein Beleg,
daß Bretke von andern so genannt worden sei, findet sich sonst
nicht. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß er in Friedland und
Bammeln offiziell mit der litauischen Endung „Bretkünas“
oder preußisch „Bretkune“ benannt worden sei und sein Vater
sich selbst so bezeichnet hätte, denn was hätte damals für ein
Grund vorgelegen, den Namen soweit zu germanisieren, daß
nicht nur die Flektionsendung, sondern auch das baltische Ab-
leitungssuffix -ün- fortgelassen worden wäre, zumal Personen
mit der preußischen Namensform auf -une in hohe Staats-
stellen gelangten, wie das Beispiel des ebenfalls aus Friedland
stammenden Alzunius (Alzune) zeigte?
Es könnte natürlich sein, daß der Name in früheren Ge-
nerationen germanisiert worden ist, und daß Johannes Bretke
an eine gewisse Familienüberlieferung anknüpfte. Seit aber
der Name „Bretke“, „Bretkij“ durchaus lebendig in der preu-
Rischen Bevölkerung belegt ist”*, wird sehr wahrscheinlich, daß
die Familie nicht nur von den Deutschen, sondern auch von
den Preußen „Bretke“, „Bratke“, „Pretke“, „Pratke“ genannt
worden ist.
Für die Entstehung der litauischen Namensform in den
Werken Bretkes liegt die Annahme nahe, daß unser Johannes
Bretke von dem scheinbar ziemlich zahlreichen litauischen Ge-
sinde in und um Bammeln mit dem „Adelssuffix“ -ünas, das
nur Freie zu führen pflegten — und vielleicht von den dortigen
hörigen Preußen mit der entsprechenden preußischen Endung
-une — benannt worden ist, weil er zu der Familie der Freien
Jan, daß ist Bruder Johann genennet, und dahero noch dieses SchloR- I
Bratian heißet, Aö 1254 erbauet seyn.“
577 M. Praetorius, „Deliciae Pruss.“, Teil I, S. 5: „der Herrn von Hohendorff,
und der Herrn von |j Schlieben, die ihme ohndeß verwandt gewesen.“
#78 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 60, sowie Tabelle (am Ende dieses Bandes), desgl.
oben, S. 156.
160
Warnin gehörte, wie ja höherstehende Personen damals, wie
heute noch in Litauen und Polen auf dem Lande, von den
Untergebenen gerne mit möglichst ehrenden Bezeichnungen
angeredet zu werden pflegen. Außerdem hat es vielleicht da-
mals in Litauen Angehörige der Szlachta dieses Namens ge-
geben, wie die Belege der Tabelle zeigen, wenn diese auch
dort mit polnischen Suffixen erscheinen; jedenfalls soll der
Name nach Östermeyer rund 250 Jahre später in Preußen
häufig gewesen sein, was aber zumindest heute nicht der Fall
ist, da sich nach Ausweis der modernen Adreßbücher ostpreu-
fischer Ortschaften die Namensform „Bretkuhn“ selten findet,
während Formen wie „Bratke“, „Bratkus“, „Brattka“ usw. im
Verhältnis dazu häufig vorkommen.
Johannes Bretke hat also höchstwahrscheinlich diese litaui-
sche Namensform, die ihn als Angehörigen von Freien bezeich-
nete, seinen Litauern gegenüber und somit in seinen litauischen
Schriften beibehalten, während er sich sonst immer nur
„Bretke“, „Bretchen“, „Bretkius“ „Bretchius“ nannte.
Die litauishen Formen des Vornamens
„Johannes“ bei Bretke.
Wie die Tabelle zeigt, verwandte Bretke bei der Schreibung
seines Vornamens in litauischem Text zeitlich nacheinander ver-
schiedene Formen, und zwar zuerst 1579 die Form „Janan“ (A)
und „Jana“ (A), die er 1580 „Jonas“ (N) usw. schreibt, nur um
die Jahresmitte schwankt er vorübergehend, wohl unter dem
Einfluß der Vulgataform, zwischen „Jona“ (A) und „Joana“ (A).
Als sich 1589 wieder Belege zeigen, ist Bretke zur Form
„Jana“ (A) usw. zurückgekehrt, die er bis zum Schlusse der
Bibelübersetzung beibehält. Er ist aber später während der
zehn Jahre seiner Beschäftigung mit der Bibelkorrektur wieder
zur Schreibung „Jonas“ zurückgekehrt, da eine Reihe von For-
men, auch von den zeitlich letzten, in „Jonas“ verbessert wor-
den sind.
5” Die einmal am 11. 12. 1589 auftauchende Form „Johan“ steht als einzige
deutsche Form 19 sofort richtig den litauisch niedergeschriebenen Formen
gegenüber, so daß hier offensichtlich ein Versehen des in deutscher Um-
gebung in Königsberg mit einer deutschen Frau lebenden und ständig
sich außer mit lateinischen auch mit deutschen Büchern beschäftigenden
Bretke vorliegt.
11 Falkenhahn, Bretke 161
Zieht man die genau 154 Fälle der Nennung biblischer Per-
sonen mit Namen Johannes aus der Bibelübersetzung heran,
wo bei jeder Form feststeht, daß Bretke sie selbst nieder-
geschrieben hat, ohne zunächst die spätere Verbesserung zu
berücksichtigen, und ordnet man sie nach den Daten der Nie-
derschrift, so ergibt sich eine viel genauere Datierung der ver-
schiedenen Schreibungen des Namens.
Bretke schreibt (etwa am 6. bis 7. März 1579) in Le. 1,13:
„Joannes“ (also lateinisch: später verbessert in „Janas“)*,
Lc. 1,60: „Johannes“ (also deutsch: später verb. in „]Janas“)’*
und Le. 1,63 wieder „Joannes“ (später verb. in „Janas“)*, und
zwar sicher, weil er den Vulgata- und Luthertext aufgeschlagen
neben sich hatte und er sich über die Wiedergabe der biblischen
Namen noch nicht im klaren war. Darauf schreibt er Le. 3,2
aber „Janap““, um dann dabei zu bleiben“: 21mal in Le., ein-
mal in Gal. 2, 9°, und noch am 16. März 1580 schreibt Bretke
‚im Titel zum 1. Joh.: „Jano“ (verb. in „Jono“)’, scheinbar noch-
mals versehentlich, nachdem er schon am 2. März seinen eigenen
Namen „Jonas“ geschrieben hatte, um am nächsten Tage in
dem Titel zu 2. Joh. und 3. Joh. zu „Jonas““” überzugehen, und
in Apoc. mit 5, in Act. mit 24 und in Joh. mit 20 Fällen (bis
zum 7. Mai 1580) dabei zu bleiben (nur Joh. 1,6 findet sich
mitten unter den anderen Formen einmal „Janas“ (verb. in
„Jonas“*). Am 8. Mai 1580 schreibt Bretke dann plötzlich in
Me. 1,19% wieder „Jana“, wobei er mit 25 Fällen in Mc. und
noch 14 Fällen in Mt. (letzter Fall Mt. 11,13°° bis zum 12. Mai
1880 bleibt, um dann am 13. Mai 1580 in Mt. 12, 18% plötzlich
zu einer Kreuzung zwischen der lateinischen und litauischen
580 V]], 109v 11vu.
5: VII 111v 3vu.
582 V]JI, 112r 3vu.
588 VI], 1157 5vu.
54 7.B.: VII 116r 6—7; VII 116r 9vu, 6—7, und so fort.
585 VIII 88r 2vu.
586 VII], 1687 2vo. -
587 VI], 174r 2vo, 175r 2vo.
ses VII, 173v 10vu.
se VII, 70: 5vu.
50 VII, 26r 9vu.
51 VII, 26v ivu.
162
Form, zu „Joanas“, überzugehen, die er bis zum Schluß des
Mt. (letzter Fall: Mt. 21,32%) bis zum 15. Mai 1580 im ganzen
12mal anwendet. Als sich 1589 in den beiden Makkabäer-
büchern wieder Belege finden, ist Bretke zu „Janas“ über-
gegangen, das da im ganzen 19mal vorkommt.
Es zeigt sich also in dem Schwanken Bretkes zwischen den
Formen „Janas“ — „Jonas“ einerseits und „Joanas“ anderer-
seits keineswegs, daß er besser Deutsch oder Lateinisch als
Litauisch konnte, sondern lediglich, daß er sich über die Wie-
dergabe des Namens in seiner Übersetzung im unklaren ist.
Bretke erweist sich hier wie auch sonst in der stetigen Schrei-
bung entweder „Jonas“ oder „Janas“ viel zu konsequent, als
daß er zwölfmal hintereinander versehentlich „Joanas“ schrei-
ben sollte, nachdem er bereits 49mal „Jonas“ und 73mal „Ja-
nas“ geschrieben und diese Form doch offenbar als litauische
gekannt hatte.
Vielleicht hat ihn schließlich Gallus, der selbst in der von
Bretke ausgelassenen Stelle „Jonas“ übersetzte” darin be-
stärkt, bei „Jonas“ zu bleiben. Bezüglich „Jonas“, „Janas“ siehe
den Abschnitt über o in der Grammatik zur Sprache Bretkes.
Etymologie des Namens Bretke.
Die Sammlung der gleichen und ähnlichen Formen des Na-
mens von der Basis uaratk-" in Spalte 6 der Tabelle zeigt, daß
diese Namensformen sich in niederdeutschem, vor allem aber
in slavischem Sprachgebiet und in Gebieten mit slavischer
Einwanderung fanden. In hochdeutschem Sprachgebiet sind
Formen wie z. B. „Bretner“ (1621, Freiburg)’, „Bretten, Pret-
ten“ (1648, Naumburg)“ usw. vertreten. Daher ist eine Ablei-
tung vom Niederdeutschen „Brett“ „Brettke“ (— kleines Brett)
oder vom Slavischen „brat“ „bratko“ wahrscheinlich.
Viele Belege in Spalte 6 legen nahe, an eine ursprünglich
slavische Herkunft des Namens, mit der Basis „brat-“ und dem
5»2 VII, 49r 9vu.
»s VI], 126r 13vo.
#2 G. Erler: „Die Jüng. Matr. Leipz.“, Bd. I, S. 47: „Bretner Joh. Friburg“,
S.S. 1621.
s5 Fbenda, Bd. II, S. 48: „Bretten, Pretten Joh. Naumburg“, S.S. 1648.
Ar 163
Deminutivsuffix -ka, -'ka, -ko, -ko” zu denken, das im Weiß-
russischen°”, im Ukrainischen® und im Polnischen’® belegt ist
und besonders zur Zeit Bretkes verbreitet war”.
Der Übergang des hellen a des Slavischen zum breiten a
des Deutschen ist verständlich, wobei Volksetymologie („dat
Bretke“ = kleines Brett) mitgeholfen haben mag. Aber selbst
wenn eine ursprüngliche slavische Herkunft des Namens an-
genommen wird, so zeigt seine Umgestaltung doch, daß die
Träger bereits vor geraumer Zeit in niederdeutsches Sprach-
gebiet übergegangen sein müssen; auch die Wirkung der
Volksetymologie fordert eine längere Zeit und zeigt, daß die
Träger des Namens bereits germanisiert waren und die Be-
deutung der Wurzel nicht mehr erkannten.
Entsprechend den litauischen Namensformen „Simkus“ aus
dem slav.: „Szimko“": „Simkünas“, „Jankus“, slav.: „Janko“:
„jJankünas“, „Rimkus“, slav.: „Rimko“": „Rimkünas“ usw.
würde auch auf Grund eines „Bratko“ ein „Bratkünas“ ver-
ständlich, das sich aus dem Litauischen nicht erklären läßt,
desgl. von der niederdeutschen oder germanisierten ursprüng-
lich slavischen Form des Namens „Bretke“ ein lituanisiertes
„Bretkünas“, dessen Basis aus dem Litauischen ebenfalls nicht
erklärbar ist.
Die Schreibungen „Bretkij“ (N) und „Prettkij“ (N) im Sam-
land (siehe Tabelle) sowie „Bretke“ und „Prettke“ in Natangen
zeigen vielleicht, daß der Name bei den Stammpreußen ver-
breitet war oder doch von ihnen als preußisch aufgefaßt wurde,
s° Henr. Ulaszyn: „Siowotwörstwo“ in „Gramatyka Jezyka Polskiego“ von
T. Benni, J. Lo$ usw., S. 230.
#7 7.B.: Bpärtka = Brüderchen, Bäupka = Vater: Hexpamssiu — Baükoy.
58 7.B.: Bpatko = Brüderchen, Tarko = Vater: TpwyeHko, CA. yKP. 93.
5» 7.B.: Janko, Szymko, wie überhaupt die Personennamen auf -ko Jasko,
Przemko usw.; Jan Lo$: „Gramatyka Polska“, cz. II, $ 205.
60 Siehe die Fülle von Vornamen auf -ko in dem Zinsregister der Städte
Georgenburg (Jurbarkas, Jurborg) und Nowa Wolla von der Hand Tho-
mas Gedkants (1561, unten, S. 356): S. 105r „Rimko pliaplis“, S. 105Y
„Narko vpitisskis“, S. 106r „Jan Tilzanin“, ebenda „Dabko wilkiisskis“,
S. 108r „Jan TilZanin petko Krawiecz“, S. 111r „Schimko stankvnas“ usw.,
und daneben die Menge von „Zunamen“ auf „-k -ünas“: S. 101r „grig
woitkvnas“, S. 105r „Macziei stankvnas“, S. 111r „Schimko stankvnas“
USW. USW.
601 Siehe Anm. 600.
164
PR Or GER:
da er sogar von den Eigentümlichkeiten der altpreußischen
Dialekte beeinflußt zu sein scheint. Aus dem Preußischen das
jedoch nur sehr fragmentarisch überliefert ist, läßt sich der
Name aber nicht erklären; er müßte in dem Falle, daß die
Schreibung -ij ein i wiedergeben soll, von den Preußen als
einer der vielen preußischen Personennamen auf -e°” aufgefaßt
und ganz prussiziert worden sein”, was wiederum nur mög-
lih gewesen wäre, wenn die Träger dieses Namens durch
längere Zeit im engsten Konnex mit den Stammpreußen gelebt
hätten und selbst als Preußen aufgefaßt worden sind.
Es ist aber möglich, daß die Schreibung -ij den schwa-
artigen niederdeutschen Laut mit i- oder e-Tönung in offener
Endsilbe wiedergeben soll. Dafür könnte sprechen, daß in einer
Aussage in einem Friedländer Gerichtsprotokoll vom 7. Juli
1595. die Tochter eines Bürgers „Caspar pollen‘“““, die offenbar
„Urte“ oder “Orte“ hieß, „Orttij“ geschrieben wurde, wie ja
der Amtsschreiber die bereits erwähnte Magd des Amtes Ta-
piau ebenfalls 1536 als „Orthie“ verzeichnete‘. Auch heute ist
eine Person, die das Niederdeutsche ganz unbefangen hört,
durchaus im Zweifel, ob sie das niederdeutsche „dat Mäke“
ebenso, d. h. zum Schluß mit -> oder „dat Mäki“, d. h. mit -i
schreiben soll.
Die Untersuchung des Namens „Bretke“ führt also zu
keinem eindeutigen Ergebnis: niederdeutsche und ursprüng-
lich slavische Herkunft der Familie ist danach möglich, auch
unfreie Preußen dieses Namens hat es allem Anschein nach
gegeben”.
Die Muttersprace Bretkes.
Die Sprachkenntnisse Bretkes, besonders naturgemäß die
des Deutschen, Litauischen, Preußischen, ja, auch des Kurischen
und Polnischen sind von verschiedenen Forschern als Argu-
mente füreinander z. T. widersprechende Behauptungen über
die Volkszugehörigkeit Bretkes herangezogen worden.
Da die Arcive bis jetzt keine direkte Antwort auf die
02 Trautmann, Personennamen (passim).
63 & im Samländischen zu i; Trautmann, Sprachdenkm., S. 120.
e04 Depos. Friedl., Paket (rot) 35.
605 Siehe oben, S. 30.
606 Siehe Gerullis, Stud. Balt. V, S. 60, und oben, S. 156.
165
Frage nach der Muttersprache Bretkes gegeben haben, bleibt
nur die sorgfältige grammatikalische Untersuchung der Sprache
Bretkes an den von seiner Hand stammenden Texten unter
Berücksichtigung der sich auf Bretkes Sprachkenntnisse be-
ziehenden archivalischen Nachrichten und alles dessen, was
wir sonst von den Sprachen seiner näheren und ferneren Um-
welt wissen.
Bedenkt man aber, daß Texte mit zusammenhängender
Rede von Bretkes Hand nur in litauischer, deutscher und la-
teinischer Sprache vorliegen‘”, rein textlich aber nur zwei grie-
chische Wörter seine griechischen, ein preußisches Wort und
einige Prussizismen, viele Polonismen und vielleicht auch
einige Kuronismen seine preußischen, polnischen und kurischen
Sprachkenntnisse verraten, und beachtet man weiter, daß z. B.
das Litauische, das damals in Preußen gesprochen wurde, nicht
sicher bekannt ist — wahrscheinlich war es infolge der Ein-
wanderung kein einheitlicher Dialekt —, ja daß nicht einmal
alle vorhandenen altlitauischen Texte eine wissenschaftliche
grammatikalische Bearbeitung erfahren haben, so wird ohne
weiteres klar, daß in diesem Kapitel nur eine kleine Auswahl
von sprachlichen Erscheinungen, die vielleicht eine nähere Lo-
kalisierung der Sprache Bretkes gestatten, und auch diese nur
mehr oder weniger andeutungsweise, behandelt werden
können. Eine ausführliche Darstellung aller dieser Probleme,
soweit sie im besonderen das Litauische betreffen, soll in dem
II. Teile dieser Arbeit: „Die Sprache Bretkes“, gestützt auf
eine grammatische Darstellung seiner Sprache in den einzelnen
Übersetzungsperioden, geboten werden.
Das Litauisch Bretkes.
Weitaus am günstigsten steht es dank der erhaltenen um-
fangreicheren Texte um die Kenntnis des Litauischen Bretkes.
Der erste archivalische Beleg für seine litauischen Sprac-
kenntnisse stammt von Anfang 1563 „...Et docendi Euan-
gelij christi munus in oppidulo |} Labiau, cum Lituanicam [et]
607” Genaueres siehe im Abschnitt über die Werke Bretkes im 2. Teile dieser
Arbeit.
es E.M. 102e 4: Lateinischer Brief Bretkes an den Herzog von Mitte Januar
1563 (Qu., S. 418, Z. 5—9).
166
Prutenicam linguam mediocriter”” || teneam, ex mandato Celsi-
tudinis tuae, per clarissimum [et] || doctissimum uirum dominum
praesidem, mihi imponi passus sum.“ D. h., daß Bretke bereits
damals so gut Litauisch konnte, daß er aus diesem Grunde
(cum + Conj.!) das Pfarramt gerade in Labiau angenommen
hat”. Er dürfte in den gleich darauf folgenden Jahren mit
Übersetzungsarbeiten begonnen haben, jedenfalls übersetzte
er zwischen wahrscheinlich‘ Ende Mai 1567 und spätestens
Herbst 1569 das „Kleine Corpus Doctrinae“ von Judex ins Li-
tauische“, vielleicht auch schon zu eben der Zeit oder vorher
einige-der auf dem Zettel bei dem Briefe an den Herzog von
Sommer 1591°° genannten Schriften.
Jedenfalls zeigt ein Blick auf den am 6. März 1579 geschrie-
benen Abschnitt VII 109° 4—11vo, Lc. 1,1—4 — die ersten be-
kannten litauischen Zeilen von seiner Hand —, daß Bretke
bereits erhebliche Erfahrungen im Übersetzen haben mußte,
als er diese schwierige lateinische Periode in ein verhältnis-
mäßig so gutes Litauisch übersetzte (Abb. 6, T.V).
(1) Kadangi daugia apsieme su-
taisiti I raschta tu daiktu kurie
musip nussidawe, I (2) kaip tai
dawe mumus, thie kurie isch pra-
dzia || patis regeia, ir tarnais
szadza buwa: (3) regeias l ir man
ischtirusiam wissa, isch pradzia
pilnai pakarcziu taw raschiti
mielas T'heophile,
(4) ieib szinatumbei tu szadziu,
ape kurius isch- || makintas essi,
(1) Quoniam quidem multi conati
sunt ordinare narrationem,
quae in nobis completae sunt,
rerum: (2) sicut tradiderunt
nobis, qui ab initio ipsi vi-
derunt, et ministri fuerunt
sermonis: (3) visum est et
mihi assecuto omnia a princi-
pio diligenter, ex ordine tibi scri-
bere, optime Theophile,
(4) ut cognoscas eorum verborum,
de quibus eruditus es, veritatem.
tiesa.
oo» Der Ausdruck „mediocriter“ ist, wie Bertoleit gezeigt hat (Die Reforma-
tion unter den preuß. Litauern, 5.42), lediglich damals übliche Bescheiden-
heitsfloskel und nicht wörtlich zu nehmen; auch Jamund, der zweifellos
fließend Litauisch und Polnisch konnte, bezeichnet sein Litauisch mit
„mediocriter“.
%10 Bezüglich der Anforderungen, die an die Sprachkenntnisse des Labiauer
Pfarrers gestellt werden, siehe oben, S. 52 ff.
#11 Sjehe oben, S. 76.
612 Siehe oben, S. 109.
167
Weiter zeigen diese Zeilen, daß Bretke sich seine Ortho-
graphie nicht selbst gemacht hat, sondern von jemandem
litauisch schreiben gelernt haben muß, denn er schrieb die
gleiche litauische Orthographie, wie sie die andern altlitaui-
schen Sprachdenkmäler aufweisen — abgesehen natürlich von
den weiter unten behandelten Punkten: ge, ke oder gie, kie,
o, ü oder ou, i oder y usw., worin die altlitauischen Texte von-
einander abweichen.
So hat er die Nasalbezeichnung durch untergesetzten Punkt,
die sich nur in altlitauischen Handschriften findet“ und wohl
sicher durch den polnischen Nasalstrich angeregt sein wird;
doch ist sie den polnischen Handscriften in dieser Form
fremd“. Weiter hat er die allen gemeinsamen Bezeichnungen
des Lautes 2 durch ß, z, des & dur cz, die aus dem Polnischen,
des $ durch sch, die aus dem Polnischen und Deutschen kamen,
sowie die Bezeichnung des litauischen ie, die weder durch das
Deutsche noch durch das Polnische angeregt sein kann, sondern
im 16. Jahrhundert eigens für das Litauische erfunden sein
muß.
Texte von seiner Hand (die Drucke sollen nicht berück-
sichtigt werden, da in ihnen nicht sicher feststeht, was von den
Korrektoren stammt oder auf Rechnung des Setzerkastens
geht, dem gewisse Typen fehlten) liegen aus folgenden 13 Zeit-
abschnitten vor (genauere Angaben siehe in der chronologi-
schen Tabelle der Bibelübersetzung im 2. Teile dieser Arbeit),
1. 6. März bis 30. März 1579%, 2. 9. Oktober bis 6. November
#3 Wolfenbütteler Postille, sowie Gallus (z. B.: „kürios regi ka ius | ve
gite...“ (VII 135v 6—-8vu; Le. 10,23), „...nügabena ghi...“ (VII 136r
3vu; Lc. 10,34), „sziwata“ (A) (VII 146v 12vo; Lc. 14,26) usw.), Zach.
Blothno d. A. (z. B.: „...pa iju galwos...“ (V 92v 12—14vu), „Scheschora
bei Annita“ (A) (V 94r 1vu), „ischwida ghi sunu sawa“ (V 94r 19vo) usw.)
und J. Gedkant (X,) („swecziu l hukis“ (VII 99: 2—-3vu; Mc. 14, 14)),
wenn letztere drei auch daneben den Nasal in polnischer Art oder noch
häufiger gar nicht angeben.
1 Mitteilung von Herrn Prof. Koschmieder, damals Wilno.
615 Le.: VII, 109r—170v.
168
Dr Kan kun nn
u
1579%, 3. 8. Februar bis 7. Juli 1580°, 4. Anfang Februar 1584“,
5, 12. November bis 11. Dezember 1585", 6. 26. Februar bis
8. Juni 1586°°, 7. 3. Juli bis 5. September 1588, 8. 18. Februar
bis 20. März 1589, 9. 13. September 1589 bis 11. April 1590,
10. 26. Juni bis 25. Juli 1590°*, 11. 26. August bis 3. September
1590, 12. 13. Oktober bis 29. November 1590°, 13. 1591—1601,
aus welcher Periode außer Textverbesserungen in der Bibel-
handschrift noch eine neue, von der Bibelübersetzung unab-.
hängige Version von Joh. 20,21b—23 (vom 14. April 1599) vor-
liegt”.
Wo hat Bretke nun das Litauisch gelernt, das uns in diesen
seinen Schriften entgegentritt? Ist es jenes Litauisch, das er
während seiner Kindheit jahrelang in täglichem Umgang in
und bei Bammeln mit jenen Litauern und Litauerinnen lernte,
die sich dort als Gesinde verdangen, worunter aber durchaus
auch ältere, würdigere Personen gewesen sein können, die aus
allerlei Gründen, wohl sicher größtenteils im benachbarten
ss Röm.: VIII, 4r—36v, Gal. Ephes. Col. Phil. 1. u. 2. Thess.: VIII 86—135r.
7 4. u. 2. Tim, Tit,, Phil.: VIII, 136*—151v, 1. u. 2. Cor.: VIII, 38r—82v,
1. u. 2. Petr., 1.—3. Joh., Jac., Jud., Ebr., Apoc.: VII, 154—236r, Act.:
VII, 227-—297r, Joh.: VII, 173r—222v, Mc.: VII, 69r-—106v, Mt.: VII, 5r—68v,
Ps.: VI, 3r—131r.
18 Fidesformel, von einem Schreiber abgeschrieben: E.M. 102b 2 in der
Mappe mit Akten in Sachen Poerner (siehe Gerullis, Stud. Balt. V, S. 49),
sowie oben, S. 82.
610 Sir.: V, 98r—144r, Tob.: V, 84r—97r, Prov.: III, 184.—207r.
#0 Jon.: V, 22r—24v, Sus. et Dan. Bel., Drac.: V, 228r—232v, Eccl.: III, 208—
216r, Sap.: V, 681r—-83r,
621 1, Mos.: I, 37r—56v.
#2 Judith.: V, 52r—66r, Bar. 1. Makk. (bis Kap. 2,70): V, 142r—153v.
%8 Jos., Judic., Ruth. 1. u. 2. Sam,, 1. u. 2. Reg. (außer Kap. 7: II, 159 —
556r), 1. u. 2. Chr., Esr., Neh., Esth.: II, 2r—232r und III, 2r—146v, Asar.,
Ges. d. 3 Männ. Geb. Manass.: V, 234r—237v, Cant.: II], 218r—225r,
Stücke in Esth.: V, 292r—226r, 1. Makk. (ab 3,1) und 2. Makk.: V, 153,—
221v, Job.: III, 148r—182r1, Jes., Jer., Threni.: IV, 2r—160v.
624 Fz., Dan.: IV, 164r—264v.
#5 Hos., Joel, Am. Ob. Mi, Nah. Hab. Zeph. Hagg. Sach., Mal.: V,
2r—51V,
#26 2,—5. Mos.: I, 58r—281v, 1. Reg. Kap. 7: II, 153v—156r.
%” Im Stammbuch des Joachim Mörlin (Sohn des Bischofs), Kopenhagener
Univ.-Biblioth. Thott 385—8°, I, S. 178 (T. VII, Abb. 9).
169
litauischen Siedlungsgebiet, Haus und Hof verlassen hatten
und nun eine neue Lebensmöglichkeit suchten? Ist es jenes
Litauisch, das Bretke dann 1555, 19jährig, sprah und nad
sieben Jahren Studium (in Königsberg 11 Jahre, in Witten-
berg und irgendwo in „Oberdeutschland“ 5% Jahre) noch so
beherrschte, daß man ihn, weil er Litauisch und Preußisch
konnte, aus Oberdeutschland zurückrufen ließ, um ihm den
schwierigen Pfarrposten in Labiau zu übertragen? Heißt es
doch in dem schon mehrfach zitierten lateinischen Briefe von
Anfang 1563:
»...Quare [et] ego... parentum meorum petitionibus, ex superiori I
Germania reuocantibus ed libentius cessi... Et docendi Euangelij
christi munus in oppidulo l Labiau, cum Lituanicam [et] Prutenicam
linguam mediocriter®?® I teneam... mihi imponi passus sum... .“@®
Nach den vorliegenden ardivalishen Nachrichten müßte
diese Frage mit Ja beantwortet werden, und auch Zemaitisie-
rende Züge in der Sprache Bretkes“, die sehr wohl der Mund-
art jener Litauer in und bei Bammeln wie auch dem Litauisch
um Labiau®” eigen gewesen sein können, sprechen für diese
Annahme.
Berücksichtigen wir jedoch nur die angegebenen Quellen,
ohne die Sprache Bretkes selbst genauer zu untersuchen, so
läge nach allem bei rein theoretischer Betrachtung die Erwar-
tung nahe, daß das Litauisch Bretkes, wie es uns in seinen
Schriften begegnet, übervoll von allerlei Germanismen und La-
tinismen sein müßte, denn woher sollte der arme Bretke, dem
nach unserer Annahme nur der litauische Wortschatz des Dorf-
lebens und die entsprechenden syntaktischen Ausdrucksmittel
geläufig sein-konnten, die ihm für den höheren Stil der religiö-
sen Sprache und vor allem für die Bibelübersetzung fehlenden
Vokabeln und Wendungen sonst hernehmen als aus dem La-
#8 Wegen des „mediocriter“ siehe: Bertoleit: „Die Reformation unter den
preuß. Litauern“, I, S. 42 (siehe auch oben, S. 167 Anm. 609).
2 Qu., S. 417, Z. 36 8f.
62° Erinnert sei nur an Bretkes Formen wie „paukschtei“, „szadei“, „ipatei“
usw. neben „kalbecziau“, „bucziau“ u. a. Siehe hierzu F. Specht: „Litua-
nica. 5. Eine angebliche lit. Instrumentalkonstruktion und die Anfänge
einer lit. Schriftsprache in Ostpreußen“, K. Z. 57, 1930, S. 279 ff., beson-
ders S. 289 ff.; ebenso Bezzenberger, B.G.L.S., S. 73f.
61 Gerullis — Stang, Fischerlitauisch, S. 19 ff.
x
170
teinischen und Deutschen, worin ihm all diese fehlenden Aus-
drücke von seinem Studium her vertraut waren und zur Ver-
fügung standen? Die Polonismen der kirchlichen Terminologie
konnte Bretke ja vielleicht zur Not während seines eineinhalb-
jährigen Aufenthaltes in Königsberg von Willent gelernt
haben.
Ehe wir aber die Sprache Bretkes auf die angedeuteten
Fragen hin untersuchen, wollen wir die Urteile hören, die
litauischsprechende Geistliche des 16. und 17. Jahrhunderts
nach Durchsicht der Texte Bretkes über seine Sprache und
Übersetzung abgaben.
Es sind folgende:
1. Das Approbat des kalvinistischen Geistlichen Albertus
Strischka in Widzy, nördlich von Wilna, der zwischen 1580
und 1582 die Übersetzung des N. T. so, wie sie vorliegt, gut
hieR’*.
2. Im Schreiben der Postillenkorrektoren „Simon Wai-
schnarus“, „Daniel Gallus“, „Zacharias Blothno“, „Johannes
Höpfnerus“, „Johannes Bielauck“ und „Alexander Radonius“
von Ende Mai 1590 an den Herzog, die „...in rebus...“ und
in „... phrasibus bedencken....“ gehabt haben“.
3. J. Behm‘’* in der Vorrede zu der 1625 erschienenen Psal-
menausgabe ]J. Rehsas, daß die Bretkesche Übersetzung
»... Dicht in allem perfect...“ gewesen sei”. |
Was aber bei der Bewertung der Sprache Bretkes und der
Bestimmung ihrer Stellung innerhalb des Altlitauischen von
ihrer Beurteilung durch zeitgenössische und später lebende
Amtsgenossen Bretkes zu halten ist, wonach „seine Sprache
fremdartig sei und dem preußischen Litauisch nicht recht
entspräche“, zeigt das Schreiben des Konsistoriums an den
Herzog”, in dem es von einer geplanten Konferenz zur Kor-
rektur der Bibelübersetzung Bretkes u. a. heißt: „...auch
wolte es Viel reißens geben, Vndt || ein lange raume tzeit darzu
632 Sjehe unten, S. 395, und Abb. 76.
#33 Siehe oben, S. 105f., Signatur, ebenda, Anm. 398.
632 Siehe unten, S. 319.
635 Bei Rehsa, S. 9v.
sse Qu., S. 434, Z. 20 ff.
171
gehoren....“, vielmehr solle Bretke selbst korrigieren, worauf
der Herzog die einzelnen Teile
s... den
Pastoribus im Ragnitischen, als Waschmaro, Muss Vndt
Gotkanto auch denen Zur Tilse Vnndt Insterburgk ((Rand: zu senden))
ihr Judicium Von der Version erfordern, Doch inen
alles Vnnotiges grubeln Vndt stacheln Verbieten,
Wo nichts wider den sensum scripturae gefunden wur-
de, wo aber sie oder ein ider in Sonderheit was No-
tabile Hetten, das auf tzeichneten, Vndt anhero sen-
deten, auch Hernach eine gewisse tzeit ihnen ansetzen
das sie selber sich beij dem Consistorio alhier ein
stelleten, Vndt daselbst Vrsachen Contradictionis
antzeigten....“
Das Konsistorium hielt auf Grund seiner Erfahrungen eine
derartige Maßnahme für nötig. Das Urteil eines Amtsbruders,
der ohne Hemmung kritisieren konnte, war damals sicherlich
einseitig.
Bemerkenswert ist, daß nur der im fernen Osten des litaui-
schen Sprachgebiets lebende Strischka die Sprache so gut heißt,
wie sie vorliegt, obwohl ihr alle für das Ostlitauische charak-
teristischen Züge fehlen, während die in Preußen lebenden
Pfarrer sie sämtlich verändern wollen.
Doch wenden wir uns der Sprache Bretkes selbst zu!
Im Folgenden nun der Vergleich einiger Figentümlichkeiten
des Litauisch Bretkes, soweit sie in diesem Zusammenhang
von Interesse sind, mit den entsprechenden Erscheinungen der
Sprache der anderen altlitauischen Texte des 16. Jahrhunderts
und der ersten Jahrzehnte danad.
1. Zur Lautlehre und Orthographie.
a) Die Erweichung von gundkvor e.
Die Erweichung von g-und k durch nachfolgendes e zu -gie,
-kie besonders in den Texten aus den älteren und noch aus
den mittleren Übersetzungsperioden Bretkes ist, vom Schrift-
litauischen aus betrachtet, eine auffällige dialektische Erschei-
nung oder mindestens eine stark abweichende orthographische
Gepflogenheit. Sieht man aber die altlitauischen Texte der an-
gegebenen Zeit daraufhin durch, so erkennt man bald, daß
172
u en
eine Reihe von ihnen die gleiche Erscheinung aufweisen, wäh-
rend sie in anderen fehlt.
Der Übersichtlichkeit halber seien die Texte, die die gleiche
Erweichung wie die Schreibweise Bretkes in seiner älteren
und mittleren. Periode zeigen, in zwei Spalten nebeneinander
mit einigen Beispielen, die lediglich veranschaulichen sollen,
zusammengestellt. Die Stellenangabe bezieht sich auf die Seite
der Edition, bei den nicht edierten Texten aber auf: „Senieji
Lietuviy Skaitymai“ von Gerullis, die eine Auswahl charakte-
ristischer Stellen aus den Werken altlitauischer Autoren ent-
halten, und hier zur Veranschaulichung der Sprache der für
die meisten Leser nicht leicht zugänglichen Texte herangezogen
wurden. Dabei soll von Liedersammlungen abgesehen werden,
da hier die Frage nach dem Verfasser und, wie weit der Text
überarbeitet ist, nicht immer feststeht.
Die Erweichungen gie, kie
haben:
„Catechismvsa ...“, Mosvid,
8. Januar 1547.
Druck: Weinreich, Königsberg.
(Siehe Stang, „Die Sprache des Alt-
lit. K.“, S. 50, $ 25, und S. 9, $ 77,2;
Edition: Gerullis, „Mosvid“, S. 1 bis
79).
Z. B.: Regiety, 8,8vo; giera, 9,6vu;
gieiski, 20,2vo; Gierkiet, 26,1vu; gie-
rai, 31,8vo.;
makiesit, 9,10vu; Kietwirtas,
21,9vu; makie, 23,3vo; skiel, 35,8vu;
natriskiess, 37,5vu.
Die Erweichung fehlt ganz
oder fast ganz in:
„Giesme S. Ambraszeijaus...“,
Mosvid, vor Ostern 1549.
Druck: Weinreih, Königsberg.
(Edition: Gerullis: „Mosvid“, S. 80—
92.)
Z. B.: geidz, 81,5vo; ischgelbe-
ghima, 86,1vo; pagedintas, 90,2vo;
gelbeija, 92,1vo;
tewischke, 88,1vo; nusitikeijom,
89,1vu; priekelima, 90,7vu; kele,
92,4vo.
„Paraphrasis...“, Mosvid, zwischen
1558 und 1562.
Druck?, Ort? (Edition: Gerullis,
„Mosvid“, S. 135—148. Die Erwei-
chung kommt in dieser Schrift in
einigen wenigen Fällen vor.)
Z. B.: drauge, 135,7vu; pagedin-
tas, 156,9vu; pagelbetu, 138,5vo;
nukesti, 137,4vo; nussitikekem,
137,10vu; tikeghimu, 139,9vu; Gerket,
143,1vo.
173
„Polski z Litewskim Katechism ...“
Pietkiewiez, 1598.
Druck: St. Wierzeyski, Wilna
(Siehe Brückner, Arch. f. sl. Ph. 13,
S. 562f., Gerullis, „Skait.“, S. 148—
153.)
Z. B.: draugie, 149,11vo; giarame,
149,6vu; nuregieti, 155,16vu;
kielasi, 149,9vo; tikiet, 150,14vu;
kieleywiu, 152,7vo.
Postille von 1600, Verfasser?
Druck: J.Morkunas, Wilna, (Ge-
rullis, „Skait.“, S. 157—168).
Z. B.: giära, 157,3vu; gieriaus,
158,7vo; regieimas, 160,8vu; smirdin-
giesni, 164,1vo; gierima 164,15vu;
prikielima, 157,16vu; kialtis,
157,7vu; kieykima 158,13vu; vzmo-
kieima, 162,19vu; kienczanti, 166,2vo.
174
„Enchiridion...“ u. „Euangelias bei
Epistolas...“, Willent, 1579.
Druck: Osterberg, Königsberg.
(Bearbeitet u. herausg. v. Fr. Bech-
tel, doch behandelt B. das Problem
nicht, obwohl er es sah: S. XXXV,
CXXVIH Die Erweichung kommt
ziemlich selten vor.)
Z.B.: gieidzie, 1,6; nekieiktum-
bim, 7,16, aber: regeyes, 1,14, gerau-
sey, 3,13;- geiduleis, 15,22; regeia,
53,7; negerai, 167,29;
ketwirta, 5,3; keltisi, 15,23; pa-
kelti, 88,24; perdreske, 166,31.
„Kathechismas...“, Dauk$a, 159.
Druck: ?, Wilna. (Ausg.: E. Sittig:
„Der polnische Katechismus des Le-
dezma“ usw.)
gereus, 8,25; izgelbetoies, 15,12;
gördami, 19,20; izgelbety, 52,11;
daugö&sn, 34,20;
waik&lei, 8,2; prakeikimo, 14,11;
keldamie$, 19,17; Keles, 34,14; K&t-
wirta; 63,17. .
(Beachte auch z. B.: bragä&usio,
30,20, Kok&s A.Pl. 62,17; Pirmidus,
63,9.)
„Postilla...“, DaukSa, 1599.
Druck: Jesuitendruckerei, Wilna.
(Edition: M. Birziska, „Dauk$os
Postile“.)
Z.B.: Siehe Druckfehlerberichti-
gung S. 628ff, wo Dauk$a die Er-
weichung stets beseitigt: geidziamas,
628,22vo; Regeieu, 628,19vo; regeda-
mi, 650,11vo; gelezimi, 632,21;
kelo, 638,23vo; szäuke, 628,22vo;
pakelt, 628,23vo; sukerszimus,
629,14vo.
ee °
„Kathechismas“ von 1605, Verfasser?
Jesuitendruckerei, Wilna (Sittig:
„Der polnische Katechismus des Le-
dezma...“. Brückner, Arc. f. sl.
Ph. 13, S. 312, sagt, daß nach k, g die
Erweichung regelmäßig bezeichnet
würde)”.
Z. B.: regietu, 21,27; gierü, 39,6;
gieydziame, 59,15; sergiet, 85,12;
tyngieimu, 160,13;
tikieimo, 22,6; kieles, 34,15; isz-
mokie, 60,30; pasikielimo, 88,25; Kie-
turi 106,18.
„Pvnkty Kazan“, Sirvyd, 1629
und 1644,
Jesuitendruckerei, Wilna. (Bearb.
und ediert: Fr. Specht: „Syrwids
Punktay sakimu“, S.11: „Die Ortho-
graphie steht stark unter poln. Ein-
fluß.“ „Nach Gutturalen k, g... wird
oft kie, gie..., auch kia, gia... ge-
schrieben, ke, ge usw. ist verhältnis-
mäßig selten.“)
Z. B.: draugie, 5,2vo; regieis,
42,7vu; regieio, 74,11vu; giero,
76,15vu; gieys, 337,2vu;
kialu 5,8vo; kielo, 41,8vu; szla-
kieley, 79,12vu; kier$iio, II, 68,5vu;
tikieio, II, 138,2vu.
„Margarita Theologica...“,
S. Waischnarus, 1600.
Druck: Osterberg, Königsberg.
(Gerullis, „Skait.“, S. 171—185.)
Z.B.: geribes, 176,5vo; knigelems,
177,1vo; gerai, 179,14vo; ischgesus,
182,7vu; daugesni, 185,5vu;
pasiteketi, 176,13vo; ketweropi,
177,10vo; dulkes, 182,16vo; prikeltu,
183,15vo; prakeiktas, 184,12vo.
(Waischnoras hat auch z. B.:
reike, 180,5vu; nereikema 184,15vu;
kure, 185,6vu.) ;
„Psalteras Dowido“, J. Rehsa, 1625.
Druck: L. Segebad, Königsberg.
(Gerullis, „Skait.“, S. 212—216. Die
Erweichung fehlt ganz, obwohl
Bretkes Vorlage sie oft zeigt.)
Z.B.: (Br.: gierai) gerrai, 213,7vu;
(Br.: gielbe- || kem) gelbek man,
214,16vo; (Br.: gielbti) gaelpti
215,13vu; (Br: kieliu) kaelio,
213,13vu; (Br.: Kielkes) Kaelkis,
214,16vo.
Die Zusammenstellung zeigt, daß Mosvid in seinem Kate-
chismus, den er während des ersten halben Jahres in Preußen
während seines Königsberger Studiums übersetzte", die Er-
weichung stets hat“, während sie in seinem Ambrosianischen
Lobgesang, den er nach rund dreijährigem Aufenthalt in Preu-
ßen schrieb, ebenso grundsätzlich fehlt, obwohl beide Über-
setzungen in der gleichen Druckerei hergestellt sind. In seiner
Paraphrasis, die er um 1560 nach etwa 14jährigem Aufenthalt
637 Die Erweichung fehlt jedoch oft da, wo der Anonymus stark von Dauk5a
abhängig ist.
#38 G,. Erler: „Matr. Königsb.“ I, S. 6, Herbst oder Winter 1546: „Martinus
Moswidius“, aber schon den 8. 1. 1547 erscheint der Katechismus.
6 Stang: „Die Sprache des litauischen Katechismus von Mosvid“, S. 50, $ 25;
S. 96, $ 77, u. öfter.
175
in Preußen übersetzt haben dürfte, fehlt die Erweichung, sie
taucht nur gelegentlich wieder auf. In den Arbeiten Willents,
die er nach rund 30jährigem Aufenthalt in Preußen geschrie-
ben haben wird, fehlt die Erweichung meist, sie steht nur ge-
legentlich: einem Worte in dem Drucke, das ohne Erweichung
steht, folgt eine Zeile weiter das gleiche Wort mit Erweichung;
sicher ist Willent dafür verantwortlich zu machen, nicht der
Drucker.
Die Erweichung findet sich regelmäßig oder doch fast regel-
mäßig bei Pietkiewiez, in der Postille von 1600, im Katechis-
mus von 1605, die sämtlich in Wilna gedruckt- sind, wie auch
bei Sirvyd.
Dagegen fehlt sie in den Arbeiten, die Dauk$a redigierte,
der eine eigene Orthographie schuf, desgl. in der „Margarita“,
die Waischnarus nach etwa 30jährigem Aufenthalt in Preußen
geschrieben haben dürfte“, ebenso in den Arbeiten Sengstocks,
der aus Lübeck stammte und sein Litauisch in Preußen gelernt
hat, ja, er korrigiert die Erweichung, die er bei Willent fand;
desgleichen fehlt sie restlos in dem Psalter J. Rehsas, der aus
Tilsit stammte; auch er hat die zahlreichen Fälle von Erwei-
chung in Bretkes Psalter, der bekanntlich seine Vorlage war,
beseitigt.
Offensichtlich schreiben diejenigen Autoren, die aus pol-
nischem Kulturbereich stammen“, die Erweichung, denn sie
ist eine typische polnische orthographische Erscheinung, wäh-
rend die aus deutschem Kulturbereich stammenden Personen
sie nicht kennen. Besonders stark zeigt sich das bei denjenigen,
die in deutschen Kulturbereich übergegangen sind, und die
hier offensichtlich mit mehr oder weniger Erfolg gegen die
polnische Gepflogenheit der Erweichung ankämpfen.
Daß es sich dabei zweifellos um eine Eigenart der Polen
oder Menschen mit polnischer Bildung handelt, ihnen schriftlich
nicht geläufige Sprachen wiederzugeben, mag folgender kurzer
Brief des polnischen Geistlichen „Johannes seclucian[us]“ in
Königsberg zeigen, den er 1564 schrieb’*:
0 G, Erler: „Matr. Königsb.“ I, S. 43: Wintersem. 1568 (15. 10.): „Simon
Wosnarus, Lithuanus“; die „Margarita“ erschien 1600.
#1 Außer Dauk$a, der seine eigene Orthographie erfand.
&2 Herzogl. Briefarch. I;, Kasten 1564.
176
„Gestrenger herr burgrab. ich thu ewer hersaft
tzu wisen. das im rosgarten ein weib ist. Seiner
Furstlichen durchleichtigkeit vnterthan, die do
gieret®® siben iar krank gielegien hatt. vnd kiem
Doctor vnd kiem mensch ehr nicht hefen kan
vnd auch nicht viel tzu vertzeren hatt, vnd hatt
sich vor mier biklaget, das sie noch von irem
vatter vnd von irer mutter, erpteil tzu hoben hatt
ein weinig gielt, in dem stedtchien Biscupiecz**
vnd lest euch bitten, im gottes willen, giestrenger
lieber herr burgrab, das ewer hersaft michte,
befelen, das sie muchte ein klein brifkien bekom
an den erbern ratt, von wegien seiner firstli
chen durchleichtigkäeit, das sie durch den tzeiger
des solchen briwes i muchti bekomen, was ehr
tzu kumpt (?), ich verhofe das ewer hersaft in
gottes willen das thun wirdt.%45
Der namen ist des weibes anna, nah dem man
olsenska vnd nach dem vatter kupcowna von
Biscupiecz
: Ewer williger diner
Joannes seclucian[us]
Polnsch (!) prediger“
Nachdem ihm also die ersten drei Zeilen einigermaßen ge-
lungen sind, schreibt er: gieret (= bereits?) gielegien, zweimal
kiem (= kein), gielt, stedtchien, giestrenger, brifkien, wegien
durchleichtigkieit.
Prüft man nun daraufhin. die handschriftlihen Texte
Bretkes aus den verschiedenen Übersetzungsperioden, so zeigt
sich, daß er, der zweifelsohne mitten in Preußen, in deutschem
Kulturbereich geboren ist, zwar auf den vier ersten Seiten der
Lukasübersetzung die Erweichung meidet und „gentaine“
(VII 1107 4vu, Lc. 1,36), „tikeiei“ (VII 110" 8vo) usw. schreibt,
doch bereits auf der 5. Seite hat er: „kielusis“ (verbess.: -sijs:
VII 111" 4vo, Lc. 1,39), auf der 6.: „gientis“ (VII 111’ 9vu,
Lc. 1,58) und so fort. Die Fälle der Erweichung nehmen wei-
terhin zu, auf der 21.Seite schreibt Bretke: „gielbekes“ (VII
11% 5vo, Lc. 4,23), „matrischkiesp“ (10vu), „passikiele“ (4vu)
und wahrscheinlich (Lesung nicht ganz sicher): „tewischkiej“
“3 gereits — bereits (?).
642 Bischofswerder.
&5 Schnörkel.
12 Falkenhahn, Bretke 177
(8vo), auf der ganzen Seite findet sich nur noch „kerschtu“
(5vu) ohne Erweichung. So bleibt es mit geringen Schwankun-
gen bis zum Schluß des Lukas und damit der ersten Über-
setzungsperiode am 30. März 1579. Als Bretke am 9. Oktober
1579 die Arbeit mit dem Römerbrief wieder beginnt, schreibt
er die Erweichung auf den ersten Seiten nur spärlich, um sie
später wieder bedeutend öfter anzuwenden.
Von geringen Schwankungen abgesehen, zeigt sich, daß
Bretke die Erweichung bei g+e und k-+ e während der ersten
Perioden bis zu 90 von 100 aller Fälle hat, in den mittleren da-
gegen etwa bis zu 50, in den letzten jedoch nur noch rund bis
5 Prozent der Fälle. Bemerkt sei, daß Worte wie „Euangelija“,
„Angelas“ usw. nicht mit herangezogen werden dürfen, da
hier das lateinische Schriftbild störte. (Siehe z. B. die Text-
proben bei Gerullis, Skait.)
Bretke müßte danach sein Litauisch — oder doch mindestens
seine litauische Orthographie — entweder von Menschen aus
dem polnisch-litauischen Kulturbereich oder in dem Gebiete
selbst gelernt haben.
b) ia für e.
Die Schreibung ia für e (ie) ist keine Schreiberlaune, son-
dern beruht auf einer dialektischen phonetischen Eigentüm-
lichkeit, wie Dauk3as nach der Verbesserung von „kiälo“ in
„kelo“, „bat“ in „bet“ sagt: „Cze turi zinot iog teip’ biaurei
kalba || kaune büdinikai ir Witinnikai ku- || rie trielüie südinas
ir Witines ir kiti |} netikelei kurie wörcze töki e ing a...“
usw.” die Klein — jedoch über 50 Jahre später — für die
Gegend von Insterburg bezeugt.
In der fraglichen Zeit haben die meisten Arbeiten der aus
deutschem und aus polnishem Kulturgebiet stammenden
Autoren e oder &, so:
Mosvid (Stang, 1. c., S. 74): regit, 10,12vu, zeme, 259,7vu usw.;
Willent: gera, 6,19, Szeme, 12,19;
Waischnoras: zeme, 176,8vo, khele (= kelia), 176,14vo;
der Ostlit. Katechismus von 1605: kielo, 13,27, Z&mey, 44,6
(Brückner, 1. c,, S. 312);
Sengstoc&k, Willent, Rehsa: kalio, 213,13vu, galbek, 214,4vu;
es 5. 528, 6ff. v. 0.
178
v TA
dagegen haben drei Wilnaer Drucke neben e, ie auch ia, und
zwar:
Pietkiewicz, 1598 (Brückner, 1. c., S. 562ff.): Waykialey, 149,10vo,
riagime, 149,15vu, giaradeyste, 149,3vu;
Postille von 1600: kialtis, 157,7vu, daugiäsnio, 158,1vo, ziämes,
158,12vo giära, 166,5vo;
Sirvyd, 1629: kialu, 5,8vo, Mialas, 14,12, Ziame, 16,13vo, diagintu, 160,2.
Bretke hat nun in seinen ersten Übersetzungsperioden
gleichfalls neben meist ie oder e auch ia, z. B. gialeschies VIII
228° 7vu, gielaszies VIII 231" 6vo, giaresna iemus butu VIII
165" 12vu, giaruiam VIII 175’ 4vo, Gialumbe VIII 1847 12vo,
gialoszies VIII 2167 1vo usw.
Das ist phonetisch und orthographisch ein Zug, der seine
Sprache gleichfalls mit der in litauisch-polnischem Bultureebiet
lebenden Autoren verbindet.
c) 0, ü und wo.
Bei der schriftlichen Bezeichnung des fraglichen Lautes
‚(schriftlit. uo) durch o, ü oder uo in den altlitauischen Texten
handelt es sich sicher zum großen Teil nur um ein rein ortho-
graphisches Problem. Aber auch orthographische Gepflogen-
heiten sind zuweilen regional gebunden.
Auf einem leeren Blatte des N. T. (S. VII 11’, Mt.) hat
Bretke folgende Fragen notiert, die er offenbar an jemand,
vielleicht an Gallus, richten wollte, die einen kleinen Einblick
in seine Übersetzungsarbeit gewähren und auch u. a. zeigen,
daß er verschiedene Schreibungen des uo-Lautes kannte und
nun die „richtige“ zu erfahren suchte. (Die Datierung der
Notizen siehe unten, S. 181f.):
„quo m[od]o uelint appellari
pharisaeus
Vel. ((mit anderer Tinte:) weidamainis
y ubi ponendu[m]
D. sapulus. (?)
Differentia inter C. et K.
An sit differentia inter x et ks.
Litora ((verbess.: Litera)) o post v. aut uero supra u
ponenda vt Duona.
Differentia inter A. et O.
Vocabulu[m] Beatus, quo (?) uero (?) modo reddendu[m] (?)
((mit anderer Tinte?:)) paschlowintas.“
12 179
Diejenigen Autoren, die ihr Litauisch in Preußen gelernt
haben, zeigen ü, oder dafür ü, was aber sicher Schuld der
Druckerei ist. Außerdem hat J. Rehsa handschriftlich einmal o;
„tuszisios“ (1. Sg. Fut. Refl.; VI 10’ 5vo, Ps. 13,3).
Sengstock (Bechtel XCIX ff., daher die Beispiele): düst... düs, CIX,
3vo; raupsütas, CIX, 12vo.
Rehsa: Dübe, 215,4vu; jpüle, ebenda; nedüst, 216,4vu.
Die aus litauisch-polnishem Kulturgebiet kommenden
Autoren zeigen folgende Schreibungen:
Mosvid Katechismus 1547: fast immer o, selten, im L.Pl. der
a-Stämme u, wie auch Bretke (Stang, S. 55 f., $ 31 und S. 85, $ 61) z. B. doty,
9,6vu; nog, 11,3vo; padotas, 38,5vo.
Mosvid „Giesme S. Ambraszeijaus“ 1549: nur u, z. B.
neischmeruta, 85,1vo; branguiju, 87,5vo; duk, 88,2vo.
Willent 1579: meist ü, in ganz wenigen Fällen o oder u (Bechtel,
S. XXIX£.), z. B.: kiemüsu, 1,15; düta, 68,16 prapüle, 106,2.
Waischnoras: meist ü (ü), auch u, z. B. czesüsa, 176,7vo; padümi,
182,15vo; apiükima, 185,12vu.
Die im litauisch-polnischen Sprachgebiet lebenden Autoren
haben:
DauksSa: ü, gelegentlich uo, z. B. Katechismus: düst, 9,10; nüg, 39,11;
nüdemes, 105,20. ?
Postille: Anuo metu, 1,6v0; düst, 386,2vo; nüg, 592,3vo.
Pietkiewicz: uo, z. B.: tuose namuose, 149,12vo; kokiuo budu,
155,1vo; duotu, 155,13vo.
Postille von 1600: uo, z. B.: nuog, 15855vo; tuo budu, 161,6vo0;
Duokig, 168,13vo. :
Der Ostlit. Katechismus (1605): ü und uo, und zwar meist ü,
wo er von Dauk$a abhängig ist, dagegen uo, wo er selbständig schreibt,
z. B.: Metüsu, 7,2vu; nuog, 11,13; nüg, 15,18; düd, 86,21.
Sirvyd: meist uo, selten o (Specht, S. i8ff., $ 23), z. B.: nuog, 3,4vu;
priduost, 229,13vu; impuolä, 123,17vo; Wando, 189,9vo.
Bretke schreibt nun März 1579 nur o, z. B.: dona (VII 146:
9vo, Lc. 14,15); doti (VII 112" 3vu); dotu nog (VII 157, 9vu) (wie
Mosvid im Katechismus, wie selten Sirvyd und später Chy-
linski).
In den nächsten Perioden hat er zu Anfang noch o, geht
aber um den 12. Oktober 1579 zu ü über, das bisweilen mit u
vertauscht wird (doch besteht o, wenn auc in oft erheblicher
Minderzahl, weiter), z. B.: 12. Oktober 1579: dübe (VIII 9
10vo, Röm. 3,13); 6. November 1579: düna (VIII 134 1vu,
2. Thess. 3,8); Frühling 1580 tauchen Formen mit uo auf, die
180
aber zunächst in der Minderheit bleiben, z. B.: 7. April 1580:
duonos (VII 232: 12vo, Le. 2,42) und 4. Mai 1580: Duona (VII
187” 1vo, Joh. 6,35), die bisweilen mitten unter Formen wie
„düna“ stehen; ab 12. Mai 1580 geraten die Formen mit uo in
die Mehrheit, z. B. ebendann duona (VII 15’ 14vu, Mt. 6,11);
ne duokite (VII 17’ 7vo); Tuo (VII 21' 12vo), Bretke kehrt
jedoch schon am 14. Mai wieder für eine Zeit zu ü zurück, z. B.
ebendann: Dünas (VII 36° 6vo, Mt. 15,2); in den Psalmen (ab
20. Mai 1580) wird der Laut wieder fast nur uo geschrieben
mit einigen Ausnahmen wie: donos (VI 35: 7vo, Ps. 37,25)
neben 6. Juli 1580: (VI 117° 12vu, Ps. 127,2).
In fast allen Formen ist der Laut in ü verbessert.
In den nach rund fünfjähriger Pause darauf folgenden
Perioden hat Bretke als Regel ü, wie z. B.: 7. Dezember 1585:
dünos (III 187: 1vu, Prov. 6,8), was er bis zum Schluß beibehält,
doch kommen auch Abweichungen vor, wie z. B. 3. Juli 1588:
duo- || na (Ir 14vu, 1. Mos. 3,19) und wie in den Tagen des 18.
und 19. Februar 1589, wo er einige Seiten (V 52:56’) wieder
fast nur o schreibt, z. B.: nog (V 55" 7vu, Judith 5, oft) neben:
dünas (ebenda 15 vu).
Auch die anfängliche Schreibung o und etwas später uo hat
Bretke mit Autoren gemein, die, wie Dauk$a, Pietkiewicz,
die Verfasser der Postille von 1600 und des Katechismus von
1605, sowie Sirvyd in litauisch-polnischem Kulturbereich leben
oder, wie Mosvid (im Katechismus!), eben von dort gekommen
sind. Es gab, soweit bekannt ist, 1580 keinen litauischen Druck,
der die Schreibung uo aufwies. Jedenfalls zeigt seine ü und uo
betreffende Frage, daß er die Schreibung uo durchaus kannte
und nur nicht weiß, welche „richtig“ ist. Bretke muß sie
also doch wohl von jemandem gelernt haben, der sie ihm auf-
schrieb. Wie die Beispiele oben wahrscheinlich machen, müßte
das ein Mensch aus litauisch-polnischem Sprachbereich ge-
wesen sein, oder Bretke hatte sie von einem hypothetischen
Aufenthalt dort im Gedächtnis.
Die Angaben oben (S. 179) darüber, wie Bretke o, ü in der
-Bibel verwendet, legen die Annahme nahe, daß er die Fragen
über die Orthographie Mai 1580 niederschrieb. Auch andere
Tatsachen machen diese Datierung wahrsceinlih, so die
Frage, wie „pharisaeus“ zu übersetzen sei, die sich doch sicher
181
auf den am 15. Mai 1580 übersetzten Vers Mt. 23, 13 (VII 52 8—9)
bezieht: „Beda iumus Raschtinikamus ir || Phariseuschams ius
Waidamainei...“; vorher und nachher übersetzt Bretke das
Wort mit „Phariseuschas“; weiter übersetzt er bis zum 10. Mai
1580 „selig“ mit „ischganitas“ (VII 106° 2vu, Mc. 16,16), am
11. Mai aber sofort im Text „paschlowinti“ (VII 12" 9vu,
Mt. 5,3), was er für die nächste Zeit neben „ischganitas“ bei-
behält.
Viij.
Bekanntlich ist der häufige Gebrauch von y ein auffallen-
der Zug aller aus dem polnisch-litauischen Kulturbereich stam-
menden Drucke mit Ausnahme der Dauk$as, deren Recht-
schreibung aber überhaupt eine Sonderstellung einnimmt. Der
Buchstabe steht nicht nur für i+j und j-+i, sondern be-
sonders häufig nach polnischem Vorbilde (Specht, Sirwyd,
S. 11* $ 2, Brückner, Arch. f. sl. Ph. 13, S. 562) zur Bezeichnung
der 2. Komponente in den Diphthongen ay, ey, uy, aber auch
sonst bei manchen Autoren wahllos für heutiges langes und
kurzes i.
So hat
Pietkiewicz y fast nur in Diphthongen (Brückner, Arch. f. sl. Phil,
13, S. 560 £.), z.B.: waykialump, 149,8vo; eykit, 153,8vu, tärnuy, 155,8vu (da-
gegen: dariti, 149,15vu; idant, 155,9vu; ira, 155,35vu);
die Postille von 1600 genau wie Pietkiewiez, z.B. däyktu, 157,12; tey-
sibes, 165,3vu; Diewuy, 166,12vu (aber auch: Zädeghimais, 157,8vu; isipildit,
157,3vu; Ponui Diewui, 165,10vu);
der Ostlit. Katehismus (1605) meist in Diphthongen, aber
auch oft für modernes i oder y, z. B.: skäytitoiuy, 11,11; Tey Zynäu gierey,
11,16; täkuy, 11,28; miletys, 47,30; prytaryt, 75,33.
Sirvy.d meist als 2. Komponente, aber auch sonst wahllos für schriftlit.
i, y (Specht, Sirwyd, S. 11, $ 2), z. B.: szwyntays, 4,3vo; teysibes, 51,2vo;
zydamus, 138,5vo; Eyk, 249,7vo; Kuniguy, 249,8vo.
Entsprechend dem in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
schon recht spärlichen Gebrauch des y im Deutschen (siehe die
aus der Zeit stammenden Texte in der Quellensammlung)
haben die länger in Preußen lebenden altlitauischen Autoren
das y bedeutend seltener; zuerst schwindet es wohl bei allen
als. zweite Komponente von ai und ui, nur in ey hält es sich,
wo es auch in deutschen Texten relativ am häufigsten er-
scheint. Zäher hält sich das y an Stelle von modernlitauischem
182
i, y, aber auch da kommt es allmählich in Preußen fast ganz
außer Gebraud.
So hat Mosvid in den ersten Jahren in Preußen
im Katechismus regellos i, y für modernes langes und kurzes i
(Stang, S. 56, $ 33), doch findet sich ey und ay nur in einigen Fällen (Stang,
S. 58, 8 35), z. B.: Bralei, 8,4vo; Diewui, 35,3vo; Pataisik, 39,1vu; byla, 8,2vo;
nosimynusias schyrdies, 35,10vu;
in der „Giesme $S. Ambr.“ wieder meist für die zweite Kompo-
nente: Angelay, 82,2vu; ischgaleyey, 86,3vo; warduy, 81,8vu; Pilny, 83,2vu;
apsaugoty, 89,2vo;
Willent y fast nur im Diphthong ey, sonst für modernes i und y,
doch weit seltener als Mosvid im Katechismus, z. B.: jpaczei, 1,15 (neben
ney, 1,20); Ponui, 23,30; kaip, 79,2;
Waischnarus fast nur i, z. B.: pilnai, 176,3vo; Biskupui, 183,7vo;
prakeiktas, 184,12vu.
Bei Sengstock fehlt y, wo er ganz selbständig schreibt, z. B.: Diewui,
199,11vu; Ragaines, 200,16vu.
Rehsa hat y nur gelegentlich in ey, sonst bisweilen für modernes
langes i, z. B.: ghissai, 213,8vu; Teissuju, 213,3vu; Artimui, 216,9vu; pagim-
dys, 215,6vu; Teisybes, 216,1vo.
Bretkes Handschrift hat y fast nur an Stelle von i+j oder
j+i, sonst aber in den allermeisten Fällen nur i. Betrachtet
man jedoch die Texte in ihrer zeitlichen Reihenfolge, so zeigt
sich, daß Bretke in der ersten Periode (Lucas, März 1579) noch
öfter y schreibt, und zwar meist für modernes langes y, doch
bisweilen auch für i, z. B.: ischlaikys (VII 132" 3vu), akys
(N.Pl. VII 1387 5vu), garstycziu (VII 144 4vu), sakykite (VII
145° 2vo), raschyta (VII 53’ 4vu) usw., aber auch kielusys (VIII
199’ 2vu), kity (N.Pl. VII 137 8 und 10vu), numariny (2.P.Sg.
Präs. VII 145" 9vo), skiely (VII 149’ 7vo), passilyks (VII 150*
3vo), tury 2.P.Sg. Präs. VII 153’ 2vo).
Die Schreibung mit i ist jedoch weit häufiger. Bretkes Zwei-
fel in diesem Punkt bezeugt eine jener oben bereits mitgeteil-
ten Fragen”: „y ubi ponendu[m]“*, die ihn sichtlich in dieser
Zeit bewegt hat, denn in den nun folgenden Perioden gibt er
y (bis auf die Schreibung für i+ j und j+i) ganz auf, um erst
im Sommer 1588 wieder vorübergehend darauf zurückzukom-
men, z. B.: Gilybes (I 3" 6vo), Szaltys (1 5" 3vu) usw., aber bald
verläßt er die Schreibung y für langes i aufs neue und geht im
e S. 179.
ss VII 1ir Avo,
183
Herbst des gleichen Jahres zu j über, z. B.: Temnjezos (I 447
14vu), trjs (I 45’ 1vu) usw. Das y als 2. Komponente kommt
nur sehr selten vor, z. B. ateydawa (Il 84 7vo).
Der Gebrauc des y in der ersten Periode läßt als möglich
erscheinen, daß Bretke das y früher häufiger verwendete, viel-
leicht gar so oft wie die Autoren aus dem litauisch-polnischen
- Gebiet. re
Das harte polnische I ist natürlich regional gebunden. Es
zeigt sich bei Dauk3a, z. B. im Katechismus: galwa (37,23), bei
Pietkiewicz, z. B.: gäletumbim (150, 8vu) in der Postille von
1600, z.B.: prisiklausem (157,3vu), im ostlit. Katechismus
(1605), z. B.: labiäus (11,19) und bei Sirwyd, z. B.: Zinklas
(289, 2vo).
Bei den in Preußen gedruckten Schriften fehlt dieses Zei-
chen, obwohl die gleichen Druckereien auch polnische Typen
besaßen.
Bretke hat dieses polnische 1, doch sehr selten, z. B.: laukie
(= draußen) (VII 129 7vo), nekaltoio (VI 12” 10vo), welda
(I 17° 19vu und ebenda 11vu), placzio (in: „ikki placzio (!)
Muro“, III 117 6vo). Doch zeigen diese Fälle, die hier wohl
als Versehen zu deuten sind, daß Bretke dieses Zeichen auch
geschrieben hat, und zwar geschah ihm dies Versehen, weil er
Polnisch konnte und das harte I vielleicht früher einmal auch
bei der Niederschrift litauischer Texte mit verwendete.
2. Zur Formenlehre.
Aus der Formenlehre sei hier nur ein wohl besonders
charakteristischer Zug andeutungsweise behandelt und die aus-
führliche Darstellung der Probleme der oben erwähnten Ar-
beit über die Sprache Bretkes überlassen.
Zur folgenden kurzen Darstellung ist Hermann, Litauische
Studien, S. 16 ff., weitgehend benutzt worden.
Die verkürzte Form m{i), t(i) des Personalpronomens
der 1. und 2. Personen im Dativ und Akkusativ.
Die Verteilung der Formen über die altlitauischen Texte
der angegebenen Zeit ist folgende:
2 Die Angabe der Seitenzahl der litauischen Texte soll eine annähernde
Vorstellung von dem Umfang der Texte vermitteln, in denen sich die
Formen finden.
184
Mosvid: keine Form (127 Seiten 4%), nur z. B.: imkiet mani, 8,4vo.
Willent:nur 1 Beleg (300 Seiten 4°): primiwerte, 1,10; sonst nur z.B.:
pagelbek man 74,53vo; Sakiket man, 75,29; Paczupoket mane, 83,16.
Dauk3äa: im Katechismus: keine Form (190 Seiten 16°): Sakai man,
12,17; Sakikig man, 14,14; Pazink manne, 125,4 (siehe die gleichen Stellen im
Ostlit. Katechismus!). j
In der Postille: 8 Fälle (siehe Hermann, Lit. Stud., S. 44 und 49)
(632 Seiten-2%) (?); sonst: Susimilsk maf, 113,18vu; düd mafı, ebenda, 11vu.
Pietkiewicz: 5 Fälle (508 Seiten 8%) (Brückner, Arch. f. sl. Phil.,
13, S. 566); z. B. (Beispiele Brückners): bukim sargu dusios mäno, 77; Diewe
mans gialbiem mäne, 89; sudikim, 51; gialbiem mane (Doppelsetzung!);.
wedeim, 52.
Postille von 1600: 43 Fälle (ca. 379 Seiten 2°, z. B.: Beispiele aus
Hermann, 1. c., S. 28 und 47): bukim, 50,31; pamisakikit, 125,37; duotiot asz,
18,17; daweti, 318b 36.
Waischnoras: 5 Fälle (ca. 620 Seiten 8%), z. B. (Beispiel aus Her-
mann, 1. c,, S. 23 und 46): apsaugokem, XLVIII, 15; sakikim, 12,4; meldczuot
A.M., 5,16. j
Ostlit. Katechismus (1605): 10 Fälle (95 Seiten 12°), z. B.: Pami-
säkay, 12,18; Sakäymi, 14,15 (siehe diese Stellen bei Dauk$a!); kaypmi regis,
11,24.
Sengstock (12 Fälle, von Willent und Bretke übernommen; siehe Her-
mann, 1. c., S. 23 und 46).
Rehsa: 15 Fälle (Bretkes Psalter hat 134 Belege, somit hat Rehsa 119
gestrichen).
Sirvyd: 14 oder 15 Fälle (641 Halbseiten 4%)65% (siehe Specht, Syrw.,
S. 35*), z. B. (Beispiele aus Specht, 1. c.): pamirodik, 175,31; bosto mi, 1076;
gardumi, 290 b. i
Bretke hat nun auf rund 1500 Seiten 4°, die er zwischen
6. März 1579 bis 7. Juli 1580 niederschrieb (N. T., Ps.), 164 Be-
lege (Hermann, 1. c., S. 17 und 46), auf den rund 2450 Seiten 2°
(A. T. ohne Ps.) 167 Fälle (Hermann, |. c., S. 19 u. 46), z. B.: ne
mi muczik, VII 129’ 7vo; prjmkime (verb.: -kitiem), VIII 79
10vu; pamidare VIII 147° 6vu; Parodikem, VIII 178° 4vu;
duosuot, VIII 206° 5vo; Duomiet, VIII 2097 3vo.
Sieht man von Sengstock ab, der ein äußerst nachlässiger
Korrektor war (Bectel, Willent, S. CVIff.), so macht Rehsas
starke Dezimierung der Fälle sehr wahrscheinlich, daß diese
Pronominalformen in Preußen nicht beliebt waren, was doch
heißen würde, daß sie nicht recht gebraucht wurden (die Mög-
lichkeit, daß sie als vulgär galten, schließt der häufige Ge-
brauch bei Bretke aus). Doch auch im litauisch-polnischen Kul-
650 Die Hälfte der Seitenfläche wird durch polnischen Text eingenommen.
185
turbereich muß es in manchen Gebieten ähnlich gewesen sein,
wenn auch die Belege überall häufiger sind als in preußischen
Drucken. Vielleiht wirkten dort polnische Formen wie „daj
mi“, „möwie ci“, die doch einem großen Teile der Bevölkerung
bekannt und geläufig waren, konservierend auf die lautlich
und bedeutungsmäßig entsprechenden Formen im Litauischen.
Die relative Häufigkeit des Vorkommens dieser enkliti-
schen Pronominalformen bei Bretke stellt seine Sprache — nun
schon auf keinen Fall mehr nur seine Orthographie — auf die
Seite derjenigen Autoren, die in litauisch-polnischem Kultur-
bereich lebten.
So würde auch die erhebliche Abnahme der Belege in den
späteren Perioden erklärlich.
3. Zur Satzlehre. !
Wiederum nur einige Erscheinungen:
a) Objekt+Partizip in gleihem-Kasus.
Der außerordentlich häufige Gebrauch dieser Konstruktion
besonders in der ersten Periode gibt der Sprache Bretkes ein
einzigartiges Gepräge.
i Z. B.: „atrada ghi ...sedinti ...klausantj iu ir klausenti ios“, „inter-
venerunt ilum ...sedentem... audientem illos et interrogantem eos“ (VII
114v 1ff. vu, Lc. 2,46); „szinaia ghi santi Christu“, „quia sciebant ipsum
esse Christum“ (VII 120r 6vo, Lc. 4,41); „szina Jana praraka santj... Ir
atsake save ne szinanczus“,; „certi sunt emim, lIoannem prophetam esse.
Et responderunt se nescire...“ (VII 157: 5ff. vo, Lc. 20,7 ff). „Gieresnia
((verb.: Ger-)) butu tam Szmogui, negimmusiam.“ „Bonum erat ei, si non
esset natus homo ille“ (VII 99v 8f. vu, Mc. 14,21); „regesit Suny szmogaus
besedinti ((verb.: sed-)) ...ir atenti...“, „videbitis filium hominis sedentem
...et venientem (VII 63r 6ff. vu, Mt. 26,64).
Auch andere altlitauische Autoren kennen diese Konstruk-
tion, nur kommt sie bei ihnen bei weitem nicht so häufig vor,
zum Beispiel:
Willent: „regit mane turinti“, 83,26 (Br. ebenso);
Dauk3a Postille: „pamätte iaunikäiti besedinti...“, 184,6f. vu.
Diese Erscheinung ist um so auffälliger, als ihre Erklärung
in einer größeren Zahl der Fälle bei Bretke durch das Latei-
nische und Deutsch nicht möglich ist.
Aus welcher Sprache läßt sich diese Erscheinung erklären?
Theoretisch kommen das Altpreußische und das Altpolnische
186
in Frage, falls es keine Erscheinung des Altlitauischen sein
sollte, die sich aus irgendwelchen Gründen nur in Bretkes
Sprache findet, was aber unwahrscheinlich ist.
Das Altpreufische ist zu wenig bekannt, als daß sich mehr
als eine Vermutung aussprechen ließe. Es ist freilich sehr wahr-
scheinlich, daß der Gebrauch der Partizipien im Altpreußischen
sehr lebendig war, da es gerade einige Partizipien sind, die
sich in dem sonst sklavisch vom Deutschen abhängigen Satz-
gefüge des preußischen Katechismus von 1561 erhalten haben,
obwohl das Deutsche hier den Infinitiv zeigt: „stan wirst tans
pogauuns“, „das wird er empfahen‘““; „wirs... powierpuns“,
„wird... verlassen‘“®; „wirst boüns“, „werden sein“*,
Wahrscheinlich war auch im Urlitauischen der Gebrauch der
Partizipien sehr verbreitet.
Sicher ist nur, daß die altpolnische religiöse Sprache fast
die gleichen Konstruktionen zeigt, wie sie Bretke so reichlich
hat (siehe auch ]J. Los, Gramatyka Polska, III, S. 265).
b) kaip= daß.
Der außerordentlih häufige Gebrauch des litauischen
„kaip“, das sonst „wie“ bedeutet, für „daß“ in den ersten
Perioden Bretkes, die später meist in „iog“ verbessert wurden,
bilden auch eine auffällige Erscheinung.
Z. B.: „tadelei, kaip ((nach 1590 verb.: iog)) ne tikeiei“; „pro eo quod non
credisti“ (VII 110r 8vo, Lc. 1,20); „supratusi kaip (nach 1590 verb.: iog) Jesus
sedeia“, „ut cognovit quod accubuisset“ (VII 127 9vo, Le. 7,37); „uszusiginsi
kaip (nach 1590 verb.: iog) manes ne I paszinstai“, „abneges nosse me“ (VII
1637 1vo, Le. 22,34); „Gieresnia (verb.: Ger-) taw ira, kaip (nach 1590 verb.:
iog) wienas tawo I Sanariy pagenda“ (VII 13v 7vu, Mt. 5,29); „Girdeiot kaip
(nach 1590 verb.: iog) Seniemus sakita ll ira“ (VII 13v 8vo, Mt. 5,27) usw.
Doch daneben beginnt Bretke bald auch das sonst gebräuch-
liche „iog“ zu verwenden, das bereits 1585 dieses „kaip“ fast
ganz verdrängt hat.
Z. B.: 9. Juni 1580: Todiel (verb.: del) iog ne tikeia“ (VI 69r 15vo,
Ps. 78,22); 18. November 1585: „Atmink. Jog mums wissiems bus mirt (V
104r 9vo, Sir. 7,7); 3. Juli 1588: „regeia, iog nug to Med- l czio gier... wal-
giti“ (IT 5v 13vo, 1. Mos. 3,6); 20. November 1590: „teipo buwa... papikens...
Jog passibaszija“ (I 235r 13vu, 5. Mos. 4,21).
651 Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 61, 4.
025177C.,.9..63,728,
65 L. c., S. 63, 29.
187
Woher dieser auffällige Gebraud des „Kaip“?
Heranzuziehen sind wieder zunächst das Altpreußische und
das Altpolnische.
Im Altpreußischen heißt das dem litauischen „kaip“ = „wie“
lautlich sehr ähnliche „kai“ sowohl „wie“ als auch „daß“; so
lautet z.B. im 3. altpreußischen Katechismus von 1561°* trotz
der sonst sklavisch vom deutschen Text abhängigen Über-
setzung der Satz: „So ist das ewer Trost/das jr || wisset vnd
gleubet / wie ewer Standt für Gott an- || genehm... ist“ fol-
gendermaßen: „Tit ast sta iousan Glands / kai ious waiditi ||
bhe druwetei kai ious bousennis pirsdau Deiwan...“
Im Altpolnischen ist nun „jako“, das heute ausschließlich
„wie“ bedeutet, in der feierlichen Sprache der Bibel und in
den gerichtlichen Eidesformeln auch in der Bedeutung „daR“
ganz geläufig”.
Z. B.: „sic jurabunt: Iaco to swatczo, iaco Staszek szedi...“es® (Posen);
„Testes... Jako wemi yss:..“ (Krakau); „Brzanezco... ducit testes... Ja-
koswa przy tem byla...“ (Krakau).
Doch auch in dem Deutsch des 16. Jahrhunderts kommt
„wie“ für „daß“ vor”; siehe z. B. oben, S. 51 Anm. 193, und
oben, S. 65 Anm. 259.
Im Altlitauischen kenne ich außer bei Bretke nur noch drei
Belege, und zwar zwei bei D. Gallus (Mc. 9,45, VII 89 (unten,
T. XVII, Abb. 34) und Joh. 18, 7—8, VII 214 („...jhesus at- |]
sake, Esch esmi iumus sakes, || kaip esch tas || esmi“) und einen
im Eide der Ona Jurgaite aus dem Wilnagebiet (1651), wo
es heißt: „Asz... prysiekiu..., anto kaip Avis mana wlas-
nes...
In diesem Falle dürfte kein Zweifel bestehen, daß dieses
„kaip“ durch das polnische „jako“ veranlaßt ist.
Da vieles in der Sprache des Daniel Gallus ganz deutlich
62 Siehe Trautmann, Sprachdenkm., S. 66 ff.
655 Mitteilung Herrn Prof. Koschmieders, Wilna.
68 Siehe Witold Taszycki: Najdawniejsze zabytki Jezyka polskiego Bibljo-
teka Narodowa, Nr. 104, S. 73 ff.
67 Mitteilung Herrn Prof. Ziesemers, Königsberg.
#8 „Zapiski Imperatorskoj Akademij Nauk“, Bd.49, S. 15—17, oder Gerullis,
Skait., S. 243. Einen 4. Beleg von „kaip“ = „das“ siehe in „Berichtigungen
u. Ergänzungen“.
188
zeigt, daß er in engster Beziehung zum litauisch-polnischen
Kulturbereich gestanden haben muß‘®, er aber ebenfalls dieses
„kaip“ hat, so ist wahrscheinlich, daß auch Bretkes „kaip“ für
„daß“ durch das „jako“ der altpolnischen gehobenen Sprache
angeregt worden ist, das ja bei Bretke, der Preußisch verstand,
besonders guten Boden vorfand.
c) Konstruktion der Verben.
Die Konstruktion der Verben zeigt zwar nicht selten deut-
schen Einfluß, doch sind die Fälle, in denen scheinbar das Pol-
nische die Ursache eines Fehlers im Text Bretkes ist, weit
häufiger. So ist er z. B. wohl sicher vom Deutschen abhängig,
wenn er schreibt:
»...taw H nussitikiu...“, das Rehsa in „...tawimi nussitikiu....“ ver-
bessert (VI 12v 16—17vu, Ps. 16,2); weiter:
„»...idant nuog l Welino buty gundintas“, Luth.: „... Auff das er von
dem Teuffel versucht würde“ (VII 9v 1—2vo, Mt. 4,1);
»... weskite I sziwata iusy...“, Luth.: „...füret ewren wandel“ (VIII
155r 11vu, 1. Petr. 1,17);
„+... Kurie... ne buwa...“, 1. Mos. 2,5;
„...manens iüoksis“, Luth.: „...der wird mein lachen“ (I 23r 12vo,
1. Mos. 21,6) usw.
Bretke ist im Gebrauch der Verben, die im Deutschen einen
anderen Kasus verlangen als im Litauischen oder Polnischen,
nicht sicher; z. B. ie5koti: „...ieschkaiame tawe“ (VII 115" 5vo,
Le. 2,48ff), aber in der nächsten Zeile: ,„...ieschkaiat
manes...“; auch hat Bretke nicht selten statt des Akkusativ-
objekts nach transitiven Verben ein Genitivobjekt, wie es das
Slavische bei lebenden Wesen verlangt,
2. B.: „... weisdekit Szmogaus...“, wo Bretke zwar erst: „...Szmo-
gu...“ schrieb, es aber selbst in: „Szmogaus“ verbesserte, Luth.: „...sehet
% Sei es, daß Gallus von dort stammte oder dort studiert hat; so zeigt z. B.
die Übersetzung des „Hypocrita“ (Vulg. Mt. 7,5) und „Heuchler“ (Luth.)
durch „pridenktassis“ (VIII 17 4vo) bei Gallus, daß ihr Urheber ein ge-
bildeter Litauer aus Großlitauen gewesen ist, denn er verwechselt die
Silbe „-crit-“ mit dem sav. „kryty“. Falls diese Wiedergabe nicht von
Gallus selbst stammen sollte, so zeigt sie doch seine enge Verbindung mit
litauischen Theologen aus polnisch-litauischem Kulturgebiet. Die polnische
Erweichung, die seine Sprache anfangs hat, macht sehr wahrscheinlich,
daß er entweder in Großlitauen oder von einem Großlitauer in Preußen
litauisch schreiben lernte und somit auch sicher sprachlich entscheidend
beeinflußt wurde.
189
einen Menschen ...“, Vulg.: „...videte hominem....“, Radz.: „... Ogladaycie
cZlowiekä...“ (VII 181r 4vo, Joh. 4,29);
„Ghis l wadin Elioschaus“, Luth.: „...Der ruft den Elia“, Vulg.: „Eliam
vocat iste“, Radz.: „Eliasza ten I wola“ (VII 667 5vo, Mt. 27,47); j
„...idant io dassilite- N tu. Jr kada ischwisdawo io Neczistos H Dwa-
sias...“, Luth.: „...auff das sie jn anrüreten, Vnd wenn jn die vnsaubern
Geister sahen...“, Vulg.: „...ut illum tangerent... Et spiritus immundi,
cum illum videbant...“, Radz.: „...äby sie go do || tykäli... I A gdy
go duchowie niesczy$ci zäyZ l reli...“ (VII 73v 8—9vu, Mc. 3,10—11); doch
heißt es wiederholt: „...ir dassiliteio io l Ruba...“ (z. B.: VII 78r 4vo,
Mc. 5,27).
Bretke braucht auch Wendungen wie „dziaukties isch“ =
„cieszy6C sie z“ (+ Gen.) (Beispiel bei „chwartunos“ bei den
Fremdwörtern aus dem Weißrussischen), „gaileties ant“ =
„zmilowa6 sie nad“, weiter z. B. eine Wendung wie „...regeia
sapnije“ (I 31 6vu, 1. Mos. 28,12) für Luth.: „...jm trew-
met...“, poln. „widzial wesni“, desgl.: „...idant taw gierai
passiwestu“, die dem polnischen Ausdruck „powodzi6 sie komu
dobrze czyli zle“ genau entspricht, und in der nächsten Zeile
wieder: „...kaip antai duschiai tawo gierai passi- || weda...“,
Luth.: „...das dirs wolgehe vnd gesund seiest, wie es denn
deiner Seele wolgehet...“, Vulg.: „...prospere te ingredi...
sicut prospere agit anima tua...“ (VIII 175" 6£. vo, 3. Joh. 1,2).
Da sich der Einfluß einer fremden Sprache selbst bei einem
Gebildeten noch lange am ehesten in Wendungen verrät, die
aus der andern Sprache übersetzt sind, deuten auch diese
Eigentümlichkeiten bei Bretke auf enge und lang anhaltende
Verbindungen Bretkes mit dem litauisch-polnischen Kultur-
bereich.
4 Zum Wortscatz.
Obwohl Bretke sehr viele Wörter hat, die uns in der. heu-
tigen litauischen Literatur begegnen‘, ja sogar eine ganze Reihe
solcher kennt, die höchstwahrscheinlich altes baltisches Sprach-
so „Audenis“ (VII 291v 12vu, Act. 27, 14; modern; audinis = Nordostwind),
„grasze“ (in: „...schüttelten ihre Häupter“, VII 104r 11vo, Mc. 15,29;
modern: graiyti), „pabanga (galas)“ (VIII 51v 6vu, 1. Cor. 10,11), „pa-
laikg“ (A) (Luth.: „...die vbrigen...“, I 34r ivu, 1. Mos. 30, 36), „plasch-
takomis“ (I. Pl) (Luth.: „... Backen streiche“, Vulg.: „...alapas“; VII
2167 7vu, Joh. 19,3; modern: plaStaka), „sakinti“ (Infin.) (Luth. „...be-
fragen...“, Vulg.: „...torturi“; VII 281r 3vu, Act. 22,29), „Sostas“, „szi-
nauti“, „wartai“ usw.
190
—
gut sind, doch im modernen Litauischen fehlen“, fällt an seinem
Wortschatz der Reichtum an Lehnwörtern und auch Lehnüber-
setzungen auf, die zu rund 95 von 100 aus dem Polnischen und
Weißrussischen, nur zu etwa 5 von 100 aus dem Deutschen,
Preußischen und aus anderen Sprachen stammen. In der Fülle
der oft nur notdürftig litauisierten slavischen Lehnwörter
unterscheidet er sich in nichts von den aus dem polnisch-litaui-
schen Sprachgebiet stammenden Autoren.
Doch hat auch das damals in Preußen gesprochene Litauisch
zweifellos eine große Menge dieser slavischen Lehnwörter in
lebendigem Gebrauch gehabt, wie die Bearbeitung der Bretke-
schen Psalmen durch den aus Tilsit stammenden J. Rehsa’”
zeigt, denn dieser übernimmt mehr als die Hälfte der Bretke-
schen Slavismen wie „grieschnuiu“ VI 3" 5vo, Ps. 1,1, „cziesu“
(Rehsa: „czesu“) 3" 11vu, Ps. 1,3, „Sude“ 3’ 5vu, Ps. 1,5 usw.,
doch beweist die Selbständigkeit, mit der Rehsa eine größere
Zahl dieser Lehnwörter übernahm, daß er sie schon vorher
kannte und wußte, daf sie vom Volke verstanden würden, so
ersetzt er z. B. Bretkes lautlich ganz polnische „gwaltu“ durch
das im Litauischen lautlich zu erwartende „gwoltu““®, desgl.
Bretkes „palaciu“ usw. durch „palliociaus“, für Bretkes „per-
szegnoghimas“ setzt Rehsa „Szegnone“ usw.
Während Rehsa einerseits gute litauische Wörter bei Bretke
durch Fremdwörter ersetzt (z. B.: „reikos“ durch „bedos“
(Ps. 10,1), „darba“ durch „proce“ (Ps. 10,7), „pamatus“ durch
„grunta“ (Ps. 11,4), „ankscheziosiuos“ durch „tuszisiüs“ (13, 2),
„prota“ durch „Roda“ (Ps. 14,7) usw.), ersetzt er andererseits
viele Slavismen durch litauische Wörter (z. B.: „ischpustijami“
durch ‚isch 'gaischinamos“ (Ps. 12,6), „pustijancziu“ durch
„kurie... suardo“ (Ps. 17,9), „czestawota“ durch „pagirtas“
(Ps. 18,47) usw.), wobei es ihm oft nur auf die Bedeutungs-
färbung ankam, da er die bei Bretke an einer Stelle getilgten
Vokabeln an anderer Stelle selbst wieder braucht.
Doch merzt Rehsa eine Menge von Slavismen konsequent
aus bzw. setzt eingebürgerte Slavismen dafür ein. Hier handelt
61 Siehe die altlitauischen Wortbeispiele S. 192 ff.
82 {jber Johannes Rehsa siehe unten, S. 300 ff.
®® Genaueres zu den Beispielen in der kleinen Sammlung von Lehnwörtern
weiter unten, S. 195 £f.
191
es sich sicher um Wörter, von denen er wußte, daß sie im Volke
nicht recht oder gar nicht verstanden würden, was aber heit,
daß sie damals in Preußen nicht gebraucht wurden und sich
somit zum Teil nur bei Bretke, zum Teil auch bei den einge-
wanderten litauischen Geistlichen fanden (z. B. brauchte er
für „prawodik“: „gaelbek“ (Ps. 7,10), für „nekwartuna“: „ne-
palaima“ (Ps. 7,17), „ezudus“: „Stebbuklus“ (Ps. 9,1), „pischi-
nase“: „puikawos“ (Ps. 10,2), „bewainos“: „be nütarties“
(Ps. 19, 16), „praparcze“: „Kariung“ (Ps. 20,6) usw., sowie z. B.
für „rabata“: „Beda“ (Ps. 10, 14).
Diese Wörter konnte Bretke also nicht von Personen ge-
lernt haben, die in Preußen beheimatet waren. Da die Voka-
beln z. T. auch in den erhaltenen Arbeiten Mosvids und Wil-
lents nicht vorkommen, muß Bretke sie notwendig von Land-
fremden haben.
Beachtet man dazu die Fülle von polnischen Lehnwörtern,
die Bretke entweder allein oder nur mit den Wilnaer und
Kedainer Drucken gemeinsam hat, sowie die Schreibung und
Umgestaltung mancher Wörter, die die lebendige Einwirkung
des Polnischen verraten (wie die Interjektion „Ifui“* für
Luth.: „Pfui dich“, poln. „tfu“, ferner „kielicha“, „Kollacien“,
„Lina“ „Palaciuna“, „ischparsamde“ —= wydawa€ usw.) — ge-
nau wie sich seine deutschen Sprachkenntnisse in der Weise
zeigen lassen (siehe die Beispiele unten) —, so wird wieder
sehr wahrscheinlich, daß Bretke lange Zeit in engstem Kontakt
mit Personen gestanden hat, die aus dem litauisch-polnischen
Kulturbereich kamen, oder daß er selbst da gewesen ist.
Kurz, wenn nicht archivalische Belege eindeutig zeigten,
daß Bretke in Bammeln, in Preußen, geboren ist, würde uns
seine Sprache zu der Annahme führen, daß Bretke aus Groß-
litauen stammt.
a) Beispiele altlitauisher Wörter bei Bretke:
*arraikis Grenze (Bezzenberger, B.G.L.S., S. 63);
*attakis Rache (Bezzenberger, B.G.L.S., S. 98);
*biloti, *bilau, *bilojau (Post, S.5: „bilotu“, VII 123v 10vu: „bilau“);
„dauksiaus“ (Komper.?) (VII 197r 3vu, Joh. 10,11: „...ir dauksiaus
turetu“, Vulg.: „...et abundantius, habeant“);
sea VII 104r 12vo, Mc. 15,29.
192
ET.
„dauksingesne“ (Komper.) (VIII 137: 10vo, 1. Tim. 1,14: „malone ||
id... || dauksingesne buwa“, Vulg.: „superabundavit“;
„daugsinoios“ (3.P.Sg. Prät) (Vulg.: crescebat, Luth.: „nahm zu“,
VII 2397 1vu, Act. 6,7);
„gramschkle“ (N.Sg.) (Randverb. für „...bedugno“; Luth.: „...Ab-
grunt...“; VIII 215v ivu, Apoc. 9,1);
„Medijas“ (N.Sg.) (Luth.: „Jeger“; I 13r 4vu, 1. Mos. 10,9); heute selten:
„medejas“ für „medZiotojas“);
„Medighistos“ (G.Sg.) (Luth.: „Weidwerg“; I 28r 6vu, 1. Mos. 25,28;
heute selten „medejyste“ für „medziokle“);
„nodemais“ (Adv.) (Luth.: „allerdinge“ = durchaus; VII 270r 41vu,
Act. 18,21) und: „nüdemais ne“ (Adv.) (Luth.: „überhaupt nicht“; VIII
61v 7vo, 1. Cor. 15,29);
„pawaislu“ (-stu?) (L) (Luth.: „...an Gebärden...“, Vulg.: „habitu“;
VIII 112v 2vo, Phil. 2,7);
„reikos“ (G.Sg.) (Luth.: „...der Noth...“; VI 8v 2vo, Ps. 10,1);
„szmo“ (N.Sg.) (Luth.: „...der Mensch...“; VII 127r 2vo, Lc. 7,34);
„apszolimeio“ (verbess.: -line; 3.P.Prät.) (Luth.: „...bezauberte...“,
Vulg.: „...seducens...“; VII 2457 7vo, Act. 8,9);
„Taloka“ (N.Sg.) (Randverb. für: „...Merga...“; I 38v 17vu, 1. Mos.
34,12) 08;
sW x alawa“ (3.P.Sg.Prät.) (Randverb. für: „...dirba“; VII 106v 2vu,
Me. 16,20).
Ebenso Bretkes „... Wara (verb.: Wora) rikschte“. (N. Sg.)
(am Rande dafür „Dangaus lankas“; VIII 210: 9vo, Apoc. 4,3),
das zum litauischen „orärykste“ — „Regenbogen“ gehört und
den altpreußischen Vorschlag von w vor anlautendem o und u
zu haben scheint, doch kommt diese Erscheinung auch in litaui-
schen Dialekten vor (Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 158 ff.,
$ 60).
Dazu kommen altertümliche Wortformen wie ,‚...wienas
liekas...“ (N. Sg.), VIII 234 3vu, Apoc. 21,20, Luth.: „...der
elfte...“, „...antras liekas...“ (N. Sg.) VIII 234 2vu,
Apoc. 21,20; Luth.: „...der zwölfte...“; „...biti buwen...“
für „...buwa...“ (3. P. Perf. ?), 1. Mos. 2,5, usw. Erwähnt
sei, daß bei Bretke wie auch bei einigen anderen altlitauischen
Autoren „szmones“ noch weiblich ist, z. B. „...szmones... |}
...piktas buwa...“, I 16° 15vo, 1. Mos. 13,13; „...Dweios
szmones...“ (N. Pl.) I 28: 18vu, 1. Mos. 25,23.
Im Folgenden Beispiele zur Veranschaulichung des Fremd-
665 Siehe hierzu E. Fraenkel, KZ. 51 (1923), S. 250.
13 Falkenhahn, Bretke 193
wortbestandes bei Bretke*. Unter dem Titel: „Geschichte“ ist
in manchen Abschnitten die Übersetzung oder der Gebrauch
eines Ausdrucks im Laufe der Arbeit Bretkes an der Bibel
verfolgt.
b) Germanismen.
Auffällig ist die verhältnismäßig ganz geringe Zahl von
Germanismen bei Bretke, die direkt aus dem Deutschen ent-
lehnt sind; sie zeigen zum allergrößten Teil die typischen Um-
gestaltungen des Slavischen, kommen also aus dem Polnischen
oder Weißrussischen. Der aus Preußen stammende Bretke hat
scheinbar bewußt die allzu deutsch klingenden Wörter ver-
mieden; so hat das Altpolnische z. B. „plantowa€“ und „flanco-
wa“ für „pflanzen“, Breike aber schreibt: „plantuoti“ (siehe
unten, S. 196).
a) Unmittelbar aus dem Deutschen entlehnte Germanismen.
„Tintu“ (1.Sg.) VIII 67v 3vu; Rand Br.: „Tinten“.
Geschichte: Am 3. März 1580 schreibt Bretke im Text: „...Ne tintu, bet l
Dwase“ und an den Rand: „Tinten“ (VIII 67v 3vu, 2. Kor. 3,5), später, na
Durchstreichung des „Tintu“, schreibt er darüber: „(czernilu)“, und an den
Rand zu „Tinten“ fügt er „czernilas“; am 17. März 1580 im Text: „...Tintu
(czernilu)....“, an den Rand nach 1590: „inkaustu“ (VIII 174v 6vu, 2. Joh. 12);
am 7. April 1590 im Text: „...raschiau... czer- I nilu...“ und am Rande
„tinte“, später am Rande dazu „inkaustu“ (IV 1287 11vo, Jer. 36,18).
„Wardelija“ (L.Sg.) VIII 204v 7vu; deutsch: Werder.
Geschichte: Am 25. März 1580 im Text: „...buwau I Werdelija Wardu
Pathmos“, am Rande nach 1590: „Salloie“ (VIII 204v 7vu, Apoc. 1,9), wohl
am gleichen Tage Text: „... Werdelei...“, Rand nach 1590: „Salos“ (2137
9vo); 21. April 1580 Text: „...Werdelis...“, Rand: „Insel“, später über
Text: „(Salas)“ (wann?), nach 1590 an den Rand: „Salawas“ (VII 256r 2vu,
Act. 13,6); 3. Mai 1580 Text: „...ateijom Salosp (Werdelop) ....“ (VII 291v
9yu, Act. 27,16), so noch zweimal in Act.; 9. Juni Text: „Karalei... Salu...“
(VI 63r 3vo, Ps. 72,10), ebenso nochmals im Psalter; in allen späteren Texten
nur „Sala“ usw.
Einige Lautveränderungen verraten Einfluß des Deutschen,
2.B.: „scheferu“ (G.Pl.) (VII 149r 6vu, Lec. 16,1), statt „schefaru“, wie es
nach dem poln.: „szefarz“ heißen müßte; wohl weil Bretke an deutsch:
„Scheffer, Schaffner“ denkt. An anderer Stelle schreibt er auch: „Scheffarui“
(D. Sg.) (VII 45v 4vu).
666 Zu diesem Abschnitt ist Pr. SkardZius, „Die slav. Lehnw. im Altlitaui-
schen“, weitgehend benutzt.
194
Auch eine Schreibung wie ,„Hertzigistu“ (VIII 99v 3vo, Eph. 1,21), die
offensichtlich durch das deutsche „Hertzig“ des 16. Jahrhunderts beeinflußt
ist, während Bretke sonst auch z. B. „Hertcikiu“ (VII 241r 9vu, Act. 7,10)
usw. hat, zeigt, daß Bretke deutsch kann; gleich in derselben Reihe schreibt
er die Affrikata c, nämlich in dem aus dem Polnischen entlehnten Worte
„maces“ (siehe Gerullis, Lit. Erbeid von 1572, in: Arch. f. sl. Phil., Bd. 40
(1926), S. 300).
£) Über das Polnische oder Weißrussische entlehnte Germa-
nismen im Litauischen Bretkes.
„falschiwa“ (A.Sg.M.) VII 256v ivo; Dauk., Mt. Wolf.P.; poln.:
„falszywy“.
Geschichte: Während Bretke am 16. Oktober 1579 „falsch“ wie folgt
übersetzt: „Malane testaw ne kitrauianti“ (VIII 28v 12vu, Röm. 12,9), gibt
er das Wort seit dem 17. Oktober durch „falschiwas“ wieder; „...falschiwi
Brolei...“ (VIII 88: ivo, Gal. 2,4); 21. April 1580: „...rado... falschiwa
Praraka“ (VII 256v 1vo, Act. 13,6), und öfter bis etwa 17. Mai 1580: „...iesch-
koia falschiwo (neteisaus) liudi- Il mo...“, (VII 63v 3vo, Mt. 26,60), 24. Mai
1580: „...schad- l liwos (falschiwos) burnos“ (später verb.: „schkadliwos“;
VI 137 Zvu, Ps. 17,1), ab 26. Mai 1580 meist: „...neteisus liudini- | kai“
(VI 25v 10vo, Ps. 28,12), 8. Dezember 1585: „Swaras ne tikras...“ (Ill 191r
1vo, Prov. 11,1) und so ähnlich bis 21. November 1590; „...neteisiaus Liu-
dimo...“ (I 2358r 5vo, 5. Mos. 5,17).
Doch kehrt er in Königsberg wieder zu „falschiwas“ zurück: z. B. 18. Ja-
nuar 1590: „...falschiwa Dwase...“ (III 687 13vu, 2. Chr. 18,21).
„Gualta“ (G.Sg.) VII 116r 2vo; nur Bretke; Dauk., Rehsa und Chyl.:
„gwoltu“ usw.; poln.: gwalt.
Geschichte: Etwa ?. März 1579: „...Gualta... ne darikite“, später (vor
1590) überschr.: „Newalios“ (VII 116r 2vo, Lc. 3,14), so öfter, bis 21. Mai
1580: „...stumda... ubaga gwaltu (sila)“ (VI 9r 2vo, Ps. 10,10). Danach
übersetzt Bretke mit „sila“ und, wie auch schon vorher, mit „mace“, doch
kehrte er nach 1590 wieder zu „gwolto“ zurück (Randbemerkung II 156r 8vu,
2. Sam. 22,3). Rehsa setzt für Bretkes „gwaltu“: „gwoltu“, er kannte es also.
„Kelika“ (A.Sg.) VII 162r 6v0o; Mosv., Waischn. und Will. haben
„kilikas, kilicha“ usw., Dauk., Sir. haben „kielikas“ usw.; poln.: kielich.
Geschichte: Mitte März 1579: „...kelika“ (VII 162r 6vo, Le. 22,17) und
oft. 22. Februar 1580: „...kelichas“ (VII 52r 7vo, 1. Kor. 10,16) und öfter
bis 14. Mai 1580 ff, wo Bretke „kielicha (VII 46v 12vu, Mt. 20,23) schreibt;
so öfter vermischt mit „kelichas“, 1590: „kelichas“,
„Lina“ (A.Sg.) VII 287 1vo (verb. nach 1590 in „knata“ (weißr. oder
poln.)); Sir.; poln.: lina.
Geschichte: Am 13. Mai 1580 übersetzt Bretke „Lina“ (siehe oben,
Mt. 12,20), am 19. März 1590: „...knata smilkstanti...“, doch schreibt er
zweifelnd an den Rand: „glimmende tocht“.
13% 195
„plantawa“ (später verbess.: „czepija“) (3.P.Prät.) VII 152r 10vo,
Le. 17,28; Luth.: „...pflanzten...“; altpoln.: plantowad. (Auch „plantija“
VII 157v 12vo, Lc. 20,9; Luth.: „...pflanzte...“.)
„plona“ (später verb.: „klüna“) (A.Sg.) VII 9r 4vo; Mt. 5,12; Luth.:
„»... Tenne...“; altpoln.: plan; (preuß.: plonis).
Geschichte: 11. Mai 1580: „...Ghissa () plona (kloghima) sawa
schluos...“ („plona“, verbess.: „klüna“; siehe Beispiel). 5. September 1588:
„...Klünus (plana)“ (A.); 5 Zeilen weiter: „...pas Plana...“ (am Rande
nach 1590: „kloghima“ (I 56r 17 u. 21vu, 1. Mos. 50,10 f.); 28. August 1590:
„... wissi pla(?)nai (verbess.: klünai)...“ (V 7v 18vo, Hos. 9,2)).
„Riceriste“ (A.Sg.) VIII 231r 4vu; Rand: „heer“; das von „Ricerus“
„helt“ (N. Sg.) II 43r 14vo; poln.: rycerz; Dauk.: ricierius („...regeiau...
in Riceriste (pulkus)....“).
Geschichte: Bretke verwendet die Wörter gelegentlich während der gan-
zen Zeit, wenn er’ auch „Heer“ öfter mit „...kari...“ übersetzt (z. B. VII
50v 8vo, Mt. 22,7).
„schirmawoiu“ (1.P.Sg.) VIII 51r 7vo; Wolf. P, Will.; altpoln.:
szyrmowa& („...schirmawoiu (kariauiu) ne ora muschdams...“.
Geschichte: Am 21. Februar 1580 übersetzt Bretke „fechten“ wie das
Beispiel zeigt (1. Cor. 9,26), am 2. März mit: „...karawau...“ (später
„kariawau“; VIII 61v 13vo, 1. Cor. 15,32).
„szalnerius“ (A.Pl.) VII 125v 5vo; Dauk., Will, Chyl. haben Szal-
nierus usw.; poln.: zolnierz („...turis... szalnerius...“).
Geschichte: Stehender Ausdruck für „Kriegsknecht“.
y) Aus dem Deutschen oder über das Polnische entlehnte
Germanismen.
„bota“ (A.Sg.) VII 291 Zvu; Wolf. P.: „batas“; deutsch: „Boot“ oder
altpoln.: „bat“.
Geschichte: Am 3. Mai 1580 im Text: „...sugrebem Walti (bota) ...“
(VIT 291v 7vu, Act. 27,16); am 9. Mai 1580 im Text: „...idant iam Boteli
gata- ll wa turety...“ (VII 73v 13vu, Me. 3,9); am 12. Mai 1580 im Text:
„»...ıir Laiwas H wilnimis apdengiams buwo...“ (VII 20r 15vu, Mt. 8,24).
„trapump“ (III.Pl.) VII 279r 7vo; 2. Kön.: „stuffe“; deutsch: „Treppe“
oder alipoln.: trepy.
Geschichte: 1. Mai 1580 Text: „...ataijo trapump...“, darüber nach
1590: „Kopecziump“, ebenso am gleichen Tage Text: „...ant trapu...“,
darüber nach 1590: „Kopecziu“ (VII 279: 7vo und 4vu, Act. 21, 35 und 40);
31. Dezember 1589 Text: „nori de- || schimti trapy...“, Rand: „stuffe“, nach
1590 „schinksniu“, „pakopa“, „pakopu“ (II 222r 4vu, 2. Kön. 20,9).
Lehnübersetzung aus dem Deutschen oder Polnischen ist.
z. B.: „...pristaket...“ in „...pristaket ie...“ VIII 34’ 8vu,
Röm 16,2; Luth: „...tut ihr Beistand...“, poln.: przystad =
sich anschließen, zu jemand treten.
196
rg
c) Slavismen.
a) Beispiele polnischer Lehnwörter bei Bretke.
„Anialui“ (D.Sg.) VIII 205 9vo; Mosv.: Pietk. und Post. 1600 haben
„Aniolas“ usw.; Dauk., Sir, Chyl. haben „anielas“ usw.; poln.: aniol, alt-
poln.: aniel.
Geschichte: Mitte März 1579: „...Angelas...“ (VII 113r 10vo, Le. 2,9),
so bis 25. März 1580; „...Anialui...“ (später verb.: „Angelui“, VIII 205v
9vo, Apoc. 2,1), so oft, 7. April 1580: „...Anielas“ (später verb.: „Angelas“;
VII 237v 4vu, Act. 5,19), so oft, 3. Mai 1580: „...Anialus“ (später verb.:
„Angelus“) (VII 175v 7vu); 6. Mai 1580: „...Anielas...“ (später verb.: „An-
gelas“; VII 204v 11vo, Joh. 12,29), so oft, 20. Juni 1580: „... Anialams...“
(später verb.: „Angelams“; VI 82v 5vo, Ps. 91,11), so noch oft; 25. Juni 1580:
»... Anialus...“ (später verb.: „angelus“; VI 91r 13vu, Ps. 104,4); 22. No-
vember 1585: „...Angelas...“ (V 87v 4vu, Tob. 3), so oft; 28. Juli 1590:
»...Angelu...“ (V 9v 17, Hos. 12,5), so bis zum Schluß.
„assabliwai“ (Adv.) I 54v 9vu, 1. Mos. 48,22; „assabliwa (A. Sg.)
I 687 17vu, 2. Mos. 8,22; poln.: osobliwy; siehe Bezzenberger, B.G.L.S.,
S. 273.
„bespiecznas“ (N.Sg.) IV 14v 4vu; nur Br.; poln.: bezpieczny.
Geschichte: 8. Dezember 1585: „...tur stipra (ischtikima) Pilli...“ (III
193v 7vu, Prov. 14,26); 31. Oktober 1589: „...bespiecznai giwe- | naces
(TI 149v 18vu, 1. Reg. 5,5); 19. Januar 1590: a: Obivekleiee| usit be-
spieczni...“, Rand: „sicher“, nach 1590 auf Rand: „spakaini“ (Ill 7iv 12vo,
2. Chr. 20,20), so noch öfter.
„brona“ (N.Sg.) VII 18r 2vo „pforte“; nur Bretke und 1653 Knyg.
Nob.; altpoln.: „brana“.
Geschichte: 12. Mai 1580 Text: „...brona (Wartai) ira ardwus...“, »
Rand: „Pforte“ (Mt. 7,13), doch 14. Juli 1588 Text: „...schieze ira Duris,
(Langa, l Wartai) Dangaus“ (I 32r 14vo, 1. Mos. 28,17).
„Galileiczi- l kas“ (N.Sg.) (später verb.: „isch Galileiu sze- I mes“)
VII 102v 3vo, Me. 14,70; Wolf. P.; Will.; Luth.: „...ein Galiläer...“, poln.:
galilejczyk.
„Gre- || kais“ (I.Pl.) VII 2487 12vo, Act. 9,29; Luth.: s... mit den
Griechen ....“; poln.: grek.
„BEgijpciakai* (N.Pl.) VIII 199r 8vu, Hebr. 11,29; Luth.: „...die
Ägypter“; poln.: ?,
„ralmusznas“ (A.Pl.) VIlv 7Zvu; Wolf. Pl, Dauk.; poln.: jalmuzna.
Geschichte: Nur zu Beginn der 1. Periode, etwa Mitte März, schrieb
Bretke das erstemal: „...ialmosznas“ (VII 139r 13vu, Lc. 11,41), später
immer „ialmusznas“ usw.
„inkaustu“ (l.Sg.), Luth.: „...Tinte...“; poln.: inkaust (siehe Bei-
spiel im Abschnitt über „Tintu“, S. 194).
19%
„Kollacien“ (A.Sg.) I 23r 16v0; Wolf, P., Dauk., (doch diese haben
„Kalacija“ usw., Br. hat in der ersten Silbe o wie poln.: kolacja, aber wohl
auch unter dem Einfluß des lat. collatio, denn er schreibt wiederholt:
„Collacia“, VII 121v 7vu, 146r 3vo, desgl. III 135r, 9 und 19vo, das er nach-
träglich in „Kollacia“ verändert) („...pakiele dide Kollacien ...“).
Geschichte: Bretke hat das Wort stets; er hatte zu Anfang „Col-...“.
„krapele“ (Bretke später Rand: „tupslis“) (N.Sg.) VII 12v 4vu,
Mt. 5,18; Rand: „tittel“; altpoln.: kropia (Bezzenberger, B.G.L.S., S. 296).
„uszmeschkoia“ (3. Präs.) VIII 166r4vo und öfter; nur Bretke; poln.:
mieszka& („...ne trukin, (ne uszmeschkoia) Paszadeghima ...“).
Geschichte: Bretke übersetzt „verziehen“ noch März 1579 mit „trunka“
(VII 142v 2vo, Lc. 12,45 und VII 152v 11vu, Le. 18,7); am 16. März 1580:
„... uszmeschkoia“ (siehe Beispiel, 2. Petr. 3,9), danach 25. März 1580: „...ne
trukdams...“ (VIII 197r 12vo, Hebr. 10,37); am 16. Mai 1580: „uszutruka...“
(Prät.) VII 57r 1vu, Mt. 25,5; 29. Mai 1580: „ne truk“ (Imper.2.Sg.; VI 36
11vu, Ps. 40,18), ebenso 16. und 19. November 1585 (V 101v 5vo, Sir. 5,8 und
V 111v 2vo, Sir. 18,22); 25. August 1588: „...meschkoia...“, Rand nach 1590:
„trukka“ und 4. September: „...meschkoie...“, Rand nach 1590: „trukke“
(I 387 2vu und 49r 8vo, 1. Mos. 34,19 und 43,10); 20. September 1589: „...usz-
truka...“ (Prät. II 137 17vo, Jos. 10,13); 1. Oktober 1589: „...trunka...“
(Präs. II 35: 3vu, Judic. 5,28); 1. September 1590: „...unsztrunk...“ und
„»... usztruks...“ (V 35r 17 u. 18vu, Hab. 2,5); 20. Oktober 1590: „...trun-
kanti...“ (I 1057 10vo, 2. Mos. 32,1).
„Nazarenska“ (A.Sg.M.) VII 1687 3vu; Will; poln.: Nazareiski;
„Ape Jesu Nazarenska“).
„palaciu“ (A.Sg.) VII 138r 4vo; Will.; Dauk.; Sir. und Rehsa, Ps. 45
(letzterer hat „palliociaus“ für Bretkes „namy“, er kannte es also; Br.
schreibt ebenda Vers 16 an den Rand: ‚„ palaciuna): poln.: palac.
Geschichte: Bretke schreibt Mitte März 1579: „...palaciu...“ (siehe Bei-
spiel, Lc. 11,21), doch unterschied er damals a und o nicht; später, als er
a und o auseinanderhält: „...palocius...“ (10. Mai 1580, VII 99v ivo,
Me. 14,15); 9. Juni 1580: „...dwaras...“, nach 1590 überschrieben: „Pala-
cius“ (VI 63v 12vu, Ps. 73,4); 6. Juli 1580: „dwarosyu...“, Rand nach 1590:
„Palaciosa“ (VI 115v 14vu, Ps. 122,7); 28. März 1590: „...Palacius...“ (VI
86r 15vu, Jer. 9,20); 29. August 1590: „...Palaciu...“ (V 18r 2vu, Amos 6,8).
„patskarbinikas“ (N.Sg.) VIII 36r 9vu; nur Bretke altpoln.: pod-
skarbnik (,„...miesta patskarbnikas...“).
Geschichte: Immer beibehalten.
„prawodik“ (2.P.Sg. Imperat.) VI 67 5vo; nur noch 1655 Knyg. Nob.;
poln.: prowadzic; Rehsa ersetzt es Ps. 7,10 durch „gaelbek“; („...prawodik
Teisiuosius...“).
Geschichte: 21. Mai 1580: „...prawodik...“ (siehe Beispiel, Ps. 7,10),
später übersetzt Bretke „fördern“ mit „paskubinti“, so am 29. Mai 1590:
»... paskubin...“ (VI 35r 1vo, Ps. 37,23).
198
„rasgrieschitis“ (Infin. Refl) I 200r 15vu; nur Bretke; poln.: roz-
grzeszy6 sie.
Geschichte: 30. Mai 1580: „... Atgriekauk mane“ (VI 45v i1vu, Ps. 51,9);
14. November 1590: „...atsigriekauti...“, Rand: „entsündig[en]“, später
auf Rand zugeschrieben: „rasgrieschitis“ (siehe Beispiel, 4. Mos. 19,13).
„Samaritan-|| ka materischke“ (N. Sg.) VII 179v 10vu, Joh. 4,9;
Luth.: „...das samaritische Weib...“; poln.: samarytanka.
„Sezepona“ (A.Sg.) VII 244v 15vo, Act. 8,2; Will.; altpoln.: Szezepan.
„serce“ (A.Sg.) I 231v 16vu; nur Bretke; poln.: serce.
Geschichte: 25. März 1580: „...dumoia...“ (VIII 200r 14vo, Hebr. 12,3);
18. März 1590: „Duma prota...“, Rand: „Mut“ (IV 39r 3vo, Jes. 37,7);
20. November 1590: „...usskietawa io dwasse“, Rand: „Mut“, später auf
Rand zugeschrieben: „serce“ (siehe Beispiel, 5. Mos. 2,30).
„newdzenczni“ (in Klammern hinter „nediekingi“) (N. Pl.) VIII 146r
11vo, 2. Tim. 3,2; Luth.: „...undankbar...“; poln.: niewdzieczny.
„Wlachu“ (G.Pl.) VII 269: 5vo; nur Bretke und Dauk. (letzterer hat:
„Wiaküse“ (L.Pl.); poln.: Wiochy („...isch Wlachu sze- I mes...“).
Geschichte: 26. März 1580: „...isch Italios (isch Walachu szemes)“
„...isch Italios...“, Rand nach 1590: „walachu Szemes“ (VIII 205r 2 u. 4vo,
Hebr. 13,24 und 25); 28. April 1580: „...isch Wlachy sze- I mes...“ (VII 269r
5vo, Act. 182); 2. Mai 1580: „...ing Wlachy szeme...“ (VII 290v 9vo,
Act. 27,1).
ß) Lehnübersetzungen.
Viele Wortbildungen bei Bretke sind nicht, wie nach seiner
Herkunft sowie seinem Bildungsgange — soweit er bekannt
ist — zu erwarten wäre, aus dem Deutschen oder Lateinischen
zu erklären, sondern sind offensichtlich Lehnübersetzungen
aus dem Polnischen, die Bretke zum Teil allein, aber zum Teil
mit großlitauischen Autoren gemeinsam hat; diese Lehnüber-
setzungen verraten auf jeden Fall ein Litauisch, das nicht
unter deutschem, sondern unter polnischem Einfluß steht”.
So z. B.:
„ischparsamde“ (3.Prät.) VII 49v 3vo; poln.: wynajmowa& (,„...isch
parsamde ig Winicznika- || mus.. =):
„perszegnoghimas“ (N.Sg.) VI 4r 8vu; altpoln.: przezegnanie;
Rehsa dafür: „Szegnone“ (Ps. 3,9), er kannte das Wort also; in der Form
von „szegnosiu“ Bretke, I 14v 2vu und „Szegnone“ noch Will, Dauk., Piet.;
poln.: zegna6, zegnanie („...ir tawa perszegnoghimas ant || tawa Szmo-
DIUN ...
87 Siehe auch unten, S. 224 f.
199
Geschichte: „Segen“ übersetzt Bretke: 17. Oktober 1579: „...szegna-
ghimu...“ (VIII 34: 5vu, Röm. 15,29), so bis 20. Mai 1580, von wo ab Bretke
auch „perszegnoghimas“ (siehe Beispiel, Ps. 3,9) verwendet, so bis zum
Schluß; 26. November 1590: „...Perszegnoghimas...“ (I '279v 16vo, 5. Mos.
33,1).
„perszegnaia“ (3.Prät.) VII 170v 1vo; nur Bretke (1653 Summa Th.);
poln.: przezegnae.
Geschichte: Etwa 7. März 1579: „...szegnaia l iemus Simeon“ (nach
1590 Rand: „(paschlowina)“) (VII 114r i1vu, Le. 2,34); 30. März 1579: „...ir
(Jesus) perszegnaia ios...“ (darüber vor 1590: „atsisueikima (!)...“) und
»...kaip || perszegnaia ios“ (Rand nach 1590: „paschlowina || iemus“) (V II
170v 1 und 2vo, Lc. 24,50,51); 27. Oktober 1579: „...szegnaia mus...“
(VIII 98: 11vu, Eph. 1,3); 7. April 1580: „...idant ius perszegnotu ...“ (VII
. 234r 7vu, Act. 3,26), so bis zum Schluß; 15. November 1590: „kuri I tu szeg-
noghi...“ (I 204v 19vo, 4. Mos. 22,6).
„prasideio“ (3.Prät.) VIII 176v 14vu, Jac. 1,15; Luth.: „...emp-
‘ (poln.: pocza€ = beginnen,
fangen hat...“, Radz.: „...paciawszy...'
schwanger werden).
„sunkiamus“ (D.Pl.Fem.) VII 1607 1vu, Le, 21,23; Luth.: „...den
Schwangern...“; altpoln.: ciezka = schwanger.
y) Beispiele weißrussischer Lehnwörter im Litauischen
Bretkes.
nechwalczewo- I to“ (G.Sg.) (Bretke Rand, nach 1590, für Text:
»... cZisto...“) VII 203r 5vo, Joh. 12,3; Luth.: „...ungefälschter“; weißruss.:
„XBanbinasämg“eee, (D. Gallus schreibt: „ne qwaleziawaiem“, Rand VIII
69r 2vo, 2. Cor. 42; für Br. Text: „...ne smirdawodami (kitraudami)...“
und Br. Rand: „felsch[en]“).
„ezeresla“ (A.Sg.) VII 207°: 3vu; nur Bretke und Gallus (siehe Bei-
spiel „Kolita“ S. 202; weißr.: yepecno.
„ezer-Iniliu“ (1.Sg) (Br. Rand.: „tinte“, später Br. Rand: „in-
kaustu“) IV 128r 11vo, Jer. 36,18; weißruss.: yapHina®® (siehe Abschnitt über
„Tintu“, S. 194).
„prissigadija“ (3.Prät.) VII 265r 1vo; Wolf. P.; weißr.: Tansimma®
(„... prissigadija, kaip eiom....“).
„kwarschini“ (2,P.Sg.Präs.) (Gallus Rand: „pabosti“) VII 78v 8vu,
Me. 5,35; Luth.: „...mühest du...“ Auch Z. Blothno kennt das Wort: er
übersetzte Tob. 2,23 (V 867 11vo): „Tokeis ir tam ligeis szodzeis ghi ll ghij
ija wargiu dielei kibinoia l aın ((von Bl. durchstr.)) od[er] kwarschinoia“
(Bretke: „...mete ghi iam uszu akis io || wargus...“; Gallus schrieb an den
008 Neuweißrussisch: DaubımaBäurp (Hekpamssiy-baükoy).
e® HocoBHYB: YEPHANO.
0 HocoBHyp: TOomaTbca.
200
Rand: „warff sie jm sein elend fur 1 permete ghi jam ja wargus‘). Vulg.: ,
»... vexas...“; altweißruss.: *xBapmmmp?81 (Siehe poln.: „forsa“; Brückner,
„Siown. Etym.“) Siehe auch Bezzenberger, B.G.L.S., S. 297.
„nekwartuna“ (N.Sg.) VI 6v 6vu; nur Bretke, weißr.: xBopTyHa.%”?
Geschichte: 21. Mai 1580: „...nekwartuna...“ (siehe Beispiel, Ps. 7,17;
Rehsa ersetzt es durch „nepalaima“); 5. Juli 1580: „...palaima“ (VI 115v
13vu, Ps. 122,6); 18. November 1585: „...palaims bei nepaleims“ (N. Sg,,
später nach 1590 verb. in: „palaima bei nepaleima“, V 106r 9vu, Sir. 11,14);
25. November 1585: „...welidami iam chwar- l tunos, dzaukdamies wissi
su iü isch chwar- l tunos, kure iam Diewas buwa darens“ (V 94v 8—11vu,
Tob. 11,17); 2. Dezember 1585: „...Durnuiu palaimas nuszawin iüs...“ (III
184v 15vu, Prov. 1,32).
„melniczas“ (G.Sg.) VII 151r 5vo; Sir; Dauk.: weißr.: MejIbHAuNa
(„...akmo malu- || na (melniczas) ...“).
„pahani“ (A.Sg.) VIII 141r 5vo, 1. Tim. 5,8; Luth.: „...ein Heide...“;
weißruss.: IOTäHB.87%
„plemes“ (G.Sg.) VIII 136r 6vu; Wolf. P, Dauk.; weißr.: unema
(„... Reijstru plemes...“).
1. „Welbludo“ (G.Sg.) VII 69r 9vu, und 2. „Werbludy“ (G.Pl.
I 157 2vo.
1. Mosv.; 2. Will; Dauk.; weißr.: Ben6noAB Bep6nomp* („... Wel- N
bludo gaurais...“, „...iam buwa Werblu- l dumas)s
Eine Lehnübersetzung aus dem Weißrussischen ist z. B.: „...uszei-
kite...“; Luth.: „...Kehret ein... “5; weißr.: 3axansiub = herangehen, be-
suchen.
6) Lehnwörterbeispiele aus dem Weißrussischen oder Pol-
nischen.
„daswalik“ (2.P.Imp.) V 22v 6vu; nur Bretke; weißr.: NasBöninp®”®
oder poln.: dozwolic.
Geschichte: 26. Februar 1586: „...ne daswalik mums prapulti...“ (später
darüber: „dük“) (siehe Beispiel, Jon. 1,14); 20. Oktober 1590: „...pamileisk, lt
idant mana kerschta... ikirsch- ll tu...“ (I 1057 16vu, 2. Mos. 32,10).
„Gunias“ (A.Pl.) VII 269r 12vo; Rand: „Teppich“; Sir.; weißr.: Tyna,
#ı Neuweißrussisch: Dapciup = wichtig tun, prablen, Hekpamasiy Baikoy.
672 Neuweißrussisch: Dapryna.
#8 Zu dem Weichheitszeichen -p, das das litauische *pahanis fordert, siehe
Hekpamasuy-baikoy, S. 392.
67% Neuweißrussisch: BapOnton.
#75 ] 21r 12vo, 1. Mos. 19,2.
6° HoCoOBHYB! NO3BÖNHTB.
201
poln.: gunia („...dariti || kaurus (alij Gunias)....“). Beide Substantive sind
nachträglich in den im Text leer gelassenen Platz eingetragen, und zwar das
erstere nach 1585, da Gallus zu Bretkes Randbemerkung „tepich“ und zu
dessen Text „dakieis“ vom 7. Dezember 1585 „kaüras“ und „kaurais“
schreibt (III 188r 3vo). Bretke kannte das Wort also 1585 noch nicht. Die
erstangeführte Stelle (VII 269r 12vo) befindet sich in Act, das Gallus nicht
korrigierte”, die zweite in Prov.; am 23. März 1590 schreibt Bretke im
Jesaiatext sofort: „...ischklok kaurus“ (IV 59r 19vu), dagegen schreibt er
nach 1590 zu allen drei Stellen „Gunia“ usw., dabei beging er sogar damals
noch den elementaren Schnitzer, zwar am Rande „Gunia“ neben „tepich“
und Gallus’ „kaüras“ zu schreiben, doch im Texte änderte er sein „dekieis“
und das „kaurais“ von Gallus in „guneis“!
„Hetmanas“ (N.Sg.) VII 258r 6vu; so nur Bretke; Will, Dauk. und
die Postille von 1600 haben „Hetmonas“ usw. (Bretke unterschied damals
o und a schon sehr genau!); weißr.: T'ermaH® oder poln.: hetman, wahr-
scheinlicher ist jedoch, daß Bretke durch das Polnische beeinflußt ist);
(„...nueija I Hetmanas (Wiriausis su Tarnais)....“).
„kolita (A.Sg.) VII 207 3vu; Sir.; weißr.: kanmtä, altpoln.: kalita
(„... Judoschus I kolita (czeresla) tureio...“; später Rand: „(maiszeleli)“;
zu dem etwas später geschriebenen „...penigu iostoia...“ bemerkt Gallus
am Rande; „im gurtel Cziariasle“ (VII 80r 14vo), etwa 8% Jahre später,
schreibt Bretke im Text sofort „czeresleli, wozu er jedoch zweifelnd an den
Rand „bündlein“ notiert. Hierzu setzt Gallus nun wieder „rischuli“ (I 48V
8vo); siehe auch weißr. Beispiel „czeresla“.)
„praparcze“ (A.Sg.) VI 18r 1ivo nur Bretke; weißr.: Ipamopeyb
oder poln.: proporzec; (,„...pakieliam l praparcze“ verb. in „Karuna (wie-
luka)“, am Rande „Panir, uexillu[m]“, später schrieb Bretke an den Rand:
„Karuna || Draucze || plrlapartis || kapie“. Diese Textstelle ist am 25. Mai
1580 niedergeschrieben; vorher am 3. Mai übersetzte er noch „Szenkla“, wozu
er noch an den Rand „Panier“ setzt; erstere ist später mit „Karuna“ über-
schrieben, zu letzterem fügte Bretke „prapartis“; 11. März 1590: „prapar-
cziu“ (A. Sg.), verb.: „Karuna (wieluka)“, IV 7v 12vo; 13. März desgl. (zwei-
mal)).
„Stracha“ (A.Sg.) VII 55r 3vu; nur Bretke, der hier sonst a und o
unterscheidet. Piet. und Chyl. haben „strochas“ oder das im Litauischen
lautlich richtige „strokas“ usw.; („...ischwisite Neapi- l kanta (Stracha)
ischpustighimo...“; Bretke gibt das Lehnwort auf: 23. November 1590:
»... Neapikanty (biau- I ribiu) ...“ I 256r 17vo).
&) Beispiele altpreufischer Lehnwörter.
„Alwo“ (G.Sg.) III 162r ivu; preuß.: alwis.
Geschichte: „Blei“ übersetzt Bretke am 1. März 1590: „Alwo“ (siehe Bei-
spiel, Job 19,24); 30. August 1590: „Alwo wirwe“ (V 19r 1ff.vo, Amos 7,8 ff.);
nach 1590: „schwins“ (I 79v 1ivu, 2. Mos. 15,10).
#77 Siehe unten, S. 245.
202
„ausinas“ (N.Sg.) VIII 193v 1f.; preuß.: Ausis.
Geschichte: Bretke übersetzt „Gold“, „golden“ usw.; 15. Februar 1580:
„auksini“ (VIII 145v 13vu, 2. Tim. 2,20) usw.; 24. März: „au- I sinas“ (VIII 193v
1£., Hebr. 9,4); 25. März 1580: „aukso“, „auksina“ (VIII 205r 11 und 15, Apoc.
1,12££.); 25. März (VIII 211v 3£.vo, 210r 15vu, 211r 1vu) usw.: im ganzen
18mal; am 30. April: „Aus- ll kale“ (am Rand nach 1590: „Salatorius“ N. Sg.;
VII 272v 3f.vo, Act. 19,24); am 11. März 1580: „auksa“ (VII 7: 5vu, Mt. 2,11);
12. November 1585: „auk- l sas“ (V 99r 15f.vo, Sir. 2,5) usw.; 3. Juli 1588:
„auksas“ (I 4r 7vu, 1. Mos. 2,12) usw.; so bis zum Schluß, dabei aber:
31. Januar 1590 „aus- |] kalljs“ (verb. in „Aukskalljs“; III 117v 5—4vo;
Nehem. 3,8, siehe auch III 1187 oben, Nehem. 3,31 f.); 18. März 1590: „Auska-
lis“ (Rand: „Salatoras“) „...auksu...“ (IV 45r 4f.vo, Jes. 40,19); 3. Sep-
tember 1590: „Auskalio“ (Rand: „Salatoriaus“; V 50v 16vo, Mal. 3,2); 20. Ok-
tober 1590: „ausinus“ (später verb.: „auks-“; I 107r 15vo, 2. Mos. 32,31).
„pabalg- | nawa“ (3.P.Prät.) (I 24r 6f.vo); preuß.: balgnan.
Geschichte: 15. August 1590: „pabalg- || nawa“ (siehe Beispiel, 1. Mos.
22,3); 11. November 1590: „pabalgnawa“ (I 205v 3vo, 4. Mos. 22,21).
„Buttai“ (siehe unten) und
„Buda“(?) (N.Sg.) (Rand: „hutt[en]). In Randbemerkung Bretkes nach
1590 zu 2. Mos. 26,9: „Taworelis. Buda aber || ist Preüsch“; preuß.: buttan
Neutr..
Geschichte: Bretke übersetzt „hütte“ wie folgt: ? März 1579: „giweni-
mus“ (VII 149v 7vu; Le. 16,9); 4. März 1580: „...szinnom, jei musu sze-
misch- I ki... Namai (später verb.: „Buttai“, Rand: „hütten“) schyu Name-
liu, N suarditi (verbess.: „ischarditi“) bus, kaip (verbess.: „iog“) budawone
turrim I nüg Diewo budawota. Namus (später verbess.: „Buttus“) ne \
...daritus...“ und öfter so (VIII 70r 7—12vu; 2. Kor. 5,1f£.); ebendann:
Text: „...Namelusu...“, dazu später am Rande: „Buttüsa“, das später
durchstrichen und dafür: „Namelüsa“; 24. März 1580: „...Schetra...“ (VIII
194r 1vo; Hebr. 9,11) und so oft abwechselnd mit „...namo- I su“, z.B.
(VI 12r 3vu; Ps. 15,1): 4. Juni 1588 im Text: „...budoie...“ (Rand:
„hutt[en]“, dazu Bretke: „schetre“, dazu D. Gallus: „Namme“, dazu Bretke:
„Budeleie“) (I 12v 1vu; 1. Mos. 9,20) und so fort; 25. November 1590:
»...Budele...“ (Rand: „Tabernakulana“) (I 276r 7vo; 5. Mos. 31,14).
„burwalkus“ (A.Pl.) II 24r 4vu; synonym mit „Dwarus“ ebenda;
preuß.: burwalkan.
„Deiwatu (Bretke verb. später „-wot-“) (G. Pl.) VIII 13r 5vu, Röm. 5,6;
Luth.: „...Gottlosen...“; preuß.: deiwuts; siehe Bezzenberger, B.G.L.S.,
Seite 280,
„Giegals“ (N.Sg.) (Bretke verb. später: „Narras“) I 251r 4vo, 5. Mos.
14,13; Luth.: „...der Teucher...“; preuß.: gegalis V. Siehe Bezzenberger,
B.G.L.S., S. 284.
„gurklei“ (D.Sg.) III 200r 12vu, Prov. 23,2; Luth.: „...an deine
Kele...“; „...kaklui | (Gurklei)....“ (D.Sg.) III 2187 8vu, Cant. 2,5; Luth.:
»... meiner Kele...“; preuß.: gurkle. Siehe Bezzenberger, B.G.L.S., S. 286.
203
„kreklas“ (N.Sg.) VIII 138r 2vu, Le. 11,27; preuß.: kraklan.
Geschichte: So oft, doch auch: „prieg krutu augiwes“ (VI 19r 10vu,
Ps. 22,10).
„liginti“ (Inf.) VIII 184 2vo (Gallus korrigiert: „suditi“); preuß.:
ligint, ligan.
Geschichte: Bretke übersetzt „richten“ und „Gericht“ Mitte März 1579:
„sudiju“ (VII 155r 5vu, Le. 19,22); so öfter bis 1. Mai 1580: „ligu (VII 285v
9vo, Act. 24,25; 4. Mai 1580: „liginti“ (siehe Beispiel, Joh. 5,27), dies mitten
unter Beispielen. von „Sudas“ und „suditi“; also sporadisch!
„Mate“ (Gallus verbess.: „Matina“) (N.Sg.) VII 129r 7vo, Lc. 8,20;
Luth.: „...Mutter...“; preuß.: „mothe“ V, „muti“ III (Trautmann, Sprachd.,
S. 381).
Geschichte: Bretke übersetzt „Mutter“ Anfang März 1579: „...augiwe“
(VII 111r 13vu, Le. 1,43); Mitte März 1579 ebenso (VII 125v 6vu, Le. 7,12);
ebendann „Mate“ (siehe Beispiel); 17. Oktober 1579: „...augiwes“ (VIII
87 6vo, Gal. 1,15); 19. .Oktober 1579: „...Matina“ (Bretke verbess. später:
„Motina“) (VIII 93v 5vo, Gal. 4,26); 15. Februar 1580: „...augiweie...“
(VII 144r 9vo, 2.:- Tim. 1,55); 31. März 1580: „...Mote...“ (VIII 226v 8vu,
Apoc. 17,5); 3. Mai 1580: „...Motina...“ (VII 175v 1vu, Joh. 2,1), hinfort
fast nur „Motina“, selten „Augiwe“. In der Postille (S. 100) auch „...gim-
diwe...“.
„medzio szwieris“ (Gallus Rand: „wilden thier l medinas szwie-
ris“) (VI 7r Zvu, Ps. 8,8): preuß.: median?.
Geschichte: Bretke übersetzt „wild“: 11. Mai 1580: „...Medu lauko...“
(Rand: „Wildhonig“; VII 8v 4-5vo, Mt. 3,4); 15. Oktober 1579: „... medins
Oleiaus medis...“ (VIII 26v 7vo, Röm. 11,17); 15. Februar 1580: „...szmo-
nes... bau- Il gus...“ (VIII 146r 12vo, 2. Tim. 3,3); 2. März 1580: „...su
me- |] dinamis szwierimis...“ (VIII 61v 12—13vo, 1. Kor. 15,32) usw.; „wild“
von Menschen auch: „piktas“, „smarkus“.
„nogna“? (A.Sg.) (Randverbess. Bretkes) II 32v 2vu, Judic. 3,22; Luth.:
»... das hefft...“; preuß.: nognan V = Leder.
Geschichte: Bei der Übersetzung des Luthertextes: „...vnd das fette
das hefft verschlos...“ ließ Bretke zunächst das Wort für „das hefft“ aus:
„ir taukai... l ...apdenge“, und schrieb an den Rand: „hefft“, neben das
er später „capulus“, „turekla“, „ramezius“ setzte, was aber wieder durch-
strichen wurde, und wofür er „nogna“ schrieb; in die leere Textstelle schrieb
er gleichfalls später „an- l sa“, an den Rand schlieRlich „nogna apdenge“.
„riedas“ (verbess.: „redas“) (A. Pl.) VI 55v 7vu, Ps. 65,11; preuß.: redo.
Geschichte: 7. Juni 1580 siehe Beispiel; 6. Juli 1580: „...redas...“ (A)
(VI 118r 2vo, Ps. 129,3); 8. Dezember 1585: „...redosu...“ (III 193r 15vo,
Prov. 13,93); 28. August 1590: „...redu...“ (G.Pl; Rand: „furch“, später
dazu: „wagga, tarpljsiu“; V 87 12vo, Hos. 10,4). Siehe auch Bezzenberger,
B.G.L.S., S. 319.
„saluba“ (A.Sg) (Rand: „Gemahl“) VII 6r 9vu; preuß.: salluban
(A. Sg.).
204
Geschichte: Der am 11. Mai 1580 geschriebene Text: „...nessibi- || iak
Marios taw paszadetos prijmti...“ wird vor 1590 von Bretke verbessert:
„Maria tawa Saluba“ (VII 6r 9vu, Mt. 1,20); gleichfalls den Text: „...Prieme
sawa Moteri (Paszadetanie)...“ überschreibt Bretke ebendann: „Saluba“
(VII 6v 7vo, Mt. 1,24).
„Smilke“? (N. Sg.) (späte Randbemerkung Bretkes: „blesdinga Smilke“
zu Text: „...Kregszdes...“) V 148r 14vo, Baruch 6,21; Luth.: „...Schwal-
ben...“; preuß.: Smicuto (Lesung ganz unsicher; Trautmann, Sprachdenkm.,
S. 92; Bezzenberger, B.G.L.S., S. 323 £.).
„tautas“ (A.Pl.) (Bretke für Text: „...szemes...“) VI 7r 6vo, Ps. 8,2;
preuß.: tauto, „lant“.
Geschichte: Bretke übersetzt „Land“ und „Volk“ sonst mit „szeme“ und
„szmones“, doch am 25. Februar 1589: „...Tautenikus nug Jerusales.,.“
(V 142r 9vu, Baruch 1,9).
Wangos“ (N.Pl) V 12r 17vu; Joel 1,10; preuß.: wangus. ;
Geschichte: Brekte übersetzt „Feld“ sonst mit „laukas“, doch am
28. August 1590 (im Parallelismus zu „Laukai“ in der ersten Vershälfte):
„... Wangos...“, also: „...Laukai esti isch- pustiti, ir Wangos (Dirwos)
stow wargai...“ (Rand: „acker“, später: „dirwa“).
Dazu kommen Wörter, bei denen man im Zweifel sein kann, ob es sich
um Prussizismen bei Bretke handelt, oder ob sie aus dem Litauischen stam-
men, das Bretke in Bammeln und später in Labiau hörte, lag doch sowohl
Bammeln als auch Labiau am Westrande bzw. in der Nähe des von den
Litauern besiedelten ursprünglich preußischen Sprachgebietes. So z.B. Bretkes
„Dragges“ (G. Sg.)®; Luth.: „die hefen“ und „su Dragemis“ (I. Pl.)®; Luth.:
„sampt den hefen“. Bezzenberger®° hält dieses Wort für preußisch (im El-
binger Vokabular, S. 177%: „dragios Heueen“), während das heutige Fischer-
litauisch nördlich von Labiau noch ein „dräges“ hat, das nach Gerullis-
Stang‘ bedeutet: „was sich beim Kochen des Stints zwecks Trangewinnung
am Boden absetzt“.
Auch einige Erscheinungen der Lautlehre deuten auf Ein-
fluß des Preußischen, so die verhältnismäßig häufige Umlau-
tung des a zu o und u bei Bretke hinter Einpen; und Kehl-
lauten”,
2. B.: „...ghis ...akmeni pade- || ia... po galwy sawa...“, Luth.:
078 Von Bretke später in „mieles“ verbessert: IV 567 1vu, Jes. 51, 17.
67% Bretke verbessert später: „mielemis“: IV 57r 13vu, Jes. 51, 22.
SHEBIG!TISETSE 28T:
#1 In der Ausgabe von Bezzenberger, Simon: Tafel 177, bei Trautmann,
Sprachdenkmäler, S. 87 und 322.
2 Seite 82.
%3 Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 109, $ 14, S. 118, $ 22.
#%* Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 183, $ 87.
205
»...eT... legte... einen Stein... zu seinen Heubten...“ (I 31v 7vu, 1. Mos.
28,11), „...po || galwu sawa...“, Luth.: „...zu seinen Heubten...“ (I 32r
16vo, 1. Mos. 28,18), „...pakuiu... turekite“ (VIII 131r 5vo, 1. Thess. 5,15),
„»...alkona...“ (A.Sg.), Luth.: „...hungrig...“ (VII 59r i14vo, Mt. 25,57),
ebenso (VII 59v 9vo, Mt. 25,44), „... pakobinot...“, Luth.: „...ihr... habt...
gehangen“ (— gehängt) (VII 238v 11vo, Act. 5,30), „...Sokona...“ (A. Sg.),
Luth.: „... Gesetz...“ (VII 191v 5vo, Joh. 7,50), so sehr oft, „...Pogo-
nims...“, Luth.: „...den Heiden...“ (VII 91r 9vo, Mc. 10,33) u. a. mehr.
Doch findet sich bei Bretke eine Umlautung von a zu o auch
recht oft vor Gutturalen und Labialen sowie nad r,
2.B.: „...Praroko...“, Luth.: „... Propheten...“ (VII 234 8vo, Act. 3,23),
in den nächsten Zeilen wieder „...Praraku...“, sehr oft o statt a im Part.
Pass. Präs. (Schriftlit.: -a-mas) und im Halbpart. (Schriftlit.: -damas), z. B.:
». .. Praschi- N domies...“, Luth.: „...Flehen...“ (VII 2289 1vo, Act. 1,14),
»...Seiomas....“, „pagiendomas...“ (VIII 62r 11—12vu, 1. Cor. 15,42), siehe
weitere Beispiele wie „buduwa“, „dowonots“, „nuszowinno“ usw. bei Bezzen-
berger, B.G.L.S., S. 60 ff.
Ferner die Einschiebung eines t in die Lautgruppe s-+ r®,
die sich sporadisch bei Bretke findet,
2. B.: „strove“ Bretke Rand, zu Text: „...wilnis...“, Luth.: „...die
Flut...“ (V 23r 14vo, Jon. 2,4), „...pas strowes wandeny“ (VI 3r 13vo,
Ps. 1,3).
Seltsam ist Bretkes Versehen, das ihm am 17. März 1580
bei der Übersetzung von Jac. 4, 13 (VIII 180 11vo) unterlief; dort
übersetzte er: „...was morgen sein wird...“ mit: „...kais
ritoia bus...“. Sollte ihm bei der Verschreibung von „kas“ in
„kais“ das Neutrum von preuß.: „kas“, nämlich „kai“ vorge-
schwebt haben, und so die Mischform ‚„kais““ entstanden sein?
5. Der Stil Bretkes.
Vergleicht man den litauischen Stil Bretkes mit dem an-
derer altlitauischer Autoren, von denen feststeht, daß sie von
Jugend auf Litauisch sprachen, so zeigt sich, daß Bretkes
Sprache in dieser Beziehung den Vergleich mit der seiner
litauischen Amtsgenossen im allgemeinen aushält, ja, daß er
bisweilen sogar einen Ausdruck findet, der Bewunderung er-
regt, und den man bei anderen vergebens sucht. Zur Veran-
schaulichung sei hier 1. Kor. 13,1—3 (VIII 56f.) in der Über-
setzung Bretkes und der Willents nebeneinander gesetzt,
denen beiden Luther als Vorlage diente. Die Verseinteilung
ist zur Erleichterung des Vergleichens in Klammern zugefügt:
685 Gerullis, Ortsnamen, S. 223, $ 26.
206
Bretke
(geschrieben 1. März 1580)
„(1) Iei esch Szmoniy ir Anialy
lieszuwieis
Willent
(erschienen 1579)
„(1) Kada esch kalbieczo lieszu
z
kalbecziau, o meiles weis || szmoniü ir Angelü ä meiles
neturecziau, tada bu- l cziau ... neturieczo / tada buczio wariu
(Omissio) .skambancziu waru skambanczu alba kankalu I SZWa-
(kankalu). ganczu.
(2) Ir kada esch mokeczia pra-
naschau- l ti / ir szinoczo wisas
paslaptines / ir wissus paszi- |]
nimus / ir tureczo wissokie wiera /
teip / iog ir kal- || nus perkelczo /
a meiles netureczo / tadu esch nie H
(2) Ir ||iei galecziau praneschauti,
ir szinocziau || wissas paslaptines ir
wissa szine, ir ture- cziau wissa
Wiera, teip, iog kalnus perkel- ||
cziau, o meiles ne turecziau, tada
niekas I ne bucziau.
ku buczo.
(3) Ir iei wissa mana turta (3) Ir kada düczo vbagams wissa
Vbaga- || mus ducziau, ir dücziau mana || turta / ir perleisczia kuna
mana kuna deginti, o meiles ne
turecziau, tada man tatai nie-
ne butu naudinga (deretu).“
mana deginti / a meiles I netureczo /
tada nieks nebutu man nauding.“
kam
Bretke hängt stark von der Vorlage ab, und doch verliert er
selbst bei schwierigen Perioden meist die Herrschaft über die
Sprache nicht; zur Veranschaulichung siehe die ersten litaui-
schen Worte von seiner Hand, die bis jetzt bekannt sind
(VII 109° 4-11vo, Lc. 1,1—4), und ihre Vorlage S. 167 und
Abb. 6, T. V).
Wie gut Bretke die litauischen Partizipialkonstruktionen
beherrschte, z. B. auch den für das Litauische charakteristischen
Dativus absolutus, mag folgende am 21. November 1585 ge-
“ schriebene Stelle in Tob. 1 zeigen“: |
„Ir kaczei ghis wis- || sy iauniausis wiras buwa, gimines Naph- |] tali,
tacziau ne elgesi ghis kaip kudikis. || Ir wissiems kittiems slusziant wer-
schims || aukso, kurius padaridinoio Jeroboam |] Karalius Israel, ghis tacziau
takias biau |] ribes peike, eidams Baszniczon ir Diewui || sluszidams Jerusa-
leie, ir the sluszidawa || PONVI, ir meldesi Diewa Israelo.“
So auch z. B.: „aiantiemus iemus“, „als sie gingen“ (VII 134
9vo).
Bretke weiß auch, daß im Litauischen der Genitiv vor dem
dadurch näher bestimmten Worte stehen muß, wenn er diese
Regel auch nicht immer beachtet; so schreibt er z. B. auf S. I
se V 84r 5—13vu.
207
25T: Ayu: „...Daubs Dirwss Dirwos Daube...“ für Luth.
1. Mos. 23,19 „...in der Höle des ackers...“ Er erkannte
seinen Fehler also sofort nach der Niederschrift, strich „Daube
Dirwos“ durch und schrieb die beiden Wörter in richtiger
Anordnung nieder.
Man sieht, Bretke schrieb eine Sprache, „wie nur ein
Mensch, der von klein auf littauisch kann“, trotz der vielen
Slavismen und auch der Germanismen.
6. Die Fehler im Litauischen Bretkes.
Trotz seines guten Litauisch macht Bretke von Zeit zu Zeit
elementare grammatische Fehler, die einem Menschen, der in
seiner Kindheit als Muttersprache das Litauische gesprochen
hat, nicht in die Feder kommen könnten, Zwar sind viele Feh-
ler mehr oder weniger deutlich Verschreibungen wohl infolge
von Flüchtigkeit“*, aber es bleiben noch zahlreiche Fälle übrig,
die sich kaum noch durch Flüchtigkeit erklären lassen:
Bretke irrt sich bisweilen im Geschlecht der Substantive:
z. B.: „patogus diena“, „ein gelegener Tag“, „dies Opportunus“ (VII 80r
Zvu, Mc. 6,21); „Gromatos... ira siunkios ir macnus“, „die Briue... sind
schwere vnd stark“ (VIII 77v 10f.vo, 2. Cor. 10,10); zweimal: „Darikite...
duris... aukschtus“ (VI 2i1r 11 und 17vu), „Bet radose Brangumas..., be
pirmoses“, (später von Bretke verb.: „pirmoio“) für Luth.: „Es kam aber
eine Tewrung... vber die vorige...“ (I 28v 10vo, 1. Mos. 26,1), „... weis-
deia Waikai Diewo Duk- || tery szmoniy, iog graszus buwa...“ (1. Mos. 6,2),
„Ir szegnoia sekma diena ir paschwente |] ghi todel, iog tame atsijlseiens
buwa...“ (Bretke verb. später: „ghi“ in „ghe“ und „tame“ in „toie“) (1. Mos.
2,3), »... Karalista Dangaus ligus N ira“ (VII 33r 11vu, Mt. 13,45) (diese
Wendung wiederholt sich dreimal), „...septini Perku- ! nai“ und in der
nächsten Zeile: „septines || perkunai...“ für Luth.: „...die sieben Donner“
u. a. mehr.
87 Gerullis, Skaitymai, S. 88, und oben, S. 151.
e8 7.B.: „...ne gailinti...“ (A.Sg.) für Luth.: „...krank...“ (VIII 147v
10vo, 2. Tim. 4,20), „...mauszausiam...“ (D.Sg.) für Luth.: „...dem
Jüngeren...“ (VIII 22r 10vu, Röm. 9,12), „...saukau iumus...“ für
Luth.: „...Ich sage euch“ (VII 79v 7vu, Me. 6,11), „...ankmeny...“ für
Luth.: „...steinern....“ (VII 268v 5vo, Act. 17,29), „...neNo- l dingas...“
für Luth.: „on Geitz...“ was D. Gallus verbessert: „be gada” (VIII 202r
10vo, Hebr. 13,5); daneben gibt es Fälle, bei denen es schon schwerer wird,
an Verschreibung zu glauben, z. B.: „Ir || tu bau ne esmi wienas isch
Mokinti- || niu...“ für Luth.: „...Bistu nicht seiner Jünger einer?...“
(VIL 215r 13vu, Joh. 18,25).
208
Bretke beherrscht die Präpositionen nicht sicher.
Z.B.: „pagal... Sokono“ (VII 216r 7vo, Joh. 18,51), „...pagal schir-
dies...“ (Bretke verb. später: „-di“), Luth.: „...nach dem Herzen...“ (VIII
7ir 5vo, 2.:Cor. 5,12), aber auch „pagal prisakima“ (VII 167v ivu, Le. 23,56,
„po manim“ „nach mir“, X,%® verb. „manes“ (VII 257v 13vo, Äct. 13,25),
„pa walandai“ (VII 164r 7vu, Le. 22,59), „po koiu“ (VI 14v 14vo), „po pa-
wesia (später verb.: -sio) tawa sparnu“ (VI 13v 14vo), „pa triu dienu“ (VII
114v 3vu, Le. 22,46), „pas iusu“ (Bretke verb. später: „ius“) (VIII 120v 7vo,
Col. 2,5), „...pas musu...“, Luth.: „...bei uns...“ (VIII 169v i1vu, 1. Joh.
2,19).
Dazu kommen Fälle wie „...ties koiu (VII 37 7vo, Mt. 15,30), „... Be
ischmintim....“ (Bretke verb. später: „-ties“), Luth.: „...mit Vnverstand...“
(VIII 23v 4vu, Röm. 10,2) usw.®%
Bretke braucht bei Zahlsubstantiven nicht immer den Ge-
nitiv,
z. B.: „dwilika pilnas reisges“ (VII 81v 7vo); aber „dwilikas Metu (VII
114v 12vo).
Er ist im Gebrauch des Genitivs nach verneinten tran-
sitiven Verben nicht sicher, den das Litauische und Polnische
verlangen,
z. B.: „Po maszo, neregesit mane“ (VII 211v 2vu), „Po maszo, neregesit
manes“ usw.
Bretke verstößt bisweilen gegen die Regeln der Formen-
lehre,
z. B.: „...tikensis (Bretke verb. später: „tikjnsis“) su ne. tikuseis...“
für Luth.: „...der Gleubige mit dem Vngleubigen“ (VIII 72v 12vo, 2. Cor.
6,15), „...ghis sake iosu Iskalosy...“ für Luth.: „...Vnd er predigete in
jren Schulen...“ (VII 7ir 4vo, Mc. 1,39), „...per tris I menus“ (Bretke verb.
später: „menusi[us]“ und noch später: „menesilus]“) (VII 111v 12vu,
Le. 1,56°%, und selbst bei den Partizipien macht er manchmal Fehler: „...at-
stakite nog manes wissi dari- || dami piktenibes“, für Vulg.: „discedite a me
omnes operarii iniquitatis“ (VII 144v 11vu, Lc. 13,27), desgl. macht er Fehler,
indem er z. B. „...weiland...“ mit „...walanda...“ übersetzte (VII 195v
4vu, Joh. 9,15), u. a. mehr.
Wie die Beispiele zeigen, haben sowohl die Korrektoren
Bretkes wie auch Bretke selbst, der den Text doch wiederholt
durchkorrigierte”, sehr viele Versehen und Fehler nicht be-
0 Siehe S. 284 ff.
600 Bezügl. des Gebrauchs der Präpositionen „nuo“ und „isch“ bei Bretke
siehe Hermann, „Bemerk. zum altlit. Schriftt. in Pr.“, S. 117.
®ı Siehe weitere Beispiele bei Bezzenberger, B.G.L.S., 5. 300.
62 Siehe über die Textrevisionen Bretkes oben, S. 118f.
14 Falkenhahn, Bretke 209
merkt, was für die damalige Arbeitsweise in diesen Dingen
bezeichnend ist.
7. Shlußfolgerung.
Die obige Untersuchung der Sprache Bretkes ergibt:
1. Das Litauisch Bretkes ist, abgesehen von gelegentlichen
Verstößen gegen die Elementargrammatik, im Vergleich zu der
Sprache mancher anderer altlitauischen Autoren auffallend
gut, aber der Geist des Litauischen so vorzüglich erfaßt, daß
bei den damaligen Verhältnissen, wo die Sprache nur in münd-
lichem Verkehr allenfalls in mündlichem Unterricht gelernt
werden konnte, angenommen werden muß: Bretke hat mit
dem Litauisch sprachlich unverbildeter Landleute von Kind-
heit auf in Berührung gestanden, von denen er schon früh die
Anfangsgründe des Litauischen erlernte.
2. Die Verstöße gegen elementargrammatische Regeln, die
Bretke gelegentlich immer noch unterliefen, zeigen, daß das
Litauische nicht seine Muttersprache — also eine im Hause
mit den Eltern und Geschwistern gesprochene Sprache — ge-
wesen sein kann.
3. Bretkes Wortschatz sowie einige Fehler in seinem Li-
tauisch machen wahrscheinlich, daß ihm das Preußische näher
lag als das Litauische, also vielleicht dieses seine Muttersprache
gewesen sein könnte, was nach den vorliegenden archivali-
schen Nachrichten hieße, daß Bretke als Kind wohl sicher mit
seinen Verwandten mütterlicherseits in Bammeln, zweifellos
aber mit den dort ansässigen Hörigen, Preußisch gesprochen
hätte, was ihm wiederum bei der Erfassung des Wesens der
litauischen Sprache helfen mußte.
4. Die Fülle von Slavismen und besonders Polonismen, die
Bretke trotz seines im Vergleich zu andern altlitauischen
Autoren guten litauischen Stiles hat, die sich nicht selten bis
in die Rektion der Verben hinein zeigen, zwingen zu der An-
nahme, daß Bretke lange Zeit hindurch in engstem Kontakt
mit gebildeten Litauern aus dem litauisch-polnischen Kultur-
kreis gelebt hat, deren Sprache er sicherlich für ein „besse-
res“ Litauisch ansah, oder gar selbst eine gewisse Zeit dort
weilte.
Wahrscheinlich ist, daß Bretke nach dem Besuch einer
210
Lateinschule bei einem litauischen Pfarrer aus litauisch-pol-
nischem Kulturkreis mit polnischer Bildung, wie etwa Torty-
lowiez-Batocki"*, Mosvid, Jamund u. a., die, wie alle damaligen
Pfarrer, zu ihrer Hilfe junge begabte Leute bei sich hielten
und sie zugleich ausbildeten, irgendwo im litauischen Sprach-
gebiet, wozu ja auch das litauische Siedlungsgebiet in Preußen
gehörte, „in die Lehre“ ging”, worauf er dann, 19jährig, nach-
dem ihm „...gutte freünde...“ das fehlende Geld geliehen
hatten, Sommer 1555 in Königsberg zu studieren begann. Mög-
lich ist außerdem, daß Bretke als Student wie sein ehemaliger
Mitbürger und sicherlich auch Verwandter Christoph Alzunius
als Hauslehrer junger litauischer Adelssöhne in Litauen lebte
und auch mit ihnen reiste”; ®,
5. Wie der Wechsel in der Wortwahl während der Arbeit
an der Bibel des öfteren zeigt, nahm Bretke noch während
seiner Labiauer und Königsberger Zeit vereinzelt neue Slavis-
men auf. Doch genügt eine gelegentliche Beeinflussung nicht,
um viele Slavismen bis in den Satzbau hinein zu erklären.
Das Deutsc Bretkes.
Der erste Text, der Bretkes Deutsch zeigt, ist ein an die
#53 Sjehe unten, S. 251 ff.
6° Siehe unten, S. 248 Anm. 805.
65 Siehe oben, S. 35£.
®° Der Einwand, man könne die Sprache Bretkes von etwa 1562 nicht ohne
weiteres nach der Sprache der von seiner Hand erhaltenen Texte be-
urteilen, da der früheste, das Lukasevangelium, 1579 geschrieben sei,
nachdem Bretke bereits 17 Jahre unter den Litauern in und um Labiau
gelebt hatte und den Einwirkungen ihrer Sprache ausgesetzt war, ist un-
begründet. Das Leben zeigt täglich, daß eine gebildete Persönlichkeit
normalerweise ihren Dialekt nicht aufgibt und den Ungebildeter an-
nimmt, besonders noch, wenn in unserem Falle Bretke in seiner Sprache
offensichtlich von gebildeten Litauern aus dem litauisch-polnischen Kultur-
gebiet entscheidend beeinflußt ist, und er diesen Dialekt gegenüber dem
der Bammeler und Labiauer Knechte, Mägde, Bauern, Tagelöhner und
Fischer für „Hochlitauisch“ und somit für die der Bibel angemessenere
Sprache hielt. In solchem Falle spielen selbst größere Zeiträume keine so
bedeutende Rolle. Auch heute sprechen ja die Pfarrer und Lehrer auf
dem Lande selbst in rein niederdeutscher Umgebung gewöhnlich nur das
Schriftdeutsch der Gebildeten, ohne niederdeutsche Spracheigentümlich-
keiten anzunehmen.
14* . 211
Regimentsräte gerichtetes Schreiben, das am 18. Dezember
1568 erledigt wurde”.
Dieser Text zeigt nicht die geringste Spur davon, daß
Bretke das Deutsche fremd wäre; es ist ganz im Gegenteil im
Vergleich etwa zu dem Briefe Seclutians (S. oben, S. 177) eine
Sprache, wie sie sich in vielen andern Schreiben im damaligen
Preußen findet‘*.
Das wäre auch kaum anders, wenn Bretke — um den un-
günstigsten Fall zu setzen — bis zum Schulbeginn etwa nur
Preußisch gesprochen hätte. Er. war, als er den Brief schrieb,
rund 32 Jahre alt und hatte — wahrscheinlich doc in Fried-
land — die Lateinschule besucht, wo ja die Unterrichtssprache,
natürlich abgesehen von den obersten Klassen, deutsch war,
wo er in einer deutschen Umgebung lebte; er hatte seit Juni
1555 bis Ende 1556 in Königsberg nicht etwa im Alumnat, son-
dern unter einer zum allergrößten Teile deutschsprachigen
Bevölkerung gelebt, denn, wie das Beispiel Mosvids zeigt, der
nach eineinhalbjährigem Studium noch kein Wort deutsch
sprach, konnte man im Königsberger Alumnat leben und stu-
dieren, ohne deutsch sprechen zu müssen, da die Unterrichts-
und Umgangssprache das Lateinische war”. Weiter hatte er
damals einen rund sechsjährigen Aufenthalt in Wittenberg
und Oberdeutschland hinter sich und predigte schon sechs
Jahre in Labiau genau so deutsch wie litauish und lebte
ebensolange mit einer deutschen Frau, der geb. von Werthern.
Nun hat Bretke aber sicher wohl das Deutsche schon bei sich
zu Hause gehört, wenn seine Verwandten mütterlicherseits
auch wahrscheinlich zum mindesten Preußisch noch verstanden
haben dürften, da in Bammeln und Umgebung sowie in der
Umgebung von Friedland das Preußische damals noch lebendig
war, wie wir oben (S. 16ff.) gesehen haben. Weiter zeigen nach
dem erwähnten Briefe chronologisch geordnet noch folgende
#7 E,M. 102e 4, Erled.: 18. 12. 1568 (Qu., S. 419 ff.).
68 Urteil des Herrn Prof. Dr. Ziesemer, der die Briefe Bretkes daraufhin
untersuchte.
69 Mosvid schrieb 1549 nach mindestens dreijährigem Aufenthalt in Preußen,
wovon eineinhalb Jahre auf das Königsberger Studium entfallen, in
einem Briefe an den Herzog: E.M. 118e 2: „non calleo aliquantulum Ger-
manice“ (siehe Gerullis, „Skait“, S. 2).
212
Dokumente sein Deutsch, wobei die vielen Abschriften und
Zitate aus deutschen Werken Luthers, Melanchthons usw. auf
leergelassenen Blättern in der Bibelhandscrift, sowie die
deutschen Wörter aus der Lutherbibel am Rande dortselbst
neben dem litauischen Text nicht mit herangezogen werden
sollen’.
Ein am 23. Februar 1569 beantworteter Brief an die Re-
gimentsräte”“, desgleichen mit Datum vom 29. März 1570 an
den Bischof Mörlin”®, dann nach zehn Jahren ein am 21. Juli
1580 eingegangener Brief an den Herzog””, desgleichen an den-
selben ein am 3. Juli 1584 erledigter Brief”*. In diesen Jahren
mag Bretke auch schon an seinem „Chronicon des Landes
Preußen“, dessen erstes Buch in zwei Abschriften in Gotha
und Königsberg und ein weiterer Teil in Danzig erhalten ist,
gearbeitet haben, da es Hennenberger 1588 und 1589 abge-
schrieben hat”*. Folgt der Brief an den Herzog (eingeg. 27. März
1587), in dem Bretke den Labiauer Pfarrdienst kündigt und
sich um die Pillupöner Pfarrstelle bewirbt’*. Darauf wird
Bretke in einem deutschen Schreiben im Namen Georg Fried-
richs von den Regimentsräten aufgefordert (Datum 9, Mai 1587),
sich nach Königsberg zu begeben’”.
In der Folgezeit sind nur solche Briefe von Bretkes Hand
erhalten, die seine Postille und seine Bibelübersetzung be-
treffen, und zwar sind sie sämtlich an den Herzog gerichtet,
so einer bezüglich der Postille (registriert 11. Mai 1590)’,
0 Siehe im 2. Teile dieser Arbeit.
”ı E.M. 102e 4 (Qu., S. 420 ff.).
2 E.M. 102e 4 (Qu., S. 423 ff.).
0» E.M. 102e 4 (Qu., 5. 425 ff.).
3» E.M. 102e 4 (Qu., S. 427 ff.).
705 Siehe Gerullis, „Bretke als Geschichtsschreiber“ in Archiv für slav. Philo-
logie, Bd. 40, S. 117 ff. Die bisher unbekannte Abschrift befindet sich im
Königsberger Staatsarchiv: „CHRONICON des Landes Preussen colligiret
durch Johannem Brotkium (!) Pfarrern zw Labiaw. Das Erste Buch“. .
Siehe „Verzeichnisse der Bolzischen "und Hennigschen, desgleichen ....
Manuscripte...“ Am Schlusse findet sich die Notiz: „Angefangen zw
lesen den 24 Janu. vollenndt den 19 february Ao @ 85“. Genaueres im
2. Teile dieser Arbeit.
0 E.M. 102e 4 (Qu., S. 428 ff.).
77 E.M. 102e 4 (Qu., S. 431 ff.).
”e E,M. 72f (Qu. S. 431 ff.).
213
worauf Bretke wieder in einem deutschen Schreiben der Re-
gimentsräte im Namen des Herzogs aufgefordert wird, in Rag-
nit an der Korrektorenkonferenz teilzunehmen (erled. 13. Mai
1590)”®. Die übrigen sieben Briefe betreffen im wesentlichen
die Bibelübersetzung: ihre Daten sind: 1. Eingeg. 18. Mai
1593”, 2. Registr. 17. Juli 1595”, 3. Eingeg. 10. Dezember 1598”,
4. Datum 24. Mai 1599”, 5. Eingeg. 19. September 1599”%, 6. Eingeg.
28. Oktober 1600”, 7. Eingeg. 1. März 1602”*,
Also 14 deutsche Briefe von Bretkes Hand und zwei an
ihn ebenfalls deütsch, wozu wahrscheinlich als dritter noch
der bei Bd. III Bl. 209 wenigstens als Rest erhaltene Brief
eines Joachim von Eysersdorff zu rechnen ist, dessen leere
Rückseite zu einer litauischen Parallelübersetzung für Eccle-.
siastes 2,21 (III 209 3ff.vo) verwendet wurde. Wie die Buch-
stabenformen zeigen, ist die Übersetzung vor 1590 geschrieben,
womit also auch der Brief vor 1590 anzusetzen ist.
Weiter enthält der Beginn eines Verzeichnisses von Bret-
kes Hand einige deutsche Worte (IV 126" 1—5vo)’”.
Das Blatt ist später zur Übersetzung von Jerem. 35ff. be-
nutzt worden und der deutsche Text durchstrichen. Dieser
Text ist gleichfalls vor 1590 anzusetzen, da Jerem. 35 am
7. April 1590 übersetzt wurde.
Die Sprache ist in allen diesen Texten genau wie im ersten
Briefe die des gebildeten Deutschen. Bei der damaligen kul-
turellen Lage in Preußen und bei dem Bildungsgang Bretkes
ist das jedoch kein sicheres Zeichen für seine Zugehörigkeit
zum deutschen Volkstum. Ein befähigter Litauer z. B., der als
Knabe aus einem mehr oder weniger stark polonisierten
litauischen Sprachgebiet bei Wilna aus einer noch Litauisch
0 E,M.72f, Aktenheft: „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590—1592“,
Bl. 31£.
„0 E,M. 72f (Qu. S. 435 £.).
1 E.M. 72f£ (Qu., S. 456 f.).
r2 E.M. 72f (Qu., S. 438£.).
713 E,M. 72£ (Qu. S. 440 £.).
za E.M. 72f (Qu, S. 441).
715 E,M. 72f£ (Qu., S. 442£.).
ze E.M. 72£ (Qu. S. 443 f.).
717 Siehe Hermann, „Bemerk. zum altlit. Schrifttum in Preußen“, S. 118.
214
sprechenden Familie kam, spricht nach entsprechendem Bil-
dungsgang auf polnischen Schulen und Universitäten so aus-
gezeichnet Polnisch, daß nur ein sehr feines Ohr den Nicht-
polen erkennt. Es ist selbstverständlich, daß ihm die Diskussion
über gelehrte Dinge und besonders die schriftliche Mitteilung
hierüber in litauischer Sprache schwer fallen wird, wenn er
auch zu Hause über Fragen des täglichen Lebens mühelos
spricht. Wenn er gar sieben Jahre auf den polnischen Hoch-
schulen Theologie studierte, dort Kirchenlieder in der polni-
schen Übersetzung auswendig lernte und 27 Jahre ständig
neben litauischem auch polnischen Gottesdienst halten mußte,
dann ist es nicht verwunderlich, wenn er beim Zitat des litaui-
schen Textes eines Kirchenliedes vom polnischen Text beein-
flußt wird, wie es Bretke, der den gleichen Werdegang, nur
in deutschem Kulturgebiet, durchmachte, auf S. 118 (Nr. 75)
seiner „Giesmes‘“ geschehen ist. Es ist auch selbstverständlich,
daß sich Behörden an ihn in polnischer Sprache wenden, des-
gleichen wird er seine Eingaben polnisch, zur Zeit Bretkes
polnisch oder lateinisch machen, desgleichen werden seine pol-
nischen Bekannten nicht litauisch an ihn schreiben‘*.
Wenn Bretkes deutsche Kursive, in der er für sich — höch-
stens mit dem Gedanken an seine ebenso gebildeten Korrek-
toren — Worte aus dem Luthertext an den Rand schrieb,
schwerer zu lesen ist als sein in meist erheblich größeren
Buchstaben und viel deutlicher geschriebener litauischer Text,
so ist auch das kein Beweis für seine Volkszugehörigkeit, denn
auch jener Litauer, der in Krakau sieben Jahre polnische und
lateinische Kollegs mitgeschrieben hat usw., würde bei solchen
Texten eine viel flüssigere Handschrift entwickeln als bei
litauischem Text, denn in der Sprache hat er während der Zeit
doch höchstens einige Briefe nach Hause geschrieben; aber
der litauische Text Bretkes ist für den Drucker bestimmt ge-
wesen und sollte etwa das sein, was heute ein Manuskript
in Maschinenschrift ist.
Auch die Worte, die Bretke aus der Lutherbibel an den
Rand schrieb, sagen leider bei der ganzen Sachlage nichts über
seine Volkszugehörigkeit aus, denn ein systematisches Studium
718 Siehe S. 150.
215
dieser Randbemerkungen zeigt, daß es sich fast ausnahmslos
um Synonyma handelt, deren jedes einzelne Bretke bekannt
war, da er sie bereits in voraufgehenden Perioden verwendete,
deren Bedeutungsabgrenzung ihm aber entweder im Deutschen
oder im Litauischen nicht klar war; so z. B. brauchte Bretke
bereits am 3. Juni 1580 für „Fittich“ das Wort „spar- || nu“
(G. Pl., VI 53 15vu; Ps. 61,5), ebenso am 20. Juni 1580 „sparnais“
(VI 82: 15vu; Ps. 91,4) usw., für „Flügel“ am 15. Mai 1580
„sparnu“ (VII 54° 6vo; Mt. 27,37) usw., am 17. März 1580 für
„Feder“ „plunksnomis“ (VIII 175’ 6vu; 3. Joh. 13) usw.
Am 4. Juli 1590 aber übersetzte Bretke Hes. 17,3 ganz, wie
man es erwarten würde: „Didis Arelis dideis Sparnais ir ilgais
skre- || leis ir pilnas plunksnu....“, doch schrieb er sofort an
' den Rand: „flugel || fittig || ferdern....“, wozu er später setzte
„Sparnai || pasparnes || pukaj“, und wobei er auch seinen Text
entsprechend verbesserte.
Auc das Wort .augenlid[er]“, das sich auf den 2. Halbvers
Prov. 4,25 (III 186 14vo) bezieht und auf den Rand geschrieben
ist, steht in Parallelismus zu „akis“ in der ersten Hälfte des
Verses.
Genau so übersetzte Bretke Nehem. 3 (III 117’f), wo eine
Tür zur Verteidigung mit Riegel und Querbalken versehen
wird, ohne Besinnen: „...spi || nas ir ussklandas...“, doch
schrieb er zweifelnd an den Rand: „rigel“.
Wäre es erstaunlich, wenn unser hypothetischer Litauer
mit polnischer Bildung nicht wüßte, was auf litauisch „Stadt-
viertel“, „Hinterhalt“ usw. usw. heißt?
Ähnlich bei Bretke, nur daß bei ihm das Litauische als Mut-
tersprache nicht in Frage kommt’.
Seine Muttersprache kann das Preußische und das Deutsche
gewesen sein. Wahrscheinlich ist, daß Bretke im Hause seines
Vaters in Friedland deutsch gesprochen hat, während er bei
den Verwandten seiner Mutter in Bammeln Preußisch sprach.
Das Preußisch Bretkes.
Preußische Sprachkenntnisse Bretkes werden durch seine
719 Bezüglich des Verhältnisses der Bretkeschen Perikopenübersetzung in der
Postille zu der Willents siehe in dem die Werke und die Sprache Bretkes
behandelnden 2. Teil meiner Arbeit das Kapitel über die Postille.
216
Herkunft aus den Ortschaften Bammeln und Friedland, die
im 16. Jahrhundert in jenem sich vom Samland bis nach Na-
tangen hinziehenden Streifen lagen, in dem für die Bevölke-
rung preußische Tolken gehalten werden mußten, sehr wahr-
scheinlich. Wie schon gesagt, ist durchaus damit zu rechnen,
daß Bretke im Hause seiner Mutter, in Bammeln, das Preu-
Rische noch hörte. Er muß es aber auf jeden Fall in seiner
Kindheit auch selber gesprochen haben, denn wie auf S. 47
schon gezeigt, wurde Bretke 1562 aus Oberdeutschland ge-
rufen, um in Labiau den Pfarrposten anzunehmen, weil er
„...Lituanicam [et] Prutenicam linguam...“” sprach, wie
Bretke Mitte Januar 1563 in seinem lateinischen Brief an den
Herzog schrieb. Da er aber mindestens seit Mitte des Jahres
1555 von Hause fort war, in Königsberg und Wittenberg stu-
dierte, wo er sicher nicht Preußisch zu lernen begonnen haben
wird, es aber nach mindestens siebenjährigem Aufenthalt in
der Fremde noch so beherrschte, daß er daraufhin das schwie-
rige Pfarramt Labiau bekam, muß er in seiner Kindheit und
im Knabenalter gut Preußisch gesprochen haben.
Wie schon gesagt, dürfte Bretke das Preußische auch ge-
holfen haben, ein so ausgezeichnetes litauisches Sprachgefühl
zu erlangen, das er trotz seiner bisweilen sehr elementaren
Fehler hat.
Es ist eigentlich sonderbar, daß Bretke, der doch sicher in
seiner Jugend ebensogut Preußisch als Litauisch gekonnt hat,
sich später allem Anschein nach so ausschließlih auf Über-
setzungen ins Litauische beschränkte, wo er doch, mindestens
zu Anfang, ebensogut hätte theologische Schriften ins Altpreu-
Rische übersetzen können.
Wer aber selber in einem Grenzland mit gemischter Be-
völkerung aufgewachsen ist, in dem der eine Bevölkerungsteil
hauptsächlih den sogenannten unteren Schichten angehört,
seine Sprache daher von den oberen zumeist dem anderen
Volksteil angehörenden Schichten nicht sehr geachtet wird,
der kennt die Tatsache, daß es gewöhnlich Fremde sind, die
sich die Sprache und Literatur der unteren Klassen angelegen
sein lassen; die jungen Menschen, die aus diesen sogenannten
70 Qu., S. 418, 2. 6f.
217
unteren Schichten hervorgegangen sind, wenden sich selten
der Pflege der eigenen Sprache und des eigenen Schrifttums
zu. Es wäre daher psychologisch durchaus verständlich, wenn
auch Bretke, der mindestens mütterlicherseits aus einer preu-
Rischen Familie stammte, sich nicht für das Preußische ent-
scheiden konnte.
Für ihn, den protestantischen Pfarrer, mag auch mitbe-
stimmend gewesen sein, daß die Preußen wenigstens äußer-
lich protestantische Christen waren, während die Litauer im
Großherzogtum Katholiken oder auch Kalvinisten, in Preußen
aber, obwohl Protestanten, bereits fühlbar der Gegenrefor-
mation ausgesetzt waren” und dabei zum großen Teile noch
am Katholizismus hingen”.
Dazu kam, daß die Zahl der Litauer weit größer war als
die der damals noch Preußisch sprechenden Bauern, so daß eine
litauische Arbeit eine viel stärkere Wirkung versprac.
Aber gerade sein Litauisch zeigt lexikalische und lautliche
Erscheinungen, die sich nur aus dem Preußischen erklären
lassen.
Das Kurisc Bretkes.
Daß Bretke auch Kurisch konnte, ist in dem schon öfter
zitierten Briefe des Konsistoriums an den Herzog (eingeg.
21. April 1587) bezeugt. Dort sagen die Konsistorialräte, daß
Bretkes Kirche in Labiau,
»... Weill sonderlich bei sommer
Zeitten, viel frembdes volcks alda wanckett, vnd nicht
alleine Littauen, sondern auch Kuhren vnd Preussen,
daselbst hatt, Ihren Pfarrer, welcher der Sprachenn,
der leutte vnnd gelegenheitt der Kirchen Kundigk .. “72?
schwerlich entbehren könnte,
Es ist aber wohl sicher, daß Bretke das Kurische erst in
Labiau lernte, was für jemand, der Litauisch spricht, eine ge-
ringe Mühe bedeutet.
721 Siehe betr. der litauischen jesuitischen Postille des Canisius oben, S. 100
Anm. 391.
722 Siehe die von Gerullis in Tauta ir Zodis veröffentlichten Briefe Mosvids
(Inhaltsangabe siehe unten, S. 404).
723 Qu., S. 430, Z. 14—18.
218
Die Untersuchung der Sprache Bretkes zeigt, wie kaum
anders zu erwarten, nur wenige Erscheinungen, die sich als
Einfluß des Kurischen deuten lassen könnten.
Vielleicht ist Bretkes: „...Diewam...““ für Luthers
>... dem Gott...“ in: „...PONV]J esch noriu giedoti, PO- ||
NV]J Diewam (Bretke verbesserte später: -wui) Israelo...“
(II 34’ 7vo) und bei Luther: „... Dem HERRN dem Gott Israel
wil ich spielen...“ (Judic. 5,3) durch das Kurische veranlaßt.
Dieser Fehler unterlief Bretke am 1. Oktober 1589, nachdem
er also schon über zwei Jahre in Königsberg war. Sicher hatte
Bretke auch in Königsberg zuweilen Kurisch zu sprechen”,
und somit könnten auch damals noch Fehler durch das Kurische
veranlaßt sein, wenn natürlich auch ebenso nahe liegt, an
ein Verschreiben Bretkes zu denken.
Möglicherweise gehören die Bildungen wie „Schiskat“,
„laskat“ und „Anskat““* zum Kurischen.
Diese und ähnliche Beispiele können natürlich auch dem
Litauischen bei Labiau angehört haben, genau so wie man
z. B. Bretkes „be wainos“””, Luth.: „on wandel“ vom lettischen
„vaina“ = „Gebrechen, Mangel“ ableiten kann, wie es Bezzen-
berger tut”, obwohl bei Bretke die Ableitung von dem groß-
litauischen vainä näher liegt.
Bezzenbergers Beispiel „ne papinnoia...“ (später von
Bretke in „papinna“ verbessert), das Bezzenberger zu lettisch
„Pit“: „sich einlassen mit jemand, nahen Umgang pflegen“
stellt (B.G.L.S., S. 310), ist aber allem Anschein nach „paszin-
noia“ zu lesen, denn Bretkes p und R sind bisweilen nicht zu
unterscheiden. Die Vorlage mit dem Bretketext lautet:
„»...moch eine Jungfraw, vnd kein Man hatte sie erkand...“
(1. Mos. 24,16) und: „...dabar Merga, || Kurios ne wiens Wiras
ne pa(*)innoia...“ (1 26" 5vo).
Das Polnisch Bretkes.
Daß Bretke mindestens etwas polnisch konnte, ist bei
seinem Interesse für Sprachen und unter den damaligen Ver-
74 Bezzenberger, B.G.L.S., S. 128.
725 Siehe oben, S. 129 f.
720 Bezzenberger, 1. c., S. 176.
727 „...du Je- I relliu be wainos...“ I 140v 13vu, 3. Mos. 10.
28 B.G.L.S., S. 336; dort weitere Belege.
219
hältnissen — schon in Friedland begegneten ihm polnische
Knechte und Mägde, in Königsberg, Wittenberg und vielleicht
auch in „Oberdeutschland“ studierte er zusammen mit pol-
nischen Studenten, später in Königsberg war eine starke pol-
nische Gemeinde in seiner Kirche — kaum anders zu erwar-
ten, doch wird es nirgends ausdrücklich gesagt.
Im Gesuch der polnischen Gemeinde in Königsberg von
Anfang November 1602”® heißt es:
„...Der Littauische Pfar spricht er seij auff die
Pohlen nicht bestellet, mit Zweijen oder dreijen persoh-
nen das er sie in numerum seiner Communicanten neme
ließe es sich thun, Aber mit 40.50 oder 100keines weges...“
Etwa fünf Monate später sagen „Die Vorsteher der || Kir-
chen aufm Stein- || tham Ambt der || Polnischen gemein“ in
einem Schreiben’”” an den Herzog:
»...So ist doch die große Vngelegenn-
Heitt Vorgelauffen. Das seine”! Confitenten
Hernach Keiner in numerum seiner Communican-
ten nehmen wollen. Der Littawsch Pfhar
saget. ehr seij nur auf die Littawenn
Bescheiden ...“
Bretke lehnte also nur ab, einer größeren Zahl von Polen
am Sonntage, an dem die Kirche von der litauischen Gemeinde
benutzt wurde, das Abendmahl zu geben; das heißt aber, daß _
er auch Polen das Abendmahl zu spenden imstande war; doch
beweist dies noch nicht viel für Bretkes Polnisch, denn die
Beichte, die vor dem Abendmahl abzulegen war, hatten die
fraglichen polnischen Kommunikanten schon am Tage vorher
vor dem polnischen Pfarrer abgelegt, so daß Bretke bei der Aus-
teilung des Abendmahls kaum mit ihnen zu sprechen hatte.
Eine Nachricht, daß Bretke den polnischen Pfarrer vertre-
ten hätte, ist nicht erhalten, während andererseits feststeht,
daß der polnische Pfarrer Bretke vertreten hat, denn der Her-
722 Liegi dem Schreiben der „...Burgermeister. vnd Räthe || der beijden
Städte, Alten- || stadt vnd Kneiphoff...“ bei; E.M. 72f., Aktenheft: „Die
Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 1603/4 54 Blatt.“
70 Fingeg. 30. 3. 1603, Qu., S. 446, Z. 29-32.
”1 D. h. des polnischen Pfarrers auf dem Steindamm.
220
zog sagt iin einer am 13. Mai 1590 registrierten Aufforderung’*
an Bretke, sich nach Ragnit zur Korrektur seiner Postille zu
begeben:
„...Inmittelst aber wollet Ihr ll euer Ambt alhie mitt dem I Pol-
nischen Prediger dergestelt I vnond also bestellen, damitt I nich allein
die Kirch“ vpieläbinder || Gottes wortt vnnt Pre- || digten versehen,
sondern I auch sonsten, was euer Ambt l erfordert, nichts verseumet I
werden möge...“
Dabei entsteht die Frage, in welcher Sprache der Pfarrer
zu den Litauern gesprochen und gepredigt hat. Sollte der da-
malige polnische Geistliche Leonhard Dembowius, der vorher
polnischer Diakon in Bartenstein, seit November 1574 aber
Adjunkt und später Nachfolger Seclutians an der Steindammer
Kirche war””, von Hause aus auch litauisch gekonnt oder in
den 16 Jahren wohl täglicher Berührung mit der litauischen
Gemeinde Willents und Bretkes so viel gelernt haben? Mög-
lich ist ja auch, daß er deutsch oder polnisch predigte, obwohl
unter den Litauern ,...viell einfeltiger leutte, || seindt welche
weder polnisch Noch deutzsche vorstehen ...“”*.
Auch der Zettel, von dem Bezzenberger (B.G.L.S., S. XVII)
spricht, enthält leider keine eindeutige Mitteilung; es liegen
bei 2. Chron. 35,5 (III 95°) aber nicht nur ein, sondern zwei
kleine Zettel, auf die Bretke zwei litauische Parallelüber-
setzungen des fraglichen Verses geschrieben hat’”. Wie die mit
Tinte gezogenen Linien beweisen, sind beide aus einem Buch
oder Heft geschnitten, das als Verzeichnis oder dergl. diente.
Auf der Kehrseite dieser Zettel sind jeweilig in das gleiche
durch die senkrechten Tintenstriche gebildete Fach mit grö-
Reren Buchstaben folgende Eintragungen gemacht: „Dieten-
bergij Germ || Cracouiana Polon“ und: „Lituanica“. Es han-
delt sich hier also offenbar um den Rest eines Verzeichnisses
von Bibelübersetzungen, das sich unser Bretke angelegt hat,
denn „Dietenbergij Germ“ bezieht sich doch sicher auf die
732 W,M. 72f, Aktenheft: „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590—
1592“, Blatt 3 ff. :
33 Arnoldt, Nachr. I, S. 42.
734 Qu., S. 445, Z. 4f.
735 Beide Male gibt er die Quelle an, und zwar: 1. „hie Lutheri I editio sit
edita g anno go 37.“ und 2. „Heb:“ (= Hebraica).
221
1534 und öfter gedruckte bekannte katholische Übersetzung der
Bibel ins Deutsche, die aus der Feder des Dominikaners und
zuletzt Mainzer Kanonikus und Professors Johannes Dieten-
berger stammt, während mit „Cracouiana Polon“ offensichtlich
die erste vollständige in Krakau gedruckte polnische Bibel-
übersetzung, die sogenannte „Leopolita“ vom Jahre 1561 oder
ihre Neuausgaben (1574 und 1577), gemeint ist. In das Ver-
zeichnis hatte Bretke auch seine eigene „Lituanica“ eingetra-
gen. Der litauische Text auf der anderen Seite der Zettel
stimmt aber mit keiner polnischen Bibelübersetzung des
16. Jahrhunderts überein.
Das gleiche gilt von der ebenda”* angeführten Übersetzung
des lutherischen: „...afftergeburt...“. Bretke hat, wie die
Tinte und die Schrift zeigen, die Stelle frei gelassen, als er
am 25. November 1590 den Passus übersetzte, und an den Rand
„afftergeburt“ geschrieben. Später fügte er auf dem Rande
hinzu: „secundina“ (= Nachgeburt) sowie:
„CZepczius ko.“
marschkinelei Mer
Desgleichen füllte er die Lücke im Text aus durch: ‚„marsch-
kineliu kurie“ (siehe diese Stelle im Textzusammenhang unten,
S. 223 f.). Die Krakauer Bibeln von 1561—1577 haben aber dafür
»... plugawosci opläwow äbo lozyskä...“ bzw. „...pluga-
wos6i lozyskä...“, die „Brester“ oder „Radziwillsche“ von 1563:
»... 2 lozyskiem...“, Budny (1572): „...cze- || pkowi...“, und
Wujek (1599): „...cze- || pkä...“. Bretke hat den Ausdruck
„marschkinelei waiko“ also aus keiner polnischen Bibelüber-
setzung.
Dagegen beweist die Randbemerkung Bretkes zu
3. Mos. 11,30 (I 135 u.)””, daß er nach der Niederschrift seiner
Übersetzung eine polnische Bibelausgabe herangezogen hat,
also doch polnisch gekonnt haben muß: Bretke ließ, wie wieder
die Tinte und die andere Feder zeigt, bei der Übersetzung von
Luthers: „Der Igel, der Molch, die Aydex, der Blindschleich,
vnd der Maul worf“ die Stelle für die Wiedergabe von „der
Molch“ frei und schrieb das Luthersche „Molch“ mit den an-
”° B.G.L.S., S. XVII und 299 ff.
EB GH. S54S. XVl.
222
deren deutschen Tiernamen an den Rand. Später fügte er auf
dem Rande hinzu: „Kürkljs“, was er auch im Text ergänzte,
und bemerkte daneben: „Koach heb:“ (= hebräisch) „Polonus
transtulit Sala- || mandra“. Zu einer anderen Zeit schrieb Bretke
dazu noch „Chamaeleon“, was er später in „Chamaeleonas“
veränderte und „Vide Pel- || licanu[m]...“ dazufügte. Von
den polnischen Bibeln übersetzt die Krakauer (1561) den frag-
lichen Vers: „Jesz / || Slimak / Krzeczek / Jäszczorkä | y
Kret...“, doch die Brester (1563) hat: „Jez / ? Chämäleon /
Jäsztzorka /|| Slimak / y Kret.“ (Am Rande:)?P Drudzy wyklä- ||
daig Salamändrä ...“, Budny (1572): „... Jez / Sälämändrä / ||
Jäszczorkä / slimak y kreth...“, Krakauer (1577): „Jesz / Kä-
meleon / Krzeczek / Jaszczorkä / y Kret:...“, Wujek (1599):
»...Mygäle / S Cämele- ||on (Rand: S äbo Pilch) / y täräntulä
(Rand: / abo krzeczek) | y iäsczorkä y kret:...“
Es war also wohl sicher die Übersetzung Budnys, die Bretke
nachträglich zu Rate zog*.
Auch der Vergleich des Bretkeschen Textes mit dem der
polnischen Bibeln zeigt, daß Bretke bei der Übersetzung selbst
keinen polnischen Text benutzt hat, sondern erst später bei
der Korrektur auch die polnische Übersetzung mit heranzog.
Zur Veranschaulichung der Verschiedenheit der Texte sei hier
die bereits (oben, S. 222) erwähnte Stelle 5. Mos. 28,56 u. 57 in
der Übersetzung Bretkes, der polnischen Bibeln des 16. Jahr-
hunderts und Luthers mitgeteilt:
Bretke (I, 27ir 1vuff.): Moterischke tarp iusu, kurri || pirm leepei ir giei-
duliosa (Br. nach 1590: achwotnei) giwena, ll Kurri nemeginna padus
koiu et, ant Szemes pastatiti delei lepistes || ir gieiduliu (Br.
später: raschkoschies), ta wirui sawam I) ios (später gestrichen) gle-
bije, ir sawam Sunui ir I Dukterei ginsis (Br. später: newaelis)
düti (pawides) I marschkineliu kurie isch ios paczios I rietu ischeia.
Priegtam ir sunus, I Kurius ghi pagimde...“
Krakauer Bibel (1561): „Mioda Päni ä roskossna / ktora niemo- I gla kiedy$
po Ziemi chodzi& / y kthora prze l piessczote ä roskosz wielka /
niecheiälä y sta- || pi€ nä Ziemie / bedzie tesz zäzrzälä mezowi I
swemu wlasnemu / miesä syna y corki swey / I y plugäwosdi oplä-
wow äbo lozyskä kthore || z niey wychodza pızy porodzeniu /
ss Die Bibel des Budny ist die einzige handliche Quartausgabe der polni-
schen Bibeln des 16. Jahrh., ist aber zugleich schlecht gedruckt, alle ande-
ren Ausgaben sind Folianten mit guter Ausstattung.
223
tudziesz || y dziatek kthore sie they godziny vrodzily: || Abowiem
beda dziedi ies&E w täiemnosei...“
Brester Bibel (1563): „Thä kthora tez miedzy wämi ko- || chänkä y pie-
szczotna byla / ä kthora || zäledwe, noga ziemie dostepowälä / || dla
roskoszy y pieszcezoty swoiey / zay I zre& bedzie mezowi swemu
wlasne- I mu / synowi / y corce swey.
57 Niemowiatku ktore wychodzi z || zywotä iey zlozyskiem / y
dziatkom I ktorych narodii / äbowiem bedzie ie ies& || potäiemnie.. oh
Budny (1572): „56 PieszcZona (niewiästä) ä rosko ll sznicä v ciebie / ktora
(przed tym) |] nie Smiälä stopa nogi swey cho- || dziö po ziemi odroz-
koszy y piesz- I cZoty zäwidowä@ bedzie okiem I swym mezowi lonä
swego / y syno || wi swemu swemu y corce swey. 57 Y cze- || pkowi
swemu wychodzacemu od || nog swoich y synom swym / ktore I VTO-
dzilä || bo ie ies& bedzie potä- || iemnie / ...“.
Krakauer (1577): „56 Niewiästä pieszczona ä roskoszna / ktora nie moglä
po l Ziemi chodzid äni stopa zstapi prze rozkosz y pieszcZote wielka:
bedzie zay- ll zrzälä meZowi swemu ktory lezy nä lonie iey / miesä
synä y corki swoiey / y plugäwosci lozyskä ktore z niey wychodzi /
y dziatek ktore sie tey godziny I vrodziüy: äbowiem beda dziedi iese
w täiemnosci...“.
Wujek (1599): „56 Niewiästä piesczona ä roskosz- |] nicä / ktöra po Ziemi
chodzi& nie mo- I gla / äni stopy nög postäwid / od ro- || skoszy y
piesczoty wielkiey / bedzie zay- || Zrzälä mezowi swemu / ktöry lezy
nä || tonie iey dla miesä synä y cörki / 57 y eze- || pkä / ktöry wy-
chod2i z posrzöd lonä || iey / y dla dziatek / ktöre sie tEyze go- ||
däiny vrodzily. bo ie beda ie$& pota- || iemnie / ...“.
Luther (mit Varianten): „56 Ein Weib vnter euch, das zuuor Zertlich, vnd
in lüsten gelebet hat, das sie nicht versucht hat jre Fussolen auff die
erden zusetzen fur zertligkeit vnd wollust, Die wird dem Man in jren
armen (Var.: yhrem schos), vnd jrem son vnd jrer Tochter vergönnen,
57 die afftergeburt die zwisschen jr eigen Beinen sind ausgangen, dazu
jre Söne, die sie geboren hat Denn sie werden sie fur allerley mangel
heimlich essen.“
Hat Bretke aber keine polnische Übersetzung bei der ersten
Niederschrift seines Bibeltextes benutzt, so ist klar, daß die
vielen Polonismen und Lehnübersetzungen aus dem Polnischen,
die er gleich niederschrieb, dem Litauischen angehörten, das
er selbst sprach. Ein solches Litauisch ist aber nur unter
engstem Kontakt mit dem Polnischen denkbar, und zwar ist
Bretke, wie schon gezeigt, in seinem Litauisch entweder von
ganz polonisierten Litauern nachhaltig beeinflußt worden und
somit sicher in engste Berührung mit dem polnischen Kultur-
kreis gekommen, oder, was viel wahrscheinlicher ist, war selbst
224
wie sein ehemaliger Mitbürger und sicherlih Verwandter
Alzunius, im litauisch-polnischen Sprachgebiet.
Sowohl das eine wie das andere ist bei den damaligen Ver-
hältnissen kaum anders denkbar, als daß Bretke selbst auch
Polnisch gekonnt hat, zumal er doch sicher, wie schon gesagt,
seit seiner Kindheit ständig mit Polen in Berührung gekommen
ist, so in Friedland mit dem damals dort wohl noch vereinzel-
ten polnischen Gesinde und während seines Studiums mit pol-
nischen Studenten. In Labiau waren unter dem „...viel
frembdes volcks...“, das „...sonderlich bei sommer- || Zeit-
ten...“ „...alda wanckett...“, wo „...der || frembde Mann
mit hauffenn hin Vnnd her || reiset...“, sicher auch viele Polen,
in Königsberg aber hatte Bretke die polnische Gemeinde und
die polnischen Pfarrer gar in seiner Kirche und in seinem Hause,
wenn auch Leonhard Dembowius aus Polen gebürtig war”“,
so hatte er doch sicherlich genau wie Stephan Wilkau deutsche
Bildung genossen.
Zusammenfassung und Würdigung.
In der Untersuchung der Volkszugehörigkeit Bretkes sind
die im Artikel von Gerullis „Zu Johannes Bretke‘”” mitgeteil-
ten Archivalien betreffs der Volkszugehörigkeit der Mutter
Bretkes entscheidend. Sie war Stammpreußin und war wohl
sicher eine geborene Warnin.
Die Etymologie des Namens „Bretke“ führt zu keinem ein-
deutigen Ergebnis. Die Familie des Vaters Bretkes kann da-
nach ursprünglich slavischer und niederdeutscher Herkunft sein,
auch preußische Abstammung ist möglich, lebte doch noch in
der Mitte des 16. Jahrhunderts ein „Bretky“ als „preußischer“
Bauer im Samland’", wenn der Vater Bretkes selbst auch Bür-
ger.in Friedland gewesen zu sein scheint.
Die Untersuchung der Sprache Bretkes in den verschiedenen
Texten zeigt zusammen mit den bekannten archivalischen
Quellen, daß die Muttersprache Bretkes mit großer Wahr-
scheinlichkeit das Preußische und Deutsche gewesen ist, daß
er aber gleichfalls von Kindheit auf Litauisch gesprochen hat,
7388 Siehe oben, 5. 93.
38 Siehe oben, S. 153 ff.
”20 Siehe oben, S. 156, Stud. Balt. V, S. 60.
15 Falkenhahn, Bretke 225
jedoch — wohl im Jünglingsalter — von gebildeten Litauern
aus litauisch-polnischem Kulturgebiet litauisch schreiben lernte
und sein Litauisch von ihrer Sprache tiefgreifend beeinflußt
wurde, ein Prozeß, der sich in seiner Labiauer und Königs-
berger Zeit noch fortsetzte.
Darüber hinaus sprach Bretke auch Kurisch (Lettisch) und
sicher auch Polnisch.
Bezzenbergers Urteil über Bretke, das er aus der Lektüre
seiner Predigten in der „Postilla“ mit ihren nüchternen Ab-
handlungen über Krankheiten u. dergl. gewonnen hat: „Bret-
ken war kein Mann von großen geistigen Fähigkeiten‘, ist
richtig. Genialität ging ihm ab, wenn man auch gerade bezüg-
lich der Predigten zu einem milderen Urteil gelangt, wenn
man eine plastische Vorstellung von den Menschen und ihrem
Leben gewonnen hat, zu denen Bretke sprach. Aber auch in
seinem „Chronicon“ — soweit sich aus den beiden erhaltenen
Bruchstücken erkennen läßt — schrieb er, nach Gerullis’”,
nicht besser, aber auch nicht schlechter als seine Zeitgenossen.
Doc sein Interesse an Heimatgeschichte, wie es sich in der
Arbeit an dem „Chronicon“ zeigt, sowie seine theologische
Gelehrsamkeit und Belesenheit, die sich in den vielen Rand-
bemerkungen des Bibelmanuskripts verraten, gingen weit über
das Maß seiner Brüder im Amte hinaus: er hat wie kein an-
derer noch nach dem Examen auf seiner Pfarre weiter ge-
arbeitet. Aber vor allem seine treue Hingabe an den Gedanken
Luthers, auch den Verachtetsten und Geringsten das Wort
Gottes in der Muttersprache nahezubringen, sowie seine Ge-
wissenhaftigkeit und sein unermüdlicher, selbstloser Fleiß, mit
dem er unter Hintansetzung seines persönlichen Vorteils über
seine offiziellen Amtspflichten hinaus den Litauern — sicher-
lich dachte er nicht nur an die Litauer in Preußen — das-
jenige vermitteln wollte, was ihm selbst das Höchste war, näm-
lich die Heilige Schrift und damit das lutherische Christentum,
zeigen ihn uns menschlich von einer sehr schönen Seite.
a1 B.G.L.S, S. XV.
”2 „Bretke als Geschichtsschreiber“, Arch. £. sl. Phil. 40 (1926), S. 1261.
226
Bretkes Korrektoren.
Seite 102 ff. wurde gezeigt, daß einige Geistliche, die als gute
Kenner des Litauischen bekannt waren, die Postille Bretkes
durchkorrigiert haben. Aus der Postille selbst geht das nicht
hervor”®. Vom Gesangbuch ist nirgends gesagt, ob jemand
außer Bretke verbessernd mitgewirkt hat. Anders steht es um
die Bibelübersetzung, denn sie ist nur im Manuskript erhalten,
und so ist die Möglichkeit geboten, die Tätigkeit der Korrek-
toren, die genau wie bei der Postille arcivalisch belegt ist’*,
an der Bretkeschen Bibelhandschrift, in der uns ihre Eintra-
gungen erhalten sind, selbst nachzuprüfen, wenn auch nur aus-
nahmsweise dort der Name des Helfers angegeben wird. In den
meisten Fällen muß erst aus den verschiedenen Handschriften
der Korrektoren durch Handschriftenvergleihung auf ihre
Person geschlossen werden, weshalb die Paläographie in der
folgenden Untersuchung eine wichtige Rolle spielt.
Auch das ungeübte Auge erkennt in der Bibelhandscrift
neben den Korrekturen und Anmerkungen von Bretkes eigener
Hand aus den verschiedenen Zeiten im Text, am Rande und
auf beigegebenen Zetteln deutlich solche, die ganz offensicht-
lich von andern Personen geschrieben sind. Bei sorgfältiger
Durchsicht des ganzen Bibelmanuskripts zeigen sich Verbesse-
rungen in sieben verschiedenen Handschriften, von denen sich
jede sowohl von der Schrift Bretkes als auch von jeder der
anderen Korrekturen ganz deutlich unterscheidet, und zwar
”3 Auch im Vorwort auf S. As findet sich lediglich die Wendung: „...Quare
cum hanc Euangeliorum ex- I plicationem.... aliorum judicio subijce-
rem, illig[ue] studium [et] labo- || rem meum qualemcung[ue] compro-
barent...“, die jedoch nichts besagt, da sich solche und ähnliche Wen-
dungen oft in Vorreden aus der Zeit finden, so daß hier ein „literarischer
Stil“ vorliegt.
„4 Siehe oben, S. 113 ff.
15* 227
finden sie sich in folgenden Büchern: 1. Moses”, Proverbien”,
Ecclesiastes’””, Jesaia”*”, Jeremia’”*®, Threni””, Hesekiel”*, Da-
niel””, Jona”, Tobith (Tobias)”*, Sirach”®, Sus. et Dan.”*, Bel
in Babel”, Drache von Babel‘, Psalmen”®”, sowie im gesamten
Neuen Testament”” mit Ausnahme des 2. Johannesbriefes”“,
der jedoch nur 1% Quartseiten umfaßt.
In den meisten Fällen hat immer nur je ein Korrektor ein
Buch bearbeitet, doch Matthäus”® und Marcus”® weisen beide
Verbesserungen von zwei ganz verschiedenen Händen auf, das
Buch Tobith zeigt gar Anmerkungen in drei deutlich vonein-
ander abweichenden Händen. Einige Seiten dieses Buches sind
davon geradezu übersät, so z. B. S.V 87' und 86”, von denen
Abb. 12 und 13 einen Ausschnitt wiedergeben.
1. So erscheint z. B. auf S. III 191Y (zu Proverb. 11,25) eine
Korrektur: „Dusche kuri dauksei || düst, Sütüks, Jr kuris |}
pagirda, bus wel pa- || girditas“ (Abb. 14).
Diese Handschrift ist durch ihre eckigen, gemalten, meist
unverbunden nebeneinander gestellten Buchstaben mit ihren
kurzen Ober- und Unterlängen, desgleichen durch ihre senk-
rechten Abstriche charakteristisch (vergl. auch die Worte
„sawrediste |] raschkasis“ in der Mitte von Abb. 12, T. IX,
735 ] 3r — I 56v,
ae III 184r — III 207r.
a7 III 208r — III 216r.
ns IV 2r— IV 71v.
ae IV 72r— IV 154.
70 IV 1557— IV 160v.
751 ]V 1642 — IV 264v.
2 IV 244r — IV 264v.
753 V 22r—_V 24v,
ma V 84r— V 97r,
755 V 98r—_V 141V,
70 V 228r — V 230r,
757 V 230v—V 231v,
78 V 231v—V 232v,
759 VI,
760 VII — VIII.
0 VIII 174r — VIII 174v.
702 VII 5r — VII 68V.
es VII 69r — VII 106v.
228
sowie „die nachkomen || patomkai“, Abb. 13, ebenda, von der
gleichen Hand).
Korrekturen in dieser Handschrift finden sich außer in den
Proverbien noch in folgenden Teilen der Bibel: 1. Mos.,
Proverbien, Ecclesiastes, Jona, Tobith, Sirach, Sus. et Dan.,
Bel in Babel, Drache von Babel, Psalmen, sowie im gesamten
Neuen Testament außer Actorum’* und 2. Joh.’*,
Die Zahl der Verbesserungen, die von der gleichen Hand
stammen, beträgt etwa 1000.
Da sich der Korrektor nirgends selbst nennt, sei er zu-
nächst mit X, bezeichnet.
2. Eine ganz andere Handschrift zeigt z. B. eine Verbesse-
rung auf S. V 94, von der Abb. 15 einen Ausschnitt zeigt (vgl.
auch die Worte „Ir niekad su...“ usw. auf Abb. 12, T. IX, sowie
„teze kregszdie...“ auf Abb. 13, T. IX, die von der gleichen
Hand geschrieben sind).
Die Handschrift hat durch ihre Buchstaben in lateinischer
Kursive mit stark geneigten Abstrichen, die oft dicke Balken
darstellen, etwas Auffälliges.
Korrekturen von der gleichen Hand finden sich nur im
Buche Tobith. Ihre Zahl beträgt etwa 200.
Der gleichfalls unbekannte Korrektor wird als X, angeführt
werden.
3. Eine dritte Hand schrieb z. B. die Anmerkung auf S. V 86'
(zu Tobith 2,14): „F jr (verbess.: Bet) kurio budu karalei ||
schwentaghi IOBA || apiokie“, Abb. 16, T. X (vergl. auch
„bene“, „furwiz vnd...“ usw., „Anfechtung hoc...“ usw.,
Abb. 12, T. IX, und „kregszdie isch...“ usw., „paskutiniei“,
Abb. 13, T. IX).
Die Schrift unterscheidet sich durch ihre bald ganz kurzen,
bald hoch über die kleinen Buchstaben in Mittellängen hinaus-
ragenden Oberlängen, auch stehen sie bald über, bald unter
der Linie.
Dieser Korrektor hat nur einige Seiten des Buches Tobith
mit rund 110 Anmerkungen versehen.
za VII 227 — VII 297r.
res Vielleicht zufällig, da der Brief, wie schon gesagt, im Bretkeschen Manu-
skript nur 1% Quartseiten umfaßt.
229
Ein Name ist nirgends angegeben, daher sei der Helfer bis
auf weiteres X, genannt.
4. In Actorum”” hat ein unbekannter Korrektor rund 65
Verbesserungen angebracht, die wieder eine sehr charakteristi-
sche Handschrift zeigen, so z. B. S. VII 2427 9-10vu’”” (Abb. 17),
deren Text: „ir dairinaia iuos || Derina darbineia“ lautet.
Diese Handschrift zeigt klobige, unverbunden nebenein-
andergestellte lateinische Buchstaben, bei denen ganz im
Gegensatz zu X, die Horizontalstriche durch erhöhten Druck
betont und Buchstabenrundungen wie bei a, d, o durch einen
besonders angesetzten wagerechten Balken oben abgeschlossen
werden.
Nennen wir ihn zunächst \X..
5. Auf den ersten 24 Blättern der Psalmenübersetzung (VI)
finden sich rund 80 Verbesserungen, die fast alle mit einer
mehr oder weniger gelbbraun schimmernden Tinte eingetra-
gen sind. Wie z. B. die Korrekturen auf S. VI 3”® zeigen
(Abb. 18), wo dieser Helfer die Worte „Sutraukime“ und über
Bretkes Korrektur ‚„pamietoia“ noch „niekinna“ schrieb, ist
auch diese Handschrift durchaus charakteristisch.
Er soll bis auf weiteres X, genannt werden.
6. In Jesaia, Jeremia, Threni, Ezechiel und Daniel finden
sich etwa 60 Korrekturen in einer zierlichen, deutschen Kur-
sive, die, wie z. B. die Eintragungen auf S. TV 189”® (Abb. 19)
zeigen, von den vorigen Handschriften deutlich verschieden ist.
Der Text lautet: „prissiwerskite nü wissu per || zengimu jusu
jeib ne pul || tumbit diel nussidejimu (Hebr.: jeib nussidejimas
jems || nebutu isztikkimu).“
Wie zu sehen, erinnert die Orthographie an die Daniel
Kleins, was für diesen Korrektor besonders charakteristisch
ist. Wir nennen diesen Korrektor zunächst X,.
7. Matthäus und Markus endlich versah eine ganz andere
Hand mit rund 25 Verbesserungen, z. B. auf $. VII 38
zes VII 2277 — 297r,
707 Zu Act. 7,26.
78 Zu Ps. 2,5—4.
7® Zu Hes. 18, 30.
77 Zu Mt. 16, 4.
230
(Abb. 20), wo sie: „Ebrechische Art. || wencziawanistes perszen- ||
gentij gimmine angu || weisle.“ eintrug.
Dieser Helfer soll als X, zitiert werden.
Wer waren diese Personen, die Bretkes Bibelmanuskript
ganz oder zum Teil in die Hand bekamen und so gut Litauisch
sprachen oder zu sprechen glaubten, daß sie Bretkes Text ver-
bessern konnten?
Es versteht sich von selbst, daß diese Frage nicht nur für
die Bretkeforschung, sondern darüber hinaus für die altlitaui-
sche Sprach- und Literaturgeschichte von Bedeutung ist.
Die Bestimmung dieser Helfer Bretkes bereitet Schwie-
rigkeiten, da eindeutige schriftliche Angaben, wer diese und
wer jene Eintragungen in das Bibelmanuskript gemacht hat,
fehlen. Doch kommen
1. von vornherein mit größerer Wahrscheinlichkeit die-
jenigen Personen in Frage, deren Name sich entweder in dem
Bibelmanuskript selbst findet, oder die sonst” als Korrektoren
dieses Werkes genannt wurden.
a) Am Schlusse des Buches Tobith (V 97°) lesen wir: „Hujec
lithuanico Tobiae limam |} adhibuit. Zacharias Blothno Tilsen-
sis || Diacon[us] 1585“, doch, wie schon gesagt, in Tobith finden
sich die Handschriften dreier verschiedener Korrektoren, die
hier die „Feile angesetzt“ haben, und die der genannten Ein-
tragung stimmt mit keiner der drei überein (Abb. 28).
b) Am Schlusse der N. T.-Übersetzung (VIII 237”) findet sich
folgende Eintragung: „Ego Albertus strischka Cathechista
widzensis || in districtu Magnifici Domini Stanislai Narusche-
wic || Magni procuratoris Wilnensis, Testor hoc meo || p[ro]prio
CHyrographo me versionem Noui Testa- || menti Reuerendi
viri joannis Bretkij Pasto- || ris in Labia approbare. Et cum
hactenus || nulla prorsus scripta in nostra lingua litua- || nica
edita sint non dubito quin haec versio || Ecclesiae lituanicae
si ederetur magnum fru- || ctum sit allatura: —“ (Abb. 76).
Strischka sagt nur, daß er die Übersetzung approbiere, nicht
aber, daß er sie korrigiert hätte, was natürlich trotzdem der
Fall sein könnte; seine Handschrift hat sogar auf den ersten
1 Siehe oben, S. 114.
231
Blick mit der des Korrektors X, einige Ähnlichkeit, doch
macht eine sorgfältige Vergleichung beider Handschriften ihre
Identität sehr unwahrscheinlich.
In den oben”” genannten Akten werden folgende vier Geist-
liche als vom Herzog beauftragte Korrektoren des Bibelmanu-
skripts genannt: Simon Waischnarus, Georgius Musa, Johannes
Gedkant und Friedrich Masalski; tatsächlich kamen sie auch
mit Bretke in Ragnit zusammen, doch dauerte die Konferenz,
nachdem sie frühestens am 25. September 1592, wahrscheinlich
aber später, begonnen hatte, bis zum 10. Oktober, wo die vier
Pfarrer die Sache schon aufgaben und an den Herzog schrie-
ben, daß sie sich „...Viel Zu geringe, schwach, || vnd vnuor-
mogen Dar Zu erkennen...“, und baten, er solle ihnen ‚„...auff
eine gelegene Zeit etzliche gelarte || menner in hebraischer
sprache erfaren, || Zuordnen, damit solches hohes nötiges || vod
christliches werck mochte vorrichtet || vnd in Druck gebracht
werden...“
Offenbar hatten die vier Geistlichen in Ragnit festgestellt,
daß sie der Aufgabe, in Gegenwart Bretkes seine Bibelüber-
setzung zu korrigieren und auf seine Fragen zu antworten,
nicht gewachsen waren. Sie hatten sich wohl gedacht, sie wür-
den, weil sie teils Litauer von Geburt, teils anerkannte Ken-
ner des Litauischen wären, den armen Bretke mühelos ver-
bessern können, doch müssen sie einsehen, daß er ihnen in-
folge seiner jahrzehntelangen Übersetzungspraxis turmhoch
überlegen war. Ihre Angabe, man brauche Hebraisten zu der
Arbeit, ist doch offensichtlich eine Ausrede, denn ihre Auf-
gabe war, eine einwandfreie litauische Übersetzung der Luther-
bibel zu liefern, und niemand hatte von den bescheidenen
Landpfarrern in Preußen verlangt, Luthers Monumentalwerk
zu verbessern.
Doch geht .wohl aus ihrer Angabe hervor, daß sie sich in
den höchstens zwei Wochen mit denjenigen Teilen der Bibel
beschäftigt haben, deren Urtext hebräisch ist, was bekanntlich
beim N.T. und den alttestamentlichen Apokryphen, wozu das
Bud Tobith gehört, nicht zutrifft.
Da an sich wahrscheinlich ist, daß sie die Arbeit mit den
772 Oben, S. 114 f.
‘232
5 Büchern Moses begannen, wo Bretke wegen der kulttech-
nischen Texte besondere Schwierigkeiten hatte, dürften sie
höchstens die Genesis bearbeitet haben. Dieses Buch ist aber
von X, korrigiert worden, dessen Handschrift mit keiner der
vier Pfarrer übereinstimmt (Abb. 32—37, T. XVI£.).
In den weiteren 4 Büchern Moses, sowie in den anschließen-
den Teilen des Alten Testaments, wie Josua, Richter, Könige,
finden sich nur Eintragungen von Bretkes Hand; somit wird
sehr unwahrscheinlich, daß diese vier Geistlichen bei jener
Ragniter Konferenz eigenhändig das Werk korrigiert haben.
Doch da — wie wir gesehen haben — das Bibelmanuskript
Verbesserungen in sieben verschiedenen Handschriften auf-
weist, würden ohnehin noch drei weitere Korrektoren anderswo
zu suchen sein.
Es muß somit der mühevolle und unsichere Weg beschritten
werden, möglichst alle archivalisch oder sonstwie erfafbaren
Personen festzustellen, die als Korrektoren der Bibel in Frage
kommen, in den entsprechenden Archiven Autogramme dieser
Personen aufzusuchen und ihre Handschrift mit der der Korrek-
toren zu vergleichen, denn es bleibt keine andere Möglichkeit,
die Persönlichkeiten der Helfer zu bestimmen.
Unsicher ist dieses Verfahren: a) es ist nicht wahrschein-
lich, wirklich alle gebildeten Personen, die gleichzeitig Li-
tauisch konnten und das Manuskript Bretkes korrigiert haben
könnten, zu erfassen; b) durchaus nicht von allen in Frage
kommenden Personen gelingt es, in den Archiven Autogramme
zu finden; c) der Handschriftenvergleich ist schwierig, denn
ein und derselbe Mensch schreibt meist anders, wenn er
Deutsch, anders, wenn er Lateinisch schreibt””. Dazu kam da-
mals noch eine große Verschiedenheit zwischen der Kursive in
privaten Aufzeichnungen und Mitteilungen sowie der Schön-
schrift in hochoffiziellen Dokumenten’“; letztere konnte sich
bei den verschiedenen Personen sehr ähnlich sein. Sie wird
heute im Zeitalter der Schreibmaschine nicht mehr geschrieben.
3 Siehe z. B. die Handschriftenproben Bretkes Abb. 2 und 3, T. II, sowie
Abb. 8 und 10, T. VII.
ma Siehe z. B. Bretkes Brief an den Herzog Abb. 2 und 3, sowie Abb. 4,
T. III, und Abb. 5, T. IV.
233
Somit kommt der Tatsache, daß zwei Handschriften über-
einstimmen oder voneinander abweichen, nur dann stärkere
Beweiskraft zu, wenn beide durchaus markant oder besonders
charakteristisch sind. 2
Die Ermittelung eines Korrektors ist aber als gelungen an-
zusehen, wenn zu einer Übereinstimmung der markanten oder
besonders charakteristischen Handschrift einer Persönlichkeit,
die das Bibelmanuskript korrigiert haben könnte, mit der eines
Korrektors noch weitere Umstände hinzutreten, wie z. B.
nächste Nachbarschaft mit Bretke, die eine Mithilfe bei der Ver-
besserung der Bibel ebenfalls wahrscheinlich machen, u. dgl.,
worüber dann jeweils besonders zu handeln sein wird.
Als Personen, die in Bretkes Bibel Verbesserungen vor-
genommen haben können, kommen außer den oben unter 1.
genannten in Frage:
2. gebildete’”” Litauisch sprechende Zeitgenossen Bretkes,
d. h., in allererster Linie Pfarrer, in zweiter Linie vielleicht
noch einige Schulmeister (aber kaum Laien, wenn sie auch
gebildet waren), die in den Jahren zwischen 1579, wo Bretke
im März die Übersetzung begann, und 1602, wo er sie end-
gültig dem Herzog überlieferte, und die acht Manuskriptbände
in die herzogliche Bibliothek gestellt wurden, in dem Alter
waren, daß sie zu einer solchen Bibelverbesserung als befähigt
galten, und zwar von diesen Gebildeten in erster Linie wieder
diejenigen, die in Bretkes Nähe, also hauptsächlich in Preußen
lebten, da, wie sich unten zeigen wird, die Entfernung bei dem
Maße der Beteiligung der einzelnen Helfer an der Korrektur
eine große Rolle spielt. Weiter können
”s Fs sei daran erinnert, daß zu der Zeit, wo in einem Gesuch des Fleckens
Labiau um einen neuen Schulzen eigens betont werden mußte, daß dort
eine besonders tüchtige Person gebraucht würde, die lesen und schreiben
könne, eine heute in den meisten europäischen Ländern kaum vorstellbare
Kluft zwischen den wenigen Gebildeten, die ihre Bildung in lateinischer
Sprache erhalten hatten und dadurch Fremdlinge im eigenen Volke ge-
worden waren, und der großen, vollkommen ungebildeten Masse bestand,
die, wie immer wieder geklagt wird, nicht einmal das Vaterunser zu be-
halten imstande war.
234
3. diejenigen Geistlichen Fintragungen in das Bibelmanu-
skript gemacht haben, die es später zu ihren Bibelübersetzun-
gen mit heranzogen; es sind:
a) Johannes Rehsa zu seiner 1625 gedruckten Psalmenaus-
gabe, wo er in der Vorrede S. 4'f. schreibt:
„Als ist... mir durch E. Churfürstl. Dhtt. I hinterlassene Preussche
Regierung in Gnaden be- | fohlen worden / das Werck für die
Hand” zu nehmen / |] mit fleiß zu revidiren, welches ich dann auch
mit al- || len trewen / vnd nach dem vermögen / das GOtt dar- || ge-
reichet / verrichtet / den von Herrn Bretken vertir- | ten Littawschen
Psalter trewlich vnd wolbedächtlich / | vnd sonderlich mich nach
der deutschen version Her- | ren D. Lutheri S. richtende / vber-
sehen / ins reine l versetzt /...“
b) Daniel Klein und die Pfarrer jener Kommission, die 1638
auf Vorschlag des Konsistoriums unter dem Vorsitz D. Kleins
das Bretkesche Bibelmanuskript druckfertig machen sollten, wie
aus der handschriftlichen Fassung des „Recessus || Generalis“
(siehe weiter unten) hervorgeht.
c) Kalvinistische Geistliche, die wohl von 1662—1664 (siehe
weiter unten) in Kedainen an einer Bibelübersetzung arbei-
teten und zu dem Zwecke durch Vermittelung des Fürsten
Boguslaw Radziwill das achtbändige Bretkesche Bibelmanu-
skript aus der kurfürstlichen Bibliothek in Königsberg leih-
weise erhielten”, denn wie aus den Kedainer Synodalakten
von 1664 im Kanon 10 hervorgeht, erklären „wir“, d. h. die
Synodalmitglieder, so schnell wie möglich alle acht Bände
durch zuverlässige Hände heil und unbeschädigt zurückzusen-
den. Wie aus dem langen, halb lateinischen, halb polnischen
Satzgebilde hervorgeht, handelt es sich um eine litauische Bibel
“ aus der kurfürstlichen Bibliothek, die durch Vermittelung des
„Stallmeisters des Großfürstentums Litauen“, also jenes Ra-
dziwill, entnommen, sowie ihnen von dem Professor und
Bibliothekar Contius’”® durch Herrn Krainski übersandt wor-
den ist:
7 D.h. Bretkes Bibelmanuskript, von dem Rehsa im Vorhergehenden sprach.
77 M. Stankiewiez, „Biblia Litewska“, S. 18.
8 Andreas Concius, geb. (25. 11.) 1628 in Narzim bei Soldau, studierte in
Königsberg und Wittenberg, reiste nach Holland; 1654 in Königsberg Pro-
fessor für Mathematik, 1658 daneben Kurfürstlicher Bibliothekar, 1664
Rektor der Altstädt. Schule in Königsberg, t (16.5.) 1682 als Rektor; siehe
Arnoldt, Hist. Un. I, S. 336; II, S. 108, und Fortges. Zus. S. 46 ff.
235
„Biblie Litewskie z biblioteki kurfirszta jego Mci.
Biblia Litwanika z biblioteki kurfirszta jego Meci.,
za interposita Xiazecia jego Mci pana Koniuszego W.X.L. wziete, a
Clarissimo Domino professore et Bibliotecario Domino Concio per
Venerabilem Dominum Krainski, nobis transmissa declaramus
integra, in toto, et sine noxa przez pewne rece odeslad, iako bedzie
mogto bijdz naijpredzej wszystke octo Volumina“’”®,
Es handelte sich also offenbar um das Bibelmanuskript
Bretkes.
Aus einer Eintragung in die Synodalakten von 1663 läßt
. sich erkennen, wozu sie das Bretkesche Manuskript brauchten;
dort heißt es, daß der Seniorpfarrer von Zemaiten, also sicher-
lich Jan Borzymowski, und der Pfarrer Skrocki” die zum Teil
gedruckte, zum Teil handscriftlih vorliegende litauische
Bibel”® durchgesehen hätten, und dafß diese voll von Fehlern
sei. Darum hätte der Seniorpfarrer von Zemaiten zusammen
mit den Geistlichen, die zur Tagung nach Kedainen gekommen
waren, das Neue Testament ins Litauische übersetzt. Der frag-
liche Passus lautet:
»...kwoli czemu tenze Xiadz Senior Zmuydzki collatis consilijs z
Bracia ktorzy sie na Sessiq Kieijdanska zjechali partitis operis, znimiz
na litewski jezyk, Nowy Testament vertowal, y juz ta praca jest
wygotowana ...“782,
Das Neue Testament solle gleich in England unter Aufsicht
des Bruders, also kalvinistischen Geistlichen, Minvid gedruckt,
und inzwischen sollten Ezechiel, Daniel, die Kleinen Propheten
übersetzt werden; der „Pfarrer-Superintenden“, also wohl
sicher wieder Jan Borzymowski, würde dafür sorgen, daß die
Klagelieder Jeremiae, Ezechiel und die Kleinen Propheten
”® Chr. S. Stang, „Arch. Phil.“ III, S. 30 ff.
80 Über Jan Borzymowski d. Ä. siehe Gerullis, Skait., S. 267, und Waclaw
Gizbert Studnicki im Siownik Biograficzny, Bd. II, S. 369. Über Georg
Skrodzki siehe Arnoldt, Nachr. I, S. 43 ff.; E. Oloff, Polnische Lieder-
geschichte, S. 169 ff., und Gerullis, Skait., S. 279 Anm. 2. Skrodzki war
zu der Zeit polnischer Vikar an der Steindammer Kirche in Königsberg.
Zu beiden siehe auch Chr. Stang, Arch. Phil, Bd. III (1932), Artikel
„Archivlia“, S. 27 ff.
’sı D. h. die Samuel Boguslaus Chylinski in England übersetzt hatte, siehe
hierzu Chr. S. Stang. ]. c., S. 32, und St. Kot über Chylinski im „Siownik
Biograficzny“.
82 Chr. S. Stang, Arch. Phil. III, S. 30.
236
korrekt übersetzt würden. Zum Tage des Bartholomäus
(24. August) soll die Arbeit gleichfalls nach England zum Druck
gesandt werden. Die Apokryphen wurden laut Synodalbeschluß
nicht übersetzt:
„...unanimi consensu decernimus, abij... Nowy Testament druko-
wany byl, praesidente typis Fratre Minvidio, poko Ezechiel, Daniel
cum minoribus Prophetis sie wygotuie, a interea temporis adhibebit
curam X Superattendent, aby Lamentationes Jeremiae, Prophetia
Ezechielis et Minores Prophetae bijli quam correctissime transfero-
wani, ij wcezesnie okolo swietego Bartlomieja... do Analiey byli
przyslani: Apokrypha moga byc opuszczone, ij zgola declaruje Syaad
S. zebij ich nie drukowac. “783
d) Die Geistlichen, die bei der im Auftrage des Königs an-
gefertigten und 1735 gedruckten Bibelausgabe Joh. Jakob
Quandts mitgearbeitet haben, denn in der Vorrede schreibt
Quandt“:
»...und 2) hat
man sich ausser dem 1701 gedruckten Litthauischen Neuen Testament
auch der geschriebenen Bibel des oberwehnten Joh. Bretkii bedienet
und das darinn befindliche Gute gegen-
wärtiger Übersetzung mit
Dank einverleibet...“
Doch kann das nicht viel gewesen sein, denn gleich auf
der nächsten Seite sagt Quandt:
‚... Was vor Mühe und Fleiß
zu dieser Uebersetzung angewandt worden, achtet man nicht nöthig
weitläuftig anzuführen, um sich so viel mehr dem unreifen Vor-
wurf eines unverantwortlichen Eigen-Ruhms zu entreissen. Unpar-
theijische Gemuther werden es von selbsten zugestehen, daß es weit we-
nigere Mühe und Zeit erfordere, eine bereits über setzte Bibel von Wort
zu Wort abdrucken zu lassen, als eine durchgehends neue Uebersetzung
aus der rauhen Wurtzel hervorzuziehen, undin einer Sprache, der es zum
Theil an nöthigen Hülfs-Mitteln mangelt, herzustellen...“
In seinem Bericht an die Königliche Regierung vom 3. Ja-
nuar 1730 wird Quandt noch deutlicher; dort heißt es von
Bretkes Übersetzung”®:
83 Chr. S. Stang, Arch. Phil. III, S. 30.
4 Johann Jacob Quandt, geb. 17. 3. 1686 in Königsberg, 1717 Pfarrer im
Löbenicht, 1721 Oberhofprediger und 4. Theologieprofessor, 1732 1. Theo-
logieprofessor und Kirchenrat. Berühmter Kanzelredner. Lernte litauisch.
7 17. 1. 1772, Siehe über ihn Nietzki und Gilde.
785 Nietzki, J. Jak. Quandt, S, 7£.
237
»...Sie ist aber nach der Labiauschen Mundart, so mit der Curischen
Sprache verbunden ist, geschrieben; dahero sie auch von den reinern
Litthauern in den Insterburg -Ragnit-und Tilsitschen Aemtern, die
doch die weitläuftigsten sind, weder verstanden noch angenommen
werden kann und einer durchgängigen Verbesserung von Wort zu
Wort bedarf. Schon a. 1625, als der Psalter Davids in Quarto allhier
in lietth. Sprache aufgelegt wurde hat die Version von des Bretckii?®
Successor Rhesa von neuem revidirt und verbessert werden müssen,
so daß wenig davon überblieben... Als ich die neue Auflage des
N.T. und des Psalters unter den Händen gehabt, habe ich die Version
des Bretcki?® zwar zugezogen, aber sehr wenig Nutzen davon ge-
schöpfet, ausser daß in der Apostel-Geschichte die Benennung der
Winde gebraucht werden konnte, darauf sich die Cuhren und Labiauer
mehr denn die andern Litthauer verstehen...“
Somit besteht nur eine geringe Möglichkeit, daß einer seiner
zehn Mitarbeiter das Bretkesche Manuskript benutzt hat.
e) Johannes Ludwig Rhesa und seine Mitarbeiter an der
Bibelübersetzung, die 1816 in erster Auflage erschien. Rhesa
schreibt in der Vorrede (S. VI£.), daß:
„»...Das Wesentliche, wo-
durch die neue Bearbeitung sich von den frühern Ausgaben vom
Jahr 1735 und 1755 unterscheidet...“
u.a. darin bestehe,
»...daß die schätzbare Handschrift von Janus Bretke aus
dem sechszehnten Jahrhundert, welche in 5 Folianten und
3 Quartbänden auf der hiesigen Königl. Bibliothekvor-
handen ist, bei den abzuändernden Stellen sorgfältig zu
Rath gezogen und manche glückliche Bereicherung der
Lithauischen Sprache hiedurch bewirkt worden.“
Desgleichen schrieb ]J. L. Rhesa eigenhändig auf das Vorsatz-
blatt des VII. Bretkeschen Bibelmanuskriptbandes (S. 1’) die
Worte:
„Dieses Manuscript von der litthauischen Bibel ist bey der neuen, ver-
besserten Ausgabe der litthauischen Bibel in den Jahren 1811, 1815 u 1816
von mir mit dem litthauischen Text verglichen worden.
D. Rhesa.“
Von einer späteren Heranziehung des Bretkeschen Manu-
skripts zu einer Bibelübersetzung ins Litauische ist nichts be-
kannt.
Es folgt nun eine Zusammenstellung aller archivalisch oder
sonstwie bekannten Personen, die Korrektoren sein könnten:
ee A. Nietzki liest „Brelcki“ usw.
238
Die unter 1. genannten siehe S. 231f. Die unter 2. genannten
Personen sind folgende”:
Aldus, Johannes, lit. Diakon, Memel
Antonick, Leonhard, (lit.?) Diakon, Insterburg
Bacchius, Joachim, lit. Pfarrer, Gumbinnen
Balthasar, Isaak, lit. Diakon (?), Tilsit
Bielauk, Johannes, Pfarrer, Georgenburg
Blothno, Nicolaus, Pfarrer, Pillupönen (heute Schloßbach)
Blothno, Zacharias, d. ]J., Pfarrer, Wischwill
Buchholz (Buchholker), Laurenz, (lit.?) Pfarrer, Goldap
Clocowius, Theodor, (lit. ?) Pfarrer, Koadjuten, Ruß
Düben, von, siehe Frese
Frese (oder von Düben), Christoph, Pfarrer, Nennersdorf
Fuhrmann, Bartholom,, lit. Pfarrer, Memel
Fuhrmann, Benedict, lit. Pfarrer in Memel (?), Ruß.
Gallus, Daniel, Pfarrer, Laukischken
George, Laurentius (Vilnensis), Pfarrer, Schittkehmen (heute Wehr-
kirchen)
Hartwich, Ambrosius, Pfarrer, Kuckerneese
Heidmann, Martin, (lit.?2) Pfarrer, Schirwindt
Heidemann, Valentin (?), Schneider, Pfarrer, Piktupönen
Hoffmann, Jacob, (lit. ?) Pfarrer, Kattenau
Hoffmann, Paul, (lit. ?) Pfarrer, Muldten (heute Mulden)
Hollstein, Johann, Pfarrer, Stallupönen, Gawaiten
Höpfner, Johannes, Diakon, Insterburg
Klein, Balthasar, (lit.?) Pfarrer, Kraupischken (heute Breitenstein)
Krause, Florian, Pfarrer, Koadjuten
Kytlickowski, Paul, Pfarrer, Schittkehmen (heute Wehrkirchen)
Landenberg, David, Pfarrer, Goldap
Liebermann, Christoph, Pfarrer, Kunzen
Machlet, Kaspar, (lit.?) Pfarrer, Kattenau
Marcianus, David, (lit. ?) Pfarrer, Schittkehmen (jetzt Wehrkirchen)
Musa, Stanislaus (Vilnensis), Pfarrer, Lasdehnen (Haselberg)
Musa, Daniel, Pfarrer, Lasdehnen (Haselberg)
Oehlert, Urban, (lit. ?) Pfarrer, Petersdorf
Paskeitis (PoSkaitis) oder Poczka, Andreas, Pfarrer, Prökuls, Piktu-
pönen
Poplin, Ambrosius, Pfarrer, Tilsit
Pusch, Laurentius, (lit.?) Pfarrer, Kussen
Pusch, Valentin, lit. Pfarrer, Norkitten, Gumbinnen
Radunius (Ruddowius), Alexander, d.Ä., Pfarrer, Kuckerneese
Radunius (Ruddowius ?), Alexander, d.]J., Pfarser, Kuckerneese
’s Wenn in den Quellen nicht ausdrücklich gesagt wird, daß die betreffende
Person litauisch sprach, dies aber sehr wahrscheinlich ist, wird es durch:
„(lit?)“ angegeben.
239
Radunius, Caspar, Pfarrer, Prökuls
Rohd, Alexander, (lit.?) Pfarrer, Gumbinnen
Rodau, Bonifatius, (lit. ?) Pfarrer, Petersdorf
Ruddowius, siehe Radunius
Sappuhn, Michael, Pfarrer, Schittkehmen (Wehrkirchen), Kussen, Pillu-
pönen (Schloßbach)
Schmidt, Albrecht, (lit. ?) Pfarrer, Schittkehmen (Wehrkircen)
Scultetus (Schultz), Zacharias, lit. Pfarrer, Memel
Sengstock, Lazarus, lit. Pfarrer, Diakon, Werden (Heydekrug), Ruß,
Memel
Seel, Dominicus, (lit.?) Pfarrer, Engelstein
Seel, Johannes, (lit.?) Pfarrer, Engelstein
Siautil, Nicolaus, Pfarrer, Ruß
Sitt, Thomas, Hutmacher, Pfarrer, Koadjuten
Sperber, Gabriel, Plibischken?®#
Sperber, Samuel, lit. Pfarrer, Schittkehmen (Wehrkirchen), Stallu-
pönen (Ebenrode)
Stephani, Bartholom., stud. theol., später Pfarrer in Petersdorf (?)
Stimer, N., (lit. ?) Pfarrer, Stallupönen (jetzt Ebenrode)
Tortilowitz, Johannes, (lit.?2) Pfarrer, Trempen, Neuhoff
Waisznarus, Simon, Pfarrer, Ragnit
Walter, Andreas, (lit. ?2) Pfarrer, Kunzen, Koadjuten
Welwer, Partoclus, lit. Pfarrer, Kraupischken (Breitenstein), Tilsit
Willent, Barthol., d. A., lit. Pfarrer, Königsberg
Willent, Barthol., d. J., Pfarrer, Trempen, Kraupischken (Breitenstein)
Wirezinski, Andreas, (lit.?) Pfarrer, Salau, Schabienen (?), (heute
Lautersee)
Wirezinski, Leonhard, Pfarrer, Schabienen (Lautersee)
Wirczinski, Stanislaus, Pfarrer, Schabienen (Lautersee).
Die unter 3. genannten Personen sind folgende:
a) Wie Professor Johannes Behm, Königsberg, in seiner Vor-
rede zur Rehsaschen Psalterausgabe (S. 10°) angibt, haben außer
Joh. Rehsa am litauischen Text gearbeitet:
M. Petrus Nicolai, Erzpriester zu Insterburg, M. Georg
Beselmann, Pfarrer zu Ragnit, Zacharias Blotnau, litauischer
Pfarrer zu Tilsit, Valentin Feuerstock, Pfarrer zu Georgen-
burg, Christophorus Sappuhn, Pfarrer zu Gr. Rudupönen,
Gregor Wirtzinsius (Wirczinski?), Pfarrer zu Stallupönen,
Christophorus vom Stein, litauischer Kaplan in Insterburg.
88 W, M.137 d: Pfarrer von 1571—1607. Sein Sohn Andreas kann auch litauisch
und wird von der Gemeinde als Nachfolger vorgeschlagen.
240
Doch hat kaum jemand von diesen das Bretkesche Psalmen-
manuskript herangezogen, denn Rehsa schreibt im Vorwort zu
seiner Psalmenausgabe S. 4°:
»... Solch mein / durch Gottes bey-
standt gefertigtes Werck / hat E. Churfürstl. Dhtt.
hinderlassene Preussche Regierung etlichen in den
Littawschen Emptern / in der Littawschen Sprach
geübten vnd erfahrnen Pastoribus (plus enim vident
oculi quam oculus) abermals ad revidendum vber-
schickt / damit also der Littawsche Psalter in guter rei-
ner Littawscher Sprache / so viel jmmer müglich / ans
Taglicht kommen möchte. Welchem befehl sie dann
auch trewlich nachgesetzt / in dem sie zu vnterschiedli-
chen malen zusammen kommen / sich dieses Wercks
herzlich angenommen / daß es nunmehr / wie am tage
die selige Endschafft erreicht hat.“
Und Joh. Behm sagt in der genannten Vorrede, S. 10° £.:
»...Als ist solch Werck
anfänglich vorgemeldtem Herrn Johan Rehsen /
höchstem fleiß nach / zu emendiren, corrigiren, vnd in
allem / wo es von nöthen / zu verbessern vbergeben /
welcher dan durch Gottes Gnade das seine dabey
gethan / vnd sonderlich das gantze Werck de novo
also verfertiget / vnd nebenst dem deutschen Psal-
ter außgeschrieben. Darnach ist es andern Lit-
tawschen Pastoribus, im Insterburgischen / Tilsischen
vnd Ragnitschen, als...“ (folgt Aufzählung der oben Genannten)
»...Ad revidendum vberscickt / weche dan mit anruf-
fung des Namens GOttes / das jhrige auch bey die-
sem Werck / höchstem vermügen nach gethan / da-
mit / wo müglich / der Psalter in guter und reiner
sprach außgehen möchte.“
Den Pfarrern ist also aller Wahrscheinlichkeit nah nur
das Manuskript Rehsas zugegangen, nicht aber auch zugleich
der Psalmenband des Bretkeschen Bibelmanuskripts.
Außerdem sind ihre Handschriften nicht besonders mar-
kant; sie stimmen jedenfalls mit denen der Korrektoren nicht
überein.
b) Nach der handschriftlichen Fassung des „Recessus Gene-
ralis“ wurde 1638 im Amte Insterburg eine Kirchenvisitation ab-
gehalten, nach der folgende Pfarrer zur Bearbeitung des Bretke-
schen Bibelmanuskripts vom Konsistorium bestimmt und dem
Kurfürsten vorgeschlagen wurden:
16 Falkenhahn, Bretke 241
„1. Herr M: Daniel Kleinn, Liettawischer Pfarr Zur I Tielsieth ((durch-
strichen: welcher Zwar Jung ist, Jedoch alss ll einn Gelarter, vnndt in
denn Linguis er- l fahrner Mann,)) welches (!) dass Directorium haben,
vnd || vleissiege achtunge darauf geben soll, Damit || ess alless nach
((Rand: nach d[er] Version Lutheri Il vnd)) denn Fontibus so viel mug-
lich, recht vnondt voll I gegebenn werde, \ 2. Herr Christophorus Sap-
puhn, Pfarr Zu Entzunen, || 3. Herr Andreas Krause, Pfarr tzue Nie-
budtzen, 4. Herr Gregorius Kewnitius, Pfarr zur Georgenbg, \
5. ((durchstr.: Herr Johannes Höpnerus, Liettauischer Pfarr || Zur Müm-
mell)) mortu[us] [et?] interea l Vnd welche Cfl Dhl sonsten gnedigst
weiter I Dazu verordnen wollen... .“788r
Die Konferenz sollte in Ragnit stattfinden. Eine Liste nennt
53 Personen, die entweder bereits z. T. größere Beträge zum
Druck der Bibel gestiftet hatten (220 Taler) oder doch nach Be-
ginn des Druckes zu helfen versprachen. Jene Stifter, von denen
nur drei einen litauischen Namen tragen, sind größtenteils Pfar-
rer (1—2 Taler) und höhere Beamte, wie z. B. der Hauptmann
von Insterburg (50 Taler), Jägermeister Balthasar Ludwig (50 Ta-
ler) usw. Es sollte außerdem ‚„...inn etzlichenn Vornehmen
vnndt wollhabenden Städten, || ((Rand: vnd aufm lande || bei
denen Vom || adel)) da noch nichtss gefallen...“ Sammlungen
veranstaltet und in „Littauische[n] || Ämbternn“ 3 Groschen
Schoß pro Hufe für den Bibeldruck erhoben werden. Weiter
wurde der Kurfürst gebeten, die Konferenzteilnehmer mit den
nötigen Lebensmitteln zu versehen, und den Rest der durch die
Revision und die Drucklegung verursachten Kosten zu über-
nehmen.
Obwohl die Vorbereitungen zu dieser Korrektorenkonferenz
schon so weit gediehen waren, scheint es zu keiner Sitzung in
Ragnit gekommen zu sein, denn in dem 1639 gedruckten Rezef
ist der ganze die Korrektoren betreffende Passus ausgelassen
und dafür gesagt: nn
„Dess Orts, Unkosten und Persohnen wegen, wird Ihr. Churfürstl.
Durchl. selbst gnädigst anzuordnen wissen, wie es auffs eheste und
beste ins Werck zu richten sey...“
Die Namen der Spender aber sollten im Vorworte aufgeführt
werden (I. c., S. 277).
788: E#,M. 55e Aktenheft: „Kirchenvisitation im Amte Insterburg. General-
rezess. 1638“. In dem 1639 gedruckten Rezeß (siehe „Preuß. Provinzial-
Kirchenblatt“ V, 1843, S. 259 ff.) ist der jene Korrektorenkonferenz be-
treffende Passus (siehe unten) ausgelassen.
242
Es könnte jedoch sehr wohl sein, daß von den genannten
Pfarrern wenigstens D. Klein, der sehr gute Beziehungen zur
Königsberger Universität und zum Konsistorium hatte, und oft
in Königsberg weilte, wie aus seinen Akten im Staatsarchiv her-
vorgeht, bereits mit den vorbereitenden Arbeiten am Bretkeschen
Manuskript begonnen und Korrekturen angebracht hat.
c) Leider ist es unmöglich, mit Sicherheit alle Personen
festzustellen, die in Kedainen Bretkes Manuskript als Hilfs-
mittel zu ihrer Übersetzungsarbeit in-Händen hatten, da es in
dem oben, S. 236 zitierten Synodalprotokoll vom Jahre 1663
nur heißt, daß Jan Borzymowski (?) zusammen mit den Brü-
dern, die zu der Tagung nach Kedainen gekommen waren,
das Neue Testament ins Litauische übersetzt hätte.
In den die „Kniga nobaznistes“ und die Bibel des Chylinski
betreffenden Kedainer Akten werden einige Personen der da-
maligen Zeit besonders und wiederholt als Verfasser und
Korrektoren dieser beiden litauischen Bücher sowie der frag-
lichen Bibelübersetzung genannt. Diese kommen natürlich in
erhöhtem Maße in Frage, bei der Übersetzung Bretkes Manu-
skript benutzt und bei der Arbeit Eintragungen gemacht zu
haben. Es sind folgende: D. Samuel Boguslaus Chylinski, Jan
Borzymowski””, Georg Skrocki”, ein „Frater Minvid“*, ein
Pfarrer Krainski und der Kedainer Bürgermeister Stefan
Jaugila Telega’”.
Doch wie durch die Arbeiten Chr. Stangs” und St. Kots’*
feststeht, ist Chylinski zu der fraglichen Zeit gar nicht in Ke-
dainen gewesen; auch der Vergleich der Bibelübersetzung
Chylinskis mit der Bretkes zeigt, daß Chylinski die Version
8 Siehe oben, S. 236 Anm. 780.
”0 Siehe oben, S. 236 Anm. 780.
”1 Siehe oben, S. 236.
2 „Steponas Jaugelis Telega“, wie ihn K. Jablonskis auf Grund der meisten
Lesarten des Namens in den von ihm zuerst veröffentlichten Dokumenten
(Arch. Phil. IV, S. 89 ff.) nennt, war 1631—1666 Bürgermeister in Kedai-
nen und betrieb neben Landwirtschaft auf seinen Besitzungen noch Fx-
porthandel nach Königsberg. Er gehört nicht dem Adel an, sondern war
Bürger, wenn auch sehr vermögend. Siehe Chr. Stang, Arch. Phil. III,
S. 29, und besonders K. Jablonskis, nn IV (1935), S. 86 ff.
”3 „Arch. Phil.“ III, S. 32.
7%» „Slownik Biograficzny“ über B. Chylinski.
16*
243
Bretkes nicht benutzt hat, und daß Lukaszewicz sich irrt, wenn
er in seiner „Geschichte der reformierten Kirche in Lithauen“,
I, S. 171, sagt:
„... Diese Königsberger Handschrift von Skrocki und einigen Andern
verbessert, ist eben jene lithauische Bibel, die unter dem Namen
Chylinski’s bekannt ist. Der Uebersetzer derselben ist Jan Bretkun,
Pfarrer in Labiau.“
Auf Lukaszewicz stützt sich M. Stankiewiez (l. c.).
Um die absolute Verschiedenheit der Texte an einem Bei-
spiel zu veranschaulichen und so ein für allemal die Theorie
Lukaszewiczs zu widerlegen, sei hier 3. Mos. 1,5—4 der beiden
Übersetzungen nebeneinander gestellt:
Bretke (I, 120r) Chylinski’”®
„jei kas nor Sudeghinama affiera „> Jeygu afiera jo ira degama-
affie- l rawoti, tada teaffierawoij afiera isz jauciu, tada afierawos to-
Patineli (Wi- De ) kursai benu- bula patyneli: pas duris Nometa
tarties ira, lauke uszu || Wartu Ta- sueygos afierawos ghi, pagal walos
bernakulo u idant || sawo, po weydu WIESZPATIES.
PONU miela buty nüg io.
Jr tepapul- || da sawa Ranka ant 4 Ir uzdes raka sawo and galwos
Sudeginamos (verb.: -njmos) affie- anos degamos-afieros, kad butu tey
ros || Galwas, tada bus mielu PONV po jo mielu, numaldyt ghi.“
(verb.: -NVJ), ir ghi su- N dairins
(suiednos).“
Es erübrigt sich, hier alle Mitarbeiter J. J. Quandts und
J. L. Rhesas aufzuzählen, da diese, wie oben, S. 237 ff. und 241
gezeigt wurde, kaum die Übersetzung Bretkes benutzt haben
können, und auch ihre Handschrift mit der keiner der sieben
Korrektoren übereinstimmt. Dazu sind die Mitarbeiter Quandts
auf S. 10" (unpaginiert) der Vorrede zur Bibelausgabe von
1735, sowie die J. L. Rhesas in der Vorrede zur Bibelausgabe
von 1812 auf S. IV genannt.
Es ist nun im Folgenden aus Raummangel unmöglich, bei
jeder der angegebenen Personen die Untersuchung durchzu-
führen oder auch nur im Bilde eine Handscriftenprobe zu
bieten, wenn sich herausstellte, daß diese Person wegen ab-
soluter Verschiedenheit ihrer Handschrift von der der Korrek-
toren — was meist der Fall war — oder aus andern zwingen-
705 Gerullis, Skait., S. 282.
244
den Gründen für eine Korrektorenschaft nicht mehr in Frage
kam.
Es werden daher nur solche Personen eingehend behandelt,
die entweder zu Korrektoren bestimmt wurden, oder aber
höchstwahrscheinlich mit diesem oder jenem Helfer identisch
sind.
Bestimmung der einzelnen Korrektoren.
Der Korrektor \X..
Bei X, fällt zweierlei sofort auf: 1. die große Zahl seiner
Korrekturen und 2. ihre eigenartige Verteilung über die Bü-
cher der Bibel, wenn man gleichzeitig die Zeit der Übersetzung
bzw. der. Niederschrift des betreffenden Buches beachtet, die
Bretke fast stets zu Beginn oder am Ende seiner täglichen
Übersetzung angegeben hat.
Die Anzahl der Korrekturen von X, ist allein fast doppelt so
groß wie die der anderen sechs Korrektoren zusammengenom-
men: X, ca.” 1000 (81 Korrekturen mit mehr als 3 Wörtern),
X, ca. 200 (46), X, ca. 110 (17), X, ca. 65 (2), X, ca. 110 (0),
X, ca. 55.(5),.X,.22.(2).
X,—X, haben also zusammen ca. 560 (70) Korrekturen.
X, hat sich demnach aus irgendwelchen Gründen besonders
stark an der Korrekturarbeit beteiligt.
Nun aber die Verteilung der Korrekturen des X, über die
einzelnen biblischen Bücher! Ordnet man die einzelnen Bücher
der Bibel nach der Zeitfolge, in der sie von Bretke übersetzt
wurden, so stellt sich heraus, daß X, von den 37 Büchern, die
in Labiau übersetzt wurden, alle bis auf drei durchkorrigiert
hat. Nicht korrigiert wurde:
1. der 2. Johannesbrief, der jedoch, wie schon gesagt, viel-
leicht auch nur zufällig keine Korrektur aufweist, da er nur
1% Quartseiten einnimmt, 2. Actorum, das von X, korrigiert
wurde, und 3. Sapientia, das letzte in Labiau übersetzte bib-
lische Buch. Von den 44 biblischen Schriften, die in Königs-
berg übersetzt wurden, fehlt in 43 jede Spur einer Anmerkung
se Eine genaue Gesamtzahl der Korrekturen kann nicht angegeben werden,
da einige Verbesserungen so wenig umfangreich sind (z. B. Streichung
eines Buchstabens), daß sie sich keinem Korrektor mit Sicherheit zuweisen
lassen.
245
von X,, nur 1. Moses, das erste in Königsberg übersetzte Buch
der Bibel, ist in der alten Weise korrigiert.
Die chronologische Anordnung zeigt, daß in den Jahren
1586—1589 irgendeine Veränderung eingetreten sein muß, die
die Mitarbeit des Korrektors X, an der Übersetzung sehr stark
erschwerte oder unmöglich machte, was doch sicher Bretkes
Versetzung nach Königsberg (1587) sein dürfte.
Bei der Durchmusterung der Unterschriften der preußischen
Pfarrer unter der Concordienformel des Königsberger Staats-
archivs” von 1579 fällt sofort die Ähnlichkeit der Handschrift
unseres X, mit der des Daniel Gallus’”® auf, der damals Pfarrer
in Laukischken, 10 km ostsüdöstlich von Labiau, war, das auch
Friedrichsdorf genannt wurde (Abb. 29).
Das Staatsarchiv besitzt noch zwei Unterschriften von Da-
niel Gallus, und zwar eine unter einem Brief an den Herzog”
und unter einem Leumundszeugnis in einem Mordprozeß vom
23. Februar 1602. Auch diese zeigen eine auffällige Überein-
stimmung mit den Buchstabenformen des X, (Abb. 30 und 31).
Da Daniel Gallus noch 1602 Pfarrer in Laukischken war
(wo besonderer Wert auf Kenntnis der litauischen Sprache ge-
legt wurde, wie aus den mit dem Morde in Zusammenhang
stehenden Akten hervorgeht), ist er mindestens von 1579 ab
nächster das Litauische beherrschender Nachbar-Amtsbruder
Bretkes gewesen, bis dieser 1587 nach Königsberg versetzt
wurde. In dieser Zeit hat ihm Bretke also offenbar jedesmal
bald nach der Niederschrift der Übersetzung eines biblischen
Buches diese zugeschickt, jedenfalls aber, ohne es selbst noch
einmal durchzulesen, wie aus den unglaublichen Fehlern und
den Auslassungen Bretkes, die Gallus korrigierte, hervorgeht
(siehe z. B. Abb. 34, T. XVII). Dies wurde 1587 mit Bretkes Über-
siedlung nach Königsberg anders. Sapientia, das als letztes
noch 1586 übersetzt wurde, blieb aus irgendeinem Grunde un-
korrigiert, 1. Mos. (1588), das erste in Königsberg, hat Bretke
ihm noch von dort aus zukommen lassen, danach aber erfolgte
nichts mehr. Alle weiteren 43 biblischen Bücher blieben, wie
schon gesagt, unkorrigiert.
”7 Herzogl. Briefarch. I, 2, 1579.
788 Concordienformel, S. 15Y,
”® ],, Herzogl. Briefarch. 1590, am 1. Juni 1590 eingegangen.
246
Daß die Entfernung zwischen Bretke und den Korrektoren
bei der Zusammenarbeit eine große Rolle spielte, wird sich
noch bei den anderen Korrektoren zeigen.
X, ist also offenbar Daniel Gallus.
Daniel Gallus.
Der Name Gallus ist so vieldeutig und kommt in der frag-
lichen Zeit, wie eine Durchmusterung der Matrikelbücher der
Universitäten zeigt, als Namensübersetzung bei so verschiede-
nen Völkern vor, daß daraus a priori nicht auf eine be-
stimmte Nationalität unseres Daniel Gallus geschlossen wer-
den kann, aber seine Bibelkorrekturen in einem ausgezeich-
neten, manchmal geradezu modern anmutenden Litauisch,
machen es zur Gewißheit, daß er von Hause aus Litauer war,
und daß sein lateinischer Name höchstwahrscheinlich die Über-
setzung des litauischen Personennamens Gaidys ist",
Die archivalischen Nachrichten über Daniel Gallus sind so
dürftig, daß sich über seine Persönlichkeit und sein Leben
wenig sagen läßt.
An einer deutschen protestantischen Universiät scheint
D. Gallus nicht studiert zu haben, jedenfalls enthalten die ver-
öffentlichten Matrikeln in der fraglichen Zeit keinen Daniel
Gallus, Hahn, Gaidys, der unser Gallus sein könnte”, Somit
hat er vielleicht in Polen studiert, obwohl er dort nicht nach-
zuweisen ist, denn die polnische Matrikel gab damals meist den
Familiennamen nicht an””. Jedoch die Eigentümlichkeiten seiner
Sprache machen dies wahrscheinlich. Möglich ist auch, daß er
bei einem aus dem polnisch-litauischen Kulturbereich stammen-
den eingewanderten litauischen Pfarrer „in die Lehre“ ge-
gangen ist, denn andererseits muß er auch Deutsch gekonnt
800 Ostermeyer, Liedergesch., S. 243 ff., berichtet von einem „Michael Gallus“
des 17. Jahrhunderts, der „...von Littauischen || Eltern gebohren. Sein
Vater hieß Gaidys || d- i. Hahn, und war ein Ackersmann im I) Dorfe
Gaidelen Amts Haidekrug“. Siehe unten, S. 343.
8% Untersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln der Universitäten Frank-
furt a. O., Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königs-
berg, Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg.
s02 Herr Professor St. Kot, Krakau, teilte mir auf Anfrage mit: „Keinen der
von Ihnen genannten (Gallus, Siautil, Striszka) habe ich an irgend einer
Universität getroffen, und ich habe die Abschriften von allen.“
247
\
haben, denn er benutzte zu seiner Korrektur verschiedene Teil-
ausgaben der Lutherbibel, die sich z. T. nicht mit der Vorlage
Bretkes decken, die er vielleicht selbst besessen hat. Doch sollte
sein Deutsch nicht gereicht haben, um jenes Gutachten von 1602
zu schreiben, das im Ich-Stil abgefaßt ist und von anderer Hand
stammt? Gallus hat es lediglich unterschrieben!
Jedenfalls verraten seine Korrekturen einen so hohen Grad
von Bildung, daß nicht anzunehmen ist, daß er noch zu jenen
Pfarrern gehört, die ganz ohne Studium angestellt wurden,
wie z. B. der Hutmacher Thomas Sitt in Koadjuten, der Schnei-
der Valentin Heidmann in Piktupönen u. a., sondern möglich
ist, daß er als wandernder „Schulmeister“.nach Laukischken
kam und später Pfarrer wurde, wie z. 1% Nikolaus Siautil in
Ruß’®, Joachim Schenk in Labiau‘* u. a.
Seine litauische Orthographie und esilshre zeigen viele
Merkmale, die die aus litauisch-polnischem Kulturkreis stam-
menden Autoren aufweisen.
Bezüglich der Erweichung der Gutturale g und k schwankt
Gallus anfänglich zwischen der polnischen Bezeichnung der-
selben durch -gie, -kie und der deutschen Orthographie, die
sie unbezeichnet läßt, z. B.: S. VII 121’: „pagielbeia“, S. VII
123": „uszkiele“, und S. VII 127: „pagelbeia“, S. VII 116:
„Ketwirtainiks“, und zwar geht er so weit, daß er mitten in
einem Buche, das er bisher, ohne die Erweichung anzugeben,
korrigiert hat, plötzlich ebenso konsequent überall die Er-
803 Siehe unten, S. 286 ff.
804 Siehe oben, S. 56.
805 Die Tatsache, daß viele Pfarrer des 16. Jahrhunderts ein gewisses Maß
von Bildung verraten, obwohl sie wahrscheinlich keine Universität be-
sucht haben, da ihr Name in den Matrikelbüchern fehlt, erklärte Herr
Professor St. Kot, Krakau, brieflich wie folgt: „Viele von ihnen haben
sic niemals zu einer Universität durchgearbeitet. Doch auch. derartige
(d. h. lutherische) Seminare für Geistliche gab es nicht. Sie waren also
zweifellos Autodidakten, die lediglich bei irgend jemand praktizierten,
um die Ausübung des liturgischen Gottesdienstes zu erlernen und sich
die Anfangsgründe anzueignen, wonach sie sich selbst weiter bildeten.
Wir haben Beispiele unter den bedeutendsten Verfechtern der Reforma-
tion (Szymon Budny), die zeigten, daß es ohne Universitätsstudium mög-
lich war, ein bedeutender Theologe, ale Drucker, Sprachkenner
usw. zu werden.“
248
weichung setzt. Schließlich entscheidet sich Gallus aber doch
für die deutsche Orthographie und läßt die Erweichung un-
bezeichnet, so daß er die gleiche Entwicklung durchmact wie
Mosvid und Bretke.
Vor D. Gallus läßt sich nur um 1554 ein Pfarrer Theophilus
in Laukischken nachweisen”, der aber nicht sein unmittel-
barer Vorgänger gewesen sein kann, wie aus den uns bekann-
ten Lebensdaten des D. Gallus hervorgeht.
Fest steht, daß D. Gallus 1579 bereits dort Pfarrer war.
Wahrscheinlich hat er in diesen Jahren geheiratet, nachdem
er kurz vorher in Laukischken, das damals eine bis Kreu-
zingen‘” reichende Pfarre war, angestellt wurde (siehe weiter
unten).
In dem Erbvertrage zwischen seinen Kindern vom 29. März
1620 nach dem Tode seiner Frau®® wurde diese ....des Se:
Daniel Hanen gewessenen || Pfarrherrs Zu Lauckischeken nach-
gelassene || Wittwe...“, „Euphrosina“ genannt. Da sie die Mut-
ter aller Kinder und auch des Anfang der achtziger Jahre ge-
borenen Sohnes Andreas war, dürfte Euphrosina damals seine
Frau geworden sein.
1579 begab sich Daniel Gallus wie alle damals amtierenden
preußischen Pfarrer (mit Ausnahme des Erzpriesters von Tilsit
und die ihm unterstellten Pfarrer®”) auf Verlangen des Her-
zogs nach Königsberg und unterschrieb die Concordienformel
als Pfarrer von Laukischken“.
08 Supplikation, auf die jetzt eine moderne Hand: „1554 Pf. zu Laukisch-
ken“ geschrieben hat, klagt ein „Theophilus pfarher || Zw Laukischken“
dem Herzog, daß ihn die Kirchenväter Weihnachten abgesetzt und einen
andern Pfarrer angenommen hätten, der aber jetzt gestorben sei, auch
hätten sie ihm den Dezem, eine Kuh und ein Pferd vorenthalten. Er bäte
um eine andere Pfarrstelle. Auf Seite 2 steht der Vermerk: „hierauf
ist an Hauptmann I Zu Labiaw geschriebenn I worden den 28. May“.
807 Hieß früher Skaisgirren (Niederung).
808 Ostpr. Fol. 210, Labiauer Hausbuch, Bd. 2, S. 77: ff.
8% In der Concordienformel heißt es Seite 17r: „alhie solte der Ertz-Priester
von Tilsit sambt sei- l nen Zugeordenten Pastoribus vnd Schuldienern
vnterschreiben, Weil er aber nicht verhanden, l Volget l Ampt Jnster-
burgk...“ Zacharias Blothno (siehe unten, S. 259 ff.) unterschreibt daher
später an einer ganz anderen Stelle, die Unterschrift Alexanders Radu-
nius’ d. Ä. (siehe unten, S. 276 ff.) fehlt sogar ganz.
810 Ahb. 29, T. XV.
249
In jener Zeit begann auch seine enge Zusammenarbeit mit
seinem nur 10 km weiter wohnenden Amtsbruder Bretke, dem
er fleißig durch Korrekturen an der Bibelübersetzung half, und
den er sicherlich auch sonst in Dingen der litauischen Sprache
beriet.
Das wurde, wie gesagt, 1587 mit Bretkes Fortgang von
Labiau anders. Bretke schickte ihm von Königsberg aus nur
noch einmal ein biblisches Buch zur Korrektur zu“, wie er
den weiter entfernt wohnenden Korrektoren überhaupt nur
einmal je ein Buch übersandt hat.
Über sein Leben läßt sich sonst wenig sagen.
In dem Erbvertrage von 1520 werden fünf Kinder genannt,
und zwar zwei Schwestern, Catharina und Christine, sowie
drei Brüder, Daniel, Georg und Andreas.
. In dem Erledigungsvermerk der Regierungskanzlei in Kö-
nigsberg auf dem Briefe Bretkes, in dem er dem Herzog seine
Postille zum Druck anbietet”, wird Daniel Gallus mit Joh.
Höpfner, Sim. Waischnarus, Zach. Blothno, Joh. Bielauk und
Alex. Radunius auch zur Korrektur der Postille nach Ragnit
bestimmt; es sind das diejenigen Geistlichen, derer das her-
zogliche Schreiben an Bretke“® als „...vnnserer der Littawi-
schen Sprach Kundigen Theologen...“ gedenkt.
Daniel Gallus begab sich darauf nach Ragnit, wo er an der
Konferenz teilnahm, die vom 17. bis gegen Ende Mai währte““,
und wo er den am 1. Juni eingegangenen Brief an den Herzog
mit unterschrieb“.
Im Wintersemester 1599 wird ein „Andreas Gallus, Fride-
ricoburgensis“*° (Friedrichsburg ist Laukischken) in Königs-
berg immatrikuliert, was offenbar sein Sohn Andreas war”,
der, wie gesagt, Anfang der achtziger Jahre geboren sein
dürfte.
#11 Siehe oben, S. 245 ff.
812 Registr. 11. Mai 1590; siehe oben, S. 101 f. (Qu., S. 433, Z. 1).
83 Firled. 13. Mai 1590, siehe oben, S. 102f.
814 Siehe oben, S. 103.
815 Abb. 30, T. XV.
816 Erler, Königsb. I, S. 147.
87 Arnoldt, Nachr. II, S. 54.
250
Andreas zahlte genau so viel wie die meisten anderen, die
mit ihm gleichzeitig immatrikuliert wurden, nämlich 30 Schil-
linge, was annehmen läßt, daß die Familie Gallus in Laukisch-
ken in guten Verhältnissen lebte.
Gatte der Tochter Catharina wurde „...der Ehrwürdige
vnd wolgelahrte || Herr Johannes Seehl. Pfarrh[err] Zum ||
Engelstein ...“, der sie später bei dem Erbvertrage „...in Ehe-
licher vormundt- || schafft...“ sowie die Kinder ihrer verstor-
benen Schwester Christine vertrat.
Bemerkenswert ist vielleicht, daß der Pfarrerssohn aus
Engelstein, Johannes Seel, Catharina Gallus heiratet, die in
dem 71 km Luftlinie nordwestlich von Engelstein gelegenen
Laukischken aufgewachsen war, was damals eine erhebliche
Entfernung bedeutete.
Er mag sie zufällig auf seinen Wanderungen als Schul-
‚meister oder Diakon in der Studentenzeit kennengelernt ha-
ben, doch die z. T. polnische Art, das Litauische zu schreiben
(Erweichung), sowie die Polonismen in dem Litauischen des
“ Daniel Gallus, dem Bretke in sprachlicher Beziehung offen-.
bar viel verdankte, legen die Vermutung nahe, daß zwischen
Gallus und dem Engelsteiner Pfarrer, Dominicus Seel oder
Sela, wie ihn Arnold auch nennt”, der der gleichen Generation
angehörte wie Gallus, dem Vater des Johannes, irgendwelche
Beziehungen, vielleicht aus der gemeinsamen „Lehrzeit“, be-
standen haben könnten.
Dominicus Seel war als junger Mensch auf die Pfarre in
Engelstein gekommen, die genau wie die Pfarre in Lyck einen
Pfarrer brauchte, der litauisch und polnisch sprach. Er wurde
dort der Nachfolger des „Joannes Tortilovitz pastor Eclesie
Engel: || steinen“ (!), wie er sich 1554 im „Catalogvs pastorvm
Polonorvm || in Dvcatv prvssiae qvi subscripserunt““” selbst
nannte. |
Dieser Jan Tortylowicz-Batocki, wie ihn Jan Fijalek nennt,
war „der erste Evangelische in Zemaiten und lutherischer
818. Arnoldt, Nachr. II, S. 113.
312 Jn „Artikel der Antwort“, S. 4r.
251
Apostel in Preußisch-Litauen“”, dessen Herkunft und Werde-
gang eben gerade als erster gebildeter litauischer Geistlicher
in Preußen, der sicher genau wie andere Pfarrer der damali-
gen Zeit junge Leute zur Hilfe hatte, ausbildete und somit
ihre kirchliche Sprache entscheidend beeinflußte, unsere be-
sondere Beachtung verdient und in diesem Zusammenhang
kurz behandelt werden mag”. Aber auch besonders deshalb,
weil nach allem, was wir wissen, sein Leben und sein Werde-
gang in den entscheidenden Punkten genau so verlief wie
bei den anderen litauischen Geistlichen, die nach ihm über
die Memel nach Preußen flohen, hier eine neue Heimat und
Wirkungsstätte fanden, sowie eine Generation litauischer
Pfarrer ausbildeten, zu denen vielleicht auch Gallus gehörte,
deren Lebensweg wir aber nicht so verhältnismäßig genau
kennen.
Johann Tortylowicez-Batocki wurde offenbar in Batakiai in
Zemaiten, 15 km nordöstlich von Tauroggen, in einer Familie,
die dem niederen Adel angehörte, geboren. Er besuchte ent-
weder die Kathedralschule in Varniai oder eine der städtischen
Gemeindeschulen, von denen sich z.B. eine bereits zu Beginn
des 16. Jahrhunderts in Tauroggen nachweisen läßt. In diesen
Schulen „wurde ‚auch polnisch‘ gelehrt“, oder um die Sache
richtiger darzustellen: „die Rektoren-Baccalauren in ihnen
waren gewöhnlich Polen“, 1533 oder bald danach wurde Tor-
tylowicz in Sileliai (wohl dem im Kreise Raseiniai) katholischer
Geistlicher, muß aber sehr bald lutherisch geworden sein, denn
er floh eine gewisse Zeit vor Mai 1536 über die Memel nach
Tilsit, wo ihn der erste dortige lutherische Pfarrer, Simon
Alector (Hahn), aufnahm, und wo er nach Ansicht Fijäleks
in gewisser Weise Begründer der litauischen Kirche in Tilsit
wurde. Alector sandte ihn mit guten Zeugnissen versehen zum
Herzoge nach Königsberg, der den gebildeten, Polnisch, La-
teinisch und Litauisch sprechenden Geistlichen gerne in seine
Dienste nahm. In einem Briefe vom 30. Mai 1536 an den pome-
sanischen Bischof Speratus spricht der Herzog in diesem Zu-
N
20 X. Jan Fijalek: „X. Jan Tortylowicz-Batocki“, in: St. Kot, „Reformacja
w Polsce“ 1921, S. 97 ff. Auf diesem Artikel beruhen die Angaben über
Tortylowicz größtenteils. Ausführlicher siehe dort.
252
sammenhange davon, daß die katholischen Geistlichen in Ze-
maiten Polnisch, Lateinisch und Litauisch sprächen.
Der Herzog bestimmte Tortylowiez für die bereits über
ein Jahr unbesetzte Pfarre in Lyck, doch Tortylowicz wollte
aus unbekannten Gründen nad Insterburg. Der Herzog emp-
fahl Speratus darauf in dem genannten Briefe von Ende Mai
1536, er solle sich selbst um einen Geistlichen für Lyck be-
mühen, doch nur einen Polnisch und Litauisch sprechenden
Kandidaten vorschlagen. Doch schon 1537 wurde Tortylowicz,
nachdem er die Insterburger litauische Kirche begründet hatte,
. nach Angerburg versetzt, wo er acht Jahre amtierte. 1545 sie-
delte er nach Engelstein über, wo er nun blieb und zu Wohl-
habenheit kam, denn am 29, September 1558 bestätigte ihm
der Herzog seine dortigen Güter, wobei er ihn einen alten
Diener des Wortes Gottes nannte.
Ich glaube nicht, wie Fijalek annimmt, daß jener junge
litauische Prediger aus Engelstein, den Speratus im Mai 1545
an Rapagelanus nach Königsberg sandie, damit ihn dieser dem
Herzoge zur Ausbildung als Lehrer für seine litauischen Volks-
genossen empfehlen sollte, Tortylowicz gewesen sei, denn der
Herzog hatte doch bereits genug mit ihm zu tun gehabt, außer-
dem muß Tortylowiez doch damals schon über 30 Jahre alt
gewesen sein! Es scheint mir näher zu liegen, daß es sich hier
um einen jungen litauischen Predikanten handelte, der ohne
Universitätsbildung bei dem damals einzigen gebildeten litaui-
schen Pfarrer in Preußen „in die Lehre“ ging“ und sicher dort
die polnische Art, das Litauische zu schreiben und die vielen
Polonismen in seiner Sprache lernte!
Nachfolger dieses Tortylowicz wurde, wie schon gesagt,
Dominicus Seel, der 1579 die „Concordienformel“ als „Do-
minicus Seel Pastor Ecclesiae Engelsteinensis“ unterzeichnete
(S. 6") und sich im Wintersemester 1589 in Königsberg imma-
trikulieren ließ”, wo er die Immatrikulationsgebühren in
einem Monate zu zahlen versprach, „...quia pecunia desti-
tuebatur....“; ein Jahr später, Wintersem. 1590, wurden ‚ — Jo-
annes Seel — Fabianus Seel fratres, pastoris Engelsteinensis
821 Siehe oben, S. 248 Anm. 805.
2 Erler, Königsb. I, S. 103.
253
filij...“ — weil fast die ganze Habe des Vaters verbrannte
und durch Vermittelung „... Domini Decani M. Perbandi...“ —
umsonst immatrikuliert. Die beiden Söhne müssen noch unter
15 Jahren gewesen sein, denn sie wurden „...propter aeta-
tem...“ nicht vereidigt, sondern versprechen nur durch Hand-
schlag Gehorsam®”. 2
Bereits 1593 wurde Johannes Seel seinem Vater als Diakon
‘zur Hilfe beigegeben, dem er 1609 nach dessen Tode im Amte
folgt“. In diesen Jahren heiratete Johannes Seel, wie gesagt,
Catharina Gallus aus Laukischken. Die Pfarre in Engelstein
hat er bis zu seinem Tode, 1642, verwaltet.
Wir kehren zu Daniel Gallus zurück.
Das zeitlich nächste und gleichzeitig letzte bekannte Lebens-
zeichen von Daniel Gallus ist das am 23. Februar 1602 unter-
‚zeichnete, bereits erwähnte Leumundszeugnis, das ihn als
guten Kenner seiner Gemeinde zeigt, über sein eigenes Leben
aber leider nichts verrät.
In den nächsten Jahren dürfte Gallus gestorben sein, denn
bei der Kirchweihe der neuerbauten Laukischker Kirche am
3. Advent 1607 durch den Labiauer Pfarrer Joachim Schenck ist
bereits sein Sohn Andreas Gallus Pfarrer dortselbst’”, der nach
Arnoldt durch eine Verordnung vom 12. Juni 1607 dort von
Schenck eingewiesen worden war“.
823 Fbenda, S. 106.
#4 Arnoldt, Nachr. II, S. 313 £.
825 Im Laukischker Pfarrhaus wird ein Dokument von 1624 aufbewahrt, in
dem es in bezug auf die Kirchweihe am 3. Advent 1607 und die Voll-
endung des Turmes 1611 heißt: „Zu dieser Zeitt ll ist diesses Gotteshauß
mit nachfolgenden || dienern vndt Vorstehern versorget gewessen, || AIR
der Herr pfarherr Andreas Gallus. || die Kirchenvätter... || ... Alberecht
Kraußer Kruger Zu I Fridrichsburgk, vndt Hanß Sidtlen...“
80 Arnoldt, Nachr. II, S.54: „...Seine Introduction ward | 1607 den 12. Juni
dem Pf. in Labiau aufgetragen.“ Im Kaufvertrag des Andreas Hirtzfelder
vom 12, 11. 1629 (Ostpr. Fol. 210, Labiauer Hausbuch, S. 162r) wird von
den „...Sehl. Andreae Gallij gewesenen || pfarrers Zu Laukischken
Hinderlassenen I) geehlichten wittiben erben...“ gesprochen. Schon am
19. 1. 1627 unterzeichnete Alexander Hardtwich als Pfarrer von Laukisch-
ken zusammen mit_„Gregorius Kowenigk Pfarher Zu Georgeburg“ ein
Dokument (ebenda, S. 87r), wonach Arnoldt, Nachr. II, S. 54, zu berich-
tigen ist. Dieser Georgenburger Pfarrer stammte aus Laukischken. 1630
heiratete A. Hardtwich dessen Schwester (Ostpr. Fol. 209, S. 294r).
254
In den Jahren vor 1620 muß Frau Euphrosina Gallus ge-
storben sein, denn in dem öfter genannten Erbvertrage vom
29. März 1620 setzten sich ihre Kinder über die Hinterlassen-
schaft der Mutter, einen „...Gartten vnd etliche mobilien...“
dahin auseinander, daß sie dem „...Ehrwürdigen, vnd Wol- ||
gelahrten Andreae Gallo Jhrem || auch Leiblichen Brudern,
vnd || Pfarrh[errn] Zu Laukieschken den gartte[n] || Zwischen
der Kirchen Schmied vnd || Greger Kewenigs gartten gelegeln] ||
neben den wenig verhandenen || gewessen fahrnüssen ...“ für
115 Mark verkauften, und Andreas jedem 28 M. und 15 Gro-
schen auszahlte.
Bemerkenswert ist, daß dieser Vertrag, der doch innere
Angelegenheiten der Laukischker Pfarrfamilie betraf, von ‚Jo-
hanes Wichman || pfarherr Zu Labiau“ mit unterzeichnet
wurde; er gehörte also zu den „...darzu erbetenen || Herrn
vnd Freunden ....“, die den Vertrag .,... mit eige- || nen || Hen-
den vnterschriben, vnd mit Jhren || petschafften besiegelt...“
Der Korrektor \X..
Bei den 201 Korrekturen des Korrektors X, fällt auf, daß
sie sich nur auf den 27 Seiten des Buches Tobith (Tobias)””
finden, während die übrigen 80 Bücher der Bibel keine Spur
einer Korrektur durch X, aufweisen.
Am Schlusse des Buches Tobith, V 97° unten, ist in kleiner
Schrift angegeben: „Hujc Lithuanico Tobiae limam adhibuit
Zacharias Blothno Tilsensis Diacon[us] 1585“ *,
Daß Zacharias Blothno „dem litauischen Tobias die Feile
angesetzt hat“, heit doch, daß er dieses Buch verbesserte, d.h.
korrigierte.
Welche Handschrift ist nun die Blothnos? Die des X, fallt
fort, da X, als Daniel Gallus bestimmt ist‘*, bleiben also nur
die von X, und X,, die sich auf das deutlichste voneinander -
unterscheiden‘. Eine von beiden muß die Blothnos sein.
827 V 84r0 — 97r u.
828 Abb. 28, T. XIV.
822 Oben, S. 245 ff.
8% Abb. 38 und 39; siehe auch z. B. Abb. 22 und 23, Abb. 12 und 13, T. IX,
usw.
255
Für X, spricht, daß sich seine Korrekturen ziemlich gleich-
mäßig über das ganze Buch Tobith verteilen, während die
des X, sich lediglich auf der 5.—9. Seite” finden. Sollte nun
jemand, der von 27 Seiten eines Buches sechs korrigierte,
sagen, er habe es verbessert? Wahrscheinlich ist es nicht; wahr-
scheinlicher ist, daß sich diese Bemerkung auf X, bezieht, der
wirklich das ganze Buch korrigiert hat.
Das Königsberger Staatsarchiv besitzt nun eine Reihe von
Unterschriften, die von Zacharias Blothno d. Ä. stammen sollen.
Es sind dies einerseits je eine Unterschrift unter der „Con-
cordienformel“ und unter dem Briefe der Postillenkorrektoren
an den Herzog®”, sowie andererseits unter einigen 1601 ge-
schriebenen Briefen‘*, die aber nicht recht mit den beiden erst-
‘genannten Unterschriften übereinstimmen wollen.
Zweifellos von Zacharias Blothno d.Ä. stammen aber die
Namenszüge unter der „Concordienformel“ und unter dem
Briefe an den Herzog®”, dagegen stimmen die Unterschriften
unter den Briefen von ca. 1601 vollkommen mit denen seines
Sohnes, Zacharias Blothno d. ]J., überein, die sich unter Briefen
von 1603°* finden, wo Zacharias Blothno d. A. bereits ein Jahr
tot war. Möglicherweise hat der jüngere Blothno die Briefe
von 1601 für seinen alten Vater geschrieben, zumal es sih um
seine eigene Bewerbung nach Ragnit handelte. (Siehe unten,
S. 273 und 359 ff.)
Außer dem Königsberger Staatsarchiv besitzt aber die Leh-
rerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums zwei deutsche Briefe
Zacharias Blothnos d.Ä., einen von Anfang Mai 1590 und
einen von Ende Mai 1590 (?)°*, beide an die „Ratsmänner“ der
Stadt Tilsit. Der Text des Briefes von Anfang Mai zeigt aber
die gleiche Handschrift wie seine Unterschrift, die wiederum
sowohl mit der Z. Blothnos d. Ä. unter dem Briefe der Postillen-
si V 8571 — 87V.
32 Herzogl. Briefarch. I, 2, 1579 und 1590, eingegangen den 1. Juni 1590;
Abb. 30, T. XV.
»33 E.M. 138ee, Aktenheft: „Erzpriester in Tilsit.“ E.M. 118ee, Aktenheft:
„Stadt Ragnit. Kirche und Schule 1576-1601“, Blatt 14 ff.
83 Siehe oben, S. 136 ff.
835 Präsent. 7. 5. 1590, siehe unten, $. 266.
838 Siehe unten, S. 267.
256
korrektoren an den Herzog von 1590 (Abb. 30, T. XV) als auch
in den charakteristischen Zügen mit der unter der Concordien-
formel (Abb. 40, T. XIX) übereinstimmt”. Wir haben es hier
mit einem Brief zu tun, der ganz aus der Feder des älteren
Z. Blothno stammt, während der andere genannte Tilsiter Brief
von Ende Mai 1590 (?) wiederum nur die Unterschrift in der
nun bekannten Handschrift unseres Z. Blothno d. A. zeigt.
Für den Schriftvergleich sind also die Unterschrift unter
der „Concordienformel“, der Brief von Anfang Mai 1590,
die Unterschrift unter dem Brief von Ende Mai 1590 (?)** sowie
die Unterschrift unter dem Brief der Postillenkorrektoren an
den Herzog zu verwenden.
Vergleicht man diese (Abb. 30, T. XV; Abb. 40, 42 und 43,
T.XX) mit den Verbesserungen und Randglossen des Korrek-
tors X, (z. B.: Abb. 41, T. XIX; Abb. 38, T. XVIIT; Abb. 22, T. XII;
Abb. 15, T. X, sowie Abb. 12 und 13), wird klar, daß es sich
überall um die gleiche Hand handelt, die einmal eine gezierte
Schönschrift — das heißt, ohne die Balken bei den Abstrichen —
schreibt (‚„Concordienformel“), in den deutschen Briefen sich
bereits mehr gehen läßt (die „Balken“ treten deutlich hervor),
während sie in den Bibelkorrekturen eine flotte, teils lateinisch-
litauische, teils deutsche Kursive entwickelt®*.
Auch der negative Beweis mag hier geführt werden: Ver-
gleicht man die zweifellos von Zacharias Blothno d. Ä. stam-
menden Schriftzüge mit denen der beiden anderen Korrek-
toren X,°” und X,”, die, wie gesagt, ebenfalls das Buch Tobith
korrigiert haben, und auf die sich die lateinische Anmerkung
am Schlusse des Tobith ebenfalls beziehen könnte“, so tritt
die völlige Andersartigkeit der drei Handschriftentypen deut-
lich in die Erscheinung.
Dazu kommt die an das Altpolnische erinnernde Konstruk-
tion des Wortes büti+ Partizipium Activi, das z. B. Mosvid
87 Abb. 42 und 43, T. XX.
#8 Man beachte vor allem die charakteristische Neigung der Abstriche, die
Federzüge bei dem g, p, s usw.
## 7.B.: Abb. 14, T. X; Abb. 21, T. XII; Abb. 32 und 33, T. XVI, usw.
&20 Abb. 16, T. X; Abb. 23, T. XIII; Abb. 39, T. XVIII; Abb. 44, T. XXI.
si Abb. 28, T. XIV; siehe auch unten, S. 38f.
17 Falkenhahn, Bretke 257
verhältnismäßig selten hat”, bei X, und X, wohl nicht nur zu-
fällig ganz fehlt, aber sowohl in Z. Blothnos Vorrede zur
„Zemezuga Theologischka“ als auch in den Verbesserungen des
Korrektors X, verhältnismäßig häufig vorkommt, z. B.
In der Vorrede:#*
„Diewa niewiens kartuntgqg ne est regeiens...“ (S. 172, Z. 12f.vo),
„»... wiengimensis sunus... / tas mums ghi ischreischkens est“ (ebenda,
Z. 13£.vo), „...ans darens est...“ (ebenda, Z. 15vo), „... anys ne est
meile thesai prymti noreie...“ (S. 173, Z. 9f. vu), „...Simon Waischnarus...
lietuwischkai perguldens est / ant naudos lietuwninkams / kuruiu mokitaiu
ans isch Diewa likima... est essas...“ (S. 174, Z. 14 ff. vo), „... Dwasses...
ischgu Diewa thos butu essancZos alba ne...“ (ebenda, Z. 8f. vu) usw.
Bei X>:
X, Eeeanzt (nach Bretkes: „...Antra nakti eik iospi wieschlibai, kaip ||
schwentieghi Prat Patriarchai“): „est dare“ (V 90v 2vu, Tob. 6,21), X, ver-
bessert Bretkes „...buwa dawes...“ (im Satze „...kuriemus pirmai sawa
Duk- l teri buwa dawes...“) in: „est paszadeiens“ (V 9ir 2vu, Tob. 7,11).
Auffällig ist auch, daß X, recht oft schriftlit. e durch ie
wiedergibt; noch heute wird ja bei Tilsit”*, Kuckerneese und
im Fischerlitauisch‘” ie für schriftlit. & gesprochen.
So hat X,: kregszdie (Abb. 13, T. IX; V 86" 4vo, Tob. 2, 11),
dielei (V 86” 11vo, Tob. 2,23), nebegalies (3. P.Fut.) (V 90’ 7vo,
Tob. 6,9) usw.
Auch die Vorrede hat, wenn auch seltener, diese Erschei-
nung, z.:B.: garbiespi (S. 173, Z.4vu), gallies (3. P. Fut.) (S.174,
Z. 1vu) usw.
X, ist also Zacharias Blothno d.Ä.
Dabei bleibt die Frage offen, wer die Anmerkung am
Schlusse des Buches Tobith schrieb: „Huje Lithuanico Tobiae“
usw. (Abb. 28, T. XIV). ;
Der große Unterschied zwischen der Handschrift Bretkes
im litauischen Text der Bibel und der in seinen lateinischen
theologischen Anmerkungen in kleiner Schrift am Rande (ob-
wohl beide in lateinischen Buchstaben geschrieben sind) (oben,
T. V, Abb. 6, T. VI, Abb. 7 und S. 34, T. XVII) läßt immerhin
92 7, B.: Gerullis, Mosvid, S. 139, Z. 7Zvo: „...da- I wens est...“; 3vu:
»... palikens N esti...“ usw.
#3 Stellenangabe bezieht sich auf Gerullis, Skait.
84 Fenzlau, Formen, S. 8.
85 Gerullis-Stang, Fischerlitauisch, S. 5f.
258
die Möglichkeit zu, daß es Zacharias Blothno d.Ä. selbst war,
der dieses Testat in kleinen lateinischen Buchstaben am Ende
seiner Korrekturarbeit hier einschrieb. Jedenfalls stammt die
Eintragung von einer Person, die um die Verbesserung dieses
Buces durch Z. Blothno genau Bescheid wußte.
Durch diese Notiz können wir die Zeit recht genau be-
stimmen, in der Daniel Gallus, Zacharias Blothno und X, das
Buch Tobith korrigierten:
Bretke vollendete die Übersetzung dieses Buches am
„26 Nou[ember 1585]“ (ein Teil des Blattes ist abgerissen, doch
schrieb Bretke zu Beginn der Arbeit (V 84): „...Ao 1585. die
21 Nouemb...“ || ..... atqu[e] absolui intra 6. || dies. Laus Deo.“
Die Hand aber, die das erwähnte Testat: „Huje Lithuanico
Tobiae...“ schrieb, gab rechts daneben, auf Abb. 28 (T. XIV)
nicht mehr sichtbar, die Jahreszahl 1585 an.
Nun zeigt aber der bereits erwähnte Konsens: „bene“ des
Korrektors X, (Abb. 12, T. IX) zu der Übersetzung des Wortes
„furwitz“ durch D. Gallus, daß X, nach diesem das Buch kor-
rigiert haben muß. Auf Seite V 87’ 1vo findet sich eine Korrek-
tur von X,: „schaukia“, die Z. Blothno wiederum zu „schau-
kiassi“ verbesserte. Somit hat Z. Blothno nach X, korrigiert.
Alle drei haben das Buch Tobith somit in der Zeit von
frühestens 26. November bis spätestens zum 31. Dezember 1585,
also in etwas mehr als einem Monat, korrigiert.
Es ist wohl auch kein Zufall, daß Gallus in Laukischken
und Blothno in Tilsit Pastoren waren: der eine wohnte nur
10 km von Labiau entfernt, der andere in Tilsit, das genau
wie Labiau an der vielbefahrenen Wasserstraße (siehe oben,
S. 53 ff.) nach dem Osten lag, so daß Bretke sicher Gelegenheit
hatte, ihnen kostenlos ein Buch zu übersenden. Vor allem war
aber der Tilsiter Erzpriester und damit Blothnos Vorgesetz-
ter ein Sohn des früheren samländischen Bischofs Joachim
Mörlin, nämlich Hieronymus Mörlin, mit deren Familie Bretke
näher bekannt gewesen zu sein scheint (siehe unten, S. 275 £.).
Zacharias Blothno d.Ä.
Der Name „Blothno“ gehört wohl sicher zum polnischen
„bloto“, „blotny“ und dürfte, falls die Familie ursprünglich
%4° Heute etwa Superintendent.
i7* 259
litauisch war, die Übersetzung des litauischen Personennamens
„Purvinis“ sein. So, wie der Name vorliegt, bekommt er durch
die Endung -o ein südpolnisch-ukrainisches Gepräge.
Ob der Vater unseres Zacharias Blothno, Nicolaus Blothno,
aus einer in Preußen angesessenen Familie stammte oder zu
den aus Litauen eingewanderten Pfarrern gehörte, ist unbe-
kannt.
In dem von ihm ins Litauische übersetzten Liede (Gerullis,
Mosvid, S. 415 ff.) ist die Erweichung von g und k vor e stets
in der polnischen Art angegeben, z. B.: kieli (S. 415, 1vu), kien-
teijei (S. 416, 9vu), tikiesij (S. 417, 4vu), Regiesim (S. 418, 11vu).
Da die einzelnen Lieder in dem von Willent herausgegebe-
nen Teile der Liedersammlung bezüglich der Erweichung
durchaus verschiedenes Verhalten zeigen, wird sehr wahr-
scheinlich, daß Willent bei der Herausgabe der Lieder an der
Erweichung nicht korrigierte.
Daher kann die Frweichung in dem Liede N. Blothnos dafür
sprehen, daß er aus litauisch-polnishem Kulturbereich
stammte.
Unser Korrektor Zacharias Blothno d. Ä. wurde in Memel
geboren, wo sein Vater bis 1557 litauischer Pfarrer war”,
denn er unterzeichnete die Concordienformel:
»... Zacharias Blothno Memlius lituanicus pastor Tilsensis“”*.
Er war der älteste der drei Söhne Zacharias, Johannes und
Nicolaus.
Scloßbach (früher Pillupönen)“, wohin sein Vater 1557
versetzt wurde, und wo Zacharias seine Kindheit verlebte, lag
nur 2 km von der damaligen litauisch-polnischen Grenze ent-
fernt inmitten von Kirchorten, in denen neben deutsch auch
litauisch gepredigt wurde, wie Wehrkirchen (früher Schitt-
kehmen), Tollmingen (fr. Tollmingkehmen) und Ebenrode
(fr. Stallupönen).
Wie aus einer Eintragung in dem „Haus-Buch des Amts
Insterburg. Lit. A" hervorgeht, erhielt sein Vater dort im
%7 Arnoldt, Nachr. II, S. 156; Ostermeyer, Liedergesch., S. 242.
&8 Seite 17v, Abb. 40, T. XIX.
#30 Wegen Schloßbach (Pillupönen) siehe oben, S. 85, die Bewerbung Bretkes
um die dortige Pfarrstelle und das Gutachten des Konsistoriums dazu.
850 Ostpr. Fol. 184, S. 408v ff.
260
Buena 1563 vom Herzoge
ee hVdE:
sein Vntertheniges bittenn, Vnnd Vmb seiner
treiienn dienste willenn, die er vnss bisshe-
ro geleistett, Vnnd hinfüro vmb souiell mehr
thun Vnnd Leistenn soll Vnnd will, auss gna-
denn Zwo huebenn Zu Philippenenn....“
frei von Scharwerk, so lange er und seine Frau leben,
»...do auch
seine Söene der geschickligkeitt werdenn möchtenn
dass sie Zum Predigamptt Zu gebrauchenn ...“,
sollten sie die Hufen ebenfalls auf Lebzeit haben.
Über die Wirksamkeit des Nicolaus Blothno in Pillupönen
und zugleich über die Verhältnisse, in denen Zacharias dort
. aufwuchs, berichtet die Abschrift eines Gutachtens über den
Vater unseres Zacharias in dem gleichen Hausbudh““, das
»... Wolff frey- || herr von Heideck vnd Hanss von Tettaw ||
Hauptman Zur Insterburgk...“ auf Verlangen Georg Fried-
richs am 3. Juli 1578 geschrieben haben. Nicolaus Blothno hatte
sich nämlich mit einer Beschwerdescrift „...wider denn ||
Hohendorff....“, gegen den er die „...Dorffschafft...“ „...In-
stigiret...“ haben soll, an den Herzog gewandt, in der er
Hohendorf unrechtmäfige Jagd und offenbar noch manches
andere vorgeworfen hat. In dem Gutachten sagt der Haupt-
mann u. a.!
(Seite 165v)
»... Ingleichen[n] Haben wier die Beschwer so wider denn
Hohendorff gethann auch Vorhoren Wollen der
hohendorff alss der belagte (!) hatt sich eingesteltt
vnd auff gewartt Aber die Cleger wid[er] in
seindt nichtt erschienen Es ist der Pfarr
(Seite 166r)
Zu Pillupenen ein Vorsoffenner Godtloser Pfaffe
der Zugleich Kruger vnd Piaff vnd bösses leben
fuhrett, Dauon Zu seiner Zeitt gutter Berichtt
geschehen Kann, wie auch das die Commission
Ao 68 Clerlich aussweisset, Da er sich der gerichtt
an gemassett die ich Heuptman ihm nicht gestatten
Wollenn ihme auch seine gefencknus so er Tir-
ranischer weisse gebauwet einreissenn
lassen daruber er dan diesse vnwarhafftige
81 Fbenda, S. 165 ff.
261
Supplication gestellet Zu derer er sich nicht
einstellen wollen. Beschuldiget mich mit
vnwarheit das er Ob godt will Nimmer dar-
thuen soll, habe Je vnd alle wege einem Jden
was er befugt die billigkeitt souiel in meinem
Vormogen gewessen gern vnd willig mitgeteilet,
- So ist mier Hohendorff nicht auff ein harr mit
Bludtfrendtschafft Vorwandt, Vielweniger
hatt es gedachter Pfaff mier Jhe geclagett
od[er] auch die Dorffschafft, Die diesser Pfaff hirtzu
insts Instigiret Derhalben e fl: G: dass frucht-
gen Woll tzu merckenn. Er ist furwar dem
Ministerio ein Greuel, den er ein Söffer SPiler [etc].
wart seines AmPts das es godt erbarm Am
Kruge ist im mehr gelegen den an der Kirche...“
Der Hohendorf sei „...kein ferlicher Jeger, vnd ist || diess
alles des Pfaffen angetrieb, gleuben || nicht das Hohendorff
das Jharr vber 2 hassen || fang. Habens ihm aber gleichwoll
vndter sagtt...“
Wir erfahren nicht, was aus der Sache geworden ist, jeden-
falls Nicolaus Blothno blieb im Amte.
Als Zacharias 1573 mindestens 16 Jahre alt war, begab sich
sein Vater mit ihm und seinem jüngeren Bruder nach Königs-
berg, wo sich alle drei am 4. Februar 1573 immatrikulieren
ließen®*.,
Die -Matrikel lautet:
„4. -Reuerendus vir Nicolaus Blotno (!),
pastor ecclesiae Dei in pago Lithuaniae Pilupian, cui precium
inscriptionis honoris gratia remissum fuit.
-Zaccharias Blotno, filius pastoris Pilupianensis major
gr. 5.
-Johannes Blotno, fillius eiusdem natu minor gr. 5.“
Sicher begannen die beiden Brüder damals zu studieren.
Zacharias Blothno hat wahrscheinlich nur in Königsberg stu-
diert, da sich in den veröffentlichten Matrikeln der deutschen
protestantischen Universitäten sein Name nicht findet“.
85? Erler, Königsb. I, S. 52.
858 Untersucht wurden noch die Matrikeln von Erfurt, Frankfurt a. O., Frei-
burgi.Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Leipzig, Marburg, Rostock,
Tübingen, Wittenberg.
262
Zacharias hat nur drei Jahre studiert; bereits 1576 wird er
in Tilsit litauischer Pfarrer, wie Quandt°* und Arnoldt’* über-
einstimmend angeben.
Tilsit, das im 15. Jahrhundert im wesentlichen aus den bei-
den Dorfschaften mit stammpreufischer Bevölkerung „Preu-
ßen“ und „Splitter“ bestand”® und zur Zeit der Reformation
bereits neben der deutschen Siedlerschaft an der „Burg“ ein
verhältnismäßig starkes litauisches Element aufwies, hatte bei
Z. Blothnos Ankunft rund 160 Bürger, so daß die Zahl der Ein-
wohner, ganz grob geschätzt, 1000 betragen haben mag.
Gar nicht so weit ab von der Stadt an der Memel, der viel-
befahrenen Wasserstraße, begann die Wildnis, in der Rudel
von Elchen und anderes Wild hausten‘”.
Außer der Burg Tilsit beherrschten drei Gebäude das Bild
der Stadt mit seinen Bürgerhäusern aus Holz: 1. das Rats- und
Gerichtshaus, an der Stelle des heutigen Magistratsgebäudes,
ein Fachwerkbau‘®, in dessen Nähe, wohl auf dem heutigen
Schenkendorfplatz, Blothno die armen Sünder zum Hochgericht _
geleiten mußte, 2. die Deutsche Kirche, an der Blothno bis 1592
deutscher Diakon war‘” (an der Stelle der heutigen Stadt-
kirche an der Memel, umgeben von einem Friedhofe), die be-
reits 1551 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden sollte,
wozu es jedoch erst 1598 kam — die Vollendung des Neubaus
1610 erlebte Blothno nicht mehr —, aber vor allem 3. die Litaui-
sche Kirche auf dem heutigen Fletcherplatz neben der Deut-
schen Kirche, in der Blothno die ganze Zeit als litauischer
Pfarrer wirkte.
Teubner sagt 1727 von dieser Kirche‘®:
853 „Presb.“, Bd. 4 (MSC 21), S. 61v, Kapitel Tilsit, lit. Pfarre „1576. Zacha-
rias Blothno, senior“.
85 Arnoldt, Nachr. II, S. 141, Abschn. Tilsit, B. die lit. Kirche, Pfarrer:
„2. Zacharias Blothno der ältere von 1576...“
856 Thalmann, Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 40 Anm. 2.
857 Thalmann, 1. c., S. 21, und oben, S. 48f.
88 Thalmann, Zehnbilderfolge Tilsit, doch noch ohne Turm (siehe Thalmann,
Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 181 £.
85 Arnoldt, Nachr. II, S. 141: „...verwaltet dabey (d. h. neben dem lit.
Pfarrdienst) bis 1592 das deutsche Diaconat, da er sich dessen begab...“
800 Zitiert nach Thalmann, Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 289 Anm. 3.
263
„Gegen der Deutschen Kirche über stehet die Litthauische Kirche
welche ein ziemlich grosses Gebäude ist, doch nur aus Fachwerk be-
stehe, und nunmehro ziemlich baufällig wird. Diese Kirche hat
weder einen Turm noch Glocken, derowegen man sich in Haltung des
Gottesdienstes, nach der Deutschen Kirche richtet. So gehöret zu dieser
Kirche auch nicht ein besonderer Kirchhoff... ..“ss1,
Hier fand während des Neubaus der Deutschen Kirche auch der
deutsche Gottesdienst statt. Überhaupt wurde die Litauische
Kirche als zur Deutschen Kirche gehörig betrachtet, wie denn
auch ihre Einnahmen der Deutschen Kirche zuflossen und dort
registriert wurden. Erst am 28. Januar 1686 ordnete Kurfürst
Friedrich Wilhelm an, daß die Einnahmen der Litauischen und
der Deutschen Kirche gesondert geführt werden sollten”.
Außer einer deutschen Schule war auch bereits eine litaui-
sche Schule vorhanden”.
Bald nach seiner Anstellung 1576 in Tilsit muß Zacharias
Blothno d.Ä. geheiratet haben, denn im Herbst 1594 ist sein
Sohn Zacharias bereits in der letzten Klasse der Tilsiter Par-
tikularschule®®, und Ende 1600 hat dieser sein Studium abge-
schlossen°*,
Wie aus dem Klagebrief Z. Blothnos d.Ä. an die Tilsiter
Stadträte von Anfang Mai 1590°® hervorgeht, bekam er anfäng-
lich 55 M. Jahresgehalt, hatte aber nach der Stadtrechtsurkunde
vom 2. November 1552 zwei Hufen“.
Im Februar 1591 schildert Blothnos Vorgesetzter, der Til-
siter Erzpriester Hieronymus Mörlin, in einem Bittschreiben
an den Herzog die Amtspflichten Blothnos und des Tilsiter
Kaplans‘” mit folgenden Worten:
»... Vnnd aber vielfeltig dieselben Diener
den Kirchen auf dem Lande müßen dienen vnd Zuspringen,
AIR wo Irgendts die Pfarhern vf dem Lande Kranck,
vorreist, oder mit Todt abgehen, wie den auch die Vbel-
theter vnd Armen Sunder des Ampts wen sie hingericht
s1 Thalmann, 1. c., Abb. 27 (die lit. Kirche mit 6- oder 8-eckigem Chor hinter
der 1610 vollendeten deutschen Kirche mit Satteldachturm aus Holz).
822 Thalmann, ]. c., S. 196.
868 Genaueres unten, S. 270.
862 Siehe unten, S. 273. Siehe auch Bericht. u. Erg.
8065 Siehe unten, S. 267.
s6 Thalmann, Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 155.
807 Siehe S. 268 £.
264
werden, mit Trost vnd lehr vnnd reichung der Sacrament
mußen vorsehen, nichts dauon haben...“
Dazu betätigte sich Blothno wohl auch im Bedarfsfalle im
Gericht, wie ja auch von Bretke bekannt ist‘®. Während er dies
anfänglich unentgeltlich tat, wurde ihm auf seine Supplikation
von 1585 ein nennenswerter Betrag zu seinem Einkommen ver-
sprochen, wenn er auch, wie aus Blothnos Schreiben von An-
fang Mai 1590 hervorgeht, bis dahin tatsächlich nur 15 M. be-
kommen hatte®®. Auch sein Sohn Zacharias Blothno d. ].
schreibt’? am (Datum) 26. September 1608 von Piktupönen, wo
er Pfarrer war, in dem Antwortschreiben auf seine Berufung
nach Tilsit an die „Ehrentveste, Achtbare, wollweise, Hoch-
vnnd Großgünstige || liebe h[er]rn: vnnd freunde“, d. h. an den
Bürgermeister und die Ratsherren der Stadt Tilsit, daß sie ihn
„...auss einhelligem |} schluss vnnd begehren, so woll eines woll-
weisen Gerichts als an auch einer gantzen Erbarn Christlichen Ge-
meine Zu sich || vor einen deutschen vnnd Littauschen Caplan forderen
vand || gutte promotion verheisen... haben, wofür er ihnen... vor-
nemlichen, benebenst auch einem wollweisen Ge- l richt vond der
gantzen Christlichen Gemeine... sehr hohen vnnd grosen danck
weiss... .“.
Vielleicht hatte der ältere Blothno, der vielleicht außer Li-
tauisch noch Polnisch konnte, wie sein seltsames Litauisch ver-
muten läßt, auch noch auf dem Hause Tilsit als Übersetzer zu
arbeiten, wie das von Mosvid, Jamund und wohl auch Gedkant
in Ragnit feststeht‘”.
1579 begab sich Zacharias Blothno mit dem Tilsiter „Schul-
meister“ Matthias Rehse und dem ‚„Schulgesellen“ Caspar
Frischeinz nach Königsberg und unterschrieb mit ihnen die
Concordienformel, obwohl ihr Vorgesetzter, der Erzpriester
Hieronymus Mörlin, gegen die Formel eingestellt war und mit
den übrigen ihm unterstellten Pfarrern, wie z. B. A. Radu-
nius d.Ä. in Kuckerneese, nicht unterschrieb. Blothno erschien
aber auch nicht zu dem für die Pfarrer und „Schuldiener“ des
Amtes Tilsit festgesetzten Termin, sondern unterschrieb später
mit den beiden Schuldienern an einer ganz anderen Stelle“.
868 Siehe weiter unten.
8% Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums.
870 Siehe unten, S. 273.
#71 Herzogl. Briefarch., S. 177, Abb. 40, T. XIX. Siehe auch S. 249 Anm. 809.
265
Wie aus Blothnos Schreiben von Anfang Mai 1590°° hervor-
geht, hat er gleich in den ersten Jahren um Einkommens-
erhöhung gebeten, worauf ihm nach seiner Darstellung
„»... durch einen gemeinen zu- || schub einer Erbarn Burger-
schaft Jehrlichen || 40 (M) vber seine... besoldung zu geben ||
zugesagt worden...“ ist, wovon er jedoch nur 18 M. bekom-
men hat, trotz wiederholten Zusagen des Rates, den Rest zu
zahlen. Doch: „Hernacher“ hat „...die burgerschaft sich be- ||
schwert, vnd ein miesverstand vorbrocht (!) || als solt das bene-
ficium semel pro || semper geschehen sein“.
Darauf wurde Blothno 1585 beim Rate wieder dringlich,
worauf ihm nach seiner Darstellung in dem Schreiben von An-
fang Mai 1590 „...10 (M) Jehrlichen, neben einem Erbarn ||
gericht verheischen, wie auch von den || einkumften (!) des
Hospitals 20 (M) || das also nu vordan mein solarium || solt sein
110 (M)“. Dazu sollte er vier volle Pfarrhufen bekommen,
»...die ein Erbar Raht von f,[ürstlichen] d.[urchlaucht] Zu
wege Zu brengen (!) vermeldung thet...“
Im Dezember 1585 erhielt Z. Blothno die Übersetzung des
Buches Tobith, die er mit 201 Korrekturen versah, nachdem X,
nur einige Seiten korrigiert hatte.
Aus der großen Einkommensverbesserung, die unserm
Blothno nach seinen Angaben 1585 versprochen worden war,
wurde jedoch nichts.
Als im Februar 1588 eine herzogliche Kommission die Til-
siter Kirchenrechnung prüfte, klagten Blothno und der Kaplan
heftig darüber, daß sie keine Weide für ihr Vieh hätten. Dar-
auf wurde einem jeden erlaubt, „...10 stuck thut 20 stuck
gust...“ °° Vieh auf die abgemähten Wiesen des Herzogs zu
treiben, doch sollten sie den Hirten mitbezahlen‘“. Von den
versprochenen Gehaltszulagen hatte Blothno bis Anfang Mai
1590 im ganzen vom Rat nur 10 M., von dem Hospital 40 und
vom Gericht 15 M. bekommen, während die weiteren Pfarr-
hufen allem Anschein nach ganz ausgeblieben waren.
872 Präsent. 7. 5. 1590, Lehrerbibliothek des Gymnasiums zu Tilsit.
#3 Nach Frischbier „güst“ — unfruchtbar, unbefruchtet. Nur von den Kühen
gebraucht.
#72 Ostpr. Fol. 371/a „Rothes Haus-Buch des Amts Tilsit Nr. 3“, S. 83.
266
Da wandte sich Blothno in dem am 7. Mai 1590 eingegange-
nen Schreiben” erneut an die Ratsherren, stellte seine Be-
mühungen und Mißerfolge in dieser Sache dar, woher wir sie
kennen, und sagte, daß er durch den Betrag der „...noch hin-
derstellig gebliben.... bey etzlichen leyten (!) in schulde ge- ||
rahten...“ Er bat den Rat, ihm zu seinem Gelde zu verhelfen,
was ihnen „...widerumb vnd sonderlichen || mit...“ seinem
„...pater noster Zuverschulden....“ er „...ieder Zeit willig
vnd bereyt...“ sei.
Als Bretke in dem am 11. Mai 1590 registrierten Schreiben
an den Herzog diesem seine „Postilla“ zum Druck angeboten
hatte, wurden auf dem gleichen Briefe in Königsberg die Na-
men der Geistlichen vermerkt, die zur Postillenkorrektur be-
stimmt waren; darunter befindet sich als dritter: „Zacharias
Blotnaw || Capl.: zur Tilsit““; von diesen Pfarrern wird in dem
am 13. Mai 1590 erledigten Briefe des Herzogs an Bretke, in
dem er ihn zur Korrektur nach Ragnit beordert, als von
„»... der Littawischen Sprach || Kundigen Theologen...“ ge-
sprochen’”.
Blothno nahm darauf an der Konferenz in Ragnit teil, die
vom 17. Mai 1590 bis Ende des Monats dauerte, und unter-
schrieb den am 1. Juli eingegangenen Brief der Konferenzteil-
nehmer an den Herzog (Abb. 30, T. XV)®*,
Während Blothnos Abwesenheit in Ragnit wurde sein Ge-
such größtenteils negativ entschieden.
Offenbar ließ Blothno gleich nach seiner Rückkehr”” einen
Brief an die Ratsherren schreiben, den er lediglich mit seiner
Unterschrift versah. Blothno sagt, er könne unmöglich auf die
20 M. vom Hospital verzichten, die ihm infolge eines Irrtums
nicht gegeben worden wären, desgleichen müsse er die vier
Pfarrhufen voll bekommen „...wegen abruchs vnd || mißung
eines Zimlichs stucks meiner || Iehrigen besoldung“.
875 In der Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums; Abb.42 und 43, T.XX.
878 Siehe oben, S. 103 ff. (Qu., S. 432, Z. 45).
877 Siehe oben, S. 105 ff. (vgl. auch S. 99).
878 Siehe oben, S. 103 f.
87% Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums. Datierung nicht sicher; siehe
weiter unten.
267
Da dieser Brief Blothnos besonderen Charakter zeigt und
einiges Licht auf die Tilsiter kirchlichen Verhältnisse wirft, sei
er hier weitgehend mitgeteilt:
(Seite 1r)
„»... Vnd das aber die Heren sagen, sie wolten
mier gerne helffen, wan sie nur kundten
vnd wusten, wo hero, ist mier nit allein
wenig damitt gedienett, sondern auch
schmerzlichen, dan ich einem solchen großen
littauschen kirchsspiel vorstehen mus, von
welches Decem, ich gar reichlichen, noch mitt
einbehaltung eines gutten voraths, kundt
besoldigett werden, dies meist theill wirdt
nun (?) der litischen Kirchen abgeschnitten, vnd
der andern Deutschen Kirchen Zugetheilt,
Damitt die mitt allem thund woll möge
bestellet werden, mus also diese darben,
vnd die andere Florirn, ich auch sein das
pferdt
(Seite 1v)
pferdt, welchs den haber vordienett, vnd ein
ander aber denselben genißen soll.
Gelangett derow&gen abermall mein freundt-
liches bitten, die Hferre]n wollen wegen der vor-
gefallenen irrung, die der. vergeßenheitt
Zu Zuschreiben ist, vmb verhuttung allerlei[en]
weitleifftigkeitt, mich klaglos machen, vnd
mit einem andern vnd bessern abscheid
verabscheiden, als am nechsten geschen.
Ein solchs vmb meine grosgunstige herrn
wiedervmb Zuverschulden, bin ich ieder Zeitt
willig vnd bereitt, Bitt vmb ein schrifftlich
vnd entlich antwortt.
E.E.N.w.
Dinstwilliger.
Zacharias Blothno.“
Auf Seite 2’ dieses Schreibens befindet sich ein Kanzleiver-
merk, der es mit großer Wahrscheinlichkeit zu datieren ge-
stattet, und Blothnos weiteres Mißgescick zeigt:
„Dat: 4 Jüny ist wegen dieser Sup-
pljeation mit einer gantz[en] gemeine
gerathschlaget worde[n], welche Hlerr]n Za-
charie nichts willigen willens (?).“
Anfang Februar 1591 wandte sich dann, wie schon gesagt
(S. 264 £.), Blothnos Erzpriester Hieron. Mörlin für ihn und für
268
den „...Caplan || zur Tilsit, so || der Littauischer vnnd deut-
scher sprachen kundig“ um Gehaltsaufbesserung an den Her-
zog“. Dort heißt es als Begründung:
„»... Dieweil sie mit ihrem vnderhaldt
sich nicht behelffen können, die Stadt auch ein mehrers
nicht thun kan, Vnnd aber vielfeltig dieselben Diener
den Kirchen auf dem Lande müßen dienen vnd Zuspringen
AIß wo Irgendts die Pfarhern vf dem Lande Kranck,
vorreist, oder mit Todt abgehen, wie den auch die Vbel-
theter vnd Armen Sunder des Ampts wen sie hingericht
werden, mit Trost vnd lehr vnnd reichung der Sacrament
mußen vorsehen, nichts dauon haben...“
»... Mitt ganz demüttig[en]
bitten E.Fl[en]. Dhlt. wollen genantten meinen
Herren Collegen «un (?) bedrengniß in diefen schweren
Zeitten, Fürstlich beherzig[en], vnd alß ein Nutricius
Ecclesiarum, so nicht sonst anderweitt, doch damit
endtsezen, damit ihr noth gestillet werde, Vnd sie
nicht vor vrsacht werden an frömbde ohrtt von der
Tilsitt sich Zu begeben, welches vn£ nicht ruhmlich
den Kirch[en] aber viel wenniger dienstlich sein würde.“
Darauf entschied der Herzog am 23. Februar 1591,
„...dass diese beide Diaconij
gegen Jhre Verrichtung Zugeringen Vnderhalt.
haben. Vnd dauor achten, das Ichnen (!) auss der.
Kirchen Zu Köadiuten 15 (M) auss der Kirchen. Kucker-
nesen. auch 15 (M) Vnnd aus der Pictupenischenn.
Kirchen weil die selbe mehr einkauff (!) den Vorge-
melte beyde kirchen haben. 30 (M) gar wol addiret.
Vnd alsso iedern seine besoldung mit 30 (M) Verbessert
werden Kaudte (!), Weiln wir dan daraus Ver-
Merken das durch solhe (!) addition den andern dreyen
Kirchenn nichts abgehet. Vnnd dieselben achne (verbessert: ohne) dass
woll erhalten. werden können, So seindt wir inn
gnaden Zu frieden Vnnd bewilligen hiemitt, dass
dass Vonn den einkunfften mehr gemelter-
(Seite 1)
kunften mehrgsmelier dreyer Kirchen die 60 (M).
genommen. Vnnd diesem bey dem (!) Diaconis Zugewendet
wardenn, Jedoch wollen wir Vns hiemit Vorbehalten.
habenn, iedesmals mi+ dieser Vnser gelegenheitt. Vnd.
»s0 E,M. 138ee, Aktenpack: „Erzpriester in Tilsit“.
1 Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums. Die Jahreszahl 1592 im Ori-
ginal beruht offensichtlich auf einem Versehen.
269
erheischen der Notturff (!) nach mit dieser Addition.
enderung VorZunechmen ....“
Die Kirchenväter der drei genannten Kirchen kamen dar-
auf in Tilsit zusammen und erklärten sich bereit, das Geld zu
zahlen, doch nicht für immer, denn sie wollten sich ebenfalls
je einen Kaplan halten und das Geld lieber für besseren Un-
terhalt ihrer eigenen „...vnuormugenden pfarhlerr]n vnd
schul- || meistern“ verwenden“.
Daß sie dieses Geld tatsächlich bekommen haben, machen
die erhaltenen Kirchenrechnungen von Koadjuten und Kucker-
neese sehr wahrscheinlich. So findet sich in den Koadjuter
Rechnungen bis 1601 unter „Gemeine Aüsgab“ stets:
»5 5(M) — Den Kirchen vettern
Zur Tilse die F Dtl.
der Kirchen daselbst so lange es Dtl gefelligk
Jerlichen Zu geben befohlen Laudt eines Fl. befelichs
vnd der kirchen vettern bekentnus Zedell“®#,
in den Kuckerneeser Rechnungen aber:
„55 M der Tilsischenn Kirchenn so Jehrlich aus
Fr: Dehl. Verordnung gereicht wirdtt“e%,
Sein Gehalt dürfte somit etwa 85—90 M. betragen haben.
Aus diesen Kirchenrechnungen geht auch hervor, daß
Blothno, der oft nur „der Herr Zacharias“ genannt wird, Koad-
juten und auc z. T. Kuckerneese mit Abendmahlsoblaten be-
lieferte; so z. B. 1602 in der Koadjuter Rechnung von 1602
(S. 8°): „j (M) 30 sz dem herrnn Zacharias vor Ablath“ usw.
Blothno hat anscheinend viele Kinder gehabt, denn in dem
„Catalogus puerorum scho- || lae illustris Tilsensis.. .‘“® vom
Jahre 1594 finden wir unter den fünf Schülern der 1. Klasse
als zweiten einen „Zacharias Blo???o (später verbessert „Bloc-
tro“), was doch offenbar der Sohn unseres Blothno und der
spätere litauische Pfarrer in Piktupönen und Tilsit ist, in der
532 Ostpr. Fol. 371 a: „rothes Haus-Buch des Amts Tilsit No. 5“.
883 Original in der Lehrerbibliothek des Gymnasiums zu Tilsit.
884 Originale im Kuckerneeser Pfarrhaus.
885 Abgedruckt im Schulprogramm des Königl. Gymnasiums zu Tilsit 1875,
S. 46. Dieses Schülerverzeichnis vom 9. 9. 1594 befindet sich auf S. 144f.
eines Folianten in der Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums, in dem
die ältesten Dokumente der Schule in Abschrift (wohl aus dem 18. Jahr-
hundert) erhalten sind. Über die Schule siehe unten, S. 303 ff.
270
u
2. Klasse unter sieben Schülern einen „Johannes Bloh??? (spä-
ter verbess.: „Blohtro“) Tilsensis“, in der 4. unter elf einen
„Jeremias Blothno (später nicht verbessert!) Tilsensis“ und in
der 5. Klasse unter 50 Knaben einen „Simon Blothno (später
verbess.: „Blothro“) Tilsensis“. Bei genauerer Untersuchung
der Abschrift in der Tilsiter Lehrerbibliothek wird klar, daß
der Abschreiber des Originals wohl im 18. Jahrhundert ganz
richtig „Blothno“ und „Blohtno“ gelesen hatte, und daß die
Änderungen später vorgenommen wurden. Außerdem schrei-
ben „...Burgermeister vnd Rahtt- || manne“ von Tilsit in
ihrem Bericht vom 4. August 1586, den der Herzog bezüglich
der Umgestaltung der Tilsiter Stadtschule zu einer Partikular-
schule von ihnen angefordert hatte, in dem sie ihre Meinung
und die des Tilsiter Pfarrers und Kaplans sowie ihre Vor-
schläge mitteilen sollten, ausdrücklich:
(Seite 4r)
„»... Dieses aber wollen E.F. dht. gemeltte vnse-
re Hferrn] Pastores vnterthenigst Zu gemutte ge-
fuhret. vnd hiebey er]Jnnertt haben, Dieweil
Jn den Littauschen Embtern, schlechte vnd ein-
feltige Littausche Pastores gefunden, an
etzlichen örttern auch dieses Furstenthumbs,
wegen mengelung der Pfarhern, so der
SPrachen Kundigk, gantz gefehrlichen durch
Tolcken gePrediget wirdt, Vnd aber die Je-
nigen, welche Jre Kinder proprijs sumptibus
alhie hieltenn, dieselben ohne Zweiffell,
vngeachtet dass sie Zum Predigambtt tuch-
tig weren, Zu ihrer handtierung gebrauchen
wurden, Etzliche aber, ihrer vnuermögenheit
halben, ihre Kinder gar nicht Zur Schulen hal-
ten Köndten, Alss were ihr vnterthe-
niges guttachtten, dass E.Fl. dht. Zu befor-
derung Gottes ehre, ein werck der Barm-
(Seite 4v)
hertzigkeitt vben wölle, vnd Jn solcher Par-
ticular (!), eine gewisse anZahl Knaben, nach
E. flfen]. dht. gnedigen willen vnd wolgefallen
mit essen, Kleidern vnd anderer notturffit
vnterhieltten, welche Jn dem neuwen ge-
beude ihr Dormitorium vnd Contubernium
hetten, Vnd dass furnemlich der Littau-
schen Pfarhern vnd anderer vnuermögender
271
burger Kinder, bey denen ein Indoles gespu-
ret wurde, dar Zu auf vnd angenohmmen
wurden, welche nicht erst die SPrachen lehr-
nen dörfften, sondern derselben albereit
leufftig (!) weren...“.
Es handelt sich also wohl zweifellos um Söhne Blothnos.
Durchaus verständlich war also, wenn Blothno sich immer wie-
der um Einkommenserhöhung bemühte.
Zu der 1600 gedructen litauischen Übersetzung der „Mar-
garita Theologica‘“*, die sein nächster Litauisch sprechender
Amtsbruder, Simon Waischnarus in Ragnit, anfertigte, schrieb
Zacharias Blothno d.Ä. auf S. XV—XXI ein Vorwort an den
Leser“.
Diese Vorrede zeigt, daß Blothno ein auffallend schlechtes,
schwerfälliges Litauisch schrieb.
Bezeichnend ist, was Blothno zum Schluß über die litaui-
schen Übersetzungen sagt. Da diese interessante Stelle seine
Individualität erkennen läßt, ihr Litauisch aber eine flotte Lek-
türe ausschließt, sei ihre wörtliche Übersetzung hier mitgeteilt:
„Und obwohl es wahr ist, daß wegen der Schwierigkeit der in
unserer litauischen Sprache ungewohnten Wörter an einigen Stellen
nicht übersetzt werden konnte, wie es sich gehört, so kann doch
dieses teure und wertvolle Werk nicht um einiger Wörter willen
getadelt werden, da doch (?) als (?) Übersetzung so großer Dinge
dieses Werk jetzt das erste ist, das danach vom Verfasser und von
andern von Tag zu Tag wird verbessert werden können, wo sich in
kurzer Zeit (?) anstelle der uns nun fehlenden Wörter andere nach
täglicher Erfahrung (?) finden werden, wodurch (?) auch diese unsere
litauische Sprache wie die anderen Sprachen ruhmenswert werden
wird. Daß es auch in andern Sprachen so gewesen, beweisen die
Beispiele, betrachte nur Doktor Luthers erste und letzte ins Deutsche
übersetzte Bibel, die erstere wird dir wie die Nacht, aber die letztere
dafür (?) wie der Tag erscheinen. Daß unsere litauische Sprache
auch dahin kommen könnte, bitte du gleichfalls den Herrgott, wie
auch vor Alters (?) zuerst von allen litauisch gesungenen Kirchen-
liedern, wie ich von alten Leuten sagen hörte, nur dieser Vers ge-
wesen ist: Himmelslicht, leuchte auch uns, lehre Du uns den Herrn
Jesus Christus recht erkennen. etc. So (?) haben sich wirklich jene
in alter Zeit gebeteten Worte bei uns erfüllt, denn wir haben nun
886 Zwei Exemplare sind bekannt, siehe unten, S. 410 u. ö.
887 Abdruck: Gerullis, Skait., S. 172—175.
272
auch in litauischer Sprache gleichfalls viel Geschriebenes, es besteht
nur der Mangel, daß wir nicht alles drucken zu lassen imstande sind.
Vale
Zacharias Blothno
Lietuwos Klibons
Tilszeie.“
Als Waischnarus, Erzpriester von Ragnit, 1600 gestorben
war, hoffte Blothno, daß sein Sohn Zacharias, der damals aller
Wahrscheinlichkeit nach sein Studium abgeschlossen hatte und
ohne Amt war, die Ragniter Stelle bekommen würde, doch
kam Johannes Gedkant aus Wischwill nach Ragnit. Wohl nicht,
wie es nach der Darstellung Z. Blothnos (siehe weiter unten)
aussieht, weil er in dem Ragniter Amtsschreiber einen persön-
lichen Feind hatte, sondern sicherlich wegen der Vielsprachig-
keit J. Gedkants; steht doch von Gedkants Amtsvorgängern
Mosvid und Jamund fest, daß sie den fremdsprachlichen Schrift-
wechsel des Ragniter Amtshauptmannes besorgten®, weshalb
wohl auch nach dem Tode Jamundts Simon Waischnarus nach
Ragnit kam und nicht J. Höpfner (wobei der damalige Amts-
hauptmann Packmor ein persönliches Interesse an J. Höpfner
gehabt haben muß, da seine Parteinahme für Höpfner sonst
unverständlich bleibt“®.
Die in der Sache Blothno-Gedkant erhaltenen Briefe und
Abschriften von Anfang 1601 stammen, wie schon gesagt, von
der Hand des jüngeren Z. Blothno, der sie für seinen Vater
schrieb. Es ist das ein Brief an den Herzog nebst vier zu-
gefügten Abschriften folgender Schreiben: 1. Brief Z. Bloth-
nos d.Ä. an den Ragniter Amtsschreiber Johannes Otter vom
21. Januar 1601, 2. dessen Antwort vom gleichen Datum,
3. Schreiben des Tilsiter Erzpriesters Hieronymus Mörlin an
den Amtsschreiber vom 1. Februar 1601 und 4. ein Brief Mör-
lins an denselben vom gleichen Datum’"; sie stellen den ganzen
Sachverhalt vom Gesichtspunkt des älteren Blothno aus dar.
88 Fortsreuter, „Die Herkunft der preußisch-litauischen Reformatoren“, Zeit-
schrift f. sl. Phil., Bd. 7 (1930), S. 131.
se Siehe unten, S. 378 ff.
800 Genaueres siehe oben, S. 256, und unten, S. 360.
81 E.M. 118ee, Aktenheft: „Stadt Ragnit. Kirche und Schule (1576—1601)“,
Bl. 14 ff.
18 Falkenhahn, Bretke 273
Als 1601 der Koadjutener Pfarrer ein Bein gebrochen hatte
und nach längerer Krankheit 1602 starb, wie die Kirchenrech-
nungen berichten, hat unter anderen auch Blothno dort ver-
- tretungsweise gepredigt, denn 1602 heißt es auf S. *: „j (M)
20 sz vor Ess[en] vnnd Trinck[en] wie d[er] herr Zacharias ||
Zu Coadiutt[en] gepredigett‘“”. Da es wie früher ohne Zusatz
„dler] herr Zacharias...“ heißt, dürfte es sich um Z. Blothno d. A.
handeln und nicht um dessen Sohn, der nach Arnoldt (Nachr. II,
S. 142) erst am 5. November 1602 nach Piktupönen auf die
Koadjuten benachbarte Pfarrstelle kam.
Zu dem Überfall Blothnos auf den Tilsiter Schulgesellen und
zu Blothnos Tode siehe Berichtigungen und Ergänzungen.
Zacharias Blothno d. Ä. starb 1602 an der Pest‘.
Der Korrektor \X,.
Der 3. Korrektor, dessen nervöse Handschrift sich in dem
Buche Tobith mit seinen 27 Folioseiten findet, war vorläufig X,
genannt worden. Wie schon gesagt (S. 259), korrigierte er Ende
November oder Anfang Dezember 1585 dieses biblische Buch,
und zwar nach Daniel Gallus in Laukischken und vor Zacharias
Blothno in Tilsit.
Auffällig ist die Verteilung seiner etwa 110 Korrekturen über
diese 27 Seiten, er beginnt nämlich erst auf der 4. Seite (V 85”),
bringt da gleich 12 Korrekturen an, auf der 5. Seite sind es 17,
auf den weiteren 24, 21, und auf der 8. gar 27 Korrekturen, um
dann jäh abzubrechen. Nirgends sonst im ganzen Bibelmanu-
skript findet sich wieder eine Spur seiner Handschrift.
Diesem Korrektor hat also genau wie Blothno sicherlich nur
das Buch Tobith vorgelegen, das er aber nicht, wie es Blothno
tat, gleichmäßig durchkorrigierte. Das Buch Tobith nimmt somit
unter den übrigen biblischen Büchern des Bibelmanuskriptes da-
durch eine Sonderstellung ein, daß es drei verschiedenen Korrek-
82 Durch die Koadjuter Kirchenrechnungen von 1602, S. 9v, wird auch Ar-
noldt, Nachr. II, S. 142, berichtigt. Danach wurde „Theodorius Clocouius“
im Sommer 1602 „eingewidmet“, denn er bekam bis Michaelis noch ein
Quartal von 18 M. 45sz.
88 QJuandt, Presb., Bd. 4 (MSC 21), S. 61; Arnoldt, Nachr. II, S. 141. In Tilsit
starben 1602 drei Prediger an der Pest (Thalmann, Bau- und Kulturgesch.
Tilsits, Bd. II, S. 281).
274
toren zugestellt wurde, und zwar wie gewöhnlich (bis 1587) erst
dem benachbarten Daniel Gallus, dann dem Korrektor X, im
Orte X und danach Zacharias Blothno d. A. in Tilsit.**
Der Schriftvergleich führt mit großer Wahrscheinlichkeit auf
Alexander Radunius d. ]J., der zu dieser Zeit Pfarrer in Kucker-
neese”” war.
Leider besitzen wir von Alexander Radunius d. ]J. für den
Schriftvergleich nur eine Schriftprobe, die mit Sicherheit von
ihm stammt, nämlich seine Unterschrift unter dem Briefe der
Postillenkorrektoren an den Herzog von Ende Mai 1590 (Abb. 30,
T. XV). Bezüglich der Handschrift der Kuckerneeser Kirchen-
rechnungen um 1600° siehe unten, 5. 284.
Auffällig ist auch die Erscheinung, daß X, offenbar schriftlit. &
wie ie gesprochen hat, was, wie schon gesagt‘®, noch heute bei
Kuckerneese so gesprochen wird.
Dazu kommt, daß Kuckerneese dem Erzpriester in Tilsit
unterstand, und, wohl wegen der leichten Erreichbarkeit auf
dem Wasserwege — sowohl Tilsit als Kuckerneese liegen un-
mittelbar bzw. ganz nahe an der großen Schiffahrtsstraße der
Memel — besonders eng mit Tilsit verbunden war.
Wie oben, S. 76, gezeigt wurde, hatte Bretke schon dem Vater
des Tilsiter Erzpriesters, dem Bischof D. Joachim Mörlin, eine
litauische Schrift zugestellt, die er dann in einem Brief vom
29. März 1570 wieder zurück erbat’®, nämlich „...das kleine
Corpus doctrinae Judieis...“, also die Übersetzung einer Schrift
Richters, und zwar wohl, weil inzwischen die von D. Joachim
Mörlin und M. Martin Chemnitius im Auftrage des Herzogs aus-
gearbeitete „Repetitio Corporis Doctrinae Prutenicae“ in der
Generalsynode vom 26.—30. Mai 1567 in Königsberg angenom-
men und unterschrieben worden war”. Da der Bischof nicht
selber Litauisch konnte, sollte er offenbar ursprünglich die Über-
8% Siehe oben, S. 259.
®5 Später „Kaukehmen“ genannt; heute wieder Kuckerneese.
86 Siehe oben, S. 103 ff.
#7 Befinden sich im Pfarrhaus zu Kuckerneese; Genaueres siehe Potschka.
88 Siehe oben, S. 258 und S. 282.
8% Siehe oben, S. 76, und Qu,, S. 424, Z. 7 ff.
200 Arnold, Kirchengesch., S. 314 ff.
18* 275
setzung korrigieren lassen und wohl auch den Druck in die Wege
leiten.
Es lag nun nahe, daß Bretke auch dessen Sohn, dem Tilsiter
Erzpriester, ein Buch zusandte, um es korrigieren zu lassen, und
daß der es seinen beiden nächsten ihm unterstellten litauischen
Pfarrern, A. Radunius und Z. Blothno, zur Durchsicht übergab.
Daß Bretke mit der Familie Mörlin näher bekannt gewesen
ist, macht auch seine Eintragung in das Stammbuch Joachim
Mörlins, des Bruders des Tilsiter Erzpriesters, wahrscheinlich’”.
X, ist somit wohl sicher Alexander Radunius d. ].
Alexander Raduniusd.].
Der 'Name wird wie folgt geschrieben: vom Rektor der Uni-
versität Königsberg: „Alexander Radonius“ (1547)°”, von dem
Vater unseres Korrektors: „Alexander Radunius“ (1555)’”, so
öfter „Gesmes Chriksczoniskas“ 2. Teil: „nüg Alexandra || Radui-
nianies“ (spätestens 1570, von Mosvid oder Willent?)’*; der Rek-
tor der Universität Königsberg: „Alexander Radunius“ (1573)°°;
„Concordienformel“: „Casparus Radunius“ (Verwandter? 1579)";
Unterschrift unter dem Briefe an den Herzog 1590: „Alexander
Radonius“”; Sengstock: „per Alexandra Rodoniu Jaunaghi“
(Giesmes, S. 85", 1612). Sein Bruder Heinrich wird jedoch in den
unten, S. 234 Anm. 935f., genannten Akten meist „Rodanius“ ge-
schrieben.
Demgegenüber kommt die Form „Alexander Ruddowius“
(zweimal Arnoldt’*) und ‚„Rudovius“ (Quandt’®) nur einmal in
einem Schreiben der Herzoglichen Kanzlei vom 14. Januar 1586
vor (siehe unten, S.283): „Radouius“, also immer von Personen
geschrieben, die den Namen nur lasen, und wohl n mit u ver-
wechselten. Außerdem mag der Lesefehler z. T. durch den be-
kannten Namen „Rudau“ mit veranlaßt sein.
901 Siehe oben, S. 124, und Abb. 9.
#0 Erler, Königsb. 1, S. 6.
»03 E,M. 138 d.K. Aktenheft: „Pfarrer zu Kaukehnen. 6. Blatt“.
90% Gerullis, Mosvid, S. 368.
#05 Firler, Königsb. I, S. 53.
906 Siehe unten, S. 279f., und Abb. 47, T. XXIII. °
#07 Sjehe oben, S. 103£., und Abb. 30, T. XV.
908 Nachr. II, S. 147.
see MSC 21, S. 67V.
276
Offensichtlich ist „Radonius“ usw. die latinisierte Form des
litauischen, polonisierten „Raduinianis“, was nach Gerullis” be-
deutet: „der aus Rodünia“, einem Ort, der heute litauisch „Ro-
düne“, polnisch „Radun“ heißt und 22 km nordwestlich von
Lyda im Wilnagebiet liegt.’
Der Vater unseres Alexander Radunius, der gleichfalls Alex-
ander hieß, stammte also, wie sein Name sehr wahrscheinlich
macht, aus ostlitauischem Sprachgebiet.” Er muß arm gewesen
sein, denn er zahlte bei seiner Immatrikulation in Königsberg
Ende 1546 oder Anfang 1547 nur einen Groschen, während im
allgemeinen mehr (bis 10 Gr.) gezahlt wurde. Wie ein Brief
von 1547 an den Herzog zeigt, hatte A. Radunius d. Ä. vom Her-
zog ein Stipendium erhalten’. Aus der Unterschrift unter dem
gleichen Brief geht hervor, wie Gerullis mitteilt, daß er bereits
1547 Pfarrer in Kuckerneese war, auch Quandt nennt das gleiche
Jahr, was allerdings mit den Angaben des Tilsiter Tischlers und
Tolken im Nebenamt, Kanthun, in Widerspruch steht, der in
einem Bittschreiben an den Herzog vom 28. Juni 1559” seine
Dienste aufzählt und angibt, er habe dem Tilsiter Pfarrer
„BaltZern“ sieben Jahre getolkt, und dann fortfährt: „...tZur
Kuckernese nach mei- || nem vermugen hab ich den leuten funf
iar Gottes wort forgetragen...“ Da aber Balthasar nach Ar-
noldt”® 1544 abgesetzt wurde, und wahrscheinlich der aus La-
biau stammende Siebeneich als Diakon nach Tilsit kam, müßte
Kanthun bis 1549 in Kuckerneese den Gottesdienst versehen
haben.
Jedenfalls sagen der „pfarhere vnnd Kirspil (!). || Kinder Zu
Kuckernesse[n]“ in einer am 9. August 1549 erledigten Klage-
schrift an den Herzog, daß
»...)n Kortz ver schinen[n] tagen|n] der H[err] pfarner I Das Kucker-
nessische Kirchspil gevisitiret vnnd I Ein anzahl nemelich bey iiiz
[Tausend] Selen[n] gefunden[n]...“ hätte, und er nun „...lewtte
zu I) Kirchen vetteren .. “1°
zu bestellen bäte. Bezeichnenderweise fügte er hinzu:
210 Gerullis, Mosvid, S. XXXVI.
#1 Gerullis, Skait., S. 26 Anm. 1.
#12 Siehe unten, S. 288 Anm. 954.
913 Nachr. II, S. 141.
277
„...weil Jme Der acker I bawe als Einem Selsorger beschwerlich Zu
betreib[en] l Da durch Er Seinem betten lessen v[nd] studieren l for-
hinndertt...‘, so möchte der Herzog doch jene Leute, wenn es nötig
sei, ihm zur Hülfe kommen lassen.
Auch die andern Anliegen, die A. Radunius hatte, machen den
Eindruck, daß er erst in dieser Zeit in Kuckerneese angekommen
ist: Von den beiden Kühen, die ihm gegeben worden wären, sei
die eine schon gestorben, die andere aber uralt, so daß er um
eine weitere Kuh bäte, „...Da mit Er || Sein Jung Erbenn Deste
Stadlicher Erhaltten || muchte...“; weiter bäte er „...vmb
Einen Junge Strentzvollen Damitt || Er auch als Ein Junger
Haus wirdt Zum || ordt Farren kunndt...“.
Die streng in „Dinstknecht“ und „Pawirpenn“ geteilten 3500
Seelen, die A. Radunius d.Ä. hier zu betreuen hatte, und mit
denen unser Korrektor, A. Radunius d. ]., aufwuchs, verteilten
sich über 53 Dörfer und Einzelsiedlungen, die zum Teil 530 km
vom Kuckerneeser Pfarrhause entfernt liegen.” Ihre Namen
sind in einer Kirchenrechnung von 1596 aufgeführt und zeigen,
daß es sich um überwiegend litauische Niederlassungen han-
delt, deren Begründer eingewandert sein müssen, wie die Be-
zeichnungen „Schemaiten“, „Bagdanen“ erkennen lassen, was
natürlich größtenteils vor einigen Generationen geschehen sein
wird. Wieder zeigt die nicht litauische Bezeichnung des zweifel-
los weit älteren „Kuckerneese“, was hier vor sich gegangen ist.
In diesen Jahren, wohl aber bald nach seiner Anstellung in
Kuckerneese, hat A. Radunius geheiratet, da sein Sohn Alex-
ander 1573°° in Königsberg immatrikuliert wird.
Wie es zur Zeit der Kindheit unseres A. Radunius d. J. um
das Pfarrhaus und in der Umgebung von Kuckerneese aussah,
zeigen der öfters erwähnte Brief Georg Reichs an den Herzog“,
sowie die Klagebriefe seines Vaters. Aus letzteren geht hervor,
daß die Kirche immer noch kein ordentliches Dach hatte, so daß
es während des Gottesdienstes auf die Gemeinde regnete und
4 Frrechnet man den Flächenraum des Kuckerneeser Kirchspiels, so ergeben
sich 2—3 Personen pro km?.
915 Erler, Königsb. I, S. 53.
218 Siehe oben, S. 51f., und Qu., S. 414 ff.
278
schneite; die „Schulmeister“ liefen fort, weil sie mit den 15 M.
jährlich nicht auskommen konnten u. a. m.”
Eine interessante Bemerkung über die Familie Radunius’ ent-
hält eine am 30. Mai 1572 erledigte Bittschrift, in der „die gantze
borgerschafft vnd etz- || liche dorffschafft der vndeuschen (!) ||
'sprache“ oder, wie es in dem Erledigungsvermerk genauer heißt:
„Die Littau (!) zur Tilsze“, um einen „litischen prediger“ bitten.
Sie teilen dem Herzoge darin nach einer ausführlichen Schilde-
rung ihrer Not in dieser Zeit des „vurchteten fiebers“, in der sie‘
„bey 4 Jahren keinen shelsorger odder predieger || gehatt (!)
haben“, mit, daß der 1571 bestellte Seelsorger schon wieder ge-
storben sei, und bitten um A. Radunius d. Ä.,
»... weil dan l der her pfarher Zu Kuckernessen An der pagielgenn I
gelegen siech gern Al hierher Zu vns begebenn |] wollen vnd seiner
lieben Kienderchen halbenn l der deusche (!) sprachen ]Jn der schulen
Zue lernenn .. .'%8
Am 21. Mai 1573 wurde A. Radunius in Königsberg imma-
trikuliert:
„Alexander Radunius Lithuanus, jurauit, ob pauperiem (!) dedit
gr. 2.7010
Der Umstand, daß ihn der Rektor schwören ließ, zeigt, daß
Radunius schon aus den Knabenjahren heraus gewesen sein
muß, da nur Personen zum Schwur zugelassen wurden, die die
Bedeutung des Eides bereits voll zu erfassen imstande waren”.
Daß er „...ob pauperiem (!)...“ nur 2 Groschen gab, wäh-
rend damals gewöhnlich 10 Gr. gegeben wurden, beweist, daft
er sich als arm ausgab und auch dafür gehalten wurde. In den
veröffentlichten Matrikelbüchern einer anderen deutsch-prote-
stantischen Universität findet sich keine Matrikel von A. Radu-
nius d. J.*"
Die auf Seite 18°. der Concordienformel in der Rubrik: „Ampt
Mimel vnd Greben“ erscheinende äußerst zittrige Unterschrift:
»7 E.M. 138. d. K., Aktenheft: „Pfarrer zu Kaukehmen. 6. Blatt“, erled. 24. 9.
1555. Ausführlicher siehe Potschka.
#13 E,M. 138, Paket: „c2—e2“.
910 Frler, Königsb. I, S. 53.
920 Siehe Erler, Königsb., S. LXXXVI.
®1 Untersucht wurden noch: Frankfurt a.O., Freiburg i.Br., Genf, Greifs-
wald, Heidelberg, Jena, Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg.
279
„Ego Casparus Radunius pastor Lituanicus
memle sub subscripstit (!) ((verbessert in: subscrijpsi)).“*
stammt von dem damaligen Pfarrer in Prökuls; er war wohl ein
Verwandter unseres Alexander Radunius und nicht, wie J. Sem-
britzki in der „Geschichte des Kreises Memel“”* vermuten möchte:
»... vielleicht identisch mit dem in der Königsberger Universi-
tätsmatrikel 1573 erwähnten“ „Alexander Radunius, Lithuanus,
pauper.“
Dieser Caspar Radunius starb, wie ]J. Sembritzki auch weiß,
am 29. April 1587.
Ein Buch scheint die Kuckerneeser Kirche nach den seit 1595
erhaltenen Kircheninventaren nicht besessen zu haben. Nur in
den Schulinventaren wird gesagt: „...Ein Deutsche Biblia ge-
stehet 7 M 30 sz, Welche der || Pfarherr bei sich hatt... .“”*.
Unser A. Radunius d. J. schloß am 17. August 1579 sein Stu-
dium ab, nachdem er — wie der „Rector [et] senatus || Accade-
miae regiomontane“ dem Herzoge am 18. August schrieben —
„4 (!) Jahr lang“ Alumnus gewesen sei und diese Zeit über
„»... bei vns studir[et] || das er seinne principia nicht allein in Artibus“
sonder[n] I auch in Theologia (!) der massen begriefen, das Zu hoffe[n]
er wuerde. Kirch vnnd schullen'nutzlich dienen konnen...“ Er hätte
»... Je vond allewege einen feinen stillen [wan-] |] dell bei vnns ge-
fueret, vnnd seinen studijs vleisilg ob] Il gelegenn .. .“?25
In dem lateinischen Abgangszeugnis vom 17. August heißt es
gar, er hätte von frühester Jugend in dem heißen Verlangen ge-
lebt, aus. Liebe zum Fortschritt der menschlichen Gesellschaft
und der Kirche jene „salutaria studia“, nämlich Theologie, zu
betreiben, und er nun nach einem eifrigen Studium den Grund
»...im Artibus, dicendj, ac in philo || sophia... in pietatis porto (!)
ac Religionis doctrina...“ gelegt und Fortschritte gemacht hätte, „...
abhorrere ab omnibus fanaticis I opinionibus [et] erroribus pugnanti-
bus, Cum uera doctrina || de filio dej.. .“25
Am 1. Januar 1580 wurde A. Radunius seinem alten und
schwachen Vater als Kaplan und Schulmeister beigegeben. Die
Introduktionsschrift des Tilsiter Erzpriesters Mörlin lautet’”:
#22 Siehe unten, Abb. 47, T. XXIII.
93 S, 101.
94 Im Kuckerneeser Pfarrhaus; Potschka.
225 Ostpr. Fol. 368, „Des Furstl. Hauses Tilsitt aeltste Haus-Buch 1551, 1578“,
S. 579 ff. (neu), 139 ff. (alt).
280
„... Gottes erkentnus, gnade vnnd segen, durch Chriestum || vaseran
einigen lieben erloser vnnd heilant wunsche || ich Magister Mörlino (!)
ertz priester vnnd pfarherr || Zuer Tilsit, der Chriestlichenn gemein
Zuer Kuckernesse || vnnd fuege hiemit Zu wiessenn. das fr d in
el erfahrenn vnnd Angesehen. des wierdiegen herrn Alexa- ||
nder Radonij des eltern lange Treue Dienste. alhie vnd |] vnuormog-
lichen in der halben Zu geordnet hat. Zue || einem Caplan vnnd ge-
hulffen, Zu gleich auch des schul- l mesters Ampt Zuorwalten, auch
den wierdigenn l Alexander Radonj denn Jungern, welchen Diesenn ||
Kierchspiell denn drauf nicht vorlengst. unnd liebe vor- I gestelt.
Vnnd von euch ist gehoret wordenn. auch belie- || bet ist worden. vor
einen Caplan vnd schulmester Zu hab- |] enn vnd AnZunehmen. Dem-
nach Von dem hochwierdige[n] in Gott. Herren bischof. Johannj
wiegandi Doctori der J heilligen schrieft. Zu dem Ambt. Tuchtig er-
funden. vnd || mit auf legunge der Hennde. ist bestetiget vnnd Con-
firm[i]- l ret do er dan auch Zu 'gesaget bei Keiner lehre, wuerde
in gottes wort Augstburgischer Confessionn vnnd Cor- I pori doctrinj
prutenico verfasset ist bestendiglich. du- || Durch Gottes wordt vnnd
gnade Zuuorhoren (!) allen Currup- | telen vnnd sectten. so mit grun-
des (!) gotlichen wortes sint || verworfen Zuuermeiden. vnd das hohe
ambt des geistes || mit Treue vnd vleis, in gottes furcht Zu furen.
vnnd || mit Chriestlichen wandell Zu Ziehren. als hat sein ll hochwier-
den mier beuohllen. Jn bej euch Zu ]ntro I duciren vnnd Zu bestetigen.
Demnach bestetige ich || vnnd beuehll euch. Kraft Tragendes Ambts
denn || wierdigen herrnn Alexandrio Radonium fur einen || gehulfen
im predigtambt, vnd schulmeister Zu Kau- ||’kemen, in dem Namen
vonsers herren Jhesu Christ[i] || ich vermane aber hier bej woll-
gedachten herrnn I Alexandre Radonium das er in dem. Kirchen
Ambt I vnond dienst, wollgedachten, Treulich woll angeleg[en] I sein
lassenn. vleisig studiren. vnnd die gemein gottes || alda so Christus
mit seinem blut erkauft hat, in || Gottes wort einfellig (!) vnnd Recht
vnterichtenn, vnd | in allen der Kierchen Ordnunge vnd Reces. Nach
sich gemes verhalten wolle. also verman ich auch || herwieder die
kierchspils Kiender. das sie denn wierdigen H: Alexander fordernus,
als einenn ordentlichen pfarherren vnnd schulmester, vnnd als |J ein
Diener Jhesu chriesto (!) Annehmen lieben vnd ehre[n] || Gottes er-
kentnus von ihm, oder Von dem alten nach || gelegenheit lehrnn. Vnd
die predigt. des. Kathismj (!) I vleisig befurdernn. die hochwierdige
Sacrament I in gottes fuercht gebrauchen Chriestlich Rath. vnd
Trost. in aller anfechtunge beij ihm hollen. auch l wiellig Reichen.
was ihm nach Kirchspiels Recht: | vnd bieschoflichen abscheit verord-
net. vnser lieber || Herr. vnnd heilanndt iehsus chriestus. der Zur
Recht- || ernn godtes seiner Kierchen halben gesetzt hatt. das || er sie
Regiere vnnd predigen gebe. (!) wolle diesenn || vand auch allen Rei-
chen segnn, vnd Kraft. seinem || lieben wort in der heiligen ernten
Chriesti geben || auf das er muge viell seellen. Zum ewigem leben |}
fueren. Datulm] am Neuen Jars Tage. Zur Tilsit Ao 80...“
281
Als A. Radunius der Ältere 1583°* gestorben war, bekam sein
Sohn im Juli des gleichen Jahres die Pfarrstelle in Kuckerneese.
Dort erhielt er Ende November oder Anfang Dezember 1585
Bretkes litauischen Tobith zur Korrektur.
Von A. Radunius d. J. ist die Übersetzung des deutschen
Liedes „Gott hat daß Euangelium / gegeben“ usw. „Diews dawe
Euangelia“ in den „Giesmes“ Sengstocks erhalten”.
Ostermeyer sagt in der „Liedergeschichte“ von Radunius d. ]J.
und dieser Übersetzung”*:
»...Der jüngere
von diesen, welcher sein Amt .1579 ange-
treten, erst als Adjunct seines Vaters, nach
dessen 1583 erfolgten Tode aber als würk-
licher Pfarrherr, und solches bis 1600 auch
vielleicht weiter fortgesetzt, ist Autor des
Liedes: Gott hat das Evangelium [ete]. Syl
benmaaß und Reim sind besser beobachtet,
als in irgend einem andern Liede damaliger
Zeit...“
Wahrscheinlich hat sowohl sein Vater als auch er selbst mehr
übersetzt, so daß A. Radunius d. ]. schon in einer gewissen Tra-
dition stand und so vielleicht das besondere Lob mit Recht ver-
diente.
Die Orthographie des Korrektors X, schreibt schriftlit. e oft
ie, z. B. „kregszdie (N.Sg.; V 86" 3—-4vo) „pildieme“ (1. Pers.
Pl. Prät.; V 86 3vu), „tiewa“ (G.Sg.; V 87" 12vo), „Tagidiel“
(ebenda), so daß Schreibungen wie „smirdischkie“ „vnZucht“
(N. Sg.; V 87° 9—10vo, Abb. 12, T. IX), „neregietumbim“ (V 87
12—14vo) usw. nicht die fragliche polnische Erweichung bedeu-
ten müßte, da diese Bezeichnung bei kurzem & bis auf eine Aus-
nahme fehlt, sondern, wie schon angedeutet’”, eher eine dialek-
tische Eigentümlichkeit des Kuckerneeser Litauisch widerspie-
gelt, z. B.: „rekencze, schaukencze“ (A.Sg. Fem. Part.; V 86’
3—4vo), „klegessia“ (G.Sg.; V 87’ 7—-8vu) usw. (Ausnahme:
„ischgielbetu“, ebenda); auch dies zeigt, daß X, (A. Radunius
d. J.) aus deutschem Kulturbereich kam, was auch die Erklärun-
#26 Nachr. II, S. 147.
#7 5. 857, Abdruck in: Gerullis, Skait., S. 203.
v28 5, 259,
929 Siehe oben, S. 258.
282
gen in deutscher Sprache bei den Korrekturen beweisen, z. B.
bemerkte er zu Bretkes Text ‚„...Med- || du mieste Rages ... .“**
am Rande:
„Medu vnd Rages
mecht alias vor honig
vnd raggen®®: in lit-
„den“
ausch[en]n von „einfeltig[en]n
verstanden werden.“
In dem Liede bei Sengstock ist & stets e geschrieben, doch ist
ja sehr wahrscheinlich, daß Sengstock (der Litauisch erst nach-
träglich gelernt hat, und zwar wohl im planmäßigem Unterricht
in Königsberg, und der somit viel starrer an allerlei Regeln fest-
hielt als A. Radunius, der es von Jugend auf im Elternhaus und
auf dem Lande bei den Bauern hörte) diese ihm „falsch“ erschei-
nende auffällige Orthographie durchweg verbesserte.
Die polnische Erweichung zeigt das Lied, das sonst viel Ge-
legenheit dafür böte, nur einmal, und zwar: „kientet“ (Infin.;
Gerullis, Skait., S. 204, 16vu).
Über das Leben des jüngeren Radunius ist sonst nichts weiter
bekannt, als daß er Anfang Januar 1586 beim Herzog klagte,
seine Kirchspielskinder enthielten ihm die „Decemtin“ Gerste
vor, die sie seinem Vater geliefert hätten, und daß für die „nach-
gelassene wittib“ des verstorbenen „Pfarherrn“ keine Herberge
gebaut sei. Der Herzog entschied zu seinen Gunsten.”
Die Unterschrift A. Radunius d. J. unter dem Brief der Po-
stillenkorrektoren an den Herzog von Mai 1590 ist das letzte Le-
benszeichen, das wir von ihm besitzen; er muß bald darauf ge-
storben sein, denn nach einer Notiz in der handschriftlichen
Kuckerneeser Chronik” hat ein N. Ambrosius „...nach einem ||
eigenhändigen Zettel der in der 1594sten Kirchen-Rechnung be-
findlich, || unterm 19ten August 1592 als Pfarrherre sein Quar-
tal...“ gefordert. Es ist offenbar jener Ambrosius Hartwich, der
nach Quandt’* in Kuckerneese Pfarrer war, und der in dem
#30 V 87r, 3—6vo.
#21 Also „Roggen“.
»»2 Ostpr. Fol. 369 (Tilsiter Hausbuch), S. 895 (alt), 51ir (neu).
#23 Im Pfarrhaus zu Kuckerneese, S. 12, Potschka.
93 MSC 21, S. 67V.
283
unten (Nachträge!) genannten Schreiben Nachfolger Z. Blothnos
in Tilsit werden sollte, weil er „....so wol || der deutschenn Alss
Littauschen Sprachenn || Kundigk...“ wäre. Außerdem wird im
Tilsiter Hausbuch’® am 4. Januar 1593 gesagt, daß
„... heinrich Radonius dem I) Seligen Pfarh[err] Zu Kauckenen Alex-
andler] | Radonio schuldig worden, Zum theil I geliehenes geldes, auch
dz der Selige Alexander für diesen seinen Bruder I heinrichen Aus-
gelegt 104 M 48 R...“,
und daß nun die Witwe mit den hinterlassenen Kindern das
Geld fordere, was Heinrich R. mit 20 M. jährlich zurückzahlen
wolle. Daß es sich nicht um den Bruder des älteren Radunius
handelt, geht wohl eindeutig aus verschiedenen Akten des Rag-
niter Hausbuches hervor’*, die seinen schwer verschuldeten Krug
zu Pillkallen (heute Schloßberg) betreffen, in denen Nicolaus
Musa, der Sohn des Korrektors Georg Musa”, als Zeuge genannt
wird, und denen zufolge Heinrich bei seinem Tode um 1613 noch
unmündige Kinder hatte. Ostermeyer sagt jedoch kathegorisch,
daß A. Radunius „...bis 1600 auch || vielleicht weiter... .‘“** ge-
lebt hätte. Da die von der Hand des Kuckerneeser Schulmeisters
stammenden Kirchenrechnungen um 1600 besonders in den
flüchtig geschriebenen Anmerkungen in der Handschrift große
Ähnlichkeit mit den Zügen A. Radunius d. J. zeigen, liegt viel-
leicht die Annahme nahe, daß ein Sohn unseres A. Radunius dort
Schulmeister war. Die Handschriften von Vater und Sohn hatten
damals erfahrungsgemäß bei den Geistlichen große Ähnlichkeit,
da ja meist der Vater den Sohn in den Anfangsgründen der
Kunst des Schreibens unterrichtete.
Der Korrektor X..
Auch der Korrektor X, hat nur ein Bud, und zwar Act. (VII
227:—297') verbessert (Abb. 48—51). Somit dürfte ihm Bretke
‚nur ein Buch zugeschickt und dieser Korrektor wie Zacharias
Blothno von Bretke weiter entfernt gewohnt haben.
#35 Ostpr. Fol. 371/a, „Rothes Haus-Buch des Amts Tilsit Nr 3“, S. 62.
38 Ostpr. Fol. 317, „Haus-Buch des Amts Ragnit No. 1“, S. 62, 109v ff., 161r,
278 ff.
37 Siehe unten, S. 394.
2 Liedergesch., S. 259, und oben, $. 282.
284
Der Handschriftenvergleich zeigt eine auffallende Überein-
stimmung der Schriftzüge unseres Korrektors X, mit denen der
Unterschrift Nikolaus Siautils, des Pfarrers zu Ruß, in der „Con-
cordienformel‘“** (Abb. 47).
Eine zweite Handschrift, die einige Züge mit der des Kor-
rektors X, gemeinsam hat, befindet sich zufällig gleich unter der
Siautils; es ist die des „Casparus Radunius pastor Lituanicus“
in Memel, doch nach der zittrigen Unterschrift zu urteilen, war
dieser entweder so ungebildet, daß er nicht recht schreiben
konnte — zumal er erst schrieb: „Ego... subscrepstit“, das er
dann in „subscrijpsi“ verbesserte — oder er war bereits sehr alt.
Dazu kommen große Unterschiede z. B. in der Behandlung der
primären Abstriche, die Caspar Radunius gerne mit starkem
Druck versieht, während er den Druck in sekundären oder
schrägen Abstrichen meidet, Siautil und X, dagegen meiden den
Druck in den eigentlichen Abstrichen, während beide in den
schrägen Abstrichen die Feder stark andrücken usw.
Siautil war von ungefähr 1553 bis zu seinem Todesjahr 1595
in Ruß und konnte sicher litauisch, denn sein Amtsvorgänger,
„Gregorius viln&sis“, stammte aus Litauen, und das baltische
Gepräge des Namens Siautil macht sehr wahrscheinlich, daß er
genau wie „Gregorius“ aus einer Gegend mit baltischer Bevölke-
rung — doch wohl zweifellos Litauen — stammte.
Das Königsberger Staatsarchiv besitzt noch zwei Briefe, die
mit seinem Namen unterzeichnet sind’, doch sind beide in zwei
ganz verschiedenen Handschriften geschrieben, aber keine hat
mit der Siautils in der „Concordienformel“ die geringste Ähn-
lichkeit, was sowohl von der Handschrift im Text der Briefe als
von ihren Unterschriften gilt, die jeweils von der gleichen Hand
stammen.
Somit ist klar, daß Siautil beide Briefe von jemand anders
schreiben ließ und nicht einmal selbst unterzeichnete. An der
#30 Herzogl. Briefarch. T, S. 18V.
#20 Siehe oben, S. 279 £., und Abb. 47, T. XXI.
»1 F.M. 98 d. Ruß; Gesuch an den Herzog, präsent. 31. 3. 1587, und E.M. 98
d. Ruß, Aktenpack: „Akten des Samländischen Konsistoriums zu Königs-
berg betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dorts. 1541—1714“. Gesuch an
den gleichen präsent. 30. 8. 1593.
285
Echtheit der Unterschrift unter der „Concordienformel“ kann
nicht gezweifelt werden, denn es wurde streng darauf gehalten,
daß die Geistlichen die Formel selbst unterschrieben, um sie bin-
dend zu verpflichten und den Wirren endlih ein Ende zu
machen. Unterzeichnete jemand für einen andern, so wurde dies
ausdrücklich angegeben, z. B. S. 18:
„Patroclus Weluerius Pastor Ecclesiae kraupischkanae
mente manugqlue] subscripsit. Rogatus no[mli[n]e R[everelndi
Viri Do[min]ij Loth kraus pastoris Wilkischkensis || quoqlue] sub-
scribo.“ (Bild 65, T. XXIX.)
Dazu sind die Schriftzüge in der Unterschrift Siautils unter
der „Concordienformel“ durchaus charakteristisch, sie unter-
scheiden sich deutlich von allen Handschriften der hier in Frage
kommenden Personen, stimmen dagegen auffällig mit der Hand-
schrift der Korrekturen des X, überein.
X, ist also mit größter Wahrscheinlichkeit Nicolaus Siautil.
Nicolaus Siautil.
Der Name kommt in folgenden Schreibungen vor:
„Nicklaus Sauttell“®, „Nicolaus Siautil“ (Autograph)’*
„Nicolaus Saulthel‘““, „Nicolaus Saulthel‘“*, „Nickals Sautyll‘“*,
„Nickl Sautil“”, „Nickel Sauttiels“ (G)*, wobei Arnoldts „Nico-
%2 Aus Begleitschreiben (16. 1. 1600) des Amtes Memel an den Herzog zu zwei
Abschriften aus den Hausbüchern (Originaleintragungen 22. 3. 1569 und
3. 2. 1571), die zur Klärung der Rechtsansprüche des Pfarrers „petrus Clo-
couius“ auf angebliche Kirchenwiesen vom Herzog angefordert wurden.
In den Abschriften selbst kommt der Name „Sauttell“ nicht vor, dort
wird der Pfarrer „Nigklaus“ genannt.
#3 Herzogl. Briefarch. I; 1579 Concordienformel, S. 18; Abb. 47, T. XXI.
#4 FE. M. 98 d. Ruß, präsent. 31. 3. 1587. In Supplikation Siautils, geschrieben
von anderer Hand (Qu., S. 449, Z. 45).
#5 In Registraturvermerk ebenda (Qu., S. 450, Z. 4).
9 E.M. 98, d.R. Aktenheft: „Akten des Samländischen Konsistoriums zu
Königsberg“ betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dorts. 1541, 1714“, präsent.
30. 8. 1593. Gesuch Siautils, geschrieben von anderer Hand (Qu., S. 451,
Z. 18).
97 In Registraturvermerk ebenda (Qu. S. 451, Z. 21).
®4 E.M. 98 d. R., Aktenheft: „Akten des“ usw. wie Anm. 946, Dee 28. 10.
1593. In Schreiben des Memeler Hausvogts W. Wiergauder und Amts-
schreibers Mertten Sieler in vom Herzog angefordertem Gutachten zu
Siautils Supplikation, siehe Anm. 946 (Qu., S. 451, Z. 30).
286
laus Sanckel oder Pantel“, der „1586 auch 1595“ in Ruß gewesen
sein soll’, offenbar Lesefehler ist.
Daß er sich die beiden erhaltenen Supplikationen an den
Herzog?” deutsch schreiben ließ, obwohl er doch so arm war, wie
die Gesuche zeigen sollen, spricht dafür, daß Siautil nicht aus-
reichend Deutsch konnte.
Die charaktervolle Handschrift, in der die lateinische Unter-
schrift ohne die geringste Unsicherheit in die Concordienformel
eingetragen ist, zeigt, daß Siautil nicht ungebildet war. An einer
deutschen protestantischen Universität hat er jedoch, soweit die
veröffentlichten Matrikel erkennen lassen, nicht studiert.
Die Orthographie des Korrektors X, zeigt offensichtlich pol-
nischen Einfluß, wie die wenigen Sprachproben zeigen, so z.B.
die Erweichung („papeikie“ 3.P. Prät.), ja sogar das polnische
erweichte ı (,,... wienolikaspi“, Abb. 50, T. XXIV). Auch hat er
das uo, das sich nur in Wilnaer und Kedainer Drucken findet
(„duokiet“, Abb. 24, T. XIII, ebenda, und Abb. 17, T. XI,
2 TU0BR .2)$
Ist X, = Nicolaus Siautil, was kaum einem Zweifel unter-
liegt, so ist er sicher aus Litauen zugewandert.
Ruß lag mitten in der Wildnis am linken Ufer des Ruß-
stromes, dem Hauptarm der Memel, auf dem der Schiffahrtsver-
kehr von Litauen-Polen sowie von Tilsit und Ragnit- nach Me-
mel, Riga und den Handelsplätzen des Großherzogtums Mos-
kau ging.
Die Ortseinwohner hatten etwas Land und eine bestimmte
Stelle an den Flüssen zur Fischerei gepachtet, wofür sie an das
Amt Memel jährlich 6 M. Pacht zahlten. Auch der dort befind-
liche Viehhof, der sicher mit dem Schiffsverkehr in Zusammen-
hang stand, beschäftigte einige Leute.
Eine Eintragung in einem der Memeler Hausbücher vom
22. März 1569, die in einer Abschrift vom 16. Januar 1600 erhal-
#42 Nachr. II, S. 163. Der Name Panthel kam aber vor, so hatte nach einem
Schreiben des Schulzen und der Geschworenen zu Petersdorf 1585 „Vor
etlichen Jaren Jörge I Panthel, vom erbe“ entlaufen wollen. E.M. 137.d.
950 Sjehe oben, S. 285.
#51 Untersucht wurden die Matrikeln von Frankfurt a. O. Freiburg i. Br.,
Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Leipzig, Marburg, Rostock,
Tübingen und Wittenberg. Siehe auch oben, $S. 247 Anm. 802.
287
ten ist’®, beleuchtet die Verhältnisse schlaglichtartig. Es sind die
Aussagen, die „Balttucke, Vrbeneite“ und „Luttkus” in einem
Prozeß Brosien Starck contra Nicolaus Siautil um ein Grund-
stück machten. Danach nahm die Mutter des Starck nach dem
Tode ihres Mannes, als sie „den Zins“ nicht allein zahlen konnte,
einen „Behenusch“ als Bender”* auf die eine Hälfte des Grund-
stücks. Da aber
„Behensch (!), Welcher ein Samaitischer Leip
eigener gewest Vor seiner Herrschafft Jn Sameiten
Alhiero nicht sicher gewest, Alß ist er mit weip vnndt
Kindern Auß der Russen entlauffen.“
Die Pfarrer in Ruß mußten auch in dem 10 km Luftlinie
nach Nordosten von Ruß in der Wildnis an der Szieße, einem
kleinen Nebenfluß der Ruß, gelegenen Orte Werden predigen.
In der Berufungsurkunde des Simon Alector’*, der seit 1541
Pfarrer in Ruß war, heißt es bezüglich seiner Pflichten”®, die an-
fänglich auch die Siautils waren:
„...das er das pfarr
ampt doselbst mit hochstem vleyß
verwalten vnd außrichten, sc! nichts
weniger des iars ein mal funff
oder sechs vngeuerlich den armen
leuten in der wiltnus auch predigen
soll, doch das er auff der armen
leuth vncosten geholet vnd wide-
rumb zu hauß gebracht werde.“
#52 Siehe oben, S. 286 Anm. 942.
953 Staszewski-Stein, S. 18: „Bender: Teilhaber, der vom Besitzer eines land-
wirtschaftlichen Grundstückes ein Stück Acker zur Nutznießung erhält
und ihm dafür als Knecht dient.“
#2 Etwa jener „Simon Alector (oder Hahn)“, der nach Arnoldt, Nachr. II,
S. 136, und nach einem Schreiben des Tilsiter Bürgermeisters, Moriz
v. Perschkau, an den Herzog (E.M. 1382 e, Paket 4, Aktenheft: „Erzpriester
zu Tilsit“) am 8. 11. 1538 in Tilsit abdankte, wo er, wie Perschkau sagt,
mit einem Tolken predigte® Der Tolke „Lenhart Kanthun, tischer, mit-
bürger tZu Tilse“ sagte in einem Bittschreiben vom 28. Juni 1559 an
den Herzog: „...Auch hab ich mich im geistlichen Gotte tzun ehren,
vnd || E.F.G. tzu gefallen, gebrauchen lassen, als dem ersten eua[n]- |]
gelischen prediger tzur Tilse Simen, hab ich tZwelff iar || getolckt...“
Siehe das ganze Bittschreiben: Gerullis: „Tauta ir Zodis“ IV, S. 432.
#5 E.M. 98d.R., Aktenheft: „Akten des Samländischen Konsistorium zu
Königsberg betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dort 1541—1714.“
288
Über die Sprache dieser „armen || leuth“ gibt eine Anord-
nung (wohl des Herzogs) an den Bischof des „samländischen“
Bezirkes vom 7. Juni 1544 Auskunft. Darin heißt es, daß Simon
Alector die Stelle zu nächsten Pfingsten gekündigt hätte, und
der Bischof sich nach einem anderen umsehen sollte, „... wel-
ch[er] d{er] Litthausch[en] || vnd Curisch[en] Sprache mächtig...“
sei. Man solle ihm wieder 70 M. Jahresgehalt sowie „... etliche
Fischerey vnd Heuschlag....“ zusichern’“.
Siautil ist seit 1553 in Ruß, und zwar zunächst als Schul-
meister, wie die Zusammenstellung folgender Angaben zeigt:
In einer Bittschrift an den Herzog, die am 30. August 1593 regi-
striert wurde, sagt Siautil von sich, daß er
„...auss sonderlicher Verscheung (!) des liebes
Gottes“ „...numehr in die 40 Jahr, dem heiliegen Predigt
ampt Vorgestanden, Vnnd der Kirchen in der Russen, mit höchsten
Vleiß gedienet vnnd am wort Gottes gearbeittet ...“7
und bald darauf heißt es in dem Gutachten vom 28. Oktober
1593, daß der Memeler Hausvogt W. Wiergauder und der dortige
Amtsschreiber, Mertten Sieler, auf Anforderung an den Herzog
schickten, daß Siautil
»... Vber 40 Jhar bey dem Ministerio
vnd Predigambt d[er] Russischen Kirchen Treülich vnd fleisigck
gedienet .. .““?58
was das Jahr 1553 ergibt; aber in seiner am 31. März 1587 regi-
strierten Supplikation sagt Siautil von sich”®:
„»...Der Ich nun bey 19 Jahrenn
Denn beidenn Kirchnn (!) mit Trost, treuenn lehrenn
vnnd vermanen nach d[er] Lehr S. Paulj vorgang[e]nn“
was das Jahr 1568 wäre.
Den Widerspruch klärt eine Eingabe des erwähnten „Brosi-
jen Starck“ von 1572°°, in der dieser die Prozeßgeschichte von
seinem Standpunkt aus darstellt und erzählt, daß der frühere
Rußer Schulmeister sich mit dem damaligen Pfarrer erzürnt
hätte und fortkommen sollte. Da es aber Winter war, wäre der
958 Quandt, MSC 21, S. 109.
9” Qu., S. 450, Z. 20—23.
vs Qu. S. 451, Z. 37—38.
99 Qu., S. 449, Z. 26—28.
0 E.M. (Oberratsstube) 98d Ruß ohne genaueres Datum.
19 Falkenhahn, Breike : 289
Schulmeister in das strittige Anwesen, das dem Vater Starcks
gehörte, gezogen, um zu warten, bis das Wasser eisfrei würde.
Doc da er sich mit dem Pfarrer versöhnte, Schulmeister blieb
und nach dem Tode des Pfarrers an dessen Stelle kam, gab er
das Anwesen nicht wieder heraus. Der Prozeß dauerte nun
schon drei Jahre.
Das heißt also, daß Siautil von 1553 bis etwa 1568 Schul-
meister in der zur Rußer Kirche gehörigen Schule war und den
Pfarrer wohl auch vertreten hat — sicherlich war der damalige
Pfarrer der oft genannte „Gregorius“, der 1554 (?) die „Articel
der Antwort der Augsburgischen || Confession Verwanten pfar-
heren vom. || Lande“ wie folgt unterschrieb: „Gregorius vilne[n]-
sis pastor rusne[n]sis“** — und daß er nach dem Tode des Pfar-
rers um 1568 an dessen Stelle kam; denn in der einen Abschrift
mit Zeugenaussagen vom 22. März 1569, wo eine Gerichtsver-
handlung stattfand’”, wird er bereits „...Nigklaus pfarrherr |]
Jnn der Russe“ genannt.
Über sein Leben läßt sich wenig ermitteln.
Die mit dem Prozeß in Zusammenhang stehenden Akten ent-
halten einige dürftige Nachrichten aus den ersten drei Jahrzehn-
ten seines Lebens in Ruß.
Danach hatte die Mutter des Br. Starck nach dem Tode seines
Vaters, und nachdem auch ihr zweiter Mann gestorben war, den
entlaufenen litauischen Leibeigenen Behenusch mit seiner Fa-
milie als Bender’* auf die Hälfte des Anwesens genommen. Als
sie zum dritten Male heiratete und darauf nach „Tattendorf“ zu
ihrem Manne zog, nahm der Litauer Behenusch 1556 — Br. Starck
sagte in der erwähnten Verhandlung 1569, daß Nicolaus das
Land 13 Jahre hätte und mit 6 M. verzinse — den damaligen
Schulmeister auf die freie Hälfte. Als Behenusch floh, übernahm
Siautil auch die zweite Hälfte mit „Vorg- || gunstigung des
Vieschmeisters“, d. h. er setzte dort mit Erlaubnis des Fischmei-
sters einen Fischer ein.
v1 }lerzogl. Briefarch. I,, S. 2v, Jahreszahl von Archivbeamten mit Frage-
zeichen versehen auf das Blatt geschrieben.
#02 Oben, S. 286 Anm. 942.
#3 Teilhaber siehe oben, S. 288 Anm. 953.
290
Nach Angaben Br. Starcks hatte Siautil ihm und seinem Bru-
der, der zur Zeit des Termins 1569 bereits in Königsberg wohnte,
als sie noch Kinder waren, versprochen, das Erbe ihres Vaters
wieder abzutreten, wenn sie erwachsen seien, und zwar blieb
Brosien als Gärtner und Fischer Siautils* auf der zweiten
Hälfte, zu der Wiesen, Gebäude und ein Garten gehörten.
Als Siautil Pfarrer geworden war und das Land nicht ab-
treten wollte, kam es 1569 zum Prozeß, in dessen Verlauf
Br. Starck nach einer Eintragung in ein Memeler Hausbuch vom
3. Februar 1571°° alles Verfügungsrect an Siautil abtrat, weil er
diesem 8 M. schuldig war und nicht zahlen konnte.
Doch scheint Brosien Starck den Prozeß erneuert zu haben,
wie seine Eingabe von 1572 zeigt, in der er sagt, daß seine Mut-
ter als Witwe in ihrer Armut mit den vielen Kindern auf den
Viehhof gezogen wäre, um dort Arbeit anzunehmen, der frühere
Schulmeister und jetzige Pfarrer aber das Erbe seines Vaters
durch Bestechung des verstorbenen Memeler Amtsschreibers und
des dortigen Hauptmanns an sich gebracht hätte; die Gebäude
dort wären nicht von Siautil errichtet, wie dieser fälschlich be-
hauptete.
Siautil hat den Prozeß gewonnen, denn in dem Begleittext
von 1600°® zu den beiden Abschriften aus den Memeler Haus-
büchern wird gesagt, daß die strittigen Wiesen, die der der-
zeitige Pfarrer Petrus Clocouius als Kirchenland für sich be-
anspruchte, laut der Hausbücher
»... Nicklaus Sauttell erstlichen
als er Noch Schulmeister gewesen, an sich
bracht...“
er hätte sie, wie die beiden Abschriften zeigten, rechtmäßig er-
worben.
Siautil hatte als Pfarrer keinen Kirchenacker; er gibt selbst
in einer Supplikation von 1593 an:
#2 Vielleicht ist Siautil von seinem Prozeßgegner der Raubfischerei angeklagt,
wie Sembritzki-Bittens S. 54 berichten, jedenfalls hat Siautil diese An-
schuldigung nichts geschadet, wie sich zeigen wird.
° In einer Abschrift vom 16. 1. 1600 erhalten, siehe oben, $. 286 Anm. 942.
e0 Siehe oben, $. 286 Anm. 942.
19*
291
„... wie E. fl[en]. dt. gnedieges
wissen tragen, ist diese Pfahr mit keinen einiegen huben
oder Jr (!) kein Gertlein, wie sonsten andere im lande versehn .. .“?%
und in dem vom Amte Memel darauf an den Herzog erstatteten
Bericht wird gesagt, daß
„+... kein Acker noch wiesen
bey gedachter Wiedemen vorhanden .. .“?e
Siautil mußte also von seinem Gehalt leben, das
„...inn alles auf Neunzig marck
sich erleufft vnnd außstrecKett..
wie er 1587 selbst sagt oder genauer
»...80 M Geldt Vnd von v. g Dt Vestumg (!) (er Jme dalr]-
neben Jherlichen 12 schl.?”° Korn vnd ll 10 schl® Gersten Zum Deputat
gereichet wirdt...“
wie es in dem Gutachten des Amtes Memel von 1593” heißt.
Siautil hatte also nur privatim für sich das „Erbe“ des Br. Starck
(was nach dem damaligen Sprachgebrauch eine altkölmische
Hufe oder heute 16,81 ha war), wovon die Wiesen jährlich un-
gefähr 16 Fuhren lieferten”, die Sembritzki-Bittens mit
„15 Mo‘ angeben, dazu die Fischerei, wofür die üblichen 6 M.
zu zahlen waren, was Siautil jedoch unter heftigen Klagen über
seine Armut nicht tat, sondern er blieb Jahr für Jahr einen Teil
der 6 M. schuldig.
1579 war er wie die meisten Geistlichen und Schulmeister in
Königsberg und unterschrieb dort. die „Concordienformel“. Seine
Unterschrift auf S. 18° des Originals siehe Abb. 47, T. XXIII.
In den nun folgenden Jahren hat Bretke ihm seine Über-
setzung der Apostelgeschichte zugesandt, die Siautil mit Korrek-
turen versah.
Mit seinem Schulmeister scheint er nicht in Frieden gelebt
zu haben, denn dieser wandte sich Ende 1583 oder Anfang 1584
067 Präsent. 30. 8. 1593; E.M. 98 d. R., Aktenheft: „Akten des Samländischen
Konsistoriums zu Königsberg betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dorts.
1541—1714.“ (Qu., S. 450, Z. 4-27.)
»08 Datum 28. 10. 1593; Signatur wie in Anm. 967 (Qu., S. 452, 2. 4f.).
»» E.M. 98 d Ruß; präsent. 31. 3. 1587. Gesuch Siautils (Qu., S. 449, Z. 19£.).
970 19 altk. Scheffel Korn = 444,34 kg oder rund 9 Zentner.
1 10 altk. Scheffel Gerste = 304,54 kg oder rund 6 Zentner.
?72 Signatur wie Anm. 969 (Qu., S. 451, Z. 40—43).
973 Begleittext zu den beiden Abschriften, 16. 1. 1600.
»a D.h.: 15 Morgen; „Gesch. d. Krs. Heydekrug“, S. 97.
292
u A A ee ee ee ee Ze An. u.
mit einer Supplikation an den Herzog, in der er über Siautil
heftig klagte, von dem er sich benachteiligt glaubte.
In der erhaltenen Anfrage des Herzogs an den Hauptmann
und Amitsschreiber zu Memel vom 27. Januar 1584°® bittet der
Herzog um Bericht, wie es um die in der beigefügten Supplika-
tion des Rußer Schulmeisters berichteten Dinge stünde,
„... wessen er sich wegen geringer nahrung
die einsteilß so Ihme als Schulmeistern gebure
von itzigem Pfarhern entzogen vnd eingenohmen biettet...“
Leider ist unbekannt, was hieraus geworden ist.
Im gleichen Jahre war die rückständige Summe für die Ab-
gaben auf 57 M., d. h. fast auf drei Viertel seines baren Jahres-
gehalts, angewachsen. Auf eine Bittschrift wurde ihm zugesagt,
daß die Zahlungspflicht des Rückstandes bis zu einer endgülti-
gen Entscheidung gelegentlich einer Visitation aufgehoben sein
solle. In dem Bericht von 1593 sagt das Amt Memel:
»...Das er Als vff
84 Vorgangen 57 M Zins schuldigk worden, welche
E: FL: Dtl: vf sein vnderthenigess Supliciren Jhme
bis Zur Visitation durch einen Abschiedt Domals gnedigst
nach gelassen.“®7s
Siautil muß in dieser Sache mehrere Supplikationen außer
der erwähnten geschrieben haben, denn er sagt zu Anfang sei-
ner Bittschrift von 1587 nach der Grußformel:
„...dz nach vielenn
vnond offternn anhaltenn ann E.F.Dt. wegenn mei-
ner geringenn besoldungk erhöhungk, vnnd milderer meh-
rungk desgleichen wegenn erlassens des Zinses
so Jahr Jerlichenn E.F.Dt Ambt Mann Zur Mim-
mell vonn wegnn etzlicher wiesenn, vnnd eines
fliesses von mir exigiret.. .“77
bis jetzt außer einer Vertröstung keinerlei entscheidende Ant-
wort erfolgt sei. Er würde vielmehr dauernd von
„»...E.F.Dt[en] Ambts ver-
walternn Zur Munmell (!) gedrungenn...“
„»...vonn denn
wiesenn, so Ich Doch mitt grosser arbeitt Zum erstenn
hab müssenn außradenn, vnnd erst Menschenn Zu nütz
275 E.M. 98, Aktenheft: „Akten des Samländischen....‘“ usw. wie oben, S. 288
Anm. 955.
201523.45277. 9—1f.
977 Qu., S. 448, Z. 39 ff.
293
machenn, vnnd auch vonn Dem fließ, welches mir
Zu meiner vnterhaltung nach notturfft Zu Hülf
Kommenn muß, meinenn Jehrlichen Zinß abzu-
legenn vnnd darzu thun. Welches mir armenn
Mann Zeitlangs Her sehr beschwerlich vmd (!) mühesamm ge-
wesenn ...“?78
da er keinen Kirchenacker und keine Akzidenzien hätte, und die
Pacht noch von seinem geringen Gehalt bezahlen müßte, das
trotz der vielen Arbeit, die er
„»...gar alleinn inn
beidenn KirchsPielnn Russe vmd Werden außstehenn
vınd vorrichtenn muß... .“ee
nur 90 M. betrüge.
Er bäte also nochmals, daß der Herzog ihm, dem
„Armenn vmd Itzigl[er] Zeitt I sehr benöttigtenn ministro Ecclesiae
christi...“,
der er 19 Jahre den beiden Kirchen gedient hätte, das Gehalt zu
erhöhen und ihn von den 6 M. jährlichen Abgaben zu befreien.
Diesmal nützte die Bittschrift nur soviel, daß in Werden ein
Diakon eingesetzt wurde, und zwar der 1562 (Freitag vor Mar-
tini) in Lübeck geborene Lazarus Sengstock, der damals also
etwa 25jährig war”. Sengstock wurde bereits 1588 in Werden
Pfarrer und kam 1590 zu Siautil nach Ruß als Diakon“.
Siautils Gehalt wurde nicht erhöht, und auch die Abgaben
wurden nicht erlassen. Er zahlte sie aber keineswegs, so daß er
bald wieder mit 30 M. beim Amt Memel in Rückstand blieb. Er
wußte, daß er ein sehr benötigter Minister Ecclesiae war, und
ihm nichts geschehen würde, wenn er sich die Abgaben selbst
erließ®*:
„... Jharn Jherlichen wan der] Zins von Jhme Abgefordert...“
hat Siautil „...gewehklaget vnd sein vnvormögen Altzeit mit
angetzogen
Das man auch bis dahero solchen Rest von Jhme
nicht hat l er Zwingen Konnen...“
schreiben der Memeler Hausvogt Wiergauder und der Amts-
schreiber Merten Sieler Ende Oktober 1593 an den Herzog.
978 Qu., S. 449, Z. 4 ff.
9 Qu., S. 449, Z. 16 ff.
#0 Ostermeyer, Liedergesch., S. 23.
#1 Ebenda und Arnoldt, Nachr. II, S. 165.
#2 Qu. S. 452, Z. 15 ff.
294
.
—
Le 7. !
Sjautil scheint sich in diesen Jahren auch an dem Handel auf
den Sonntagsmärkten beteiligt zu haben, die damals gegen das
ausdrückliche, mehrfache Verbot des Herzogs in Ruß sowie be-
sonders in Heydekrug abgehalten wurden, und vor allem bei
denjenigen „Samaiten“ großen Anklang fanden, die Ruß und
Heydekrug auf dem Wasserwege durch die „Wildnis“ leichter
erreichen konnten als Memel und Tilsit. Jedenfalls wandten sich
die beiden Städte, die allein das Recht hatten, am Sonnabend
Märkte abzuhalten, Anfang 1591 mit Klageschriften an den
Herzog.
In dem „Einfelttigken bedennckhen“ hierauf heißt es (S. 1')°®:
„»... Vnnd dass nicht allein die Statt Dillsitt vnnd Mümel, sich
Vber die pfarrherrs, Krüegers, dess Rangnittischen Dillsischen
Vnnd Mümlischen Ampts, derselben Kauffmanschafft
Hanndel Vnnd wanndel, wordurch den Stetten Jre
Narrunng Endtzogenn, beclagen, Vnnd waß vilfelttigk
Vonn F.dt. darauff Verabschiedet ist nicht Neu, sonderlich
Vonn wegen dess Pfarrherrs Vnnd Kruegers ]nn der
Rosaw vnnd Heidenkruegs, Da allerlej Kauffmanschafft
denn Stetten Zum Vorfanng getrieben, sonnderlich im
Heidenkrueg da alle Sontag dess gantzen Jares, Von morgens
vnond vnder der Predigk, da weder in der Russaw odl[er]
in der anndern Kirchen beim Heidenkruegk, Gott erbarms
der gottesdienst gantz vnnd gar Missbraucht, mitt Aller-
lej wahren, Alls flachs, wachs, Henff, Honigk aller-
lej getreidt, fischereyen, grütz, brodt, fleisch vnnd der
gleichen andern geringern wahren, welche aller außs
Sameitten dahin gebracht, Dagegen widerumb Vonn
(Seite 1v)
Denn Dilsnern, brodt, schue Vnnd ander Kramwahren, Vnnd
auss allen strommen, dess Keyrischen Haabes Allerlej fische...“
feilgehalten würden. Unter Androhung hoher Strafen und Ein-
behaltung der vorgefundenen Waren befahl der Herzog noch-
mals, nur am Sonnabend „Zur Dillse vnnd Mümel“ Märkte ab-
zuhalten. _
In der erhaltenen Klageschrift der „Burgermeister vnd Rath ||
Zur Tilsit“®, in der die „Tilsischen vnd Rangnitschen || Pfar-
hern auffm Lande, auch vmbligende Krügere...“ angeklagt wer-
den, die Stadt in der angegebenen Weise geschädigt zu haben,
vs EM. 138, Paket c2—e2.
295
wird gesagt, der Herzog könne glauben, daß in Ruß und beson-
ders in (dem etwa 7 km entfernten) Heydekrug
»...Zu Sommers vnd Herbst
Zeiten vber Vier auch funfhundert Khanen, des
winters aber gleichfalles so viel vnd mehr an
Schlitten mit aller handt wahren / gefunden werden /
Vnd haben E. f. dht. in gnaden leichte abzunehmen
das daselbsten allerlei Verbottene Wildtwahren
Auch Honig vnd wachs, vnterschleifet vnd
durchtrieben werden...“
Durch diesen Mißbrauch würde die Preissteigerung im Herzog-
tum verursacht, denn
. »... der frembde man
aus Samaiten vnd anderen abgelegenen
örtern so den fisch wan er noch im wasser ist
mit grosser steigerung kaufft vnd Zalet...“
Sie baten den Herzog zum Schluß u. a., „...den Pfarhern auffm
lande...“ dergleichen Handel zu verbieten, der ihnen „...Zu-
handtiren nicht gebuhret...“
In diesen Jahren brannte Siautils ganzer Besitz „Jn Grundt“,
wonach es mit der Zahlung von Abgaben ganz zu Ende war.
Ende August 1593 ließ sich Siautil wieder eine Supplikation
schreiben‘*. Er wäre „...numehr in die 40 Jahr...“ im Rußer
Predigtdienst und hätte sich mit den Seinen’®
»...Die Zeit vber...“ „...gar elendigklich
vnond kummerlich beholffen....“
da kein Pfarrgarten und keine Pfarrhufen zur Kirche gehörten.
Es wäre ihm nicht möglich gewesen, sich mit den Seinen zu er-
halten, wenn nicht, wie er sagt:
»... die liebe Fischerey thette, vnndt bießweillen ein
fischlein Von leutgen bekeme, doch muß ichs auch offters
derselben mit schmertzen darben vnnd derwegen noht leiden
darumb habe ich neben andren armmen fischern ein winckell
am strom in der Russen, die Leutte genandt, Zu meines
Tisches Notturft mit secken gleich innen Zu fischen Var (!) 6 M
‚gemyttet, also das ein ider der secke darinnen stellet
6M E. fl[en]. dt erlegen soll,
es Präsent. 30. 8. 1593, Signatur siehe oben S. 285 Anm. 941.
#85 Über seine Familie ist sonst nichts bekannt, nur Sembritzki-Bittens be-
richten S. 97, daß Siautils Tochter den Amtsschreiber Mich. Ruprecht in
Tilsit geheiratet hätte.
296
Weill aber, wie oben gemeldt, mein einkunfft vand
besoldung geringe vnnd auch der liebe Gott mich vorwichner
Jahr feuers noht heim gesuchet, also das mier all das
meiniege Jn Grundt verbrandt, habe ich armmer man
vor etzlichen Jahren hero den Zinß biß das es 30 M vff
gewachsen nicht erlegen können, darumb ich dan vom
“ haubtman vnd Ambitschreiber, dasselbe Zuerlegen vnnach-
lesslichen angehaltten vnd gedrungen werde, welches mir
dan
Armmer Man Zuthun vnmuglichen, vnnd ohn sonderen,
Meinen hochsten vndergang, weill ich alt vnnd schwach nicht erlegen
kan...“
Er bat diesmal nur, ihm die 30 M. zu erlassen und ihm
„... dieselbe Vischerey mit secken allein Zu meines Tisches
Notturft vond nicht Zuuarkauffen, frey Zu meinen lebtag[en] (
die doch numehr nicht lang sein werden)...“
zinsfrei zu gestatten, damit er sich in seinem „...hohen Alter...“
desto besser erhalten könnte“. Der Herzog forderte hierauf nach
einiger Zeit Bericht, den ihm der Memeler Hausvogt und der
Amtsschreiber am 28. Oktober 1593 erstatteten.
Siautil hätte”
»...DU
geraume Zeit Vber 40 Jhar bey dem Ministerio
vnd Predigambt d[er] Russischen Kirchen Treülich vnd fleisigck
gedienet vnd bey seinen Zuhörern viell guttes geschaffet, das
Jhm solches Menniglichen Zeügen mus...“
Er bekäme ein ‚geringes Gehalt (80 M., 12 Scheffel Korn, 10 Schef-
fel Gerste).
„...Dabey ’
vnsersch erachten wan bißweillen Jhme sonsten van den Visch-
ern nicht mit einem Klopper oder Vischlein aus guttem willen
geholffen er sich mit den seinigen Kümmerlichen hette er-
halten sollen.“
Er wäre weiter
»... vor wenigk Jharen abgebrandt...“
und hätte kein Kirchenland. Er hätte
„...vnlangs etliche
wiesen mit d[er] Vischerey, gleich andern des Orts wohnenden
fischern ee Zu besserem behelff vmb 6 M Zins
an sich genommen...‘“,
® Qu. S. 450, Z. 29 ff.
»7 Qu., S. 451, Z. 36 ff.
297
was aber nicht „vnlangs“ war, sondern vor 37 Jahren’®. In der
folgenden Darstellung der Abgabenrückstände geben sie nur
15 M. als Rückstand seit 1584 an, Siautil selbst sagte zwei Mo-
nate früher, es wären 30°®,
Es wäre unmöglich gewesen, den Rückstand von ihm zu er-
zwingen, und so bitten sie den Herzog, in Anbetracht seiner
langen getreuen Dienste und des Brandschadens
»... Jhme als einem Alten betagten Dihner göttliches
worts der numehr vff grabes bort gehet solche 6 M Zins
Zu Lebtagen ahne E: Fl: D] schaden doch andere nachkom[mjende,
damit nicht gemeinet, auß gnaden woll nachlassen....“
und auch den Rückstand ihm zu schenken”,
Scheinbar ist ihm seine Bitte erfüllt worden, denn noch 1600
beansprucht, wie schon gesagt, der derzeitige Rußer Pfarrer die
gleichen Wiesen für sich, weil sie angeblich zur Kirche gehörten”.
Bald darauf, wohl 159, ist Siautil gestorben, denn nach Ar-
noldt, Nachr.°*, wurde sein Diakon, Lazarus Sengstock, 1595 hier
Pfarrer an eines Verstorbenen Stelle.
Der Korrektor \,.
Bei dem Korrektor X, ist charakteristisch, daß sich seine etwa
110 Korrekturen nur in der Psalmenübersetzung, und zwar auf
den ersten 25 Blättern (VI 3’—25r) finden, und daß fast alle in
einer mehr oder weniger deutlich gelblich-braunen Tinte geschrie-
ben sind.
Der Vergleich der Handschriften der Personen aus Bretkes
Generation führt zu keinem Resultat; zwar hat die Handschrift
des litauischen Pfarrers Simon Waischnarus, dem als einzigen
die Teilnahme sowohl an der Konferenz zur Korrektur der Po-
stille (17. Mai 1591 bis Ende Mai”) als auch zur Korrektur der
Bibel (Ende September 1592 bis 10. Oktober’*) aufgetragen
wurde, einige Ähnlichkeit mit der des Korrektors X,”, ebenso
888 Siehe oben, S. 290 f.
#88 Siehe oben, S. 297 (Qu., S. 450, Z. 40 f.).
»0 Qu., S. 452, Z. 21ff.
®1 Siehe oben, S. 286 Anm. 942.
®2 Arnoldt, Nachr. II, S. 164.
#3 Sjehe oben, S. 103, und Abb. 30, T. XV.
#9 Sjehe oben, S. 114, und Abb. 5, T. XXXV.
»s T, XXXVII, Abb. 77.
298
die des Patroclus Welwer, besonders in seinen Korrekturen zur
Wolfenbütteler Postille”*, doch befriedigend ist das Ergebnis
nicht, obwohl Waischnarus spätestens von 1579 bis 1600 litaui-
scher Pfarrer in Ragnit” und Patroclus Welwer von 1577 bis
November 1593 Pfarrer und Präzentor in Breitenstein’®, seit
28. November 1593 bis zu seinem Tode aber 1598 deutscher Dia-
kon in Tilsit® war.
Doc öffnet man das Aktenheft: „Pfarrer der Littauischen
Kirche Koenigsberg u. Insterburg““” und erblickt in den Briefen
Johannes Rehsas die gleiche gelblich-braun schimmernde Tinte,
sowie den Schriftcharakter, der den gleichen Eindruck macht wie
der der litauischen Korrekturen des X, im Psaltermanuskript,
obwohl diese in einer mehr oder weniger flüchtigen lateinischen
Kursive geschrieben sind, der Text des Briefes jedoch bis auf
wenige Wörter in deutscher Kursive, so scheint kaum noch ein
Zweifel zu bestehen, daß es sich auf den ersten 25 Blättern des
Psalmenmanuskripts Bretkes um Anmerkungen Johannes Reh-
sas handelt, die er zu Anfang seiner Arbeit zur Psalmenausgabe
hier eintrug.
Vergleicht man nun die Korrekturen des Korrektors X, mit der
gedruckten Psalmenausgabe von 1625, so wird klar, daß sich in
dem Drucke bis auf einen Fall (siehe unten) genau die Vokabeln
wiederfinden, die der Korrektor X, am Rande im Psalmenmanu-
skript an Stelle der Bretkeschen Vokabeln im Text oder auch
für Bretkes spätere Verbesserungen oder für die von der Hand
Daniel Gallus’ auf dem Rande vorgeschlagen hat.
ZAB::
(VI 19v; Ps. 22,22). 1. Rehsas Luthertext: „aus dem Rachen des
Löwen“, 2. Bretkes Text: „isch kaklo Liuto“, 3. Xs: „nasru“, 4. Rehsas
Druck: „isch nasrü Liuto“.
(VI 20r; Ps. 22,25). 1. Rehsas Luthertext: „deinen Nahmen predi-
gen meinen || Brüdern“, 2. Bretkes Text: „tawa warda sakisiu bro-
lams (? verb.: -lems) mana“, 3. X,;: „praneschiu“ und „(brol)iams“,
4. Rehsas Druck: „tawa Warda praneschiu Broliams mana“ usw.
®s T, XXXIf., Abb. 70 und 72, sowie S. 369 Anm. 1263 und Abb. 65, T.XXIX.
%7 Arnoldt, Nachr. II, S. 97; siehe oben, S. 403.
#8 Arnoldt, Nachr. II, S. 126; früher Kraupischken.
98 Arnoldt, Nachr. II, S. 140;
1000 FE, M. 72£.
299
Bei dieser fast absoluten Übereinstimmung der Vokabeln —
nur in einem einzigen Falle zeigt Rehsas Druck „Aüdra“, ob-
wohl X, für Luthers: „eine Sündflut“ und an Stelle von Bretkes:
„audra“ die Übersetzung: „patwana“ vorgeschlagen hatte —
findet sich manch orthographischer Unterschied zwischen den
Korrekturen des X, und den Entsprechungen im Druck, z. B.:
(VI 22r, Ps. 25,19). X;: „piktumo“, Rehsas Druck: „piktummo“;
(VI 22v, Ps. 27,1). Xs: „giwatos“, Rehsas Druck: „Giwatos“;
(VI 25v, Ps. 28,2). X,: „schwencziausospi wietospi“, Rehsas Druck:
„Schwentziäusiosp wietospi“.
Desgleichen formale Abweichungen, z. B.:
(VI 24r, Ps. 29,2). X;: „ischredime“, Rehsas Druck: „ischredighime“;
(VI 24v, Ps. 29,8). Xs: „sujuttin“, Rehsas Druck: „sujuddina“;
(VI 25r, Ps. 30,7). X,: „geer sant“, Rehsas Druck: „gerrai »sant“.
Doch man war damals in diesen Dingen wenig konsequent:
Selbst ein Daniel Klein wich in seinem Gesangbuch immer
wieder von den Regeln ab, die er selbst in seinen beiden Gram-
matiken aufgestellt hatte!
Zieht man aber in Betracht, daß viele orthographische und
formale Abweichungen zwischen dem Text der Korrekturen und
dem des Druckes auch sehr wohl von den sieben „...in den ||
Littawschen Emptern / in der Littawschen Sprach || geübten vnd
erfahrnen Pastoribus...“ herrühren können, denen die Regi-
mentsräte J. Rehsas Arbeit — doch wohl sicher Rehsas Manu-
skript‘® — „...ad revidendum vber- || schikt...“ und daß die
Geistlichen dann „...zu vnterschiedli- || chen malen zusammen
kommen / sich dieses Werks || herzlich angenommen ...“, wie
Rehsa'® sagt, und bedenkt man, daß dagegen in der Vokabel
bis auf den einen Fall** der Druck stets mit den Eintragungen
des X, übereinstimmt, so besteht kein Zweifel:
X, ist Johannes Rehsa.
1001 Siehe unten, S. 325f.
1002 Behm sagt, l.c, daß Rehsa „...das gantze Werck de novo also ver-
fertiget vnd nebenst dem deutschen Psal- || ter außgeschrieben....“ hätte.
1008 Sjehe oben, S. 241.
100% In Ps. 29,10 hat der Rehsasche Druck „Aüdra“, obwohl X, bei Bretke,
S. VI 24v, dafür „patwana“ vorschlug.
300
Johannes Rehsa.
Der Name Rhesa, Rehsa, Reza ist bis vor kurzem für litauisch
gehalten worden.
Der Vater unseres Johannes Rehsa schrieb seinen Namen in
der „Concordienformel“ (1579; Abb. 40, T. XIX) aber „Rehse“,
. worauf Forstreuter zuerst aufmerksam macht”, und wurde im
Schreiben des Bürgermeisters und des Rats der Stadt Tilsit
(beantw. 26. Januar 1599) im Obliquus: „Matthiae Rhesen“ ge-
nannt'’®,. Sein Sohn Johannes wurde von dem ihn immatriku-
lierenden Rektor der Königsberger Universität mit „Rhesa‘“”
inskribiert. Er selbst schrieb sich, wie seine erhaltenen Unter-
schriften zeigen, stets „Rehsa“: „Johannes Rehsa“ (Brief an den
Kurfürst, erl. 26. September 1624)*®, „Durch || Herrn Johannem
Rehsam““® und „per || K. Jona Rehsa“ (Titel zur Psalmenaus-
gabe von 1625, S. 2'), „Johannes Rehsa“ (Unterschrift unter Vor-
rede zum Psalter, S. 5”), „Johannes Rehsa“ (Brief an den Kur-
fürsten, eingeg. 6. August 1627)". Andere scheinen ihn vorwie-
gend ,„Rehse“ genannt zu haben, so in dem schon genannten
Briefe des Bürgermeisters und des Rates der Stadt Tilsit „ Johan-
nes Rhese“ (S. 4”), „Johannem Rhesen“ (S. 5" ebenso S. 5) und
einmal im Obliquus „Johann Rehsen“ (S. 10’); der Hauptmann
von Tilsit, Freiherr v. Kitlitz, in einem Brief vom 15. Februar
1600 an den Herzog”"': „Johannes Rhöss“. Der Professor und
Hofprediger Johannes Behm nennt ihn in seiner Vorrede zum
Psalter zweimal „Johan Rehsa“ und „Herr Reh- || sa“ (S. 10r).
In dem von der Universität herausgegebenen lateinischen Nekro-
log" lautet sein Name zweimal im Obliquus „Rehsen“ (S. 189
und 190’), während sein Vater dort einmal „Rhesa“ (S. 191’) ge-
nannt wird.
1005 7, f. sl. Ph., Bd. XIV (1937), S. 26.
1008 F,M. 138 ee, Aktenheft: „Cantores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“,
S. 4.
1007 Erler, Königsb. I, S. 109.
1008 Yu., S. 455, Z. 17.
1000 Siehe unten, S. 317.
1010 F,M. 72f., Aktenpack: „Pfarrer der Littauischen Kirche in Königsberg u.
Insterburg“, S. 4r.
1011 Signatur wie Anm. 1006, S. 10r.
1012 Siehe unten, S. 321.
301
Der Name „Reza“ läßt sich aus dem Litauischen nicht erklä-
ren, dagegen dürfte Forstreuter mit seiner Vermutung recht
haben, daß „Rese“ die ursprüngliche Form des Namens und die
niederdeutsche Entsprechung des deutschen Personennamens
„Riese“ sei. Nach Forstreuter hätte Johannes Rehsa seinen Na-
men von „Rehse“ zu „Rhesa“ latinisiert'"®.
Wenn auch verwunderlich ist, warum Rehsa seinen Namen
nicht in der üblichen Weise latinisierte, d. h. zu „Rhesius“
machte, dafür aber die in lateinischen Personennamen seltene,
bei litauischen Namen aber häufige Endung -a verwendete, so
zeigt doch eine Durchsicht der Matrikelbücher, daß der Name
„Rhese“, „Rhesus“, „Rhesius“, „Rese“, „Reese“, „Rees“, „Resen“,
„Resenius“, „Reeser“, „Reesink“ usw. in jener Zeit im deutschen,
besonders niederdeutschen (auch holländischen) Sprachgebiet
häufig ist, aber auch im dänischen und angelsächsischen Sprach-
bereich vorkommt.
So werden immatrikuliert: So. Sem. 1617 in Königsberg ein
„Johannes Rhese, Stargardensis Pomeranus...“*, am 28. April
1643 ein „Johannes Rhesus, Hildesiensis....“ (Hildesheim)’", in
Wittenberg am 26. September 1575 ein „Thomas Rhese Bruten-
sis“ (wahrscheinlich Pratau)'", am 12. Juni 1571 ein „Johannes
Rhesus Egranus“ (Eger), am 4. Juni 1573 ein „Valentinus Rhe-
sius Horburgen“ (Harburg)'“, 21. August 1566 ein „Johannes
Conradus Rhes Lindauiensis“ (Lindau)“*, 14. Mai 1599 ein „Mat-
thaeus Rhesus Magdeeburgensis“ (Magdeburg)'*, 19. August
1568 ein „Johannes Rese Ceruestensis“ (Zerbst)'* usw.
In der Leydener Universitätsmatrikel finden sich folgende
Beispiele:
1013 7, f. sl. Ph., Bd. XIV (1937), S. 26.
1014 Erler, Königsb. I, S. 229.
1015 Fbenda, S. 444.
1010 Foerstemann, Bd. II, S. 256.
1017 FEbenda, S. 200.
1018 Fbenda, S. 237.
1019 F'oerstemann, Bd. II, S. 105.
1020 Fhenda, S. 457.
1021 Fbenda, S. 147.
302
30. Juni: „Jacobus Resen Tollensis““*, 5. Juni 1649: „Johan-
nes Ericus Resenius Danus““*, 5. Oktober 1762: „Joannes Dide-
ricus Reese Hamburgensis“* usw. usw.
Diesen Belegen stehen nur zwei in der latinisierten bzw.
litauisierten Namensform gegenüber, und zwar ein „Rehsa Mar-
tin, Tilsen. Pruss....“, der am 2. Juni 1660 in Königsberg imma-
trikuliert wurde”, und Johannes Ludwig Rhesa, der sich
(21. Mai) 1794 in Königsberg inskribieren ließ‘, dessen Vater
sich „Reehse“, „Raese“, „Rhöse“ und „Reehse“ schrieb, und des-
sen Familie im Laufe des 18. Jahrhunderts auf der Kurischen
Nehrung einwanderte"”.
Johannes Rehsa ist also mindestens väterlicherseits deutscher
Abstammung.
Der Vater Rehsas, Matthias Rehse, stammte aus Königsberg
und wurde 1575 in Tilsit „Schulmeister“ an der dortigen Stadt-
schule‘”®. Wahrscheinlich heiratete er damals, denn sein Sohn
Johannes Rehsa, unser Korrektor X,, wurde am 25. Mai 1576
geboren:
„Natus est Anno I 1576. d..25. Maij st. vet. Patre Viro Do- I etissimo
Dn. Matthia Rhesa Scholae || Tilsensis Rectore digniss. Matre
Ann abcrg;1020
höchstwahrscheinlich war Johannes das erste Kind aus dieser
Ehe, da später von ihm gesagt wurde, er müsse seine zahlreichen,
doch wohl jüngeren, Geschwister unterhalten’.
Die Lebensumstände, unter denen unser Johannes Rehsa auf-
wuchs und auch noch seine „Schulgesellenzeit“ verlebte, zeigen
die Akten der damaligen Tilsiter Stadtschule, die seinen Vater
und die diesem später zugeordneten „Schulgesellen“ betreffen.
In dem vom Herzog angeforderten Bericht über die Tilsiter
Stadtschule, die wie die Stadtschulen in Saalfeld und Lyck, zu
1022 Matrikel Leyden, Spalte 20.
1023 Khenda, Spalte 396.
1023 Hhenda, Spalte 1076.
1025 Erler, Königsb. II, S. 16.
102° „Rehsa Ludov., Carwaiten Boruss., stud. theol.“. Erler, Königsb. II, S. 630.
4027 Forstreuter, 1. c., S. 27.
1028 ],.c., S. 26, siehe auch weiter unten.
02° „Intimatio in Funere... Dn Johannes Rhesen...“, S. 191r.
1080 Sjehe weiter unten, S. 308 f. ;
303
einer Partikularschule erhoben werden sollte, wobei die Tilsiter
Schule besonders für die litauisch sprechende Jugend gedacht
“ war’®!, sagen der Bürgermeister und der Rat der Stadt Tilsit An-
fang August 1586, also als Johannes Rehsa 10 Jahre alt war
(S.. 19):
»...Das ob woll der h[err] Bischoff In der Ao 78 | alhie gehaltenen
Visitation, nebenst dem | meister, einen gesellen Zuhaltten ver-
ordnet, I Dieweil aber die anZahll der Knaben sich Zim- I) lich ge-
mehret, wie dan derselben fast vber I hundert Itzo verhanden, haben
wir, damit || dieselben durch verdruss der PraecePtoren || wegen viel-
feltiger arbeit, nicht verseumet wur- || den, noch einen Collaboratorem
Inen adiungiret, I (S. 2r) dass also vmb besser vnd vleissiger aufsicht
willen || drey Schuldiener, wiewoll mit mercklicher || der Burgerschafft,
beschwer, bisher gehaltten | worden l Der Schulmeister Matthias
Rhese von Königs- I bergk, hatt Ins elffte Jahr alhie In der ll Schulen
gedienet, Ist stilles eingeZogenen lebens, || meints treulich vnd arbeittet
vleissig. Ist nuhn- || mehr bedacht, dieweil ehr solcher arbeitt I fast
mude, sich Zum Ministerio Zubegeben, wie || dan Ihme auch albereit,
von fl[en]. dht. dass ehr I) Zu erster gelegenheit solle promouiret wer- l
den, gnedige vertröstung geschehen, Sein vn- || derhaldt Ist, vierZig
Marck besoldung vnd || funf Marck holtzgeldt, daneben hatt | ehr Zu
auffenthaltung seines hauswesens, l dass Didactron:%% vnd freije Habi-
tation In der ll Schulen ...“
In diesem Schulgebäude, das nur einen größeren Unterrichts-
raum hatte, wohnten außer Mattias Rehse mit seinen zahlreichen
Kindern noch die beiden Schulgesellen, beides Pommern, über
die dann im Bericht weiter gehandelt wird. Auf die Frage des
Herzogs, „...was der Schuldiener ge- || schickligkeit, was sie’
vor SPrachen || Können...“ antworteten der Bürgermeister und
der Rat (S. 2’): „...Die anwe- || sende gesellen aber, seindt,
bedes der littau- || schen vnd Polnischen SPrachen vnkundigk ...“,
was doch wohl nicht anders zu verstehen ist, als daß der „Schul-
meister“, Matthias Rehse, Litauisch oder Polnisch, vielleicht auch
beides gekonnt hat!”*.
Andere Akten’ zeigen die.Sorgen und Nöte Matthias Rehses
und die seiner beiden Schulgesellen, von denen letztere nur je
1031 Beide Schreiben (1. Datum: 1. 7. (bzw. 3. 6.) 1586, sowie 2. abgesandt:
4. 8. 1586) befinden sich in der Bibliothek des Tilsiter Gymnasiums.
1032 An anderer Stelle „Schul- oder Knabengeld“ genannt.
1033 Forstreuter, 1. c., S. 26.
103 Sämtlich in der Bibliothek des Tilsiter Gymnasiums.
304
90 M. bekamen, aber, solange sie unverheiratet waren, bei be-
stimmten wohlhabenden Bürgern der Reihe nach unentgeltlich
Mittag essen durften (mensa ambulatoria).
So baten Matthias Rehse und Casparus Frischeintz den Rat
der Stadt Tilsit in einem Schreiben vom 10. September 1580, sie
möchten doch dafür sorgen, daß ihnen die 3 M. 36 Schilling nicht
durch die Kirchenväter vom Gehalt abgezogen würden, die sie
bei der Reise nach Insterburg vor einem Jahre von ihrem Zehr-
geld erübrigt und behalten hätten, sondern, wie sie schrieben,
zur Erleichterung
„...vnsere Studia auff | die Predigtenn, dabey Zu Continuiren, gutt
willigst ll gönnen vnnd lassen wollenn, Damitt wir vnns ll ia des ge-
ringen, weil vnser quartal eins theils || da wir Kunfftiger Zeitt vonn
leben soldten, albereitt || auffgehaben, vnnd schon mehr als das, ohn
alle ver- I schwendung vertzehrett ist...“
Als am 22. Oktober 1583 in der Schule Revision gehalten
wurde und die Knaben in den einzelnen Fächern, wie z. B. in
„...den Epistulis Ciceronis Terentii...“ und in „Greca lingua“
recht schlecht Bescheid wußten, hieß es in dem Bericht als Be-
gründung (S. 2?):
»... Vnd keme solcher vnfleiss von keinem andem (!) Als vo[n] I dem
Schulmeister so woll von den Schulgesellen her, I auss den vrsachen,
dieweil sie allesemptlichenn || mitt der predigt vberladen, darauff sie
den Studieren || musten, vnd also die Junge Jugentt dadurch ver
seumett werde, | Zu deme Kente auch diese Ratio befehen. dieweil |
der Schulmeister etzliche ihar hero an dieser schull |] gewesen, vn
durch die Lenge per labores et studores (?) Scholasti | cos verdrossen
wirdtt, auch vielleicht sein gemutt l dahin gerichtett, dz er ad offi-
cium Ecclesiasticum I sich Zubegebenn, willenss...“
Sie wurden darauf am 28. Oktober auf das Rathaus bestellt,
um sich vor den hohen Herren zu verantworten. Dort ergriff der
Erzpriester Mörlin ihre Partei. Schuld wäre die Disziplinlosig-
keit, die in der Schule herrschte: Wenn ein Knabe zur Strafe in
den Stock geschlossen würde, so kämen dessen Eltern, die der
Ansicht wären, „...das kinder alZeitt kluger Als der pfarherr
sein...“, und schlossen ihn wieder los. Die Kinder blieben
manchmal ohne Grund drei bis vier Wochen während eines
Vierteljahres aus der Schule fort, usw. usw.
In einer am 27. Oktober 1590 registrierten Fingabe an den
Rat der Stadt Tilsit danken die beiden Schulgesellen zwar
20 Falkenhahn, Bretke 305
ee Zum Höchsten...“ für den Freitisch bei den Bürgern, doch
wäre es für sie recht
„... vordriesslichen, || vf diese weiss dieses beneficij Zugeniessen ...“,
„»...Dan es Zum öfftern geschicht, das || man bey vielen. lang vf die
maltzeit vortzihen || muß. Auch weit Zu gehen Haben. da es || doch
manchmal ein so vngestum vnnd vnsauber || gewitter ist. dass einem
grawet den fuss I (S. 1v) für die schwellen Zu setzen, beuoraus in
dieser || Herbst vnnd winter Zeitt, einen so vnebenen || weiten weg
Zu Spatzieren, vnnd alle wochen I newe wirtschaft suchen, auch wegen
etlicher |) leute die da sagen. ich muss die Cantores Hal- ll ten. meine
Nachbarn werden vbersehen. || wöllen geschweigen dess Andern so
geredt || wirdt: Werden auh also oft in dem wir I so weit mussen Zu
tisch gehen in vnsern || laboribus Scholasticis von studijs, darinnen |
wir teglichen desudiren, impediret vnnd vor- I Hindert, daß wir Zur:
bestimbten Zeitt I nicht Können in der Schulen sein...“ Immer Wieder
klagen sie über „...die liebe Burgerschafft...“, die sich, wie es heisst
»... dermaßen | frembt kegen Vns doch vnuerdienten sich | stellet,
das sie auch Zum theil vmb ein I mallzeit brott in der Wochen mit
Zutheilen I sich Zu suchen machet.. .“1085
Nach der Grabrede für ]J. Rehsa haben seine Eltern ihn von
früher Kindheit an zu höherer Gesittung, zu den Künsten (Mu-
sik) und zur Frömmigkeit erzogen:
»...hunc suum filiu[m] ...
ä teneris unguiculis ad -
humanitem (!) artes [et] pietatem erudie-
runt...“
Johannes Rehsa besuchte in Tilsit die Schule.
Dort hatte er sicher ständig Gelegenheit, mit Litauern in Be-
rührung zu kommen, denn das litauische Element in der Land-
bevölkerung um Tilsit und unter dem „Gesinde“ in der Stadt
war damals schon stark.
Dazu dürfte ihn sein Vater möglicherweise — in der Absicht,
seinen Sohn litauischen Pfarrer werden zu lassen — im Litaui-
schen gefördert haben, denn daß es nicht die Muttersprache un-
seres Johannes Rehsa war, geht aus seiner Eingabe an den Til-
siter Rat ohne Datum hervor, die aber nach dem Inhalt 1600
geschrieben sein muß, in der er sich entschuldigte, daß er die
1055 Sjehe zur Geschichte der Schule die Aufsätze von Oberlehrer Schneider
und Prof. Heinr. Poelmann in den Schulprogrammen des Tilsiter Gym-
nasiums 1853 ff, und besonders: H. Poelmann, „Geschichte des Königl.
Gymn. zu Tilsit“ in der Festschrift zum 300jährigen Bestehen, 1886 f.
306
2
Schulgesellenstelle in Tilsit aufgeben müßte, weil er nach „Tol-
minkehmen“ als Pfarrer berufen worden sei, und merkwürdiger-
weise schrieb, er wäre gerne länger in Tilsit geblieben,
„...auf || das ich der Littauschen sprach desto besser kun- Il dig, wie
ich den D.G. dieselbige ohn rum Zü I reden Zimlichen gefasset, vnd
mich nicht allein | uatim, sondern auch publice inconcionendo
hab || hören lassen vnd geeXerciret.. .“t038
Im Herbst 1586 starb Matthias Rehse und hinterließ viele un-
versorgte Kinder.
Kurz nach dem Tode M. Rehsas wurde die Stadtschule in
eine Patrikular- oder Fürstenschule umgewandelt”,
J. Rehsa hat offenbar die Schule bis zu Ende besucht — wohl
in einer Freistelle — und wurde am 28. Mai 1591 in Königsberg
immatrikuliert, wo er wohl mit herzoglichen Stipendien zu stu-
dieren begann.
Nach der Leichenpredigt soll J. Rehsa noch an verschiedenen
Universitäten in Deutschland studiert haben, wie in Wittenberg
und Straßburg:
„»...Nam non tantum domi
in artibus liberalibus [et] maxine in
Musicis, sed [et] hie Regiomonti [et]
in Germaniä passim in diversis A-
cademiis ut Argentoratensi, Witeber-
geln]si in disciplinis Theologicis se exer-
Cult .
Das Wittenberger Album enthält aber Rehsas Matrikel nicht,
und Straßburg hatte erst ab 1621 eine Universität, doch bestand
dort seit 1567 eine privilegierte Akademie, die aus der 1538 ge-
gründeten Sturmschen Theologenschule hervorgegangen war!”.
Möglicherweise hat Rehsa dort eine Zeit studiert.
Nach der Grabrede soll er 1596 nach Hause zurückgekehrt
und vier Jahre in Tilsit Kantor gewesen sein (S. 191’).
»... Üt vero domu[m] rediit AAnno 1596.
ad Scholasticum officium vocatus vo-
cantem Deum [et] Magistratum seque[n]s
per quatuor Annos Cantoris officio
laudabiliter defunctus est...“
1050 Bibliothek des Tilsiter Gymnasiums.
107 Schmalhaus, „Hochschul-Matrikeln“, S. 30.
20*
307
Doch wie aus dem Folgenden hervorgeht, ist er in Wirklich-
keit nicht ganz ein Jahr Kantor an der Tilsiter Patrikularschule
gewesen.
Ende 1598 starb der Kantor Peter Zollius. Darauf schlug
nach der Darstellung des Bürgermeisters und der Räte der Rek-
tor Daniel Kornig, der aus Schlesien stammte und seit dem
1. Juni 1598 im Amte war, den Regimentsräten einen Johannes
Praetorius vor. Diese beorderten ihn zu einem Examen an der
Universität, und da es günstig ausfiel, wurde Praetorius nach
Tilsit beordert. Der Bürgermeister und der Rat der Stadt Tilsit,
die der Meinung waren, das Recht der Berufung der Schulbeam-
ten zu haben, beriefen aber Johannes Rehsa auf diesen Posten.
In einem Briefe an den Herzog (beantw. 26. Januar 1599), in
dem der Bürgermeister und der Rat über die Wahl Johannes
Praetorius’ klagen”*, schrieben sie:
„»...daß durch absterbung
des gewesenen Cantoris’ alhie, desselben
dinst erlediget worden. Wan nun
der Schulen Notturfft erfordert, den
Vacirenden Locum herwiederumb Zuersetzen,
Jst vos von ettlichen Vnseren Burger-
schafft Matthiae Rhesen seligen vnsers
gewesenen Schulmeisters Sohn, mit nahmen
Johannes Rhese furgeschlagen worden,
Mitt bitte, weil desselben Vater sein
leben bei vnserer Schulen Zugesetzet, vnd
nichts dan ein Hauffen armer vnerZogener
weysen, Jn höchster armuht hinterlassen,
wie desselben Sohn alss einen Ein Zögling,t®
seines Vatern geleisteter dinste wolten ge-
nissen lassen vnd Jhme das erledigte
geringe dinstlein, Sintemahl ehr darZu
Tuchtig, gönnen. Angesehen, wil ehr der
Deudtschen vnd Littauschen Sprachen Zim-
lich Kundig, auch albereit ettliche mahl al-
hier Jn beiden Sprachen geprediget, das
ehr Kunfftigst dieser örter einen Nutzlichen
Mahn Jn Schul vnd Kirchen arbeit geben,
Seinenn Vater vnd Mutterlosen armen
ıoss E,M. 138ee, Aktenheft: „Cantores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“,“
S. 4v ff.
ı0s® Einheimischer.
308
vnerZogenenn Geschwister auch bei solchergele-
genheit vmb so viel mehr furstehen vnd Zu
deroselben Education sehen möge, Worauff
wir Jhnen Vociret vnd den Cantor dinst
Jım nahmen Gottes Zugesagt...“
Doc der Tilsiter Amtshauptmann, Friedr. Freiherr zu Kit-
litz, berichtete am 9. Januar 1599 an den Herzog'", daß er Prae-
torius introduziert hätte, aber der Rat gegen Praetorius wäre.
Darauf wandten sich der Bürgermeister und der Rat in dem
schon angeführten Schreiben (beantw. 26. Januar 1599) an den
Herzog", legten ihre Gründe dar, warum sie „Johannes Rhese“
haben wollten, und berichteten, daß die Wahl des Praetorius
durch den Rektor die Bürgerschaft erregt hätte; sie hätten den
Hauptmann gebeten, den „frembden gesellen“ nicht zu introdu-
zieren, da sie sich in der Sache an den Herzog wenden wollten,
doch der Hauptmann hätte dem Drängen des Rektors nach-
gegeben und ihre Abwesenheit dazu benutzt, Praetorius in das
Amt einzuweisen, wodurch die Bürger herausgefordert worden
wären, denn sie meinten, wenn sie die „Schulgesellen“ besoldeten,
stünde ihnen auch die Inspektion zu.
"Weiter heißt es auf S. 5°:
„... Demnach machen wir vns keinen Zweiffell
weil diese Schule vmb der Littauschen Sprache
willen anhero verordenet worden vnd der-
umen Zum wenigsten ein Schulgesell. welcher
derselben Sprache Kundig, wie dan Ja gleichenn
Jn den angeordenten Fl. polnischen particular-
Schulen geschicht, gehalten werden muß,
Zu deme von dem alten löblichen Fursten
hochmilder vnd Christlicher gedechnuß in Di-
plomate Academiae vorsehen, das die Ein-
Zöglinge Jn Kirchen vnd Schulconditionen den
frembden sollen vorgezogen werden, es
werden E F Dhl des Rectoris attentatum
nicht approbiren, ihn zurechtweisen und
den von ihnen... Vocireten Studiosum Johan-
nem Rhesen vmb der Littauschen Sprache
vnd anderen obangeZogenen vrsachen willen
Jn des verstorbenen Cantoris stelle, die weil
ehr tuchtig das Chor Zu regiren, bestellen
vnd Confirmiren...“
1020 Gleiche Signatur wie S. 308 Anm. 1038; S. 3r ff.
1041 5, 308 Anm. 1058.
309
Das würde nicht nur der Schule nützen, sondern auch die
Bürgerschaft dieses Ortes
„+... Wan sie
vermercken werden, das man die EinZog-
linge, derer Eltern einen gutten Nahmen
verlassen, befordert...“,
günstig gegen Schule und Kirche stimmen.
Die Regierung gab nach und ordnete am 28. Januar 1599 an,
daß Praetorius Subrektor und J. Rehsa Kantor werden solle,
was dann auch geschah", Aber zu Epiphanias (6. Januar) 1600
verließ Joh. Rehsa seinen Tilsiter Kantordienst wieder und ging
nach Tollmingen”, wo nach Arnoldt‘* bis dahin ein Gottfried
Bierfreund Pfarrer gewesen war.
Am 15. Februar 1600 schrieb daher der Tilsiter Amtshaupt-
mann an den Herzog, daß der
»... Cantordienst Vaciret, der gewesene
gesell, Johannes Rhöss sich inss Predig-
ampt begebenn, vnnd seinen dienst bey
mir renuncyrt hat, vnnd daruon Ziehet,
welcher auch seiner verbesserung halben.
Von dem Fest Epiphaniae an, wegk gewe-
senn...“
er bäte um einen neuen Kantor‘. Nach Arnoldt'"* und der schon
öfter genannten Grabrede wurde Rehsa am 24. Februar 1600 in
- Tollmingkehmen Pfarrer; sicherlich war das aber wohl das Da-
tum seiner förmlichen Berufung.
In dem schon erwähnten undatierten Schreiben von Tollming-
kehmen an den Rat der Stadt Tilsit (oben, S. 306.) bat Johannes
Rehsa um das Gehalt des letzten Quartals seines Tilsiter Dien-
stes. Es wäre doch andern gegeben worden,
»... die lenger von dem dienst aus- I) gewesen sindt als ich...“,
„»...auf das ich desto besser mögte von hinnen scheiden, || vad mich
mitt meinen creditorib[us] abfinden, || hab die tröstliche Zuversicht
E.E. A.g.v.w. || werden mich meines lieben seligen vaters, || welcher
ı022 }. Poelmann, Festschrift, S. 9.
1038 Friiher Tollmingkehmen.
1024 Nachr. II, S. 106.
105 E.M. 138ee, Aktenheft: „Cantores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“, °
S. 10rf,, und H. Poelmann, Festschrift, S. 9.
1048 Nachr. II, S. 106.
310
mi
ch die SE a
e D
beides schul vnd Kirchen etzliche iahr l alhie gedienet, genissen lassen,
vnd mich nicht I weil ich von hinnen muß so gar trostlos lassen...“
Der litauische Pfarrer Zacharias Blothno d. Ä. schrieb auf das
Gesuc eine Befürwortung:
„Da ein F[hrbarer] Rat] diesen armen ge- I sellen mit einem Zim-
lich[en] Viatica || vmb beforderung seines Christ- || lichen furhabens,
vnd dem H: || Ministerio Zu ehren, abZuferti- |] gen nicht bedacht, So
wolle || man ihme doch sein Salarium || nicht abbrechen, weil er der
be- | ommenen Vocation folg[en] mußen, I vnd seine Schullarbeiten
bestellet |] Mit andern, so einem E.R. auffge- | drungen word[en], hat
man es so ge- |Inaw nicht gesuchet, wer vnbillig || d2 man mit diesem
es anters ma- || ch[en] wolte.“
Daß Blothno mit letzterem seinen „Freund“ Johannes Praeto-
rius meinte, ist klar.
Im gleichen Jahre, am 4. November, heiratete J. Rehsa eine
Barbara Eckerts, also eine Deutsche.
In Tollmingen”, das 17 km von der litauischen Grenze und
ebenso weit nördlich von Goldap liegt, und das später die Wir-
kungsstätte Donalitius’ (Duonelaitis’) wurde, hatte Rehsa stän-
dig die beste Gelegenheit, im Verkehr mit der litauischen Land-
bevölkerung sich im Litauischen zu vervollkommnen.
Aus seiner Ehe mit Barbara Eckerts entsprossen acht Kinder:
vier Knaben und vier Mädchen. Nach dem Nekrolog zu urteilen,
starb seine Frau nach 17jähriger Ehe, was 1617 gewesen sein
müßte. Doch heiratete er nach der gleichen Quelle bereits am
20. November 1617 nach gebührlicher Trauerzeit die Tochter
eines Tapiauer Bürgers Georg Poelmann, namens Barbara.
Die entsprechenden Stellen lauten:
„...eodemql[ue] Anno ((d. h. 1600)) quarto Novembr:
connubio sibi junxit castissimam [et] pu-
dicissimam virginem Barbaram, Viri
honestissimi Christophori Eckerts
filiam, quä cum 17. Annos pacat£ [et] co[n]-
corditer vivendo octo nümeravit fi-
lios, quatuor masculini sexus, totide[m]q[ue]
sequioris...“ „... Anno 1617.
d. 20. Novembr: postquam conjugem
pi® defunctam eo luctu, qui Christia-
nos decet, prosecutus erat, ad secunda
vota transiit [et] pudicissimam, lectissi-
maigqlue] Virginem Barbaram honorati
quondam [et] Spectati Viri Georgü
311
Poelmanni, Serenissimo Electori
in arce Tapiau ä rationibus filiam tho-
ri novam sociam adxivit...“
Am 26. April 1621 wurde Rehsa nach Königsberg an die Stelle
des dort verstorbenen Nachfolgers Bretkes, Lazarus Sengstocks,
berufen, wie er selbst später an den Kurfürsten schrieb'”.
„Vndt kan E. Churfl[e] dhtt vn-
terthänigst in memoriam zu revocieren nicht vmbgangk haben
wie daß dieselbe meine wenige Person Anno 1621 den 26
Aprilis auß dem Pfarrdienst Talminkehm, derein ich der Gemei-
ne Gotteß gantzer 21 Jahr durch Gotteß gnade am wortt Christi
vorgestanden, Zu dem Littawschen Pfarrdienst näher Königs-
bergk auff Ihrer Churfl[en] Gnaden Freiheitt Sackheimb Gnä-
digst versetzet vndt beruffen haben, welchen beruff ich
pflicht schuldigk folge geleistet, mein vorigeß Kirchspiel verlassen,
vndt nach Königsbergk der Littawschen Gemeine nach höchstem
vermögen, am wort vndt dienst Gotteß vorzustehen in vnter-
thenigkeitt begeben...“
Rehsas Einkommensverhältnisse in Königsberg sind nicht
klar; fest steht nur, daß er ein Deputat von 35 Schl.* Korn und
30 Schl. Malz!® bekommen hat”.
In Königsberg begann Rehsa nun in der Elisabethkirche auf
dem Sackheim seinen Pfarrdienst. Während es ihm aber in Toll-
mingkehmen in der Landpfarre wirtschaftlich recht gut ge-
gangen zu sein scheint, wandte er sich in seiner neuen Stelle
nach etwa einem Jahr mit einem Schreiben an den Kurfürsten
und bat um weitere 5 Schl. Korn, ein Achtel Holz!” und 25 Mark.
Er erhielt aber von da ab nur 5 Schl. Korn mehr, doch wurde
ihm von den Regimentsräten versprochen, bei dem Kurfürsten
wegen eines größeren Deputates für ihn vorstellig zu werden.
Zwei Jahre wartete Rehsa vergebens auf eine Antwort”,
107 E,M. 72f., Aktenheft: „Pfarrer der Litthauischen Kirche in Koenigsberg
u. Insterburg“, Bl. 5f., erled. 26. 9. 1624 (Qu., S. 453, Z. 3—14).
1048 35 Scheffel Korn = heute 1296,0 kg, rund 26 Zentner.
1028 30 Scheffel Malz (= Gerste) = 913,0 kg, rund 18 Zentner.
1050 (Yu., S. 454, Z. 28 ff.
1051 Ein Achtel Holz = heute etwa 10,5 Raummeter (die Angabe verdanke ich
Herrn Dr. R. Stein).
1052? Qu., S. 453, Z. 27.
312
In seiner zweiten Ehe wurden noch drei Söhne und zwei
Töchter geboren, wovon bei Rehsas Tode aber schon ein Sohn
und eine Tochter gestorben waren:
„...haec ((d. h. seine 2. Frau)) ipsi proge
nuit tres filios, [et] duas filias, ex quibus
praeivit parentem utriusq[ue] sexus unus
ad coelestia gaudia .. .‘1058
Somit dürfte er auch in Königsberg noch eine größere Zahl
unmündiger Kinder zu ernähren gehabt haben.
In dem nächsten oder übernächsten Jahre wandte sich Rehsa
wegen Herausgabe der Bretkeschen Psalmen an
„... Johannes Behm der heili-
gen Schrifft Doctor, Professor in der Academien
zu Königsberg in Preussen Churfürstlicher Bran-
denburgischer Preuscher Hoffprediger ...‘“1054
der in dieser Sache bei den Oberräten vorstellig wurde und be-
wirkte, daß die Regierung Johannes Rehsa mit der Überarbei-
tung und der Herausgabe der Bretkeschen Psalmenübersetzung
beauftragte. ]. Behm schreibt hierüber in der Vorrede zu der
Psalmenausgabe'*®:
„...Damit aber den Littawen im Labiawschen,
Insterburgschen / Rangnitschen Tilsitschen vnd
Mümlischen Emptern / wie auch den benachbar-
ten in Samayten vnd Littawen / zu desto mehre-
rer beförderung ihres Christenthumbs möchte ge-
dienet werden / hat der Ehrwürdige vnd Wolge-
larte Herr Johan Rehsa / Littawscher Pfarherr
allhie zu Königsberg / es für gut angesehen / daR
für dieses mal das beste Biblische Buch / der heilige
Psalter / in der Littawschen Sprach durch den of-
fentlichen Druck publiciret würde.
Solch sein pium propositum hat er Herr Reh-
sa mir zu vernehmen gegeben. Weil ich dan gese-
hen / daß hiedurch GOttes Ehr köndte fort gepflan-
tzet / wie auch der armen Littawen jhre Seligkeit
gefördert / imgleichen auch andern / welche eine lust
zur Littawschen Sprache haben / mercklich hiemit
gedienet werden; Als hab ich solch hochnötig vnd
hochnützlich Werck Ihrer Churfürstl. Dhtt. von
1053 Intimatio (Nekrolog), S. 192r.
104 Vorrede zur Psalmenausgabe, S. 7r. Zu Behm siehe Bericht. u. Erg.
1055 5, 10rf,
313
Brandenburg / vnsers Gnädigsten Churfürsten
vnd Herrn hinderlassenen Preuschen Regierung de-
bitä observantiä an vnd für getragen. Weil dan
jtztgemeldte Regiereng es für hochnötig erachtet /
daß solch Littawscher Psalter den Littawschen Vn-
terthanen des Hertzogthumbs Preussen / zum be-
sten / möchte gedruckt werden: Als ist solch Werck
anfänglich vorgemeldtem Herrn Johan Rehsen /
höchstem fleiß nach / zu emendiren, corrigiren, vnd in
allem / wo es von nöthen / zu verbessern vbergeben /
welcher dan durch Gottes Gnade das seine dabey
gethan / vnd sonderlich das gantze Werck de novo
also verfertiget / vnd nebenst dem deutschen Psal-
ter außgeschrieben ...“
Mitte November 1624 erhielt Rehsa endlich Bescheid, daß der
Kurfürst nicht gewillt sei, Rehsas Einkommen zu erhöhen und
sogar angeordnet hätte, auch die zu den 35 Schl. Korn noch be-
willigten 5 Schl. wieder zu streichen.
Darauf antwortete Rehsa mit einem verzweifelten Brief an
den Kurfürsten (erledigt 26. September 1624)"; er wäre 21 Jahre
in Tollmingkehmen‘"” Pfarrer gewesen und vom Kurfürsten
nach Königsberg berufen worden; er wäre dem Rufe gefolgt
»...in vnterthenigster Zuversicht auch daselbsten
bey dem muhseligen Pfarr dienst, nebenst den meinigen mein
täglicheß Brodt vndt die liebe leibeß Notturfft zu haben, Muß
aber itzo, sey eß Gott vndt E. Churfl[en] dhtt geklaget, nicht ohne
hertzenß Trawrigkeit, daß gegentheill empfinden, In dem ich nicht
alleine in diesen verfolssenen 3 Jahren, waß ich in dem vorge-
habten Zwantzigk Järigen Pfarrdienst bekniffen vndt eröbertt,
in diesem dienst verzehren vndt einbüssen, auch in Mangel mei-
neß auffenthaltß, meine leibliche Kinder, vndt dazu töchter von
mir stossen vndt vmb deß lieben Brodtß willen, andern leutten
Zu schweren diensten, vermutten (!), Sondern vber daß auf diese
nunmehr meine Alte tage, in Zimliche schulde stecken mussen,
Also, daß ich nach Menschlicher vernunfft zu reden, nicht sehe, wie
ichs solcher gestalt in die lenge werde erschwinden vndt ausstehen
können...“
Er hätte schon vor zwei Jahren um Verbesserung seines Ein-
:kommens gebeten und wäre vertröstet worden, daß für ihn beim
Kurfürsten
056 F.M. 72f., Aktenheft: „Pfarrer der Litthauischen Kirche in Koenigsberg
u.Insterburg“, Bl.5 ff. (Qu., S. 452, Z. 43 £f.).
1057 Heute Tollmingen.
314
„...ein leidlicheß || deputat.. .“ erwirkt werden solle,
„... daß ich nebenst
den meinigen mein Notturfftigeß außkommen haben solte.
Jtzo aber muß ich mit schmertzen vernehmen, daß man vor-
giebet, eß wehre E. Churfl[e] dhtt befehl, nicht alleine: geschehe-
ner Zusag nach, mein geringeß deputat nicht zu augiren, Son-
dern noch daruber obgedachte 5 schl Korn mir zu entziehen.
Nun gelobe ich diß fahlß bedruckter diener am Wort Gotteß, in
vnterthänigkeit, der gäntzlichen Zuversicht, ER werden E. Chrfl[e]
G. weill sie in diesem ihrem Lande etzliche Hundert Predigler],
mitt geburlicher, ia reichlicher vnterhaltungk in Gnaden versor-
gen lesset, mich in diesem Muhseligen Littawschen Pfarrdienst
da ich meinen Pfarr kindern, wie Zerstreieten Schaffen, sowoll
in den dreyen Städten alß in allen vorstätten gewissens vndt
Amptß halben in allen Stinckenden Kiffen!%s® vnd Kattan!®® muß nach
Krichen, Zu Gebott stehen vndt versorgen ete: auch mich aller
Gnädigst nicht vnversorget lassen. Dero halben nehme ich auch
nun in diesem meinem anligen Nehest Gott zu E. Churf[en] Dht
meine vnterthänige Zuflucht, in höhster demutt bittende sie geru-
hen in Gnaden auß allerhandt vrsachen, Insonderheit weger der
geschwinden Tewren Zeitt, da alleß in dieser stadt alß auff einem
heissen Pflaster, dreyfachtig gestigen vndt auffgeschlagen wie auch
wegen meiner noch mehrenteilß vnertzogenen hauffen Nohtleidenden
kJeinen kindern welche ich ohne deß nach meinem Todt
in eusserster Nohtt vndt Armutt.gantz vnversorget, werden verlas-
sen mussen, wie auch wegen der eussersten Armut meinen Littaw-
schen zuhörer, die meistenteilß Bredtschneider, Taglöhner vnd Zer-
streute dienstboten sein, von welchen ich gar schlechte ia fast keine
accidentia haben kan, Ja nach gelegenheit in ihrer eussersten Not
vndt Armutt ein Stuck Brodt vndt ein groschen geldt auß
mitleidendem hertzen mitt ihnen theillen muß; Wozu dan
auch kömpt mein numehr zimliches Alter, der ich mich in schwerer
Schull vndt Kirchen arbeit in die 27 Jahr dermassen abgemattet,
dz meine kräffte zimlich abgenohmmen, vndt noch zu sehenß weitter
abnehmen...“
Er bäte um die bewilligten 5 Schl. Korn, so daß er im ganzen
40 Schl.°® bekäme, um weitere 10 Schl. Malz, im ganzen 40 Schl.!®,
um 12 Schl. Hafer‘, die auch seine Vorgänger gehabt hätten,
»... Wie des kornschrei- || bers register aussweiset...“, um
1058 Siehe oben, S. 88, Anm. 351.
1050 1481,1 kg, etwa 29,6 Zentner.
1000 1217,4 kg, etwa 24,0 Zentner.
1001 298,2 kg, etwa 6 Zentner.
315
2 Schl. Erbsen”®, ein „...Thonnen viertell Putter‘®, 6 schock
gnab Kehss"“, % Thon Heringk, 1 Thonne Tursch, v[nd] einen
Ochsen ...“
Weiter zeigte Rehsa in seinem langen Schreiben an, daf an
der Kirche, am Pfarrhaus, an Gräben, am Brunnen, an Zäunen
usw. Schäden entstanden seien. Er bäte um eine Kommission,
die alles besichtigen und die Ausbesserung veranlassen solle.
„... damit ich also mein schwereß Ampt
ohne seuffzen wie biß dahero nicht geschehen können getrost verwalten
vndt nebenst den meinigen zum wenigsten bey meinem lebtagen dz
tägliche Brodt, vndt Notturfftige vnterhaltung haben möge.
Solte ich aber bey E.Churfl[en] dhtt (welchef ich. a nicht hoffe.) auff
diß mein demuttigeß suchen vndt flehen hulff vndt trostloß gelassen
werden So wolte ich nach mals E. Churfl[fe] dhtt in vnterthänig-
keit galn]tz
flehentlich gebeten haben, mich, wo nicht an vorigem Ohrt, doch
an einem
andern dero gleichen Pfardienst in Littawen wied[er]vmb Zuversetzen.“
Hierauf wird einer Kommission die Besichtigung der Ge-
bäude usw. aufgetragen. Bezüglich seiner Einkommensverbesse-
rung aber heißt es in einem Vermerk der Regimentsräte auf
Rehsas Brief:
„DEm supplicanten Sollen
die ein Mahl gewilligten
funff schl Korn vom
Kornschreiber weiter
gefolget werden Mitt
der gebetenen addition
aber Muß sich supplicant
biß zu Jhrer Chürfl. dht
Gott gebe baldt glucklich[en]
an Kunfft!®5 Actum Königsb.
den 26. Sept. An 1624.“
Als Rehsa mit seiner Arbeit an dem Psalter fertig war —
von der er in seinem langen Bittschreiben an den Herzog kein
Wort sagte — und das Manuskript den Regimentsräten ein-
1082 82,13 kg, etwa 1,6 Zentner.
1088 Heute etwa 32 kg (die Angabe verdanke ich Herrn Dr. R. Stein).
1083 Sembritzki-Bittens, S. 35: „Knabkäse (getrockneter harter Käse, etwa wie
die heutigen Kräuterkäschen)“.
1065 Der Satz ist versehentlich nicht vollendet; zu ergänzen ist: „gedulden“.
316
ee
ri ee ee
gereicht hatte, schickten es diese an sieben litauisch sprechende
Geistliche
„...im Insterburgischen, Tilsischen
vnd Ragnitschen ...“10, die
„...zu vnterschiedli-
chen malen zusammen kommen / sich dieses Wercks
herzlich angenommen .. .“1087
Darauf wurde das Buch auf Kosten des Kurfürsten Ende”*
1625 in Quart gedruckt.
Auf den linken Buchseiten befindet sich der Luthersche Psal-
mentext, auf den rechten der litauische Rehsas. Voran geht ein
Titelblatt in deutscher und ein zweites in litauischer Sprache.
Es folgt die deutsche Vorrede Rehsas, danach die ]. Behms.
Im deutschen und litauischen Text der Titelseiten wird Bretke
ausdrücklich erwähnt. Der deutsche Text lautet:
„Der Psalter Davids |] In Littawische Sprach anfänglich versetzet
Durch l Herrn Johan Bretken / weiland gewesenen l Littawschen
Pfarherrn zu Königsberg | in Preussen / l Nunmehr aber l Auff
Ihrer Churfl. Dhtt. Zu Bran- || denburg Hertzogen in Preussen / ec. ec.
durch dero- |} selben Preusschen hinderlassenen Regierung gnä- || dig-
sten befehlich || Durch l Herrn Johannem Rehsam, l jtziger Zeit Lit-
tawschen Pfarherrn daselbst zu l Königsberg mit fleiß corrigiret, |]
Vnd von etzlichen hierzu deputirten, des Insterbur- l gischen / Tilsi-
schen vnd Rangnitschen Kreises Littawsche Pasto- || ribus, an etwas
revidiret, vnd durch gnädigste anordnung / || Höchstgemeldter Ihrer
Churfürst. Dhtt. GOtt dem HEr- | ren zu Ehren / vnd den Littaw-
schen Vntersassen im || Lande zum besten / durch offentlichen || Druck
publiciret || Gedruckt zu Königsberg in Preussen / durch Lau- || ren-
tium Segebaden / Im Jahr 1625."
In seiner Vorrede, die an den Kurfürsten Georg Wilhelm ge-
richtet ist, weist J. Rehsa (S. 2”) wie üblich aus Colosser 3 nach,
daß das Wort Gottes in allerlei Sprachen übersetzt werden müsse.
Deswegen hätten die Vorfahren des Kurfürsten (S. 3”)
»... weil Preussenland vn-
ter andern auch solche Insassen hat / welche allein der
Littawschen Sprachen kündig...“
1066 Genaueres siehe oben, S. 240 ff.
1087 Rehsa in der Vorrede zu den Psalmen, S. 4v.
1088 J. Behm datierte seine Vorrede zum Psalter mit dem 1. 10. 1625; siehe
unten, S. 319£.
317
nicht nur litauische Kirchen erbaut, litauische Alumni in der
Akademie gehalten, sondern auch dafür gesorgt, daß:
»... der liebe Kate-
chismus / die Christliche Kirchengesänge / die Son-
täglichen Euangelia vnd Episteln / nebenst derselben
kurtzen ausslegung / in Littawscher Sprache / durch
den Druck im Lande sind publiziret worden.
Zu diesem hochnötigen vnd nützlichem Werck /
hat die damalige in GOtt ruhende Landsfürstliche
(Seite 4r)
Obrigkeit, vnter andern insonderheit gebraucht / den
weiland Ehrwürdigen / nunmehr aber in GOtt ru-
henden Herrn Johannem Bretken / gewesenen Lit-
tawschen Pfarherrn allhie zu Königsberg / als da-
malß in der Littawschen Sprach, geübten vnd er-
fahrnen Mann / dessen lob noch auff heutigen tag
vnter vns / wegen *olcher Arbeit / billich im Segen
bleibet / weil er nıcı allein jtztgemeldte Bücher / son-
dern auch die gantze heilige Bibel / in jtztgemeldte
Sprach versetzet / vnd mit seiner eigenen Hand ge-
schrieben / welche Christliche Arbeit biß auff gegen-
wertigen tag in E. Churfürstl. Dhtt. Preusschen Bi-
bliotheck allhie ist bey gelegt worden...“
Weil er es aber für „hochnötig“ erachtete,
„»... daß vnter
andern Biblischen Büchern für dieses mal der heil-
ge Psalter / des Königlichen Propheten Davids /
möchte revidiret, durch den Druck publiciret, vnd
den armen Littawen / zu besserer fortsetzung jhres
Christenihumbs mitgetheilet werden...“
hätten ihm die Regimentsräte diese Arbeit übertragen und sein
Werk anderen litauisch sprechenden Pastoren zur Korrektur
übersandt‘®.
Weiter dankt Rehsa dem Kurfürsten (S. 4”f.), der
„...als ein
sorgfältiger Nutritius Ecclesiarum, inprimis hac in
parte Lithvanicarum, dieses Wercks erster Auctor
vnd beförderer....“
sei, weil er den Auftrag und die Mittel zur Revision und zum
Druck gegeben hätte. Rehsa hoffte, daß der Kurfürst auch die
anderen Bücher der Bibel, und schließlich die ganze Heilige
1068 Sjehe oben, S. 240 f.
318
f Schrift „...in Littawsche Sprach schon vertiret...“ herausgeben
lassen werde (S. 5*).
Rehsa trug sich also mit dem Gedanken, das ganze Bretke-
sche Bibelmanuskript zu überarbeiten und herauszugeben.
Zum Schluß (S. 5") sagt Rehsa, daß er seine Arbeit aus Dank
für die erhaltenen Wohltaten tue.
„... Vnd damit ich viel mit wenigem I) andeute: So hat mich Preussen
auff die Welt ge- l zeuget / ernehret / aufferzogen / gelehret vnd
vnter- l richtet / zum Ehrenstande des heiligen Ministerü er- l haben (!)
vnd biß daher ins 25. Jahr erhalten vnd beschützet / ec....“
Gebet und Segenswünsche für den Kurfürsten und dessen
Familie schließen Rehsas Vorrede (S. 6") ab, die wie das dar-
unter befindliche Datum zeigt, in „Königsberg, den 25 Septem-
bris, Anno 1625“ geschrieben ist.
Es folgt (S. 7"ff.) das Vorwort J. Behms, in dem er sich an
den „... Christlichen vnd andächtigen Leser...“ wendet. Es ist
besonders interessant, da es Nachrichten über die Verbreitung
des Preußischen (S. 8°) usw. zur damaligen Zeit enthält'”.
Die Vorrede ist zum Schluß (S. 11") mit Datum versehen:
„Königsberg den 1. Octobr. Anno 1625.“
Der Unterschied zwischen dem litauischen Psalmentext Reh-
sas und dem Bretkes ist sehr gering. Joh. Jakob Quandt über-
treibt in seinem Bericht an die Königliche Regierung vom 3. Ja-
nuar 1730 ganz erheblich, wenn er schreibt:
»...Schon a. 1625, als der Psalter Davids in Quarto allhier in lietth.
Sprache aufgelegt wurde hat die Version von des Bretckii Successori
Rhesa von neuem revidirt und verbessert werden müssen, so daß
wenig davon überblieben.“1071
Der Vergleich der Übersetzung Bretkes mit der Rehsas, z. B.
von Ps. 90, 1—4, mag zeigen, wie wenig J. Rehsa den Text Bret-
kes verändert hat:
Bretke
Ps 90, 1—4 (VI 81r)
„Malda Moseschiaus,
tarno Diewo.
(1) Wieschpatie Diewe, tu essi musu (verbess.: mumus
Pilis (verbess.: Prissitekeijmas (verb.: -mu)) wissadai.
107° Siehe Trautmann, Sprachdenkmäler, S. VII.
1071 Siehe oben, S. 238.
319
(2) Pirm nei Kalnai stoios (verb.: -sj), Ir szeme
bei swietas sutwerti buwa, Tu Diewas
essi nuog (verb.: nüg) amsza ik amsza (beide Wörter durchstr.)
(3) Kursai szmonims duosi (verb.: szmones düsi) mirti, ir
sakai, Sugrinschket szmoniu waikai.
(4) Nesa tukschtantis (verb.: -stantis) metu ira po
tawa akim, kaip wakarikscheze diena
kuri praeija, ir kaip budeghimas (verb.: Sargiba) nak-
ties.“
J. Rehsa
„1. Malda Moseschiaus tarno Diewo.
W]JESchpatie Diewe tu essi mums Nussi-
tikeghimu wissadai.
2.Pirm nei Kalnai stojosi / Ir Szaeme bei
swietas sutwerti buwo / Tu Diewas essi nüg
amszo ikki amsziu.
3. Kursai düdi Szmones numirti / ir sakai /
Sugryschkite szmoniu Waikai
4. Nesa tukstantis maetai ira po tawa akim /
kaip wakarykschtzia diena / kurri praejo / Ir kaip
Nakties buddeghimas.“
Vergebens hoffte Rehsa auf einen Auftrag zur Bearbeitung
und Herausgabe weiterer biblischer Bücher, vergebens auch auf
eine Erhöhung seines Deputats.
Anfang August 1627 schrieb er seinen langen Klagebrief vom
September 1624” nochmals ab — er hatte also eine Abschrift
oder das Konzept behalten — und bat den Kurfürsten in einem
am 6. August 1627 registrierten Begleitschreiben””, „...in die-
sen Hochbe- || trübten Martialischen Zeiten...“ wegen des „...
betrübten Zustandes dieser Ihrer Preu- || sischen Länder...“ sein
Gesuch zu erfüllen, das er „... nunmehr schon || vor drey Jah-
ren...“ den Regimentsräten übergeben hätte, worauf er „...auff
Jhre Chfl[en] dht glückeselige ankunfft vertröstet wordenn ....“,
wie aus der Beilage, nämlich der erwähnten Abschrift, zu er-
sehen sei. Er bäte „...vmb Gottes willen...“ um Erhörung.
Wieder erwähnte Rehsa seine litauische Arbeit bei seinem
Gesuch — ganz anders als Willent und Bretke — mit keinem
Worte. Ob die Supplikation diesmal etwas nützte, ist nicht klar.
Wahrscheinlich ist es eben gerade wegen des „betrübten Zu-
standes...“ Preußen-Brandenburgs im 30jährigen Kriege nicht.
1072 Erled. 26. 9. 1624; siehe oben, S. 314.
1073 Signatur wie S. 314 Anm. 1056, S. 4r.
320
£
h
Anfang August 1629 erkrankte Rehsa an der Pest‘*, wurde
ins Große Hospital. auf dem Sackheim gebract, wo er das
Abendmahl erhielt. Er lag aber noch vier Wochen und starb am
Donnerstag, den 30. August, mittags 12 Uhr, im Alter von
54 Jahren, wie es in der Leichenpredigt heißt:
„... Secutus nunc ille
est175 instructus, ante quatuor septima-
nas in templo Xenodochiano salutari
viatico corporis [et] sanguinis Christi.
Secutlus] praeterito die Jovis 12 horä me-
ridianä, aetatis Anno 54...“
Weiter sagt der Verfasser der Leichenpredigt:
„...Simul versi- || onem Bibliorum in Lithvanicam Lin- ||
guam finit, simul vitam terminavit...“, was wohl poetische
Übertreibung sein dürfte, wenigstens ist keine Spur einer wei-
teren Bibelbearbeitung oder gar Übersetzung Rehsas zu finden.
Am Sonnabend, den 2. September, ist Rehsa beerdigt worden,
da die von diesem Tage datierte Leichenpredigt auffordert,
„»...hodie...“ die Leiche zu geleiten.
Diese leider nicht zuverlässige Quelle befindet sich in einem
dicken Quartband mit gedruckten „Intimationes“ der Königs-
berger Akademie’ Seite 189’—192’. Ihr Titel lautet:
re, In Funere || Viri Reverendi doctrinä [et] vitä Spectatis-
simi |] Dn. JIOHANNIS RHE-:” || SEN, Pastoris Ecclesiae Lihvanicae, l
quae Regiomonti colligitur, I vigilantissimi [et] fide- I lissimi. No-
mine |] Rectoris [et] Senatus A- || cademiae Regiomontanae. || Regio-
monti || Typis Laurentij Segebadij || Anno 1629:“
Nach einem langen Zitat des Sidonius Apollinaris, in dem ge-
zeigt wird, daß die Nähe des Jüngsten Gerichts an der Verken-
nung der Tugenden der Lehrer und Geistlichen zu erkennen ist,
fährt der Verfasser fort:
»...Nune nos angit damnum Lithva-
nicae Ecclesiae, quae hic Regiomo[n]ti col-
ligitur, erepto Viro Reverendo [et] Do-
ctissimo Dn. Johanne Rehsen, Pastore
vigilantissimo [et] fidelissimo, Ambigi-
#74 Arnoldt, Nachr. I, S. 23.
1075 I). h. seinen beiden verstorbenen Kindern.
1070 Staatsarchiv Königsberg (Pr), Bibl. 274 quart.
4077 Druckfehler, im Original steht: „RHH- l SEN“.
21 Falkenhahn, Bretke 321
mus an deinceps parem conspicaturi
simus. Adeö vix unum atqlue] alteru[m] hu-
jus linguae peritum nostra Academia e-
ducat...“
Wie das Magneteisen in Sardinien anzieht, so zog die Sonne
der Gerechtigkeit in seiner Brust: „...ferrum populum certe
saepe nimis || rudem....“ zur Liebe Gottes.
»...Nec tantum concionando, sed || [et] scribe[n]do verten-
doq[ue] sacrum codice|m] || in Lithvanica[m] lingua[m] Eccle-
siae profuit...“ Nach einem Vergleich der guten Geistlichen mit
den sagenhaften Vögeln, deren Gefieder in der Nacht leuchtet,
wird Rehsas Lebensgeschichte erzählt. Formelhafte Wendungen
über den Lohn im Himmel und die Aufforderung, die Leiche zu
geleiten, schließen die Rede.
Wie schon gesagt, überlebte ihn seine zweite Frau. Von sei-
nen Söhnen ist keiner wieder Pfarrer geworden, auch sonst ist
nichts von seinen Kindern bekannt.
Der Korrektor X..
Die ca. 55 Korrekturen des Korrektors X,, dessen zierlicher
Schriftcharakter sich deutlich von dem aller anderen Korrek-
toren, und auch von dem Bretkes, unterscheidet (Abb. 56 und 57,
T. XXVI), haben in mehrfacher Hinsicht etwas Auffälliges:
1. Schon ein flüchtiger Blick zeigt in Orthographie und
Sprache weit größere Ähnlichkeit mit denen Daniel Kleins als
mit Schreibung und Sprache jener litauischen Texte, die im
16. Jahrhundert in deutschem und in litauisch-polnischem Kul-
turgebiet entstanden: die zierliche gotische Kursive, die im
17. Jahrhundert als Schönschrift weiteste Verbreitung fand, er-
scheint zusammen mit sz für 5 (im 16. Jahrhundert in Preußen
sch, im litauisch-polnischen Sprachgebiet meist sz) und 2 für 2
(16. Jahrhundert in Preußen sz, in Polnisch-Litauen meist 2),
der Laut j hat alle Schreibungen wie i, gh, y verdrängt (im
16. Jahrhundert weder in Preußen noch in Litauen), kurzes und
langes i werden ziemlich streng durch i und y unterschieden
(bahnt sich im 16. Jahrhundert nur ganz vereinzelt an), die Kürze
eines Vokals wird oft durch Verdoppelung des nächstfolgenden
Konsonanten zum Ausdruck gebracht (im 16. Jahrhundert nur
vereinzelte Ansätze) usw.
322
Zur Veranschaulichung seien hier Proben von Texten aus dem
16. Jahrhundert, und zwar a) aus deutschem, b) aus litauisch-
polnischem Kulturgebiet, c) von Korrekturen des Korrektors X,
und d) eine Textprobe von Daniel Klein, nebeneinandergestellt:
a) Bretke, 24. März 1590,
IV 69r u, Jes. 65, 8-9:
„...nesa widui ira perszeg- I noghi-
mas, teipo esch sawa Tarny delei
darisiu, ieib ne wis pagadincziau.
Bet Il isch Jakubo düsiu sekla aukti,
ir isch || Juda, kuri mana kalna pa-
weldes. Nesa || mana Ischrinktieghi
ghi paweldes...“
c) Korrektor X:
uzkalbetoju!”® gasz-
lummat0s%, pleczka molinnet%%, isz
nam/[m]ju tarnawimo!%®, Terusale-
mo!%%, pagaerinnai!%, jissilaikyst0s,
tewiszke!®, taisikites!”, atgrie-
käukt0®, diel!%°; ir Samaria ir jos
dukters || tur buti priwerstos kaip ll
pirm buwa!%®, (Siehe auch Abb. 56
T. XXVL)
„uldojaut‘s,
b) Dauk3a,
Postille, 1599, S. 113:
„ANuo metu: Iszeies iög ten Jesus I
nueio in& szalis Tyro / ir Sidono.
Ir szi- || täi zmonä Chananeos iz5
rubeziy anü isze- || iuS szäuke bilö-
dama iam. Susimilsk man I sunäu
Döwido: dukte manä sukei nüg
we- ll lino yra trötinama.“
Daniel Klein,
Gesangbuch (1666), S. 193
(Gerullis, Skait., S. 303):
„8. Ta musu bedg tu Zinnai /
Ak jeib pasigailetumbei!
Atmink Sunaus kentejimo /
Szwentases yZwelk ronas jo.
9. Juk tos mums yr’ waddawimu
Uz wissq swietq kankanczu /
Tü koznas pasilinksminam
Ir susimillima laukiam.“
Die Orthographie des Korrektors X, weist ihn also mit größ-
ter Wahrscheinlichkeit in eine spätere Zeit.
2. Die Verteilung der Korrekturen des X, über die Bücher der
Bibel ist auffällig; die ca. 55 Korrekturen finden sich nur auf
den 263 Folioblatt (rund 520 Textseiten) der Bücher Jesaia, Jere-
1078 1, P.Prät. (IV 41r 9vu; Jes. 38,14).
1070 G.Pl. (IV 51v 8vu; Jes. 47,9).
1080 A, Sg. (IV 91v 3vu; Jer. 13,27).
1051 A, Sg. (TV 99r 14vo; Jes. 19,1).
1022 TV 124v 3vu; Jer. 34,13.
1083 G. (IV 181v 11vo; Hes. 14,21).
108 2, P. Prät, (TV 185r 16vu; Hes. 16,51).
1055 3,.P.Fut. (IV 262r 5vu; Dan. 11,25).
1086 N, Sg. (IV 215r 7 £.vo; Ezech. 36,2; Lth.: „Erbe“).
1087 2, P. Imper. Refl. (TV 248v 9vu; Dan. 3,15).
1oss 2. P. Imper. (IV 230r 13vo; Ezech. 43,22).
1080 th.: „vmb“ — wegen (IV 189 5vo; Ezech. 18,30).
imo IV 185v 6—-7vo; Hes. 16,55.
2 395
mia, Klagelieder Jeremias (Threni), Hesekiel, Daniel. Das heißt,
X, hat die Großen Propheten mit Eintragungen versehen, die
gerade den IV. Folioband des Bretkeschen Bibelmanuskripts
füllen.
Diese Bücher sind mit ganz geringen Unterbrechungen vom
11. März 1590 bis zum 25. Juli 1590 übersetzt worden.
Nun finden sich aber die Korrekturen sämtlicher anderen
Korrektoren in biblischen Büchern, die Bretke in Labiau über-
setzt hat, wovon nur 1. Mos. eine Ausnahme bildet, das er 1588
abschloß und offenbar Daniel Gallus nach Laukischken zu-
schickte. Doch unser Korrektor X, mit seiner Orthographie, die
der Daniel Kleins nahesteht, von der zeitgenössischen Bretkes
aber in den entscheidenden Punkten abweicht, hat gerade die
vier Großen Propheten, die in Königsberg 1590 übersetzt und in
einem Bande vereinigt sind, bearbeitet!
Das sind alles Umstände, die dafür sprechen, daß X, einer
späteren Zeit angehört.
Die Vermutung läge nahe, daß der Korrektor X, einer jener
Mitarbeiter Quandts oder Ludwig Johannes Rhesas war, dem
die Bearbeitung der Großen Propheten aufgetragen wurde, doch
zeigt sowohl die Bibelübersetzung Quandts wie die L. J. Rhesas
an den von X, korrigierten Stellen bis auf wenige Ausnahmen
andere Vokabeln und Wendungen als sie X, am Rande des Bibel-
manuskripts zu der betreffenden Stelle angemerkt hat; zur Ver-
anschaulichung einige Beispiele:
Bretke Xo Quandt1735 ]J.L.Rhesa 1816
prisakitoiut91 uzkalbetoju apmonitujü apmonitujü
kadiu10 E pleczka molinne molo pleczka Pleczkos isz
Mölo darytös
lankoiet%2 pakalne lankose lankose
Namams nam[m]u sluzbös- sluzmös
sluszbos10%4 tarnawimo nammü nammü
usw. usw. usw. usw.
Die Mitarbeiter Quandts und L. ]J. Rhesas scheiden also aus.
101 IV 51v 8vu; Jes. 47,9.
102 |V 99r 14vo; Jer. 19,1.
103 JV 102r 17vu; Jer. 21,13.
1098 |V 124v 3vu; Jer. 34,13.
324
eg ee A a a nn U U
se
Der Handschriftenvergleich ist hier besonders schwierig, weil
der Schriftcharakter des Korrektors X, sich, wie schon angedeu-
tet, weitgehend mit der Schönschrift deckt, die im 17. Jahrhun-
dert in offiziellen Dokumenten geschrieben wurde, und die da-
mals viel verbreiteter war als irgendeine Schönschriftart des
16. Jahrhunderts, in dem es viele nebeneinander gab. Und doch
schrieben alle mir bekannten Personen, die X, sein könnten
(Theophil Schultz, Matthäus Praetorius usw.), bis auf eine Aus-
nahme, eine ganz andere Handschrift. Sieht man jedoch die
Akten Daniel Kleins durch (Königsberger Staatsarchiv, E. M.
138e 2), so fällt sofort die große Ähnlichkeit zwischen dem
Schriftcharakter Daniel Kleins und dem des Korrektors X, auf
(Abb. 57 a—b, T. XXVla), und zwar nicht nur in Kleins kaligra-
phierten Briefen, sondern auch in seinen privaten Aufzeichnun-
gen; ja der gleiche Duktus erscheint in ganz flüchtigen Nieder-
schriften wieder!
Der Handschriftenvergleich spricht also mit Wahrscheinlich-
keit für Daniel Klein.
Dagegen ließe sich zunächst rein theoretisch sagen, daß X,
des öfteren anstatt -o im ungedeckten Auslaut ein -a schreibt,
während Daniel Klein in seiner „Praefatio ad Lectorem“ zu sei-
ner „Grammatica Litvanica“ auf S. 16 (unpaginiert) für diese
Fälle ausdrücklich ein -o fordert: „...Nos in Grammatica nostra
retinemus qui- || dem illam terminationem Genit. ut [et] -termina-
tionem || gquorundam Praeteritorem in o / ad differentiam Geni- ||
tivi in Nominibus, [et] tertiae personae Praesentis in Verbis...“,
wenn er auch gleich hinzufügt: „...attamen fatemur in nostro
districtu ut [et] Ragnetensi, [et] || partem quoq[ue] Insterbur-
gensi terminationem a esse com- || muniorem ...“
So hat X,: negaleja?”, buwa'", pawideja', doch ebenfalls:
tarnawimo'®, zweimal: Jerusalemo‘”, sudeginnimo'”, auksino"",
wario"”,
105 3, P. Sg. Prät. (IV 183v 11vu; Ezech. 16,28).
1000 Sjehe das Beispiel oben, S. 323.
1097 3, P, Pl. Prät. (TV 208r 16vu; Ezech. 31,9).
108 G.Sg. (IV 124v 3vu; Jer. 34,13).
1098 G, Sg. (IV 181v 11 und 19vo; Ezech. 14,21).
1100 G,Sg. (IV 225r 1vo; Ezech. 40,42).
101 G.Sg. (IV 2487 10vu; Dan. 3,14).
1102 5, Sg. (IV 252v 7vo; Dan. 5,4).
325
Ebenso ließe sich von unserem heutigen Standpunkt aus ge-
sehen gegen die Anwartschaft Daniel Kleins für X, geltend
machen, daß letzterer das diakritische Zeichen X auch über a
verwendet (siehe das Beispiel oben), während es Daniel Klein
in den Buchstabenverzeichnissen seiner beiden Grammatiken””
über a nicht aufführt usw. Doch lassen wir die Grammatiken
beiseite, in denen er bekanntlich eine litauische Mustersprache
darstellen wollte, und sehen den litauischen Text in dem Klein-
schen „Gesangbuch“ und dem „Gebetbüchlein“ durch, so stellt
sich heraus, daß dieser Text von der Hand D. Kleins in genau
den gleichen Punkten von den Forderungen seiner Grammatiken
abweicht wie der Text des Korrektors X,!
So lesen wir z. B. im „Gesangbuch“: gäwa'*, roda"*, laika*”
usw. neben: turrejo"”, negallejo""* usw.; dann: tawa‘® neben
tawo'", isz didd2io warga'" usw. usw.
Der Buchstabe ä findet sich z.B. im „Gesangbuch“ S. 3, Z. 4vo
und S. 451, Z. 3vu in „Där“ usw. Der Kleinsche Text hat auch ü,
das die Grammatiken nicht vorsehen usw., wobei zu bemerken
ist, daß sowohl die Grammatiken als auch das „Gesangbuch“
und das „Gebetbüchlein“ in der Reusnerschen Druckerei in Kö-
nigsberg gedruckt worden sind.
Daniel Klein kannte eben trotz seiner Normalisierungsbestre-
bungen genau so wenig wie seine Zeitgenossen in diesen Dingen
jene Konsequenz, die uns heute. selbstverständlich erscheint!
Für die Herkunft unseres X, aus der Nordostecke Preußens
(Tilsit, Kuckerneese, Memelgebiet) spricht auch sein „diel“ für
"del;
1108 „Grammatica Litvanica“, S. 1, „Compendium Litvanico-germanicum“,
S. 2.
110 3, P, Sg. Prät.; S. 331,7vu.
1105 3, P, Sg. Präs.; S. 336,10 f.vu.
1100 Ebenda, siehe Anm. 1105.
107 3,P, Sg. Prät.; S. 263,12 f.vu.
1108 Fbenda, siehe Anm. 1107.
110 5, 78, 10vu.
1110 Ehenda, 8vu.
111 5, .14,2vu.
112 Sjehe das Beispiel oben, S. 323 und Abb. 19. Bezüglich ie statt & siehe
oben, S. 258 und 282.
326
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|
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B
4
j
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1
|
|
Also auch sprachliche und orthographische Eigentümlich-
keiten sagen nichts gegen unsere Vermutung. Außerdem wissen
wir, daß D. Klein vom Konsistorium dazu bestimmt worden
war, die Leitung einer Kommission zu übernehmen, die das
Bretkesche Bibelmanuskript druckfertig machen sollte, was Klein
sicher nicht verborgen geblieben ist (siehe oben, S. 241 ff.).
Doch scheint mir auch literarisch bezeugt zu sein, daß Daniel
Klein die Absicht hatte, die Bibel zu übersetzen oder vielleicht
gar schon mit der Arbeit begonnen hatte. Der damalige Rektor
der Tilsiter Provinzialschule, M. Jacobus Reich“, sagt in einem
deutschen Gedicht, das er „...seinem hochgeneigten || Freunde ||
Hn. M. Kleinen...‘ widmete, und das unter den Gedichten nach
der Vorrede zum „Gesangbuch“ Aufnahme fand, u. a.:
„+... Wie? tracht er nicht mit Müh und Fleiß
Daß er das schöne Land Littauen
Den Himmel möge näher bauen
“ Daß / wiewol nicht ohne Schweiß
Könn’ seine Feder weiter treiben
In dieser Sprach ein Bibel schreiben ...“
Es ist also sehr möglich, daß Daniel Klein bei seinen vielen Rei-
sen nach Königsberg Gelegenheit gehabt hat, das Bretkesche
Manuskript einzusehen und sich aus irgendwelchen Gründen be-
sonders mit dem IV. Bande beschäftigt hat, in den er dann die
Korrekturen eintrug.
X, ist also wohl zweifellos Daniel Klein.
Daniel Klein.
Der Vater unseres Daniel Klein, Balthasar Klein, stammte
aus Tilsit, denn am 30. September 1592 wurde er als „Balthasar
Klein, Tilsensis“ in Königsberg immatrikuliert"*. Der Zusatz
4113 Jacob Reich wurde am 15. 5. 1635 zu Königsberg geboren, am 6. 2. 1652
ebenda immatrikuliert: „-Jacobus Reich, Regiomontanus, iur...“, kam
1665 als Rektor an die Tilsiter Provinzialschule, ließ sich am 23. 2. 1666
nochmals, nun schon als Magister, in Königsberg immatrikulieren: „-Mag.
Reich Jac. Regiomontan., pro tunc Rector Scolae Tilsensis, praestito iam
antea iuramento... Jus Scholasteium repetiit.“ Wurde 1667 „Profeszor
ordinarius Eloqventiae“. Kaufte als Professor die Königsberger Segebadi-
sche Druckerei, die er bis zu seinem Tode innehatte. Starb am 24. 6. 1690.
(Arnoldt, Hist. II, S. 75 und 410; Zusätze, S. 72; Fortges. Zus., S. 19;
Erler, Königsb. I, S. 526, und II, S. 45.)
11 Erler, Königsb. I, S. 115.
327
„lurlavit]“ zeigt, daß er damals bereits über 15 Jahre alt ge-
wesen sein muß. Balthasar Klein zahlte als Einschreibegebühr
10 Groschen, was die gewöhnlich entrichtete Summe war, wäh-
rend einige Mitimmatrikulanden erhebliche Frleichterungen hat-
ten; er kann also nicht besonders bedürftig gewesen sein.
Da der Name Klein auch damals schon häufig war, läßt sich
die Herkunft der Familie kaum mit Sicherheit feststellen, zumal
die Familiennamen durchaus noch nicht immer feststanden: So
wird z. B. in dem Aktenbande eines Prozesses, den der Tilsiter
Pfarrer Arnoldt gegen seinen Kaplan Johann Kluge führte,
Ende Mai 1629'“* neben einem „...Ehrenuesten Wolgeachten
Hlerrn] Faustin Klein...“, der anscheinend Kornschreiber war,
auf S. 41" ein „...seeliger Baltzer Klein...“ erwähnt, von dem
es aber zwei Seiten weiter heißt: „...der Dudisch, wie man
ihn || genennet, itzo aber im artikel Baltzer Klein heissen ||
mus...“ Doch war die Familie zweifellos deutsch'“*,
Nach Arnoldt'"” wurde Balthasar Klein 1595 Diakon in Nor-
denburg, das damals auf der Grenze des litauischen und polni-
schen Siedlungsgebietes lag, wo die Diakone (vielleicht schon
damals) den litauischen und polnischen Gottesdienst zu versehen
hatten‘. Als 1598 Bartholomäus Willent, der Sohn des gleich-
namigen ehemaligen litauischen Pfarrers in Königsberg, die
Pfarrstelle in Breitenstein (früher: Kraupischken) aufgeben
mußte, haben zwei Studiosi Theologiae, und zwar: „...Laza-
rus || Sengstok, Lubecensis v[nd] Balthasar Klein || eine Prob-
Predigt dieses Orts gehalten || davon der] letztere Willento suc-
cediret‘”*, Der Vater Daniel Kleins bekam also die Pfarrstelle,
die vor ihm u. a. bereits Augustin Jamund und Patroclus Welwer
innegehabt hatten, und die mitten im litauischen Siedlungsgebiet -
1115 E,M. 158e 2, Aktenbuch: „Verlauff des gantzen Proceßes...“. Die Ge-
richtsverhandlungen fanden Ende Mai statt. >
1118 V, BirZifka vermutet litauische Abstammung Daniel Kleins, denn er sagt:
„Am wahrscheinlichsten klang sein Name litauisch anders, er war nur
germanisiert worden (sollte er nicht gar ein Nachkomme Mosvids ((Bir2.
schreibt: MaZvydas)) gewesen sein, der seinen Namen ins Deutsche über-
setzt und verkürzt hat?).“ Knyguy Ist. Bruozai, S. 48.
1117 Nachr. II, S. 97 und 224. Siehe auch Quandt, MSC 21, S. 2ir,
1118 Quandt, MSC 21, S. 20v. Siehe auch Arnoldt, 1. c.
328
lag. Aus allem scheint hervorzugehen, daft Balthasar Klein
Litauisch, vielleicht auch etwas Polnisch gekonnt hat.
Die Mutter Daniel Kleins hieß nach Quandt“ Gertrud und
war eine geborene Schönwald.
Daniel Klein wurde am 30. Mai 1609 in Tilsit geboren, wohin
seine Mutter nach dem Tode ihres Gatten, Balthasar Klein, 1608
in Kraupischken wohl gegangen war“. Er besucte „...die
P/[ro]vin || cial-Schule zu Tilse, ulnd] wurde im 18. Jahr || Aca-
demic[us] .. .““”*, d.h. nachdem er am 3. Juli 1623, also 14jährig,
schon einmal in Königsberg als „Daniel Klein, Tilsensis Borus-
sus““'” inskribiert worden war, wozu eine andere Hand schrieb:
„iuravit 4. Febr. 1628“, wurde er im Sommersemester 1627 (ohne
Datum) mit gleicher Matrikel, aber mit dem Bemerken: „non
iur.“ aufs neue immatrikuliert"*. Fin Zusatz von anderer Hand:
„luravit vero 4. Febr. 1628“ zeigt, daß es sich in beiden Matri-
keln um die gleiche Person handelte. Am 20.” Oktober 1636
wurde er „...vnter 7. || Candidatijs der erste Magister ...“*,
muß also besonders tüchtig gewesen sein. In der Leichenpredigt,
die der Rektor und Senat der Universität Königsberg für Klein
drucken ließen (siehe unten, S. 352), heißt der entsprechende Pas-
sus: „...missus in Acade- || miam hanc Annos XIIX. natus, ipsa
re Parentum, || quam conceperant, spem omni diligentia [et]
con- || tentione impletum, atq[ue] per novennium integrum ||
probata in Graecis [et] Hebraicis, nec non Philoso- || phicis [et]
Theologicis ascematibus plusquam vul- || gari diligentia, honori-
bus in Philosophia summis || judicatus est dignissimus, quos
Anno XXXVI. in || septem Candidatis primus ex merito obti-
nuit...“ Nachdem Daniel Klein darauf „an dem Montage nach
1119 Ehenda, S. 62r.
4120 Quandt, 1.c., S. 62r. Quandt ist über Klein offensichtlich besser unter-
richtet als Arnoldt, der ihn einmal „von Tilsit in Preußen“ stammen läßt
(Zusätze, S. 154), das andere Mal D. Klein aber einen „Königsberger“
(Nachr. II, S. 142) nennt.
1121 Quandt, 1. c., S. 62r.
1122 Frler, Königsb. I, S. 271.
1129 Khenda, S. 301.
#122 Arnoldt, Nachr. II, S. 141. In den Zusätzen wird auf $, 154, anscheinend
irrtümlich, der 2. 10. angegeben.
329
dem Sonntage nach Trinitatis 1637“ von D. Behm“* in der
Königsberger Schloßkirche ordiniert worden war, kam er noch
im gleichen Jahre als Pfarrer an die litauische Kirche zu Tilsit.
Im Jahre 1638 heiratete Klein die Tochter Anna des Tilsiter
„...Scabinatus p/rae]fecti...“ (Oberschöffen) Caspar Klemm,
»...mit der ||er 1. Sohn v[nd] 6 Töchter erzeuget... .“*.
Über die litauische Gemeinde, mit der es Daniel Klein zu tun
hatte, sagt der Bürgermeister und Rat der Stadt Tilsit in einem
am 11. November 1677 registrierten Schreiben an den Kurfür-
sten‘, daß ihre Mitglieder arm seien, „...Zu- || malen... die
meisten, als etliche Pfahl-Bürger“*, Fischer, Zim- || mer Leüthe,
Teichgräber und alle / das Gesind sich Zur Littau- || ischem (!)
Gemeine hält undt denn größten theil des auditorij |] machet.....“.
Zu diesen kamen natürlich noch die litauischen Bewohner der
umliegenden Dorfschaften.
Eine interessante Schilderung der damaligen litauischen Land-
bevölkerung, mit der es Daniel Klein zu tun hatte, bietet das
lateinische Gedicht des Werdener Pfarrers Wilhelmus Marti-
nius"” „Ad plebem || Lithvanicam“, das nach dem deutschen
Vorwort von Klein in dessen „Gesangbuch“ (S. 29f. unpagin.)
Aufnahme fand.
Er spricht darin zu dem litauischen Volke und sagt ihm, sein Name
käme von dem lateinischen Worte für Musikhorn, nämlich: „lituus“2130,
denn der Litauer hätte „von Natur“ Freude am Gesang und am Horn:
Singend triebe er sein Vieh auf die Weide, und hinter dem Pfluge
klänge immer wieder sein „Jehu“; Hochzeiten, Leichenbegängnisse, ge-
selliges Beisammensein veranlaßten ihn zum Liede, alles was er auf
der Welt erblickte, würde von ihm „ululans“ und mit „klagender
Stimme“ („Voce... qverulä“) besungen. Martinius ermahnt ihn dann,
es wären wieder fromme Lieder für ihn geschaffen, und er solle doch
nun aufhören, „...plures effingere Divos, ll Qvi mare, qui coelum,
qvi moderentur hu- ll ımum. I Absint Perkunas, Lituans, Babilasq[ue]
Gabartai, || Nec non Gabjaukurs Baubeq[ue] Zemmepati: || Ovid Lai-
1125 Also am 1. oder 10. Mai.
1120 Siehe oben, S. 313.
1127 E,M. 138e 2.
1128 Also innerhalb der Stadtmauern wohnende Bürger.
112? Sjehe unten, S. 335 Anm. 1144.
1130 Siehe Lepner (S. 94f.) von der „Feld-Trompete“ der Litauer und (S. 96)
die deutsche Übersetzung des angeführten Gedichtes.
330
mella tibi praestabit, qvid Meletette?...“; er solle alles verwerfen und
nur den Dreieinigen Gott lobpreisen, wie es dieses Gesangbuch lehre,
und dessen Verfasser ehren!
In Tilsit hatte Klein genau wie schon Zacharias Blothno d. A.
die litauischen und deutschen Übeltäter zum Richtplatz zu ge-
leiten, was ihm, wie wir noch sehen werden, viel Verdruß be-
reiten sollte.
Daniel Klein kam 1637 mitten in den Streit hinein, in den
„... der || Hiessiege Littawsche Schuellmeister mit den || Kirch-
spiehlss Kindern gerathen...“ war, wie in der amtlichen Dar-
stellung vom 9. Juni 1637 an den Kurfürsten berichtet wurde”.
Der Grund dieses Konfliktes ist für die damaligen Verhältnisse
aufschlußreich; in dem erwähnten Schreiben heißt es weiter:
»... Wann dann ll solches nur bloss vornehmblichen daher Kombt daß
sie Ihn alss einen Ausslender so die Littaw- || she Sprach nicht recht
aussbringen Kann, | verstehen Können, mann Jhn aber wegen
seiner I bey Hiessieger Schullen wie auch 4. Jähriegen | auffwahrtung
an der Kirchen, nicht gäntzlich[en] ver- || stossen sehen wolte...“
Der Kurfürst möchte doch anordnen,
„... dass alhier ein gutter ander Littaw- I scher Schullmeister welcher
der Sprachen recht || Kundigk ist anhero verordnet vndt dagegen I
diesser Jtziege anderweit möge versetzet werden. ) auff dass der
Gottes dienst desto besser be- I stellet vondt verrichtet vndt dargegen
Tumelt || vndt ferner vber Lauff geschweige gantz TodtschlagK || ver-
huttet werden möcht...“
Doch wie schwierig die Beschaffung eines solchen Schulmei-
sters damals war, ja, daß auch die litauischen Gemeinden zu der
Zeit ohne litauisch sprechende Pfarrer zu bleiben drohten, weil
es kaum Nachwuchs gab, zeigen zwei Abschnitte aus dem „Re-
cessus Generalis“ des Kurfürsten Georg Wilhelm (1618—1640),
gedruckt 1639 (siehe oben, S. 241f.), die Daniel Klein in seiner
Vorrede an den Großen Kurfürsten in seiner „Grammatica Lit-
vanica“ zitiert. Darin heißt es:
»... Wenn auch solte eine geschwinde Peste / da Gott in Gnaden N
sey / einfallen / und etliche der jetzigen Littauischen |] Prediger na
Gottes Willen wegnehmen / es umb die Kirche Gottes des
Orts einen sehr elen- Il den Zustand gewinnen / weil nur 4. Schul-
meister / I) so Studiosi, im gantzen Ampt Insterburg sind / und l nur
ein einiger Littauscher Studiosus auff der Aca- || demia zu Königsberg
ist / die man hernacher zu || solchen Aemptern auffn Nohtfall gebrau-
chen kön- ll te: Als wil die hohe Nothturfft erfordern / daß man I
331
beyzeiten auff solche Leute zu erziehen bedacht sey / || und nicht
warte / biß der Fall geschehen; indem die | Prediger alle sterblich /
und jhrer etliche schon zum || ziemlichen Alter gelanget sind... 131
Es wäre deshalb ratsam, daß in der Tilsiter
BBRSCChurtl: I Schule ein absonderlicher / der Littauschen Spra- l che
recht kündiger und sehr wolerfahrener / geübter I Praeceptor oder
Collega gehalten würde / der || zwantzig / der dreyssig / oder auch
wol mehr Kna- || ben in der Littauschen Sprache von Pfarrer / Bür-
ger oder gebohrnen Littauschen Kindern funda- || mentaliter infor-
mirte / damit dieselbe heracher || ins Stipendium nach Königsberg ge-
bracht / und || nützlich künfftiger Zeit gebrauchet werden könten. |}
Solte man aber solchen getrewen wolgemeinten || Raht nicht in acht
nehmen / würde man es herna- I cher so bald nicht zu endern / als
zubeklagen haben.“
In dem anderen Abschnitte „von den || Hälffmitteln“ zur Er-
lernung der litauischen Sprache heißt es:
»... Nach dem auch wenig in den |] Littauschen Aemptern seyn / die
ihre Kinder / so der || Littauschen Sprache erfahren / zum Studio
Theo- |] logico halten / daß sie heut oder morgen zu Pfarr- || und
Schuldiensten könten gebrauchet werden / und l sich dagegen andere
aus den Deutschen Oertern die- Il ses Landes Preussn / oder auch aus
Deutschland I des Heil. Röm. Reichs auff solche Sprache aus || Noht
begeben und befleissigen müssen ’‘/ und aber ze wenig und schlechte
adminicula oder Hülffmittel I an gedruckten Sachen dazu haben /
damit sie solche l Sprache recht fundamentaliter und felieiter in l
kurtzer Zeit und mit geringer Mühe lernen könten; || So sol es hiemit
allen und jeden Pfarrern dieses || Ampts / und sonderlich denen / so
der Littauschen || Sprachen recht kündig und mächtig / aufferleget |]
und anbefohlen seyn / daß sie etwas / so zur gründli- || chen Wissen-
schafft solcher Sprache gehöret / ela- I boriren und ehestes verferti-
gen; Und sonderlich I anfangs eine kurtze Grammatikam, und was
dazu || gehörig / item ein Vocabular Buch oder Dicto- || narium der
meisten unnd schweresten Littauschen I Wörter / und was denselben
mehr anhängig ist / || auskommen lassen / etc. Darnach wird auch
be- I funden / daß fast wenig und keine Exemplaria von || den Littau-
schen Catechismus und Gesangbüchern || zu Kauff mehr verhanden /
und auch das Gesang- || buch nach dem deutschen nicht complet und
voll- | kommen / sondern viel Gesänge darinnen man- || geln / etc.
So sol es den Pfarrern auch hiemitt || demandiret und anbefohlen
seyn / daß sie solche || Gesänge nebst der Grammatic in der revision
des || Newen Testaments mit sollen produciren und ex- || hibiren /
damit sie auch zugleich könten übersehen || und zum Druck übergeben
werden.“1132
11531 5, 6f. unpagin.
1132 5, 5f, unpagin.
332
Klein ließ sich auf Bitten und Ermahnungen seiner Nachbar-
amtsbrüder, besonders aber des Memeler Pfarrers Johannes Leh-
mann'*, wie es in der genannten lateinischen Vorrede heißt‘*,
die Arbeit „auf seine Schultern legen“, „...ne || juventus Stu-
diosa, ne dum Ecclesia, suo defrau- || darentur bono...“. Ob-
wohl ihm diese Aufgabe wie eine Sisyphusarbeit vorgekommen
wäre, da es an allen Vorarbeiten fehlte, hätte er sie auf sich ge-
nommen, da „rastlose Arbeit alles besiegt‘“**.
Anscheinend hatte sich Klein schon damals aus eigenem An-
triebe mit den litauischen Kirchenliedern beschäftigt und, wie er
in der deutschen Vorrede zum „Gesangbuch““* selber sagt:
„... die Gesänge zur Vesper-Predigt allhie in meiner Littauischen
Kirche analysiret / meinen einfältigen Zuhörern den In- I halt daraus
angedeutet von Vers zu Vers erklähret / und sie I dem Vermügen
nach / das GOTT dargereichet / unterrich- || tet / wie alles und jedes
wol zu verstehen / und wohin eines Il jeglichen Verfassers solcher
Lieder Meinung und intent ge- I richtet sey....“
Er hätte bei dieser seiner Arbeit
„»...füglich ersehen und ll abmessen können / was für gar grosse
Mängel / Fehler und || Irrthümer in gedachtem Gesangbuch stecken /
so wol in den Veen Wörtern in den phrasen und Redens-Arten /
als I auch im Verstande selbsten / also daß in vielen Liedern der
Verstand des Liedes und was der Teutsche Verfasser und | Concipist
intendiret / und mit Worten außdrücket / die da- I maligen Littaui-
sche Übersetzer nicht wol begriffen; sondern l mit andern jenen gar
ungleichen Wörtern in dieser Sprache || gegeben haben... “11 „... Was
aber die lexica, Wörter und phrases, oder I Redensart betrifft / so sind
darinnen so viel errata, daß man || sie albie alle nicht erzehlen kan.
Weniger ist das metrum I in acht genommen; dann da ist kein Vnter-
4159 Johannes Lehmann d. Ä., geboren 1590 zu Schwerin, scheint in Königs-
berg nicht immatrikuliert worden zu sein, wurde 1624 Pfarrer in „Kin-
ten, auch Windenburg genannt“, kam 1658 als litauischer Pfarrer nach
Memel. Ihm wurde 1661 M. Matthäus Praetorius adjungiert (siehe oben,
S. 144); starb 1664. Nachfolger wurden sein Sohn Johannes und nach
dessen Tode sein Enkel Johann Theodor. Quandt berichtet von einem
lebensgroßen Bilde Lehmanns d. Ä. in der Memeler lit. Kirche, auf dem
angegeben sei: „...Pater VII Liberorum totidemqve avus“. (Arnoldt,
Nachr. II, S. 157 und 161; Quandt, MSC 21, S. 102v; Erleut. Preuß.,
Bd. IV, S. 265).
1138 5. 7f. unpagin.
1135 5. 10 unpagin:
1136 Wje vorige Anm.
333
scheid inter versus I masculinos [et] foeminios, da sind die Syll’ben
selten recht Kenn / denn bald zuviel / bald zu wenig Syll’ben
in ei- || nem Vers verhanden sind / welche bald abgeschnitten / bald l
hinzu gethan werden müssen; da sind die rhythmi oder Rei- || me
nicht beachtet worden / massen offters sich kaum der letzte || Büch-
stabe reimet..., Vnd ist kein eintziges Lied l im gantzen Gesangbuch
darinnen lauter jambi oder trochaei |) wären .. .“1137
In diesem Bestreben fand Klein bei einigen Amtsbrüdern
volles Verständnis, von denen er auch eigene Liederübersetzun-
gen und -bearbeitungen erhielt. Andere „Neidhammel“ hätten
es vorgezogen,
»...in || der Irre und Finsterm zu verbleiben / denn aus dem irren
ein- || mahl zukommen und das Licht‘der Warheit zu schauen / und
zuerkennen was recht / was erbaulich und der Menschen || Seelen heil-
sam seyn könne.‘1138
Die Manuskripte, „...qvi est Gram- || matica Litvanica, unä
cum ab infinitis men- || dis repurgato, novisq[ue] hymnis qvam
plurimis || adaucto Ecclesiasticarum Cantionum libello....“, legte
er darauf der preußischen Regierung vor, um „diese Büchlein“ —
also hatte Klein damals schon ein nach seiner Meinung druc-
fertiges Manuskript seines „Gesangbuches“ in Händen — der
Zensur „...qvo- || ruln]dam Verbi Ministrorum exqvisitissimä
lin- || gvae Litvanicae cognitione imbutorum ...“"* unterwerfen
und drucken zu lassen.
Jene „...Viri docti taliq[ue] cognitione imbuti...“, die dar-
auf nach Tilsit zu einer Konferenz zusammengerufen wurden,
waren Christoph Sappun, Pfarrer in Gr. Rudupönen"®, der be-
1137 5, 20f. unpagin.
138 5, 25 unpagin.
1130 5. 8 unpagin.
1110 Christoph Sappuhn wurde 1589 geboren, scheint in Königsberg nicht
immatrikuliert worden zu sein; kam 1612 als Pfarrer nach „Enzuhnen,
und vorhin Groß Rudupehnen genannt“. Er heiratete 1613 eine „...
Jlun]gfr[au] Dorothea, Johannis Eccardi I Filia Herrn zu Brezkem...“
Half den Rehsaschen Psalter korrigieren (siehe oben, S. 240). Er schuf
die von Theophil Schultz überarbeitete und 1673 herausgegebene litaui-
sche Grammatik: „Compendium |) Gram[m]aticae Lithvanicae...“ (Siehe
das Vorwort: „Lecturo Salutem!“ von Schultz). Starb 1659. Nach Quandt
soll sich sein Bild in Lebensgröße in der Kirche von Enzuhnen befinden.
(Arnoldt, Nachr. II, S. 89; Quandt, MSC 21, S. 10v.) Siehe auch unten,
Bericht. und Erg.
334
kanntlich die von Theophil Schultz 1673 herausgegebene litaui-
sche Grammatik schrieb, Johannes Klein, Pfarrer in Kattenau“,
Johannes Hurtelius, Pfarrer zu Ragnit‘”, Friedrich Praetorius,
Pfarrer zu Szillen‘*, Wilhelm Martinius, Pfarrer zu Werden"*,
1a Fine Matrikel von Johann Klein im Königsberger Matrikelbuch läßt sich
bei der Häufigkeit des Namens nicht mit Sicherheit bestimmen. ]J. Klein
wurde 1633 zweiter Adjunkt des Pfarrers Machlet in Kattenau, dem er
1635 im Amte folgte. Starb 1662. (Arnoldt, Nachr. II, S. 95; Quandt,
MSC 21, S. 19v.)
1122 Johannes Hurtelius war ein Sohn des Ragniter Kantors Samuel H.,
wurde am 28. 6. 1623 mit seinen Brüdern Samuel, Friedrich und Georg
in Königsberg immatrikuliert. Am 22. 10. 1635 wurde Johannes H. in
Königsberg ordiniert und noch im gleichen Jahre deutscher und litaui-
scher Pfarrer in Ragnit, doch trat er „...Patri suo nimium indulgens...“
diesem die deutsche Gemeinde ab. Seit der Zeit war das litauische und
deutsche Pfarramt in Ragnit getrennt. So wurde nach dem Tode des
Vaters 1636 ein M. David Hoppius aus Köslin in Pommern deutscher
Pfarrer. Lepner sagt auf S. 105 von Hurtelius (1690): „Johannes Hur-
telius weyland, wohl verdient ge- | wesener Littauscher Pfarrer zu Rag-
nith, hat eine | ziemliche Anzahl der Littauschen Wörter aus dem ll He-
bräischen hergeleitet, in seinem von ihm geschrie- || benen nachmahls
entkommenen Wörterbuch (Le- || xico) welches er mir geliehen, als ich
mich nach l meiner Zurückkunft von denen Universitäten in || Deutsch-
land über Copenhagen, in der Littauschen || Sprache anfieng zu üben,
und ihm von mir ist || wieder zurück gestellet worden.“ Über H. als
Liederbearbeiter siehe unten, S. 336. Nach dem Tode des J. Hurtelius
1667 wurde Jacob Pusch (siehe unten, Anm. 1191) Pfarrer in Aulenbach
(früher Auluwönen genannt) sein Nachfolger. (Arnoldt, Nachr. II, S. 127;
Quandt, MSC 21, S. 78r f.; Erler, Königsb. I, S. 270.)
143 Friedrich Praetorius wurde am 20. 5. 1624 in Tilsit geboren und am 28. 6.
1634 mit seinen Brüdern Christoph und Gregorius in Königsberg imma-
trikuliert, doch wurde am 6.5. 1642 die Immatrikulation wiederholt und
der Vermerk: „iur[avit]“ zu der neuen Matrikel gesetzt. Nach seiner
Ordination in Königsberg am 1. 5. 1646 kam er im gleichen Jahre als
Pfarrer nach Szillen. Lepner schreibt auf S. 133 von Praetorius (1690):
„Es hat Herr Fridericus Praetorius, ältester Pfar- || rer unter allen Pre-
digern unsers Preuschen Littau- I en, ein Wörter- (ar aller Wörter,
so in der || Heiligen Schrift nach der Concordantz-Bibel | Agricolae zu
finden: Imgleichen eine Kinder- || Lehre, wie auch die Übersetzung der
vornehmsten I Sprüche aus der Heiligen Schrift Littausch ge- I schrieben
fertig, allein es findet sich hierzu noch kein || Verleger.“ Über Praetorius
als Liederbearbeiter siehe unten, S. 336. Er starb am 27. 2. 1695. 4
4 Wilhelm Martinius stammte aus Memel und wurde am 10. 6. 1636 in
Königsberg als „-Wilhelmus Martinius, Memelensis Borussus“ immatriku-
liert; nach Quandt, der sich auf ältere Angaben Stiemers stützt, wurde
335
sowie der schon genannte Pfarrer Johannes Lehmann zu Memel.
Dazu kam noch „...Dfomijn[us] Christophorus Praetorius,
Pastor in urbe || Regiomont. Litvanicus...‘““*, der wie die an-
deren die Manuskripte erst zu Hause durchgesehen hatte, dann
aber aus irgendwelchen Gründen an der Teilnahme an der Kon-
ferenz verhindert wurde und lediglich seine schriftlichen An-
merkungen Klein übersandte"*.
Von diesen Pfarrern hatten folgende ihre Liederübersetzun-
gen oder -bearbeitungen zum „Gesangbuche“ beigesteuert:
Johann Hurtelius (bei 27 Liedern des „Gesangbuches“ ist sein
Name angegeben), Friedrich Praetorius (7), Johannes Klein (5)
und Wilhelm Martinius (5).
Die Pfarrer tagten im Hause Daniel Kleins, und „...bina (!)
...opuscula... non levi- || ter [et] per transennam qvasi aspexe-
runt, sed in- || tentis oculis solicite omnia examinaru[n]t, qvae ||
qve monenda fuerunt, monuerunt dexterri || me, cuncta mecum
dirigentes in Ecclesiarum || juventutisq[ue] Studiosae commo-
dum adq[ue] usum... .“,
Scheinbar ist aber das „Gesangbuch“ nicht mit durchgesehen
worden, wie sich noch zeigen wird.
Nach der Korrektorenkonferenz widmete dann Klein die, wie
er sagt: „... Grammaticen novam unä cum annexo || Compen-
dio Germanico, ut [et] Lexico Litvanico...“ als „Erstlinge“ sei-
ner Arbeiten'* dem Großen Kurfürsten, und „legte sie ihm zu
Füssen“. Sie wären von Anschein nur äußerst gering, doch
er 1642 Nachfolger Johann Cynthius’ in Werden, wo er 1671 starb, wäh-
rend sein gleichnamiger Sohn Pfarradjunkt in Prökuls wurde. Nach Ar-
noldt jedoch kam W. Martinius erst 1645 als Nachfolger eines Martin
Martinius nach Werden und ging 1670 als Pfarradjunkt nach Prökuls,
wo er 1704 gestorben sein soll. (Arnoldt, Nachr. II, S. 162 und 165 f.;
Quandt, MSC 21, S. 108v und 111r; Erler, Königsb. I, S. 371.)
1135 Christoph Prätorius, am 3. 10. 1626 „zu Insz in dem Tilsittschen“ geboren.
Matrikel nicht sicher bestimmbar. Wurde Präzentor an der Sackheimer
Kirche in Königsberg und am 13. 9. 1648 als Pfarrer dortselbst introdu-
ziert. Starb am 24. 7. 1654. (Arnoldt, Nachr. I, S. 23; Quandt, MSC 18,
S. 111.)
110 5, 21 unpagin.
1197 Gramm., S. 8 unpagin.
118 Ebenda, S. 10 unpagin.
336
„...ad Sacra tamen || interiora exoptatissimum praeparabit aditum; I
qvippe fundamento hocce posito religvi li- |] bri Litvanici omnes, ipsa
qvogve Biblia Sacra ll aeqvä jam lance pensitari, pervideri, aut etiam l
de novo transferri [et] confici poterunt sine eä, || wam hüc usqve
timuere plures, hallucina- I tione.“
Hiermit könne auch die Jugend in der Tilsiter Schule eine solide
Grundlage ihrer litauischen Sprachkenntnisse legen.
Diese Vorrede ist am 6. Oktober 1653 geschrieben. Im glei-
chen Jahre noch erschien die Grammatik, während das Compen-
dium erst 1654 gedruckt wurde.
Das „Gesangbuch“ ist aus irgendwelchen Gründen Klein zu-
rückgereicht worden, wie wir noch sehen werden, und erst 1666
erschienen.
Das „Lexicon Litvanicum“ ist dagegen niemals gedruckt wor-
den, und das Manuskript verschollen. Höchstwahrscheinlich ist
aber eine Abschrift jenes Manuskriptes im Königsberger Staats-
archiv erhalten“, wie Gerullis gezeigt hat“. Auf der Titelseite
heißt es:
„Lexicon Lithu- I anicum, I in usum eorum conscriptum || qvi hujus
‚lingvae nondum capa- l ces sunt, sed fieri cupiunt. I actenus in
Bibliothecä D[omi]ni : Danielis ll Friederici Werneri. Secret. Insterb. l
reservatum || jam verö || ex donatione ejus benignä ad mea l manu-
scripta relatum. Theodorus Sicomann!!51, Anno Salutis l nostrae.
Insterpol: Borus : 1718 I Die 17 ?br:.“
Vorher haben aber, soweit bekannt ist, nur Johannes Hurtelius
und Fridericus Praetorius litauische Wörterbücher geschrieben,
doch ersterer brachte auch hebräische Etymologien, letzterer sam-
melte nur die „Wörter, so in der Heiligen Schrift... zu finden“®,
was bei unserem Wörterbuch nicht der Fall ist. Dagegen hat
Klein in seiner Grammatik Sirvyd zitiert, ohne dessen Namen
zu nennen“, auch zur Abfassung des Wörterbuches im Staats-
archiv ist Sirvyd benutzt worden”. Außerdem finden wir darin
die gleiche Orthographie und die gleichen diakritischen Zeichen
wieder, wie sie die Texte von der Hand D. Kleins zeigen, wenn
119 MSC 178v.
10 „Das Lexicon Lithuanicum Daniel Kleins“, K.Z., Bd. 50 (1922), S. 233.
1151 Gerullis vermutet: „Siegmann“,
1152 Sjehe oben, S. 335 Anm. fi42f. und Gerullis, l.c.; A. G. Krause, „Lit-
thauen“, S. 137.
453 Gramm., S. 15 unpagin.
22 Falkenhahn, Bretke 337
letztere in dem Manuskript des Staatsarchivs auch seltener zur
Anwendung kommen.
Schlägt man aber die Vokabeln der Anmerkungen des Kor-
rektors X, systematisch im Wörterbuch nach, so zeigt sich eine
auffällige Übereinstimmung im Wortschatz, während Bretke an
den Stellen weitgehend andere Vokabeln braucht. Zur Ver-
anschaulichung einige Beispiele:
Luther: Bretke: Ko: Lexicon Lit.
Jer. 21, 13: IV 102r 17vu: „Thal Daubas Pa-
„im Grunde“ „lankoie“ „pakalne“ kalne, ysz |] lai-
Ezech.5,2: „Das... IV 169r 16u. 18vo: tas (1)“
dritte Teil“ „tretze I) dali „treing“ „dritttheil Trei-
Ezech. 11,9: IV 176: Zwu: nasits
„Recht“ „tiesa“ „prowa“ „Recht Prowa“
Dan. 2,35: „auff der IV 247r 18vu:
Sommertenne“ „ant Taekies“ „klojimmo“ „Tenne Klojimas“
(später: „plano“)
Es spricht also alles dafür, daß in dem genannten Manuskript
Kleins „Lexicon Litvanicum“ in Abschrift erhalten ist. Nach
dieser Abschrift zu urteilen, wäre das Wörterbuch ziemlich flüch-
tig gearbeitet gewesen.
Kleins philologische Gelehrsamkeit und seine selbständige
Beurteilung der Probleme können wir in seiner interessanten
„Praefatio ad Lectorem...“ zu der „Grammatica ....“ erkennen.
Zunächst tritt er darin der Auffassung vieler Zeitgenossen
entgegen, daß aus dreierlei Ursachen für das Litauische keine
Grammatik mit festen Sprachregeln, wie etwa für das Lateini-
sche und Deutsche, geschrieben werden könnte"*, denn 1. „...
lingva haec sit mixta [et] confusa lingva 2. || Usus ejus incertus
3. Dialecti variae...“ .
. Es wäre richtig, daß das Litauische mit fremden Bestandteilen
vermischt sei, aber daraus folge doch nicht, daß diese Sprache
keine festen Regeln für die Deklination usw. haben könnte!
Auch das Lateinische habe griechische Wörter aufgenommen,
»...Ec- || qvis enim ignorat, Latinos hellenizare, Polonos Ger-
ma- || nizare?...“ Die Litauer ‘unterwürfen die fremden Be-
usa Fehlt auch bei Kurschat!
3155 5, 13 unpagin.
338
standteile genau so den festen Regeln ihrer Sprache, wie dies
einst die Römer mit den griechischen Vokabeln getan hätten.
Der Sprachgebrauch (usus) sei wirklich regional verschieden:
die einen sagten „giwata“ (vita), die andern „ziwätas“, was vom
polnischen „zywot“ käme, während es richtiger „...giw&nimas ||
aut per syncopen giwenims...“ heißen müßte; statt „szulline“
(„ein Brunn“), wie es in Tilsit und in Zemaiten hieße, sagten die
Bewohner des Großherzogtums Litauen und die der angrenzen-
den Gebiete „szullinys“ usw.‘ Bei Martial und Propertius hieße
ein und dasselbe Wort „palumbes“, „palumbus“ und „palumba“,
die Deutschen schrieben und sprächen: „...kräe | aliäs kräye ;
alias || krähe...“, was doch aber nicht hieße, daß man das La-
teinische und Deutsche nicht in feste Regeln fassen könnte!
Auch verschiedene Dialekte hätte das Litauische, genau wie
es im Deutschen einen bayrischen, österreichischen usw. Dialekt
gäbe. Nach einer sehr interessanten Abhandlung über litauische
Dialekte, die zeigt, daß ihr Verfasser diese Frage aufmerksamst
studiert hat”, sagt Klein, daß mit dem Litauischen genau so
verfahren werden müßte, wie es seinerzeit die Griechen mit ihrer
bekanntlich ebenfalls in verschiedene Dialekte, wie das Attische,
Dorische usw. gespaltenen Sprache getan hätten, nämlich: „...
Excolamus || unam aliqvam Dialectum, qvae communissima,
omni- || umqve optima esse censetur, qvalem modd indigitavi- ||
mus. De hac tradamus Praecepta [et] Regulas, ita tamen || ut
caeterarumqvoqlue] fiat mentio, quö illae ab hac discerni || pos-
SInt Re
Daniel Klein hat anscheinend auc litauische Literatur ge-
lesen, denn er zitierte, wie schon gesagt, Sirvyds „Punktay Sa-
kimu“ S. 1 als Beispiel des Wilnaer Dialekts, ohne jedoch seine
Quelle anzugeben”. Auch wußte er offenbar erheblich mehr
über die litauischen Dialekte zu sagen als er in dieser Vorrede
mitgeteilt hat, denn er hatte vor, mehr über diese Fragen zu
schreiben: „...Sed de his ((d. h.: dialectis)), si || Deus vitam
concesserit, fortean alibi ex professo, [et] plu- || ribus.. .““**
1156 Siehe den wörtlichen Auszug dieser Stelle bei Bezzenberger, B.G.L.S., S. 3.
457 Die Abhandlung Kleins über die Dialekte ist bei Bezzenberger, 1. c.,
S. Lff., wörtlich abgedruckt.
1158 Gramm., S. 18 unpagin.
22* 339
Im weiteren widerlegt Klein die Behauptung, eine Gramma-
tik sei überflüssig, da man die Sprache besser aus dem Gebrauch
erlernen könne. Man fände nämlich selbst unter denjenigen, die
unter den reinsten Litauern wohnten, und auch die Sprache
eifrig zu lernen bemüht wären, nur äußerst selten jemanden,
der ohne Verunstaltung der Worte, ja ohne Entstellung des
Sinnes, seine Gedanken zum Ausdruck bringen könnte"*. Weiter
würde durch die Klarstellung der Sprachregeln des Litauischen
der Weg zu einer Bibelübersetzung oder Revision geebnet. Aber
auch ganz abgesehen davon hätten das Lateinische, Deutsche,
Polnische usw. ihre Grammatiken, und
»... weshalb sollten nicht auch wir von jenem Rechte gebrauch
machen, diese ((litauische)) Sprache, die Viele barbarisch und verwirrt
nennen, durch kunstvolle Regeln zu verfeinern, damit sie endlich ein-
mal von dem Unflat gereinigt würde, von dem sie so lange bedeckt
darnieder lag, und durch den ((allen andern)) gemeinsamen Glanz er-
freue?“
Im folgenden unterrichtet Klein den Leser über die Methode,
nach der er zum ersten Male, wie er sagt, Regeln für die litaui-
sche Sprache aufgestellt hätte und zeigt, mit welcher Vorsicht
er dabei zu Werke gegangen sei. Bittere Bemerkungen über die
Neider, die, wie wir noch sehen werden, den Druck des „Gesang-
buches“ hintertrieben, schließen die Vorrede.
In zwei folgenden lateinischen Gedichten an Daniel Klein
feiern ihn der Rektor der Tilsiter Kurfürstlichen Schule, M. Cas-
parus Devitius"", und „Simon Dachius. || in Acad. Regiomont.
Poes || Prof. Publ.““*. D. Klein muß also auch mit letzterem
näher bekannt gewesen sein. Sie feiern Klein als „Vindex“ der
vernachlässigten und als barbarisch verschrieenen litauischen
Sprache, der er zu ihrem eigentlichen Glanz verhülfe.
Im nächsten Jahre erschien nun das „Compendium || Litva-
nico-Ger- || manicum, || Oder || Kurtze und gantz deutliche An- ||
1159 5, 19 unpagin.
1160 M. Caspar Devitius stammte aus Pasewalk in Pommern, wurde am 1. &.
1639 in Königsberg immatrikuliert: „Casparus Devitius, Paswalco-Pome-
ranus, iur...“, magistrierte am 9. 7. 1643, wobei er „de luna“ disputierte,
und wurde im gleichen Jahre Rektor an der Tilsiter Provinzialschule,
starb 1665. (Arnoldt, Zusätze, S. 132; Fortges. Zus., S. 60; Erler, Königsb. I,
S. 404.)
1161 Siehe oben, S. 139 f.
340
führung zur Littauschen Sprache / || wie man recht Litausch
lesen / schreiben || und reden sol.“ Klein hat sie deutsch geschrie-
ben, wie er in der „Vorrede || An den günstigen Leser” sagt,
„Weil... aber nicht allein Studiosi, Pastores und an- || dere Literati
an den Littauschen Oertern dieser Spra- || chen Wissenschafft von
nöthen haben; sondern auch || denen selbige zu statt kommen kan /
die nicht studieret / I und aber mit Littauschen Völckern / umbgehen /
| selbigen fürstehen und Gerechtigkeit pflegen müssen: l Als
hab ich auch jhnen mich bequemen / und auff Theils I ihrer Bitte diese
kurtze Anführung oder Anleitung zur || Littauschen Sprache / so mit
Deutschen Praeceptis und I Regulis verfasset / der Grammatick an-
hengen wollen.“ Dieses „Compendium“ ist „...nur ein kurtzer Be-
griff || ... dessen / was in der Grammatick weitleufftiger abge- || han-
delt worden / wiewol in selbigem auch zu befinden I ist / was in der
Grammatick damals übergangen wor- || den... .“:1°
Nach der Vorrede folgen die grammatikalischen Abhandlungen
in deutscher Sprache.
Beide Werke bezeugen Kleins gründliche Kenntnis des Litaui-
schen, die es ihm allein ermöglichte, ohne irgendwelche Vorarbeit
zu haben, so vorzügliche Darstellungen der litauischen Sprache
zu geben.
Ein Klagebrief Kleins an den Großen Kurfürsten"* gestattet
einen Blick in seine Pfarrpraxis, in der er ebensoviel Gewissen-
haftigkeit wie Weltunklugheit an den Tag gelegt zu haben
scheint:
„Im vergangenen 53. Jahr...“ nämlich hatte er „...ein paar ver-
lobtes Litt. Volck...“ trauen wollen, doch nach dem ersten Aufgebot
kamen liebe Dorfnachbaren der Braut zu Klein und berichteten, daß
sie „...der Hofmann I Zu Kalwen, bey dem sie gedienet, geschwen-
gert und betrogen hette...“, was die Braut und die Eltern bei der
nächsten Beichte eingestanden. Daniel Klein war nun ratlos, ob eine
solche Braut zu trauen sei. Er wollte die Entscheidung, wie er sagt,
schließlich der weltlichen Obrigkeit überlassen, und wandte sich an
den Hauptmann von Tilsit mit einer Bitte um Anzeige. Doch Hoff-
mann war längst bei dem Hauptmann gewesen und hatte Klein ver-
klagt, weil ihn dieser des Ehebruchs bezichtigt hätte. Der Hauptmann
schob unserm armen Klein die Anzeige zu, und nannte ihn, als er sich
weigerte, „...einen unbesonnenen Kerl, auch einen Delatorem ...“,
“
1162 5, 4f. unpagin.
1168 5, 6 unpagin.
a0 FM. 138a 2, Aktenpack: (ohne Aufschrift). Brief eingegangen am 18. 6.
1654.
341
weil er „...aussagte, was die || hurr über den hofmann Zu Kalwen
bekant hatte...“, und es würde ihm „...so gehen, wie dem Pfarrern
von Piktuppenen, || welcher vom Dienst abgesetzet werden sol...“ usw.
Klein sah nun keinen andern Ausweg mehr, als sich in dem genannten
Klagebrief an den Großen Kurfürsten zu wenden.
Nach der deutschen Vorrede zum „Gesangbuch“ zu urteilen”
muß sich Daniel Klein bald nach dem Erscheinen der „Gram-
matica“ und des „Compendium“ nochmals mit der Bitte um Ein-
berufung einer Pfarrerkonferenz zur Durchsicht seines Gesang-
buchmanuskripts an die kurfürstliche Regierung gewandt haben,
und zwar sollten außer „Christophorus Sap- || phun... Johannes
Klein... Johannes Hurtelius... Johann Lehman... Wilhelmus ||
Martinius...“ und „Fridericus Praetorius“, die alle bereits an
der Konferenz zur Durchsicht der Grammatiken teilgenommen
hatten (siehe oben, S. 334 f.), noch folgende Pfarrer teilnehmen:
»...ıim Insterbürgischen Ambt / || Herr Valentinus Feyerstock**
...Im Ragnitschen Herr Bur- || chardus Löbel“”... und nach-
mahls in theils jhre durch den bald er- || folgten Tod entledigte
1165 5, 2] unpagin.
1168 Valentin Feuerstock stammte aus Tilsit, wo er seit 1603 an der Provinzial-
schule Subrektor war. Am 2. 3. 1604 wurde er Nachfolger Johannes Bie-
lauks in Georgenburg. Half den 1625 gedruckten Rehsaschen Psalter korri-
gieren (siehe oben, S. 240), kam 1626 (Quandt 1625) als Diakon nacı
Insterburg, starb 1653. „Um diese Zeit ward auch ein polnischer Predi-
ger all- l hier gehalten, und der 1646 vorhandene hieß Benediet N“ (Ar-
noldt). Auf dem Leichenstein in Insterburg wird er „Litth. Pfarrer || vnd
deutscher Caplan“ genannt (Quandt). Seine Söhne Christoph und Johan-
nes wurden 1625 und 1628 in Königsberg immatrikuliert. (Arnoldt,
Nachr. II, S. 84 und 91; Quandt, MSC 21, S. 5r und 12v; Erler, Königsb. I,
S. 291 und 308.)
117° Burchard Löbel ist in Ragnit geboren, wurde am 11. 11. 1609 in Königs-
berg inskribiert: „-Burchartus Lobelius, Ragnetensis Lithuanus...“ Ist
wohl nach Abschluß des Studiums als Pfarrer nach Wischwill gekommen, '
denn er wurde im gleichen Jahre als Pfarrer zu Wischwill mit „...Re-
gina Fridrich I Kleinen Civis Cneiph. Filia...“ zur Hochzeit aufgeboten
(Kneiphöfsches Traubuch 1617). Kam 1621 nach Kraupischken (heute
Breitenstein), wo er „...durch H. Magister von Inster- || burg (Here
Julio Nicolai) deutsch, vnd durch I) H. Pf. von Georgenburg Littauisch
intro- || duciret...“ wurde. Gehalt anfänglich 72 M., später 122 M. Starb
1648 (Arnoldt) oder 1653 (Quandt). (Arnoldt, Nachr. II, S. 97 und 135;
Quandt, MSC 21, S. 21r und 92r; Erler, Königsb. I, S. 190.)
342
Stelle surrogirte... Herr Melchior Schwabe”® / Herr M. Joh.
Wilh. || Lüdemannus"®, und Herr Michael Gallus”... .“ Das Ge-
1188 Sehr wahrscheinlich ist folgende am 7. 3. 1644 eingetragene Matrikel der
Königsberger Universität die unseres Melchior Schwabe: „-Melchior
Schvabe, Insterburgensis Borussus iur....“ Jedenfalls wurde er am 27. 6.
1650 in Königsberg ordiniert und kam im gleichen Jahre nach Groß-
waltersdorf (früher: Walterkehmen). Über Schwabe als Dichter litaui-
scher Lieder siehe unten, S. 344. Er starb 1663 (Quandt wohl irrtümlich:
1660). (Arnoldt, Nachr. II, S. 108; Quandt, MSC 21, S. 33v; Erler, Kö-
nigsb. I, S. 454.)
116 M. Johann Wilhelm Liidemann, geb. in Harburg bei Lüneburg, wurde
am 15. 5. 1640 in Königsberg immatrikuliert, Juni 1652 ebenda ordiniert
und kam als Diakon nach Gumbinnen, aber 1653 als Pfarrer nach Bal-
lethen, von wo aus er am 1. (oder 23.2) 4. 1655 magistrierte. Im Septem-
ber des gleichen Jahres tauschte er mit dem Pfarrer von Steinsee (früher:
Niebudschen), Johann Kersten, die Pfarrstellen; starb 1661. (Arnoldt,
Nachr. II, S. 87 und 103; Quandt, MSC 21, S. 7v, 17r und 29; Erler, Kö-
nigsb. I, S. 475.)
1170 Mütterlicherseits stammte Michael Gallus aus der Familie eines „N(!)ar-
cuß Thallutten“, dem 1515 3 Hufen und ein „Lithauscher Krug“ zu „Nar-
kaiten“ (Amt Memel) zu magdeb. Recht vom Orden verschrieben wurden
(E.M. 98d Ruß, Abschrift aus dem Hausbuche „Zu Schloß“). Nach Oster-
meyer heiratete seine Mutter einen Bauern „Gaidys || d. i. Hahn“ im
Dorfe Gaidelen, Amt Heydekrug (siehe oben, S. 247 Anm. 800). Mich. Gal-
lus besuchte unter M. Caspar Devitius (siehe oben, Anm. 1160) die Pro-
vinzialschule zu Tilsit, kam als Alumnus nach Königsberg, wo er am
15. 6. 1652 in die Universitätsmatrikel eingetragen wurde: „-Michael Gal-
lus, Memela-Borussus...“, wofür ihm die Gebühren nicht erlassen wur-
den. Ordiniert ebenda am 19. 6. 1656, kam im gleichen Jahre als Pfarrer
nach Ruß. In einem Gesuch von 1663 klagte er dem Konsistorium, daß
er aus Armut schon sieben Jahre keinen neuen Mantel hätte anschaffen
können, er hätte „ex beneficio“ des Kurfürsten studiert und bäte um
Unterhaltsverbesserung oder Verleihung des mütterlichen Kruges mit den
3 Hufen: „...mein demutigstes flehen V. bitten, || Sie geruhen mich dero
Lithauwen mit dieser Lithauschen Erbe Von 3 huben I Zu begnaden...“.
Er würde die zwei „Mägdchen“, auf diesem Erbe zu sich nehmen, an die
deutsche Sprache gewöhnen, kleiden und später aussteuern. In dem Be-
richt des Konsistoriums an den Kurfürsten vom 27. 7. 1663 heißt es von
M. Gallus, „...daß er, al ein gebohrner Littaur, || deßen Eltern schlechte
Leuthe gewesen, sich Zeit seines Predigtambts ermaßen erwiesen, daß
ernicht allein seinem Kirchspiel mit rei- || ner Lehre vndt einem vnsträf-
lichen wandel vorgangen, sondern ll auch wol andern sich Zum Exempel
erwiesen, daß er dannenhero I) weitere beforderung wol wurdig seiy...“.
Das Konsistorium bat, „...ihme, alß einem Littawer vnd einZiger der I
von solchen schlechten Leuthen so weit es gebracht, daß er Zum I Pre-
343
such wurde bewilligt und eine Revision veranstaltet. Nachdem
die „Herrn Pastores... auch einige neue || Lieder mit hinzu-
getragen....“, empfahlen sie das Werk der Regierung zum Druck.
Es wurde dann auc „...dem Buchdrucker alsobald von höchst-
gemelter Regie- || rung übergeben...“
Außer den oben (S. 336) bereits genannten haben folgende
Pfarrer Lieder beigesteuert: Melchior Schwabe (bei 18 Liedern
steht sein Name), M. J. W. Lüidemann (8) und Michael Gallus (1).
Außerdem sind folgende Namen bei je einem Liede im „Gesang-
buch“ angegeben: Christoph Schmied”, Johann Heinrich Leo-
pold"” und „C.C.“, was offenbar Christoph Cynthius, Pfarrer
in Koadjuten"” war.
digt Ambt tüchtig...“, sein Einkommen zu verbessern. M. Gallus starb
nach Quandt 1698, nach Arnoldt 1689. (Arnoldt, Nachr. II, S. 164; Quandt,
MSC 21, S. 109v f.; Erler, Königsb. I, S. 530.)
171 Christoph Schmidt, geb. 10. 11. 1610 zu Salau, in Königsberg 18. 6. 1624
immatrikuliert, 12. 10. 1640 ordiniert und zwei Tage später als Pfarrer
in die litauische Kirche auf dem Sackheim zu Königsberg eingewiesen.
„T 1648 I 28 Jully ulm] 1. pomer. am Fiebjer] alt. 38.“ (Nach Arnoldt
gest. 18. 6.) (Arnoldt, Nachr. I, S. 23; Quandt, MSC 18, S. 111r; Erler,
Königsb. I, S. 280.)
1172 Johann Heinrich Leopoldi stammte aus Erfurt, am 22. 5. 1642 in Königs-
berg inskribiert: „-Johannes Henricus Leopoldi, Erfurtensis, iur...“, und
am 8. 10. 1651 dort ordiniert, kam im gleichen Jahre (nach Arnoldt be-
reits 1650) als Pfarrer nach Stallupönen, wo er 1662 starb. (Arnoldt,
Nachr. II, S. 116; Quandt, MSC 21, S. 37v; Erler, Königsb. I, S. 431.)
473 C, Cynthius war ein Tochtersohn des bekannten Bischofs Joachim Mör-
lin (siehe oben, S. 72f), sein Vater, Johann C., hatte von 1621 bis zu sei-
nem Tode 1642 das Pfarramt in Werden inne. Christoph Cynthius war
noch 1649 „custos“ an der Königsberger Kneiphöfschen Schule. Er wurde
am 3. 4. 1650 als „Christophorus Cynthius, Werdena-Prussus, iur. pau-
per“ in die Universitätsmatrikel inskribiert, wobei ihm alle Gebühren
erlassen wurden. 10. 7. 1656 in Königsberg ordiniert und gleich darauf
vom Tilsiter Erzpriester als Adjunkt des Koadjuter Pfarrers Joh. Hart-
wich aus Kuckerneese introduziert. Als aber C. Cynthius „...kaum als
adjunct[us] s[ein] Amt angetreten, ll wurde 1656 die Kirche von dl[en]
Zamaitten ge- || plundler]t, auch 5 Glock[en] weggen[ommen] l an
d[er]en Stelle Chrff. Fridrich Wilhelm 2. || neue Glocken geschencket auf
welch[en] beyden der Churffl. Nahme zum Andlen]k[en] aufgegossen ...“
_- Als Hartwich 1662 an der Pest starb, wurde C. Cynthius sein Nachfolger.
Nach einer Kirchenrevision am 1. 3. 1666 wurden ihm 5 Hufen zugewie-
sen und sein Gehalt von 50 auf 80 Florinogulden erhöht. Er starb April
1674. (Arnoldt, Nachr. I, S. 143 und 163; Quandt, MSC 21, S. 63v und
111r; Erler, Königsb. I, S. 520.)
344
Doch die „Grammatica“ und das „Compendium“ müssen
nach ihrem Erscheinen mancherorts eine schlechte Aufnahme er-
fahren haben, jedenfalls wurde nach Kleins Angaben der Druck
des „Gesangbuches“ immer weiter hinausgezögert. Er schreibt
selbst in der Vorrede zum „Gesangbuche“ darüber:
»... die zwo ehrlichen Schwe- |] stern Neid und Mifgunst... folgten
mir, auff die Ver- | sen nach / und wolten den Fortgang dieses zur
Ehre | und Erbauung seiner Kirchen werckstützig machen /
durch || Verachtung meiner vor diesem ans Licht gegebener neuer I
Littauschen Grammaticken und Compendii, da doch keiner ES
diesen und andern Neidhammeln eine solche erfunde- || ne Arbeit je-
mahlen gesehen / noch sie selbst in solcher confor- || mität / ohne
Ruhm gesagt / erfinden können: Dann auch || durch Verkleinerung der
andern Arbeit im Gesangbuch und || Vernichtigung der neuen Littau-
schen Lieder / da sie sich doch || vielmehr zu entröhten hätten / daß
sie die alten Lieder mit so || viel vorgesagten erratis und Fehlern in
den Wörtern / in den ]| phrasibus, auch im Verstande selbst / zuwieder
der ähnlig- I keit des Glaubens / angefüllet / so lange Jahre hero
mitge- |] sungen / und solche Fehler nicht in acht genommen / weniger I
sie selbst geändert / oder es zu ändern / andern übergeben. || Das
richten über die neuen Lieder / die doch ein weit ander || Ansehen für
jenen haben / ist zwar groß / aber von keiner l Würden..., ...den-
noch hat solch ihr Verachten / Vernichten / || und unzeitiges Richten
dieses zu wege gebracht / daß das || Werck etliche Jahre hero liegen
geblieben / und wiewol be- || reits anno 62. die sämptliche Herren
Pastores aus dem Tilsi- I schen / Ragnitschen und Memelschen Aemb-
tern umb Fort- || stellung und continuirung des Drucks einmütiglich
bey || hochgedachter Regierung angehalten / hats doch bald an
einem / bald am andern mangeln müssen / ohngeacht ichs öf- || ters
und fast wöchentlich urgiret, auch durch andere nicht mit geringen
Vnkosten urgiren lassen / bis endlich des Sa- I tans Listen / der sei-
nem Reich nicht gern einen Abbruch ge- | schehen lässet / gesteuret
und das Gesangbuch zu Ende ge- || drücket und aufgefertiget wor-
den.“117a
Nach der lateinischen Vorrede jedoch hätten die Pfarrer bereits
»...anno 61. Supremum Magistratum...“ um Beschleunigung
des Druckes gebeten':”.
Ein interessantes zeitgenössisches Urteil über die Arbeit
Kleins und einiger seiner Helfer haben wir in dem Buche „Der
Preusche Littauer“ (abgeschlossen 1690) auf S. 115 f., wo Lepner
sagt:
17 S. 22. unpagin.
175 5, 6 unpagin.
345
»...Man kan in der Littauschen Sprache fast so zier- || lich poetisiren
und den Reim beliebt und angenehm || setzen, als in der deutschen
und andern Sprachen, || welches aus dem auf gnädigstes Begehren
der I hohen Herrschaft von M. Daniel Kleinen im Jahr | des Heyls
1666. durch den Druck gemein-gemach- I ten Gesang-Buch genugsam
erhellet. Was die I neu-gesetzte darin befindliche Lieder betrift, ge-
fallen || mir sonderlich (welches doch ohne Verringerung || der andern
geschrieben wird) die Lieder des seel. l Herrn M. Kleinen, wohlver-
dientgewesenen Littaui- l schen Pfarren zu Tilsit, Herrn Johann Hur-
telii, || lang und wohlverdient-gewesenen Litt-Pfarren zu N Ragnit;
Herrn Friderici Praetorii, annoch wohl- || meritirenden Pfarren zu
Szillen, welcher jetzo Se- I nior ist unter allen Pfarrern in unsern
Preußi- || schen Litauen. Ingleichen des auch seeligen schon fast vor
sechs und zwantzig Jahren verstorbenen I Herrn Melchior Schwaben,
treu-gewesenen Pfar- || ren zu Walderkehmen, welcher ihm seiner
sonder- || bahren gehabten guten Eigenschaften auch der || Wissen-
schaft und scharffen Nachsinnen in der |j Littauschen Sprache, ein
wohl-klingendes Anden- || cken, sowohl bey vielen Nahmhaften Män-
nern, || als insonderheit bey mir nachgelassen. Es hat || dieser noch
längeres Leben-würdige Mann, zehn || Lieder in allerhand Nöthen,
wie auch eines wider den Türcken, wohl poetisch und geistreich, zu
sin- I) gen, Littausch aufgesetzet, welche ich bey mir ver- I wahret
halte, und des Druckes wohl werth wä- |] ren, im Fall sich ein Ver-
leger finden möchte.“
Obwohl Klein einerseits von verschiedenen Kollegen und
Freunden große Sympathie entgegengebracht zu sein scheint, wie
die der Grammatik und dem Gesangbuch vorangestellten Ge-
dichte vermuten lassen, so hören wir andererseits doch aber in
den Akten immer wieder von allerlei Streitigkeiten, in die er
verwickelt war, und die ihm das Leben erschwerten.
Nachdem ihm 1662 die Mutter seiner sieben Kinder gestorben
war, „... verehelichte er sich mit J|un]gf[rau] Annam || Fridrich
Casseburg Hofgerichts Advocati Tochter, mit djer] || er eine
Tochter gezeuget .. .“”
Infolge von allerlei Streitigkeiten, in die Klein in diesen Jah-
ren verwickelt war, sah sich der Hauptmann von Tilsit veranlaßt,
am 9. Februar 1664 einen Bericht hierüber an den Großen Kur-
fürst zu senden, und um eine Kirchenrevision zu bitten. In dem
Antwortschreiben heißt es, der Kurfürst hätte
»... vngern vernom- || men daß zwischen der Teütschen vnd || Littaui-
schen Kirchen so wol Pfarrern l alß Kirchen vätern alda vnordnung
178 Quandt, MSC 21, S. 62r.
346
vnd || Strittigkeiten entstanden, also daß auch || ... prae- || judicir-
liche Sachen eingerissen...“ Es würde eine Kirchenrevision befohlen
werden, doch sollten zuvor alle „... Unordnungen vnd Strittig- I kei-
ten wie auch die eingerissene Prae- I judicia vnd enormitäten in spe-
cie..
aufgezeichnet werden”.
Es war auch schon lange zwischen Daniel Klein und dem
deutschen Diakon zu einem Streit gekommen, weil sich Klein
weigerte, die zum Tode verurteilten Angehörigen der deutschen
Gemeinde zum Richtplatz zu geleiten und bei der Hinrichtung
dabei zu sein. Anfang August 1665 hielt es der Hauptmann von
Tilsit, Abraham von Pudewels, für „hochnötig“, dem Großen
Kurfürsten zu berichten, daß
»... Zwischen hiesigen Littawsch[en] Il Pfarren vndt deutschen Diacon
wegen || wegen || tröstung der Maleficanten allerhandt Contra- I Ver-
sien vndt misshelligkeiten entstehen, weil | fortmehro Keiner von
ihnen denen Leuth[en] I welchen Dz Leben Bereits abgesprochen im
Ambte Bey dem Execution Actu mehr || Beywohnen sondern sol
negotium I einer dem andern vfbürden vndt von I sich schieben will,
auß welch ihr vnnötiger || streit dann nicht anders als eitel Ärger- ||
nuss vndt allerhandt Böses nachdenke[n] l Bey dem Gemeinen Mann
entstehet, || wie dann newlicher Zeit alss ein Manns |] Persohn mit
dem Schwerdt solte gerichtet |) werden, der Littawische Pfarrer den- I
selben Biss anden richt Platz Zu begleiten || Zu trösten undt bey der
aussfuhrung Zu |] sein sich geweigert...“
Klein behauptete, er hätte nur die Litauer auf ihrem letzten
Gange zur Richtstätte zu geleiten, dagegen wäre es Pflicht und
Schuldigkeit des deutschen Diakons, dieses Amt bei den ver-
urteilten Deutschen zu versehen. So
»... hette dahero baldt beregter (!) Armer || Sünder, wann vor dieses
mahl solches I noch nicht der Caplan auf sich genom[m]en I hätte,
ohne trost dahin gehen vndt sterb|en] I müssen. Vndt weil abermah-
len I von denen im Ambt inhafftirteln] Malefi- || canten innerhalb
Kurtzer Zeit woll I einer, Leider! durch Vrtheil vndt I Recht wirdt
sterben müß[en], Besorge ich, l daß von denn beeden Geistlichen,
wegen || ihres vnnötigen Zangs vndt haders, l Bey dem Execution
Actu, keiner l sich wirdt wollen gebrauchen Lassen .. .“1177
Doch zeigte sich, daß der deutsche Diakon von der Stadt besoldet
wurde und nur für die Deutschen der Stadt da war, während
Klein für den Dienst an den Übeltätern des Amtes von diesem
27 E,M. 138e 2, Aktenheft: „Wegen Kirchen, und Schul- l wesens in Tilsit“.
347
jährlich 20 Scheffel Korn und 20 Scheffel Gerste” bekam, er also
auch die Deutschen aus dem Amte auf ihrem Todesgange zu ge-
leiten hatte. .
Im Herbst 1666 erschien nun auch endlich das „Gesangbuch“
mit dem „Gebetbüchlein““'”, zu denen Klein am 7. September
das lateinische Vorwort schrieb. In diesem Vorwort widmete er
sein Werk den „Plurimum Reverendis, Praeclarissimis, || Reve-
rendis Qvoq[ue], Eximiis Atq[ue] || Doctissimis || Viris, || Domi-
nis Archipresbyteris atq|ue] || Pastoribus omnibus [et] singulis
distrietuum || Insterburgensis, Tilsensis, Ragnetensis, Meme- || len-
sis [et] Labiensis in Prusia nostra Litvanicorum, || Dominis, Fau-
toribus, Confratribus [et] Amicis || omni observantiae [et] hono-
ris cultu aeta- || tem proseqvendis...“
Von den 234 litauischen Liedern und liturgischen Texten sind
38 mit dem Namen Daniel Kleins versehen, also sicher seine
Arbeit, während 70 Lieder Namen seiner Kollegen zeigen'”.
In der lateinischen Vorrede spricht Klein von der Bedeutung
des geistlichen Gesanges für die seelische Erbauung, doch den
Litauern fehle ein neues Gesangbuch
»...qvod qvin- || qvaginta [et] qvatuor annorum*:#, qvo editio nulla !
iterata, spatio exemplaria cantionum fer® omnia || ita distracta [et
usu diuturno detrita sint, ut pluri- l mi Praecentores [et] nonnulli ex
ipsis qvoq[ue] Pastori. Il bus coacti fuerint descriptis [et] haut rarö
falsissim& l descriptis exemplaribus uti.. .“1182
Die vielen Fehler des alten Gesangbuches verlangten eine Neu-
bearbeitung; aber vieles könne man nicht sogleich verbessern,
um die Einfältigen nicht zu verwirren. Hier möge die Zukunft
vollenden, was jetzt begonnen wurde: „...in futurä, si super- ||
stites nos voluerit Coeleste Numen, editione Ca- || techeseos,
Evangeliorum, Epistolarum [et] S. Hi- || storiarum sectabi-
mur...“® Da man nicht nur im Liede mit Gott spräche, sondern
auch im Gebet, wäre dem „Gesangbuche“ ein „Gebetbüchlein“
117 7u den Maßen siehe oben, S. 60f., 72, 3 u. ö.
1170? Den genauen Titel siehe Gerullis, Skait., S. 300 f. und 308 f., sowie V. Bir-
ziSka, Liet. Knyg. Ist. Bruozai, S. 47.
1180 Dje genauere Verteilung siehe oben, S. 336 und 344.
1181 Also Sengstocks „Giesmes...“ von 1612.
182 5, 4 unpagin.
1189 5, 5 unpagin.
348
beigegeben. Die Mühe und sorgende Mitarbeit der Kollegen an
diesem Werke verpflichte ihn dazu, es ihnen zu widmen. Schließ-
lich fordert Klein zum Gebet auf, daß durch die Gnade Gottes
und die Wohltat des Kurfürsten „...aliqvando Sacer Codex ||
Vet[eris] [et] N[ovil Testamenti in nostra qvoq[ue] Litvanis
ver- || nacula lingvä legi, [et] täm varia ex mente ipsorum || [et]
pro captu cujuslibet Metaphrastae"* [et] sacrorum || Doctoris
sine [et] contra plerung[ue] mentem Spiri- || tus S[ancti] [et]
genuinum sensum cessare possit inter- || pretatio ...“*'*
In dem deutschen Vorwort: „Nothwendige || Vorrede und Be-
richt an || den leser““* spricht Klein wieder von der erbaulichen
Wirkung der Kirchenlieder, berichtet von seinen Bemühungen,
seinen litauischen Zuhörern diese Lieder ‚von Vers zu Vers“ zu
erklären und füllt schließlich zehn Seiten nur mit Beispielen von
Fehlern, die diese litauischen Liederübersetzungen aufwiesen!
Er spricht von seiner Arbeit, von der Revision durch seine Kol-
legen und von dem Kummer, den ihm „Neid und Mißgunst“ be-
reitet hätten. Der Leser würde aber selber merken, wieviel Mühe
dieses Werk gekostet habe,
„...und wie man gar behutsam mit emendirung || der alten Gesänge
verfahren müssen / dergestalt / damit die in || geistlichen Sachen gar
einfältige Littauen nicht zu sehr ver- l wirret würde[n]. Darumb man
die ihnen sehr bekante und gemei- I ne Lieder / insonderheit auff die
Festtage gar wenig (nur da || zu handgreiffliche Fehler gewesen) ge-
ändert und ändern || dürffen. Doch ist eine gewisse Abmessung der
Syliben und || einige Reimung / auch richtiger Verstand eingeführet
WOL- I den; daß sie dennoch numehro eine bessere ähnligkeit nach I
der Poeterey haben...“
wie das ein Vergleich mit den Liedern des alten Gesangbuches
zeigte"”. Auch die deutschen Kirchenlieder wären nicht gleich
vollkommen gewesen, und erst später verbessert worden, wie die
von ihm angeführten Beispiele zeigten. Derjenige Kollege aber,
der dieses neue Gesangbuch nicht in seine Kirche einführen
wolle, möge sehen, „... wie ers || für GOtt und der Landes hohen
Obrigkeit werde verantwor- || ten können.“
1184 Übersetzer.
1185 5, 7 unpagin.
1180 Ab S. 9 unpagin.
1187 5, 23 unpag.
349
Klein sagt ausdrücklich, er hätte die Gebete des „Gebetbüch-
leins“ nicht
„»... denen geüb- I ten Lehrern / und in der Littauschen Sprache wol-
erfahrnen I) Predigern und Pfarrherrn / die es vielleicht besser machen I
könten...“ vorgeschrieben, sondern „... denen einfältigen und un-
erfahrnen / der || Littauschen Sprache nicht mächtigen / denen Kir-
chen- || schulmeistern / die sich derer in Abwesenheit ihrer Pfarrer
nützlich / wie ich verhoffe / gebrauchen könten / wie ich (!) auch de-
nen sämbtlichen Teutschen Haußvätern auff dem Lande.“ Diejenigen,
die auf dem Lande wohnten, könnten die Gebete „...zu Hauß lesen /
und ihrem Gesinde || vortragen. || Auch wäre zu wünschen / daß an
stat seel. H. Bretkii || eine vollkommenere Lehr- und Trostreiche Postill
aus käme / || damit ein Haußvater auch sein Haufkirchlein nicht allein
mit || Singen und Beten; sondern auch mit Fürlesung des Heil. || Evan-
gelii und dessen Erklärung / bey weit abgelegenen Oer- || tern und
schwerem bösen Wege / haben und halten möchte. I Aber ich weiß /
was mir dieses kleine Werck wegen des abge- I legenen Druck und
der Neider Boßheit für grosse Schwie- || ziskeit / Mühe und Unkosten
verursachet hat. Bitte an- || dächtiger und Gott-ergebener Leser / da-
mit GOtt unter den || hohen Häptern einige gnädigst erwecken wolle /
welche sich || dieser heiligen Nohtdurfft hertz- und getreulich anneh-
men / || und zuforderst den lieben Catechißmus / nebenst den Evan-
gelien und Episteln-Bücherlein / die auch alle bereits ver- || brauchet /
und davon fast keine exemplaria mehr in unsern || Händen verhanden
sind / zum Druck ehestes beschleunigen || möchten. Alsdenn könte auch
das Lexicon / die Postill und I endlich das Testamentum Novum [et]
Vetus in folge der Zeit || fürgenommen und zu Ende gefertiget wer-
den...“118, wie dieses ja auch in dem bekannten Kirchenrezeß den-
jenigen Pfarrern zur Pflicht gemacht würde, „...so der Littauschen
Sprachen recht kündig und mäch- || tig...“ sind:##®, nämlich sie soll-
ten „...auch die Littausche || Postill seel. Herrn Johannis Bretkii in
etwas ver- || mehren und verbessern / oder gar eine gantze neue ge-
schickte an den Tag geben; Darnach wird auch be- || funden / daft
fast wenig und keine Exemplaria von || den Littauschen Catechismus
und Gesangbücher zu I kauff mehr verhanden / und auch das Gesang-
al nach dem Teutschen nicht complet und vollkommen / I sondern
viel Gesänge darinnen mangeln / welche aber ISstne Pfarrer / wie
wirs selbst gesehen / gar gut I vertiret und schrifftlih an der Hand
haben. So || sol es denselben auch hiemit demandiret und anbefoh-
len seyn / daß sie solche Gesänge nebst der Gramma- || tic in der
revision deß Neuen Testaments mit sollen || produeiren und exhibiren /
damit sie auch zugleich || könten übersehen und zum Druck übergeben
werden...“
1188 5. 26f. unpagin.
1188 Sjehe oben, S. 332.
350
Zum Schluß fordert Klein den Leser zum Gebet zu Sal auf, er
möge diesen Vorhaben Erfüllung schenken.
Es folgen die üblichen Gedichte der Freunde des Verfassers,
in denen sie ihn und sein Werk der Zeitmode folgend mit mög-
lichst hochtrabenden Worten verherrlichen": so wartet der uns
nun schon bekannte Werdener Pfarrer, Wilhelmus Martinius,
gleich mit drei Gedichten, einem hebräischen und zwei lateini-
schen auf. In dem hebräischen Gedicht sagt Martinius, daß „der
Glanz unter den Sängern, Daniel Klein“, dem Volke neue Lieder
geschenkt hätte, wofür er den Lohn von Gott und ewige Freude
ernten werde.
Es folgt das oben, S. 330 f., schon behandelte lateinische Gedicht
„Ad plebem || Lithvanicam“ und ein lateinischer Vers „Ad Mo-
mum“, den Gott des Tadels, in dem sich Martinius gegen die
„Neidhammel“ Kleins wendet. Jacob Pusch, Pfarrer zu „Aula-
wehnen““*, dankt Gott in einem deutschen Gedicht, daß Klein
..so eigentlich || Vnd dieser Sprach‘ ul / gebracht in schöne
en j| Die Lieder und Gebet.. ; ihn hätte „...diß wehrte
Werck gantz durch und |) durch are
„Fridericus Wittichius, || Pastor Titremien Coetüs |] Regiomon-
tanus““”, preist Klein in einem lateinischen Gedicht vor allem
1100 S, 29 ff.unpagin.
1191 Jacob Pusch, 1622 geboren; Matrikel wegen Häufigkeit des Namens nicht
bestimmbar, wurde bereits 1647 Pfarradjunkt bei Johann Fuchs in Aulo-
wönen, wie Arnoldt richtig vermutet, 1654 aber dessen Nachfolger. Er
heiratete eine Anna von Sanden. Als 1666 Klein gestorben war, bat sein
Schwager, M. Bernhard v. S., den „Obermarschall“ in einem Schreiben
vom 1. 12. 1666, daß Pusch die freie Stelle gegeben werden möchte, da
er in Aulowönen „...mitt seinem heufflein Kindern schlechte bequem-
lig- || keitt hatt: heard Von solcher geschickligkeit, fertigkeit in der |]
littawschen als seiner muttersprache, und gutten gaben ist, I dass Er ge-
dachter Tilsischen Gemeine mitt ihrem grossem auff- || wachss vergnüg-
lich vorstehen Köndte...“ (E.M. 138e 2). Doch kam Pusch 1667 als deut-
scher Diakon und een Pfarrer nach Ragnit. Starb am 16. 11. 1671.
Über seinen Leichenstein, den ihm seine Gattin, geb. v. Sanden, gesetzt
hat, siehe Quandt. (Arnoldt, Nachr. II, S. 86 und 127; Quandt, MSC 21,
S. 6v und 81r.)
Friedrich Wittich, geboren 9. 7. 1631 in Angerburg Pr. wo sein Vater,
Friedrich W., Kammeradjunkt war. Seine Mutter, Barbara, war eine geb.
Jäckel. Er besuchte zunächst die Schule seines Vaters, darauf ab 1641 drei
Jahre die Provinzialschule zu Lyck, dann bis 1647 die Altstädt. Schule
B
351
dafür, daß er sich durch die „verzehrenden Bisse des Neides“
nicht abhalten ließ, „Litvano... gregi“ die frommen Gesänge zu
bringen. M. Jacobus Reich“® endlich sagt in einem lateinischen
Gedicht, daß die Arbeit Kleins schöner und dauerhafter sei als
prächtige Paläste aus Marmor usw. In einem deutschen Gedicht
preist er Klein als Schöpfer der Grammatik, des „Gesangbuches“
und betet zu Gott um Gesundheit und langes Leben für Klein,
damit dieser noch eine litauische Bibel vollenden könnte"*.
Am 7. September 1666 hatte Klein das lateinische Vorwort
zum „Gesangbuch“ geschrieben, bereits am 22. November rührte
ihn der Schlag, worauf er am Sonntag, den 28. November, ver-
starb.
Am gleichen Tage noch wandte sich der Hauptmann von
Tilsit, Abraham von Pudewels, an Johann Dietrich von Tettau,
Kanzler und Oberregierungsrat, und meldete ihm Kleins Tod.
Weil aber
»...leichtlichen Zuermessen, wie viel || vnterschiedliche persohnen, bey
Churfl. Re- a vmb diesen dienst werden anhalten, hin beliebe
aber, Ewer herrligk[eit] hierbey Zu- || betrachten, dass diese ledige
stelle, mit einem || qualifieirten vnd friedliebendem Subjecto, || |: an-
merckende, die herren Geistlichen hiesiges l orts, Zuvor nicht aller-
dings vntereinander I sich vereinigeln] können ;|...“
besetzt würde.
Er bäte um Michael Engel zu Piktupönen,
„»... durch welchen mann, was l bey der Littawischen Gemeine, dess
verstorbenen I) Alters halber verabsäumet, hoffentlich wied[er] l ge-
bessert vnd erneuert...“
machen könnte‘,
Der Rektor und Senat der Universität Königsberg ließen eine
Leichenpredigt „Programma || : Memoriae || Viri Reverendi et
zu Königsberg; darauf „...ging er ein Jahr nach Kaidan die Litthausche
Sprache || zu .erlernen....“, anschließend auf das Gymnasium nach Dan-
zig. Wurde 17. 3. 1649 in Königsberg inskribiert: „-Fridericus Wittich,
Angerburgensis Borussus, iur...“, wurde am 20. 9. 1658 ebenda ordi-
niert und am 22.September des gleichen Jahres in die Königsberger litaui-
sche Kirche auf dem Sackheim eingewiesen. Starb am 23. 9. 1662. (Ar-
noldt, Nachr. I, S.23; Quandt, MSC 18, S. 112v f.; Erler, Königsb. I, S. 511.)
1193 Sjehe oben, S. 327 Anm. 1113.
1192 Sjehe oben, S. 327.
1185 WM, 138e 2.
352
Clarissimi, || D[omi]ni || M. Danielis Kleinii, || Pastoris Ecelesiae
Lithvanicae || Apud Tilsenses || Vigilantissimi...“ drucken“®,
Nach Quandt” befand sich noch zu seiner Zeit (Mitte des
18. Jahrhunderts) in der Tilsiter litauischen Kirche ein lebens-
großes Bildnis M. Daniel Kleins mit lateinischen biographischen
Angaben auf dem Rahmen.
Der Korrektor X..
Der Korrektor X, hat sich mit ca. 22 Verbesserungen am
wenigsten an der Korrektur der Bibel beteiligt. Er hat nur Mat-
thäus und Markus bearbeitet. Seine Eintragungen in glatter, die
Rundungen durch besonderen Druck betonenden Kursive stechen
deutlich von den übrigen Eintragungen in anderen Handschriften
ab (Abb. 58—60, T. XX VII, desgl. Abb. 20 u. 27).
Für X, ist charakteristisch, daß er seine Korrekturen sehr
sporadisch anbrachte, und zwar begann er immer erst gegen die
Mitte eines jeden der beiden genannten Bücher. So findet sich
auf den ersten 57 Textseiten des Matthäus (im ganzen 129) keine
Korrektur. Die erste Verbesserung steht auf der 58. Textseite.
Die neun Verbesserungen im Matthäus-Evangelium befinden sich
also auf den restlichen 71 Textseiten.
Ähnlich im Markus-Evangelium: Die erste Korrektur finden
wir auf der 23. Textseite (im ganzen 76 Seiten), so daß die
13 Korrekturen in Markus auf den letzten 54 Seiten stehen.
Soweit die wenigen Sprachproben erkennen lassen, hat X,
gut Litauisch gekonnt. Die polnische Bezeichnung der Erwei-
chung von g und k vor e fehlt, was dafür spricht, daß X, sein
Litauisch in deutschem Kulturgebiet lernte.
Der Schriftvergleih führt mit großer Wahrscheinlichkeit
auf Johannes Gedkant, von dem das Königsberger Staatsarchiv
außer einem eigenhändig geschriebenen Brief in deutscher
Sprache vom 4. August 1603""* noch zwei Unterschriften besitzt,
und zwar eine unter dem Brief an den Herzog vom 10. Oktober
1100 Staatsarch. Königsb.: Biblioth. 274%, S. 877 ff.
1197 MSC 21, S. 63r.
us F.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthausche Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/4, 54 Blatt“, Bl. 19.
23 Falkenhahn, Bretke 353
1592:® (Abb. 61 und 75) und eine andere in einem der Tilsiter
Rektor betreffenden Aktenstück””.,
Der Schriftvergleich wird sehr erschwert, weil der einzige
Vergleichstext, der genannte Brief — außer den bei Gedkant be-
sonders förmlichen und unpersönlichen Unterschriften — in deut-
scher und lateinischer Schönschrift geschrieben ist (Abb. 62—64),
doch treten die gleichen Züge sowie der gleiche Duktus mit der
durch Druck betonten Rundung sowohl in den Korrekturen des
X, wie auch in dem Briefe hervor. Daß der Text des Briefes von
der gleichen Hand stammt, die den Namenszug darunterschrieb,
also von Gedkant, zeigt das Original einwandfrei. Andere Hand-
schriften, die sich nach sorgfältiger Prüfung für die des Korrek-
tors halten ließen, sind nicht gefunden.
X, ist somit höchstwahrscheinlich Johannes Gedkant.
Johannes Gedkant.
Der Name ist in verschiedener Schreibung überliefert, z. B.:
„Thomas Georgius Giedkonti“ (N. 1550)*%, „Jvrgi Giedkont“
und „Thomasz gedkont“ (N., im Zinsregister um 1561)"”, „Jo-
hannes Gedkantus“ (1578)”®, „Johannes Gedkantus“ (1603)'*,
„Johannes Gedkantus““”. Von anderen, die Johannes Gedkant
persönlich kannten, wird er wie folgt geschrieben: ‚Johannes
Jedkandt“ (Z. Blothno d.J. 16. Januar 1601)" und öfter „Johan- ||
nes Gedtkandt“ (Michael Wendt, Ragniter Amtsschreiber, 15. Fe-
bruar 1618 und öfter)‘, „Johannj || Gettkanten“ (der gleiche,
1» E,M. 72f., Aktenheft: „Joh. Bretkius“; siehe oben, S. 115.
1200 F,M. 138ee, Aktenheft: „Rectores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“.
Kein Bild, weil die Unterschr. nichts Neues bietet.
1201 Erler, Königsb. ], S. 11.
1202 Ostpr. Fol. 911a 37, „Register Jvrborski y Nowowolski“, S. 83v, 987 und
öfter.
1208 Erler, Königsb. I, S. 65.
1204 E,.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthausche Pfarrstelle in Königsberg betr.
1603/4. 54 Blatt“, Bl. 19. Unterschrift unter dem Brief an die Regiments-
räte,
1205 BE,M. 138ee, Aktenheft: „Rectores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“.
1206 F,M. 118ee, Aktenheft: „Stadt Ragnit. Kirche und Schule 1576. 1601“,
Bl. 13.
1207 EM. 118ee, Aktenheft: „Die litthausche Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600,
1618“, Bl. 18.
354
14. März 1618)” usw. Erinnert sei auch an die Form „Johan-
ne[m] Gedecantum“ in dem Briefe der Herzoglichen Kanzlei in
Königsberg vom 20. November 1592 (siehe unten, S. 358).
Der Name lautet heute litauisch „Gedkantas““®, ist aber be-
reits 1402 und 1411 belegt, wo ein „Getkant“ in Ragnit das eine
Mal als Kure, das andere Mal aber als „Schalwe“ bezeichnet
wird."
Der Vater unseres Johannes Gedkant, Thomas Gedkant,
stammte aus litauisch-polnischem Kulturgebiet, denn er sprach
und schrieb gut polnisch. Wie Thomas Gedkant angibt, gehörte
er zum Adelsstande; sein Großvater hätte ein Gut „Kaulakiski“
besessen und wäre Bojar (eques) gewesen”. Die Eltern Thomas
Gedkants lebten in „Medniki“ (Medeninkai), heute Varnai, wo
der Vater, Georg, einen freien Krug (domum et tabernam libe-
ram) besaß”; er hatte auch, genau wie sein Sohn Thomas, in
Nowa Wola (Wirballen) Besitzungen (siehe weiter unten). Somit
gehörte auch unser Johannes Gedkant zur Szlachta.
Bezeichnenderweise schreibt der aus dem polnisch-litauischen
Kulturbereich kommende Thomas seinen Namen „Giedkonti“
und „giedkont“ neben später auch „gedkont“, also gibt er die
Erweichung des g vor e in polnischer Art wieder; sein Sohn
Johannes aber, der bereits in Preußen geboren ist und unter
deutschem Kultureinfluß aufgewachsen sein dürfte, schreibt sei-
nen Namen stets ohne Erweichung: „Getkantus“, wie das erwei-
chende i ja auch in den Korrekturen des X, fehlt.
Thomas Gedkant wurde am 17. Juli 1550 in Königsberg
immatrikuliert'”®. Bei ihm ist keine Inskriptionsgebühr ange-
geben, während sonst meist 5 und 10 Groschen, einmal aber gar
25 Groschen gezahlt wurden. Es fehlt die Angabe, warum.
Nach einem Studium, das höchstens 5 Jahre gedauert haben
kann”“, bekam Thomas Gedkant die Pfarrstelle in Schirwindt.
1208 Signatur wie Anm. 1207, Bl. 16.
1200 Gerullis, „Mosvid“, S. XXXIX.
1210 Mortensen, Wildnis, S. 68.
1211 orstreuter, Arch. f. sl. Phil., Bd. 7 (1950), S. 131.
1212 Forstreuter, 1.c., S. 130.
12213 Frler, Königsb. I, S. 11.
1214 Bezüglich der Studiendauer siehe oben, S. 46.
23* 355
Wahrscheinlich heiratete er im gleichen Jahre, da 1556" sein
Sohn Johannes Gedkant in Schirwindt geboren wurde”,
Der Ort liegt unmittelbar an der preußischen und damaligen
litauisch-polnischen Grenze an der Scheschuppe auf preußischer
Seite, etwa 2 km von Neustadt, litauisch Naumiestis, und 20 km
nördlich von Nowa Wola — heute litauisch Virbalis — entfernt.
Dort verlebte Johannes Gedkant aller Wahrscheinlichkeit nach
seine Jugend.
Die Familie Gedkant in Schirwindt muß verhältnismäßig
wohlhabend gewesen sein, denn, wie schon angedeutet, besaß
der Vater unseres Johannes, Thomas Gedkant, zusammen mit
dessen Vater aus Medeninkai, Georg, und seinem Ragniter Amts-
bruder, Martin Mosvid, in Nova Wola Baustellen, Garten- und
Ackerland. Das Zinsregister: „Regestr Jorborski y Nowowolski“,
das Thomas Gedkant eigenhändig geschrieben hat, und das im
Staatsarchiv aufbewahrt wird“, führt bei einer ganzen Reihe
von Grundstücken neben „Moswid“ den Großvater „lurgi gied-
kont“ (S.98") und dessen Sohn, „kxigz Thomasz gedkont“ (S. 83”)
sowie beide zusammen: „Jorgi giedkonth s synem s kxiedzem
Thomassem“ (S. 107°) als Besitzer an. Unser Johannes Gedkant
erlebte in seiner Kindheit die Verfolgung der Protestanten in der
Heimat seines Vaters durch die Katholiken, wenn auch nicht un-
mittelbar am eigenen Leibe: als er etwa vier Jahre alt war, ker-
kerte der Bischof von Zemaiten seinen Großvater in Medniki ein
und vertrieb seine Großmutter, weil er gehört hatte, daß deren
Sohn Thomas in Preußen protestantischer Geistlicher wäre, und
sie sich seinen Schikanen nicht fügen wollten. Der Vater, Tho-
mas Gedkant, wandte sich deswegen 1560 mit der Bitte an den
215 E,M. i1ee, Aktenpack: „Die litthausche Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600,
1618“, Bl. 18f. Michael Wendt, Amtsschreiber zu Ragnit, schreibt am
15. 2. 1618 an den Kurfürsten, daß „... Johan- I nes Gedtkandt... I
... Jnseinem Jezigen 62: I Jährigen Alter...“ erkrankt sei. Der gleiche
ebenda am 23. 4. 1618 an den Kurfürsten, von „... Johannes Gedtkandt l
welcher sein 63 Jahr erreichet...“.
' 216 In das Königsberger Matrikelbuch wird er als „Schirwintensis“ eingetra-
gen. Siehe bezüglich der Eintragungen oben, S. 2.
1217 Ostpr. Fol. 911a, 37; Gerullis, Arch. f. sl. Ph., Bd. 40 (1927): „Archivalische
Hinweise auf die Beziehungen preussisch-litauischer Reformatoren zu
Polen“, S. 121, und Forstreuter, Zeitschr. f. sl. Phil, Bd. 7 (1930): „Die
Herkunft preussisch-litauischer Reformatoren“, S. 129 ff.
356
Herzog, beim Zemaitischen Bischof für seine Eltern einzutreten?**,
Was in der Folgezeit daraus wurde, ist unbekannt.
Der Vater unseres Johannes Gedkant wurde 1561 bei der
Übergabe der vom polnischen König Siegmund-August an Her-
zog Albrecht verpfändeten Städte Georgenburg und Nowa- Wola
als Vermittler und Zeuge herangezogen”, und zwar sicherlich,
weil dieser die nächste gebildete Person war, die polnisch und
deutsch konnte. Somit dürfte J. Gedkants Vater dreisprachig ge-
wesen sein.
Am 3. Mai 1563 wird in einem: Schreiben an den Hauptmann
zu Ragnit gesagt, daß der „Pf. zu Schirwindt Giedcant[us]“ um
ein Stück Wald gebeten hätte‘,
Thomas Gedkant muß in den Jahren zwischen 1566 und
1569 — also, als sein Sohn Johannes höchstens 13 Jahre alt
war — in Schirwindt gestorben sein, denn 1563 und Juli 1566
war er nach Arnoldt””* noch dort im Amte, doch in dem Verzeich-
nis der Personen des Amtes Ragnit, die dem Herzoge am 31. Ja-
nuar 1570 „...gehuldet (!) vnd geschworen ...“"”” haben, heißt es:
„Die Pfarsche Zur Schirwi[n]tte, hatt ein guttlein ist withwe
der Kinder noch keines Mundigk“,
was offenbar die Mutter Johannes Gedkants war. 1579 unter-
schrieb ein „Marttinus Heidmanus pastor schirwintensis...“ die
„Concordienformel‘“”®,
Johannes Gedkant wurde am 4. April 1578 im Alter von
22 Jahren, also recht alt, in Königsberg mit folgender Matrikel
inskribiert: „Johannes Gedkantus, Schirwintensis gr 10.“ Die
Gebühr von 10 Groschen ist damals der durchschnittlich für die
Immatrikulation gezahlte Betrag.
An einer anderen deutschen protestantischen Universität hat
Gedkant, nach den veröffentlichten Matrikeln zu urteilen, nicht
studiert"”*. 1578 trat er bereits in den preußischen Kirchendienst,
1218 Forstreuter, 1.c., S. 130 f.
1218 Gerullis, 1.c., S. 123.
1220 Quandt, MSC 21, S. 87r.
1221 Nachr. II, S. 130.
1222 Ostpr. Fol. 513 II, S. 275r.
1223 Seite 18r,
1224 (jntersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln von: Frankfurt a. O,,
Erfurt, Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Leipzig, Mar-
burg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. -
357
jedenfalls sagt der Ragniter Amtsschreiber Michael Wendt in
einem Briefe vom 14. März 1618 an den Kurfürsten”*:
„Hierr] Johan Gedt-
kandt“ hätte gebeten, ihm „... AIR in die 40 Jahr
Eyfrigen Vntadtelhaften Vndt wolverdienten dien
ner am wort Gottes...“
für sein Alter den nötigen Unterhalt zu schaffen. Wie aus dem
Text des Briefes hervorgeht, schrieb Wendt nach einem Besuch
bei dem vom Schlage gelähmten Gedkant; am 23. April 1618
teilte Wendt dem Kurfürsten mit, Gedkant hätte sein 63. Jahr
erreicht „vndt der || Kirchen 40 Jahr gedienet ...“”” Da Angaben
dieser Art in amtlichen Schreiben meist genau zu sein pflegen,
bleibt nur die Erklärung, daß entweder Gedkant bereits sein
Studium als Dienst an der Kirche auffaßte, was aber ungewöhn-
lich wäre, oder er hat in Königsberg nur ganz kurze Zeit gehört
und dann Examen gemacht, nachdem er sich irgendwo dazu vor-
bereitet hatte.
Wo Johannes Gedkant damals seinen Kirchendienst begann,
ist unbekannt.
Wie die herzoglichen Schreiben an den Amtshauptmann zu
Ragnit vom 20. September und an Simon Waischnarus, Gedkant,
G. Musa und Fr. Masalski vom 22. September 1592, sowie Ar-
noldt'”” zeigen, war ]J. Gedkant 1592 Pfarrer in seinem Heimat-
ort Schirwindt. In dem Konzept zu einem Briefe. des Herzogs
vom 20. September 1592 an den Amtshauptmann zu Ragnit wird
gesagt, Bretke hätte gebeten, zwecks Verbesserung der schwieri-
gen Stellen in seiner Bibelübersetzung „...etliche in vnserm
Ambtt Ragnitt der Littauischen sprach erfharnenn Pfarhern... .“
zu einer Konferenz nach Ragnit zu berufen. Der Herzog bezeich-
nete vier Pfarrer, darunter „...Johanne[m] Gedecantum Zu ||
Schirwinten ....“.
In dem Briefe vom 22. September wird den genannten Pfar-
rern, darunter J. Gedkant, mitgeteilt, daß sie zur Korrektur der
Bretkeschen Bibel ausersehen seien und nach der Ankunft Bret-
1225 E,M. 118cee, Aktenheft: „Die littauische Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600—
1618“, Bl. 16f. (siehe unten, S. 365 £.).
1226 Signatur wie Anm. 1225, Bl. 18.
1227 Siehe oben, S. 114, und Arnoldt, Nachr. II, S. 130.
358
kes in Ragnit vom dortigen Amtshauptmann aufgefordert wer-
den würden, worauf sie sich unverzüglich nach Ragnit begeben
sollten, und
dem
„...mitt Bretkio das opus durch
lesen, vand in denen phrasibus vnnd wörtern, darinne
er zweiflich ist, Ihme eurem besten verstandt nach ein-
rhätig sein...“
Gedkant nahm an der Konferenz teil, die bald darauf mit
der Arbeit am Alten Testament begonnen haben dürfte, doch er-
wies er sich genau wie seine Amtsbrüder als „... Viel Zu ge-
ringe, schwach, || vnd vnuormogen Dar Zu“, wie die Teilnehmer
in einem Briefe an den Herzog vom 10. Oktober 1592 mitteilten,
nachdem sie die Arbeit bereits aufgegeben hatten”*.
Von Schirwindt kam Gedkant nach Wischwill, das im Memel-
land, etwa 22 km östlich von Ragnit, nahe an der Memel gelegen
ist, wo nach J. Kopp Herzog Albrecht auf einer Reise den Platz
für die geplante Kirche selbst ausgesucht hat, „durch deren Er-
bauung er den schnelleren Niedergang des hier noch lebenskräf-
tigen Heidentums erhoffte”.
Nach dem Tode des Ragniter deutsch-litauischen Pfarrers
Simon Waischnarus 1600 sollte J. Gedkant auf dessen Stelle be-
rufen werden; durch ein Reskript vom 29. November 1600 wurde,
wie Quandt zu berichten weiß", der Tilsiter Pfarrer M. Hier.
Mörlin beauftragt, daß
„...er d[en] Pf. v[on] Wischwill
Ioh. Gedkand zum Lith. Pf. in Ragnit
in des verstorben[en] Stelle introdueir[en] sol-
te.“
Zacharias Blothno d. J., der wohl damals sein Studium be-
endet hatte‘**, erhielt vor Weihnachten — wie aus seinem Schrei-
ben von Mitte Januar 1601 hervorgeht””” — vom Herzoge münd-
lich den Auftrag, in Wischwill eine Probepredigt zu halten, was-
auch geschah.
1228 Sjehe oben, S. 115.
1220 „Beiträge zur Chronik des ostpreussischen Grundbesitzes“ I, S. 248.
1220 Presbyt., Bd. 4 (MSC 21), S. 91v.
1231 Sjehe oben, S. 273.
22322 E,M. 118ee, Aktenheft: „Stadt Ragnit, Kirche und Schule 1576—1601“,
Blatt 13. Brief an den Herzog, beantwortet den 16. 1. 1601.
359
Doc wollte J. Gedkant die Stelle in Ragnit scheinbar nicht
annehmen, jedenfalls schrieb Z. Blothno d. ]. in dem erwähnten
Briefe Mitte Januar 1601 an den Herzog, daß er auch auf Wunsch
der dortigen Gemeinde dreimal in „Schwaben“, d.h. Wischwill’”®,
Probepredigten gehalten hätte und die Gemeinde ihn haben
möchte, doch
»... Will#2% aber Johannes Jedkandt
pfar Zum Schwaben den vacirenden locum Zu Ragnit nicht
annehmen wollen deswegen, das er ein schwaches haupt
habe vnd von wegen seiner blödigkeit mit den armen Sün
dern so alda oft vnd viell Jhrer mißhandelung halben
anderen Zum exempell, dahin gerichtett werden nicht dabey
sein Kan, wie er den auch deswegen e.f.Dt. introdu-
ction befehlich, so an den hn M. Hieronymum Mörlinum
gegeben abgeschrieben vnd sich weill er den Ragnitschen
dienst noch niemals begehret, nicht hat introduciren lassen
wollen...“
bäte er, Z. Blothno d. J., um einen Auftrag, dort eine Probepredigt
zu halten, obwohl er schon oft da gepredigt hätte, und danach
um den litauischen Pfarrdienst in Ragnit.
In einem Briefe Zacharias Blothnos d. A. an den Herzog von
Anfang März 1601, den aber sicherlich sein Sohn für ihn ge-
schrieben hat"®, dankt er für den Befehl an seinen Sohn, in
Ragnit die Probepredigt zu halten. Er müsse aber folgendes
melden:
»... Erstlichen hatt der pfar vom
Schwaben Johannes Jedkandt nicht allein dem Heüpt
man in anredung: sonderen auch dem Magistro Mör-
lino, die introduction belangendt, abgesagt, wie das mein
Sohn in seiner vbergebenen supplication gemeldet hatt
Zum Anderen so hatt er auch die Zugeschickte Vocation
den 22 Januarij abgeschrieben in vermeldung .allerley vr-
sachen, das er denselben dienst nicht vorstehen Kundt, wel-
ches schreiben er dem (!) Schwaben vorgelesen, vnd nach
Ragnet Zu bestellen gebeten...“
In einem erhaltenen Briefe vom 19. Dezember 1600 klagt der
damalige Amtsschreiber in Ragnit, Johannes Otter, dem „Herrnn
Albrechten Freyherrnn zu Kittlitz, Fl. dht. h. Zu Preussen vor-
1238 Karge, Litauerfrage, S. 59.
1233 Weil.
1235 Signatur wie S. 359 Anm. 1232, Blatt 14; erledigt den 3. 3. 1601.
360
nemsten Regiments Rhatt“, daß alles zur Ordination Gedkants
bereit sei, doch weder der Pfarrer noch das Amt Ragnit einen
schriftlichen Befehl hierzu hätte. Er bäte:
„das ein schrifftlicher befehlt, entweder Jns Ambt-
oder an denselben Pfarherrn Johannem
Jedtkant, Zur Wischwill ergehe, damit die
ordentliche Vocation Voll werde. . .'1238
Nach Arnoldt"” ist „Johann Gettkandt“ seit dem 22. Dezem-
ber 1600 in Ragnit. Sicherlich datiert die auf den Brief J. Otters
erfolgte Berufung von diesem Tage.
Doch wie aus den eben zitierten Briefen des jüngeren und
älteren Blothno hervorgeht, hielt Blothno Weihnachten in Ragnit
drei Predigten, und Gedkant lehnte in einem Brief vom 22. Ja-
nuar 1601 die Vokation ab. In dem Briefe des älteren Blothno
von Anfang März 1601 wird weiter gesagt, daß sein Sohn danach
vom Herzoge eine schriftliche Vokation nach Ragnit erhalten
hätte und nur auf die Rückkehr des abwesenden Hauptmanns
warte, um sich dann einweisen zu lassen. Der Amtsschreiber,
J. Otter, hätte jedoch Gedkant nach Ragnit bestellt, ihn um-
gestimmt und an den Erzpriester J. Mörlin nach Tilsit geschrie-
ben, er solle Gedkant einweisen. Blothno d. Ä. legte seinem
Schreiben an den Herzog die seiner Meinung nach entscheidende
Korrespondenz in Abschriften bei'**. Zwei Abschriften von Brie-
fen Mörlins (beide vom 1. Februar 1601) lassen erkennen, daß
Mörlin im Zweifel war, welcher Befehl gelten solle, und daß er
eine Entscheidung des Herzogs bewirken wolle.
Die weitere Entwicklung zeigt, daß ]J. Gedkant nach Ragnit,
2. Blothno d. J. aber nach Wischwill kam.
Über die Ragniter Gemeinde und die dortigen Zustände zur
Zeit Mosvids und Waischnarus’ siehe oben, S.51f., und unten,
S. 404f. Zur Zeit Gedkants in Ragnit (um 1612) wurden die von
dem Erzpriester Stimer in Wehlau u. a. unterzeichneten „Puncta
Nach welchenn sich die Herren pastores || des Ambtts Ragnitt
in verrichttung Jhres || Anbefohlenen Ambtes verhalttenn sol-
lenn“, erlassen, in denen folgendes über die dortigen Verhält-
nisse gesagt wird:
1236 Signatur wie S. 359 Anm. 1232.
1237 Nachr. II, S. 126.
1238 (Genaueres oben, S. 273.
361
(Seite 85V)
»...5 Weill viel deutsche im Ambt Wohnen erfordertt
die Nohtt dass wo derselbenn etzliche verhanden
der Pastor bissweilen einen Kurzen deutschen
sermon Thut...“
»...8 Es befindet sich auch offt dass die Littawenn
gar Zu Nehe ins geblüt vnndt Zu Jungk
freyenn, derowegenn darauff die pastoren
sollenn gutte Achtung haben, vnndt es Jnn-
sonderheit Keiner Mannspersonen gestatten
dass er frye, er sej dan seine 20 Jahr...“
»...10 Bier vndt Brandtweinschanck in der Widdem ist
den pastoribus alss ihnen ein vngebührliche vnndt
vnehrliche handtirung verbotten ... “123%
Die litauische Gemeinde in Ragnit muß recht stark gewesen
sein. Wie der Ragniter Amtsschreiber Michel Wendt in seinem
Brief an den Kurfürsten vom 23. April 1618'*° mitteilte, waren
die fast 1100 zur Ragniter Kirche gehörigen Hufen mit Litauern
besetzt. Quandt gibt zu „Johann Götkand“" außer einigen Un-
richtigkeiten wohl richtig an, daß der Pfarrbereich J. Gedkants
noch das 17 km südlich von Ragnit gelegene Schillen mit um-
faßte. Der ganze Passus, der sich im 4. Band der handschrift-
lichen Presbyteriologie auf Seite 77’ befindet, lautet:
„1600. Johann Götkand
vix[ilt ad huc. 16121222
Archi Presb [et] Pastor Germanico-Lithav[us]
Hic primus fuit, qui ob coetus amplitudinem
Cantorem Regnetensem Dn. Glocenium in
cooperatorem ordinari passus est, dietus [que]
Saltim ordinatus Cantor Quoniam enim
omnes Zillensis eccle[siae] pagi t. t. eccl[esiae]
Ragnetensi suberare, impossibile fuit
uni Pastori simul [et] Teutonib[us] [et]
Lithavis inservire; p[ro]plter| ea Teutonum prece et
ope hic cantor ordinatus [et] sustentatus est,
ut aliorsum proficiscente [et] non vacante
Dnot2% ordinario, interim Ragnetensib[us] mini-
1239 Ostpr. Fol. Nr. 317, Hausbuch des Amtes Ragnit Nr. 1.
220 E.M. 118ee, Aktenheft: „Die litthauische Pfarrstelle zu Ragnit betr.
1600—1618“, Bl. 18. Siehe unten, S. 366 f.
1241 Staatsarchiv Königsberg, MSC 21.
1222 J,ebte noch 1619, siehe unten, S. 367.
1243 Dominica?
362
straret Cantor. S.1?% Tochter Barbara hat 1642
Joh. Löbel Past zu willuhfnen] geheyrathet.“
In den ersten Ragniter Jahren erlebte Gedkant viel Unglück:
1602 raffte die Pest seine Frau und fast alle Kinder dahin. 1603
wurde er von einer Feuersbrunst heimgesucht.
Im Juli 1605 wandte sich das Konsistorium an Gedkant und
bot ihm die seit Bretkes Tode verwaiste litauische Pfarrstelle in
Königsberg an’. Gedkant lehnt jedoch ab. Seine Antwort ist
der einzige erhaltene zusammenhängende Text von seiner Hand.
Da dieser Brief des damals 47jährigen Gedkant von seinem Le-
ben berichtet und seine Individualität erkennen läßt, sei er wört-
lich mitgeteilt:
(Seite 19r)4248
„Wolgeborner, Gnediger, Gestrenge Edle Vndt
Ehrenuheste Herren, Nach erbiettung meiner schul-
digen Dienste Vndt gehorsambs, Kan E.G.G.
Vnndt E Auf deroseben (!) Jn gnaden An meine
gringe person getune (?) praesentation Schreiben, ich vnter-
tehnigst nicht vorenthalten, Daß ich die geschehene prae-
sentation Meinen Anbefohlenen Kirchspiels Kindern
Angemeldet, Die selben haben mit erinnerung Aller
handt mir erzeigeten Wilferikeit Vndt sonsten mich
gebeten, Daß ich sie nicht verlassen, Sondern Da ess
Gottes Wille were, Mein Leben bey Jhnen beschlissen
wolte, Mitt erbiettunge Daß sie meine besoldunge ehe
sie meinen (?) (ohne Ruhm Zumelden wolten entrahten)
Verbessern Vnd semptlich An E.G.G. Vndt E.
meiner person Halben schreiben wolten, Wen ich den
bekennen muß Dass Da Vnser Lieber Herr Gott,
Vorm Jahr, mich mit einem schweren Creutz Heimgesucht
Jn dem er mein Liebess weib Vndt fast Alle Kind[er]
Von Dieser weldt Abgefördert mich selbsten Auch
mit Der Abbscheülichen seuchen Der Pestilentzen An-
gegriffen Deß brantschadenss so ich Auch neulichen Zu-
Rangnitt erlitten Zugeschweigen mir Von meinen
Kirchspiels Kindern große hulffe vndt trew
(Seite 19v)1236
Erwisen werden (!), Zu deme auch ich nunmehr ein
Zimliches hohess Alter Auff mier habe, das ich
1244 Seine.
1235 Sjehe oben, S. 136 Signatur: E.M. 72, Aktenheft: „Die Litthausche Pfarr-
stelle in Königsberg betr. 1603/4. 54 Blatt“.
120 Seite im Aktenheft.
363
mir nicht getrauwet, weil mir Die Krefte abge-
leget, Dagegen Aber Die Fürst[liche]: freiheiten
woselbsten Der Meiste theil Littawen Wonet gross
Vnd weitleufftigk die Kranken nach Nodturfft
Zubesuchen Aldz Sage E.G.G. Vndt E. ich
Vor die geschehene presentation Vnttertehnigst hohen
Danck Demutigst bittende dieser meiner eingewand-
ten entschuldigunge in gnaden staht Vnd raum Zugeben
'Solches gegenst Dem Lieben Gott Vor
E.G.G. Vnd E. gutte vndt bestendige
gesundtheit, Auch gluckliche Vndt friedliche regierunge
Zuüerbitten, Will ich immer (?!) Vorgesen.
Datum Rangnitt Den 4 Augustij Ao 1603
EGCG Vndt E.
Vntter (!) Dienst willger
Johannes Getkantus
Littawischer pfarrer
daselbst.
(Seite 20v)
Dem Wolgebornen Gnedigen Gestrengen Edlen
Vnndt Ehrenvehsten, Verordneten Regenten
Deß Hertzogthumbs Preussen Meinen gnedi-
gen Vnd gebittenden Herrn.“
Gedkant heiratete in den nächsten Jahren wieder, denn 1618
hatte er ein „...Armes weib Vnndt 4 vnerzogene Kinder-
lein...“””, um deren Zukunft er sich sorgte.
Nach Arnoldt”* merkte Stimer an (doch wohl in seinem heute
verschollenen „Bericht“): „...daß || er ihn 1612 besucht habe,
und nennet ihn Archipresbyt. Lituan....“
In der Zeit um den 1. Januar 1618 wurde der 62jährige Ged-
kant vom Schlage gelähmt. Der Taurogger Pfarrer Georg Besel-
mann bewarb sich Ende Januar in einem lateinischen Brief an
das Samländische Konsistorium um die Ragniter Pfarrstelle. Das
Konsistorium setzte den Herzog am 31. Januar 1601 unter Über-
sendung des Bewerbungsschreibens davon in Kenntnis und bat
entweder um Einsetzung oder Substituierung Beselmanns, weil,
wie dieser meinte,
»... der Littawische Pfarrer Zu Ragnitt an tödtlicher
apoplexia schwerlich danieder liege, also das er sein officiu [m]
1237 Siehe unten, S. 367.
1248 Nachr. II, S. 126.
364
als ein schwacher abgelebter Man lenger nicht verichten
könne... “122
Der Ragniter Amtsschreiber Michael Wendt schrieb am 15. Fe-
bruar 1618 in einem vom Herzoge angeforderten Bericht,
„... daß benamelter Johan-
nes Gedtkandt Littauscher pfarher alhier,
Welcher der Kirchen Lange Zeit Treülich Vnd
woll Vorgestanden, Jn seinem Jezigen 62:
Jährigen Alter mit gefehrlicher Kranckheit[en]
der Apoplexia heimgesuchet wordenn,
Also daß er numehro fast bei 10 wochen.
die Cantzel nicht beschriettenn, da dan son-
teglichen die pfarhern Vfen Landt einer
vmb den Andern mit predigen Vndt Com-
municirung des Heyligen Abendtmahls Vf
gewartet Vndt der Teutsche pfarher
alhier welcher der Litauschen Sprachen, Zur
noht Kündigk Die Kinder Taufe Vndt an-
ders Vorsehen ...“
Bis jetzt wäre noch nichts versäumt. Obwohl Gedkant noch
nicht wieder richtig sprechen und die Glieder gebrauchen könne,
wäre es mit ihm besser geworden, so daß Hoffnung bestände,
daß er das Amt in Zukunft wieder selbst verwalten könnte.
Gedkant bäte daher, angesichts seines langen Dienstes in der
Kirche, noch Geduld mit ihm zu haben. Doch würde es nicht
besser, müsse ein anderer Pfarrer angenommen werden.
Gedkant würde auch mit einer Substitution zufrieden sein”.
Am 14. März 1618 erstattet Michael Wendt wiederum Bericht;
er hätte in dem angeforderten Schreiben vom 15. Februar gesagt,
daß es mit Gedkant besser geworden wäre, und
(Seite 1)1251
„...er selbst ge-
hoffet, mit Verleihung göttlicher gnaden die
Zeit seines Lebenß, darnach er sich den Herzlichen
sehnen Thutt, ferner seinem Ambt in eigener Person
würde Vorstehen Können, vnndt biß zu der Zeit
durch vfwartung der andern benachtbarten pfar-
herrn an ministerio mechten Verseumett worden (!).
220 W,M. 118ee, Aktenheft: „Die littausche Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600—
1618“, Blatt 23 f.
1250 Signatur wie Anm. 1249 Bl. 18.
1251 Seite im Bericht.
365
Weill es dann nach der Zeit ein Woche 5 Hero sich Zue
fast keiner besserunge angelaßen Auch bemelter
litauischer pfarher, welcher dan an seinen Creften
ein großen Defect vndt mangel befindet,
(Seite 2)1251
an solcher hesserung daß er der Kirchen ferner
in der person der gebuhr nach Vorstehen könte
oder möchte, gar sehr Zweifelt, das auch, weil
sich dieser örthe die ströme ergoßen, der wegk
sehr boß vnndt grundloß wirdt, das man also
keinen benachtbarten pfarhern, der Sontäglichen
hier vffwarten möchte, anhero bekommen kann,
wie dan auch schon etliche erschienene sontage
Viel leuthe so Zur Beicht gehen wollen, Trost-
loß Zueruck kehren müssen, Vnndt Vorgangen.
Sontagk keine predigt gehalten, auch ferner woll
gahr nachbleiben möchte, bemelter H[err] Johan Gedt-
kandt litauscher pfarher obangedeuter vrsachen
halben numehro auß wolbedachten gemühte Vnndt
gutwillichk (!) sein Ambt vndt dienst Vnderthenigst
resigniren thut; Churfr: Dht: aber Vnder-
thenigst demuttigst vndt flehendtlichen bittendt, die-
selbe geruhen gnedigst ihme AIR in die 40 Jahr
Eyfrigen Vntadtelhaften Vndt wolverdienten dien
ner am wort Gottes, der Zwahr inn seinen Lang-
wierigen Kirchen diensten, wennig vor sich gebracht,
mit behaltung seiner besoldung oder einen Nottur-
ftigen Vnterhalt Zue Lebzeiten, durch daß kirchspiel,
(: Darzu sie dan auch ohne Zweifel sich willigk finden
laßen werden :) gnedigst Zuuerstehen...“
auch möchte er einen neuen Pfarrer für Ragnit bestimmen.
Darauf erhielt Wendt Befehl, daß er, wie es in einem Kanz-
leivermerk auf S. 4 des Berichts heißt,
»...M. Georgi-
um Böselmannum Vocire vndt durch den Littauischen pfarrern
von der Tilsit introduciren lasse, vndt dz er mitt dem
Kirchspiel handele, dz der alte pfarrer vnterhalten werde... .“ı22
Am Palmsonntag, den 29. März, oder den 8. April 1618, hielt
G. Besselmann in der Ragniter litauischen Gemeinde eine Probe-
predigt, worauf Wendt den Kurfürsten am 23. April 1618 um
Anstellung „Beszellmanus“ bat.
Bezüglich der Unterhaltung Gedkants schlug Wendt vor, die
gegen 1100 Kirchenhufen, die mit Litauern besetzt seien, mit je
1252 Signatur siehe oben, S. 365 Anm. 1249, Blatt 16.
366
4 oder 5 Schilling jährlich zu belegen, was 80 oder 90 M. aus-
mache'*, Dieses Geld könne bis zum Tode Gedkants entweder
dem alten oder dem jungen Pfarrer gegeben werden.
Gedkant sei im 63. Lebensjahre und 40 Jahre im Kirchen-
dienst. Er bäte den Herzog, ihm zu seinem Unterhalt und zum
Unterhalt seiner Frau und seiner vier unerzogenen Kinder nach
seinem Tode eine Hufe Ackers zu kölmischem Recht zu ver-
kaufen””*,
Ende April wird vom Kurfürsten angeordnet,
„...do es
nicht n(?)eher sein Ka[n] funf Schilling“ zu geben??ss,
Auf S. 25 der in der Ragniter Superintendentur befindlichen
handschriftlichen „Chronik der Kirche zu Ragnit“ (vom Beginn
des 20. Jahrhunderts) wird mitgeteilt:
„Nach einer Originalkirchenrechnung der Ragnitschen Kirche von 1619
heißt es in der Ausgabe: 100 M dem alten und neuen Pfarrherrn Herrn
Johanni Getkanten und Herrn M. Beselmanno ihre Jahresbesoldung,
jedwedem 50 M; 100 M Herrn Samuel Hurtel, deutschem Pfarrherrn;
40 M dem Cantori Casparo Mollero, 15 M dem littauischen Vorsinger
Christoph Brücknern.“
Dieses ist die letzte Nachricht von Gedkant. Wann er starb,
ist unbekannt.
Quandt teilt mit, daß Gedkants Tochter Barbara 1642 Joh.
Löbel, Pastor zu Willuhnen, geheiratet hätte".
Der Korrektor Johannes Bielauk.
Unter den: „...der Littawischen Sprach Kundigen Theo-
logen...“, wie es in dem Briefe des Herzogs an Bretke vom
13. Mai 1590 heißt, die vom Herzog um den 13. Mai 1590 zur
Korrektur des Bretkeschen Postillenmanuskripts nach Ragnit be-
ordert wurden”, befand sich auch „ Johannes Bielauck“*. Seine
Unterschrift unter dem Briefe der Postillenkorrektoren, den sie
1258 | Mk = 60 Sch.
1254 Signatur siehe oben, S. 365 Anm. 1249, Blatt 18.
1255 F,M. 118ee Ragnit, Schreiben: „An die ins Rangnitsche l Abgeordnete
Commissarie[n]|“.
1280 Presbyt., Bd. 4 (MSC 21), S. 77v, und oben, S. 363.
1257 Siehe oben, S. 102 ff.
1258 Vermerk auf dem Schreiben Bretkes, in dem er dem Herzog seine Postille
zum Druck anbot, siehe oben, S. 102 ff.
367
nach getaner Arbeit Ende Mai 1590 an den Herzog richteten'”®,
zeigt, daß Bielauk tatsächlich an der Sprache der Postille mit-
gearbeitet hat. Es wäre daher durchaus möglich, daß Bretke
während seiner Arbeit an der Bibel auch Bielauk einen Teil zur
Korrektur übersandt hätte, und daß sich somit seine Korrek-
turen auch in Bretkes Bibelmanuskript finden, genau so, wie
Bretke Gallus, Blothno und sicher auch Radunius aus der Zahl
der Postillenkorrektoren privatim bereits 1585 zur Bibelkorrek-
tur herangezogen hat.
Das Königsberger SE, besitzt zwei eigenhändige
Unterschriften von Bielauk, und zwar seine Eintragung in die
„Concordienformel“"* (Abb.65, T.XXIX) und die erwähnte Unter-
schrift nach der Korrektur der Postille von Ende Mai 1590'%,
Beide zeigen sowohl in der lateinischen wie in der deutschen
Kursive ganz charakteristische Schriftzüge.
Doch scheint auch ein litauischer Text von Bielauk erhalten
zu sein; Gerullis vermutete 1927, daß Joh. Bielauk die „Wolfen-
bütteler Postille“ abgeschrieben hätte”,
Bei Durchsicht der Wolfenbütteler Postille findet man in ihr
drei stark voneinander abweichende Handschriften, und zwar
außer derjenigen, in der der Text geschrieben ist, z. B. Abb. 68
u. 69, T. XXX noch zwei andere, z. B. Abb. 70—72 (im Text und
auf dem Rande), die ich Y, und Y, nenne.
Wie ein Vergleich der Schriftzüge in den beiden Unterschrif-
ten Bielauks mit denen des Postillentextes zeigt, stimmen sie
auffällig überein. Dazu ist auf dem mit Schweinsleder überzoge-
nen Vorderdeckel des Einbandes der Wolfenbütteler. Postille in
dem von den Zierpressungen freigelassenen beiden oberen Fel-
dern: „JOHANNES“ „BIELAVK“ eingepreßt. Dies be-
deutet mindestens, daß Bielauk den Einband anfertigen ließ,
und daß er vorher die losen Papierlagen hatte. Beachtet man,
daß auf einem entsprechenden Felde des Vorderdeckels eines
jeden der acht Manuskriptbände der Bretkeschen Bibelüber-
setzung die Buchstaben I B (Johannes Bretke) eingepreßt sind,
1259 Abb. 30, T. XV.
3302172 5.2181:
1201 Abb. 30 (das gl.: Abb. 66, T. XXIX).
1202 Skait., S. 40.
368
E,
so läßt auch die Einpressung des Namens Bielauks in den Deckel
der Wolfenbütteler Postille als möglich erscheinen, daß Bielauk
diese Abschrift selbst angefertigt hat.
Da sonst keine Handschrift jener Zeit die charakteristischen
Schriftzüge Bielauks zeigt, besteht kein Zweifel, daß die Wolfen-
bütteler Postille tatsächlich eine Abschrift von der Hand Bie-
lauks ist und zum Handschriftenvergleih im Bibelmanuskript
mit herangezogen werden kann”*®,
Doch in dem Bibelmanuskript Bretkes findet sich die charak-
teristische Handschrift Bielauks nicht. Somit hat Bielauk nur die
„Postilla“ Bretkes verbessern helfen. Daher sei es erlaubt, Daten
aus seinem Leben zusammenzustellen.
Johannes Bielauk.
Der Name wird von Bielauk selbst wie folgt geschrieben:
„Johannes Bielavk“"*, „Johannes Bielauk““® und „Johannes
Bielauck““’*; Caspar Hennenberger, der ihn offenbar persönlich
gekannt hat (siehe weiter unten), schreibt seinen Namen: „Jo-
hannes || Bilack“"”. Demgegenüber sind die anderen Schreibun-
gen, wie die Quandts und Arnoldts, ohne Wert. Quandt schreibt
erst „Bilack“, durchstreicht dieses, ersetzt es durch „Bilau“, das
er dann wieder zu „Bilaw“ verbessert, aber auch diese Schreib-
weise verändert er schließlich zu „Bilauk“, und dabei bleibt er
dann endlich”. Arnoldt gibt hinter „Bilauk“ in Klammern „Bi-
low“ an’. Personen des gleichen Namens begegnet man des öfte-
ren in den Akten des 16. Jahrhunderts, und zwar besonders oft
im Amte Tapiau, wo in Ripkeim (Post Wehlau) bereits 1535 ein
1268 Wie der Handschriftenvergleich zeigt, der an anderem Orte dargestellt
werden wird, ist Yı Michael Sappun aus Bartenstein, Pfarrer in Schitt-
kehmen (Wehrkirchen), Kussen und Pillupönen (Schloßbach), Y, Patro-
clus Welwer aus Soest in Westfalen, der zuerst in Königsberg Alumnus,
danach Pfarrer in Kraupischken (Breitenstein) und schließlich deutscher
Diakon in Tilsit war (siehe auch oben, S. 299 und Abb. 65, T. XXIX).
126% Auf dem Deckel der Wolfenbütteler Postille (wohl bald nach 1573).
1265 Concordienformel (1579), S. 18r.
1266 Unterschrift unter dem Brief der Postillenkorrektoren an den Herzog
Ende Mai 1590; siehe oben, S. 103 f., Abb. 30 und 66.
1277 Frler, d. Pr. Landt., S. 139 (1595).
eMSC 21, S. 12y.
1208 Nachr. II, S. 91.
24 Falkenhahn, Bretke 369
„Pilawck“ genannt wird, der dort eine Hufe besitzt"”; 1568 sitzt
da ein „Hannss Pilauckh“““, 1575 ein „Abrahm Bilauckh“”” usw.
Der Name ist allem Anschein nach baltisch, und zwar preu-
Risch. :
Er steht vielleicht mit dem heutigen Orte Behlacken, Kreis
Wehlau, in Zusammenhang, der 1389 „Belaukin“ und 1466 „Bi-
lawcken“ geschrieben wurde””. Da aber das „ie“ in der ersten
Silbe offenbar langes i bezeichnen soll, dürfte der erste Bestand-
teil des Namens das auch sonst in: Personennamen vorkommende
Element „Bi“ und der zweite „lauk“ sein; andere Beispiele sind:
„By-gerde“, „Bykand“ (Schalauer), „By-tawte“ usw.””.
Da Bielauk im Litauischen unsicher ist””, dürfte es nicht
seine Muttersprache gewesen sein. Er stammte eher wohl aus
einer germanisierten Preußenfamilie.
Noch später kommen aus Wehlau Bielauks; so wird 1612 ein
„Johannes Bylauck, Welouiensis“ in Königsberg immatrikuliert,
der dort 1620 noch einmal erwähnt wird'””,
Die Nachrichten über das Leben Bielauks sind sehr dürftig.
1270 Ostpr. Fol. 10772, „Rechnung des Ambtts Tapiau...“ von Michaelis 1535
bis Mich. 1536, S. 10r.
#271 O)stpr. Fol. 358, Hausbuch von Tapiau, Bd. 4, S. 164.
1272 Whenda, S. 150r.
1273 Gerullis, Ortsnamen, S. 18.
174 Trautmann, Personennamen, S. 133.
1275 Gaigalat spricht S. 14 von den Latinismen und Germanismen im Text
‘ der Wolfenbütteler Postille, „...deren Vorhandensein teils in einer zu
wörtlichen Übersetzung der betreffenden Stellen seinen Grund hat, teils
auf mangelhafte Kenntnis des Litauischen bei dem Verfasser resp. Ab-
schreiber zurückzuführen ist“. Nun zeigen aber die Spuren von Ostlithua-
nismen im Text (Gaigalat, S. 32, Gerullis, Skait., S. 41), sowie wohl auch
die gelegentlich auftretende Bezeichnung der Erweichung von g, k vor e
zu -gie-kie, daß der Verfasser kein aus Preußen stammender Litauer
war, also aus Litauen zugewandert sein muß, weshalb bei ihm kaum
„... mangelhafte Kenntnis des Litauischen....“ anzunehmen ist, dagegen
aber bei dem aus Wehlau stammenden Abschreiber Bielauk, der seine
Vorlage nicht immer verstand und lesen konnte. Bezüglich der genann-
ten Erweichung ist z. B. folgende Bemerkung Bielauks zu dem Satz im
Text: „Teisei tada a gierrei bara isch ta greka Chus...“ usw. auf
S. 241v aufschlußreich: „alhie 4 Zeilen ger außgelaßen“, das heißt also,
daß Bielauk nur gelegentlich unter dem Einfluß des Originals die Er-
weichung bezeichnet; sowie er selbständig schreibt, gibt er sie nicht an.
1276 Erler, Königsb. I, S. 203, 250.
370
Nach Arnoldt‘” und Quandt”” stammte er aus Wehlau, das
nahe an dem von den Litauern besiedelten Gebiete lag und durch
seine weitreichenden Handelsbeziehungen berühmt war”. Dort
könnte er auch jene Schule besucht haben, die anscheinend schon
seit 1339 in Wehlau bestand, denn in dem Stadtprivileg vom glei-
chen Jahre heißt es: „... Damus etiam Ciuibus || Ciuitatis eius-
dem, ut ipsi Scholam Viro || Jdoneo, et Literato, plenariam ha-
beant con- || ferre potestatem ...“ Eine Matrikel, die auf Jo-
hannes Bielauk paßte, findet sich in den damaligen deutschen
protestantischen Universitäten nicht””®. Seine ausgeschriebene
Handschrift macht aber sehr unwahrscheinlich, daß er zu den
ganz ungebildeten Pfarrern, die von Hause aus Handwerker
waren, gehörte, wenn er seine privaten Anmerkungen in der
Postille auch sämtlich deutsch schreibt. Es besteht die Möglich-
keit, daß Bielauk in Königsberg Alumnus gewesen ist wie Zacha-
rias Blothno d. J., aber sein Name wie der Blothnos im Matrikel-
buch fehlt (siehe Schreiben des Konsistoriums vom 19. Septem-
ber 1603 oben S. 136 f.).
Unklär ist auch, wann Bielauk in den Kirchendienst trat.
Gerullis vermutet (Skait., S. 40), daß Bielauk schon 1564 in
Georgenburg gewesen sei; jedoch kann er dort nicht Pfarrer ge-
wesen sein (siehe weiter unten), sondern vielleicht Schulmeister.
Nach Arnoldt””, der sich auf „Stimers || Presbyterol“ stützt,
wäre er 1576 in Georgenburg angekommen.
Quandt schreibt” in Kapitel Georgenburg:
uk
w
„1572. Johann Bilaäck, Bilau, Welovie[n]s[is]
vid Hennenberg. Chronic. Subscripsit F Conc.
T. 1603. 5. Octobr.“
Hierbei beruft er sich offenbar auf Caspar Hennenberger, der
jedoch, soweit bekannt, keinerlei Chronicon oder Ähnliches ge-
schrieben hat.
1277 Nachr. II, S. 91.
2MSC21, S:12Y.
270 Siehe Erleut. Preuß., Bd. IV (1727), S. 690 ff.
1220 Ostpr. Fol. 357, Tapiauer Hausbuc, Bd. 2, S. 631 f.
281 Untersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln von Frankfurt a. O,,
Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Leipzig,
. Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg.
24%
371
In der „Ercler. d. Pr. Landt“ wird in dem Abschnitt Georgen-
burg „Johannes || Bilack || Pfarherr“ lediglich einmal am inneren
Rande der Seite 139 als Gewährsmann für die dort gebotene Er-
zählung angegeben, die Hennenberger also wohl von ihm selbst
gehört hat. Es handelt sich da um den Pfarrer von Georgenburg,
der seine Frau mit der Krügerin verriet und vor seinem Tode 1572
vergebens versuchte, dem Kaplan von Insterburg zu beichten.
Weiter heißt es:
„Anno 1573 sein wol in 15 wochen keine Predigten zur Geor-
genburg gehalten worden. Entlich ist jhnen angezeiget worden / das
auff den Ostertag ein neuwer Prediger alda sein würde jedermann solle
sich zur Kirchen finden“ usw.
Möglicherweise hat Quandt, der bisweilen recht ungenau ist,
diese Stelle gemeint.
Nach Arnoldt””® war der 1572 gestorbene Pfarrer ein Johann
Walter, der am 2. Dezember 1568 von Mörlin introduziert wor-
den war. 1573 soll ein N.N. gekommen sein, und zwar hat er,
wie Bielauks Erzählung zeigt, am 1. Ostertage die erste Predigt
gehalten.
Bielauk hat am 11. August 1575 mit der Abschrift der Postille
begonnen, denn am 2. September schrieb er am Schluß des ersten
Teiles der Postille:
„Jn 3 woch[en] 2 tag[en} durch Gottes hulf ausgeschrieb[en]
Ao 73 den 2 Septembris.‘1283
Nun ist aber die Postille mit ihren Anweisungen für den pre-
digenden Pfarrer (S. 63 „die de illis-qui cum sanguineis rem fa-
ciunt“, S. 81: „die plura de idolatria gentium“, S. 295°: „Die
aliqua ex Euangel: Math.: 18“ usw.) ganz offensichtlich als prak-
tische Hilfe für den Prediger gedacht. Es würde sehr gut stim-
men, wenn Bielauk sich diese Hilfe durch Abschreiben in den
ersten Monaten seiner praktischen Predigttätigkeit verschaffte,
und dieser N.N. Arnoldts"*, der Ostern 1573 seine Amtstätigkeit
in Georgenburg begann, bereits Johannes Bielauk wäre.
1579 ist Johannes Bielauk in Königsberg und unterschreibt
nach „Patroclus Weluerius“, dem Pfarrer von Kraupischken, und
1282 Nachr. II, S. 91.
1283 Abb. 67, T. XXX.
1284 Gaigalat, S. 10 ff.
12355 Nachr. II, S. 91.
372
vor Daniel Sperber, Pfarrer in Salau, auf Seite 18" die „Concor-
dienformel“ (Abb. 65, T. XXIX).
Wie schon gesagt, wird „Johannes Bilauc / Pf. zur Georgen-
burg“ in dem Vermerk auf dem Schreiben Bretkes als Postillen-
korrektor genannt, worauf er vom 17. Mai bis zum Schluß des
Monats in Ragnit an der Konferenz teilnahm und den Brief an
den Herzog mit unterschrieb".
Ende 1596 wandte sich Bielauk an die Herzogliche Kommis-
sion, die die Georgenburger Amtsrechnungen zu prüfen hatte,
und bat um Überlassung „...einer Vnbebautenn Hoffstedt bey
der Brugkenn || and[er] vorstadt, so woll auch vmb vnsern gne-
digenn || Consens vnnd Zulass, Dass Ehr vnnd die seinenn || freye
heckerey treibenn moge[n] ...“, und zwar bat er vorsorglich, daß
ihm in Georgenburg das Handelsmonopol verschrieben werden
solle, um die Konkurrenz von vornherein auszuschalten’. Die
Regimentsräte verlangten darauf vom dortigen Oberhauptmann
Bericht, der günstig ausgefallen sein muß; jedenfalls heißt es
in der „Vorschreibung Johan Bielauck wegenn Einer Hoffstedt
bey d[er] Brugke an d[er] vor || statt vnnd frey höckerey Zu
Treib[en]“**” u. a., daß
»+.. wir ((d. h.: der Herzog)) in ansehnung dess Pfahrs der l Kirchenn
Gottess geleistenn Dienst, seines ar- || menn weibess vnd Kindl[er]lein
Jn gnadenn ge || williget, Vnd willigenn, Craft dieses vnsers || Beueh-
lichs hiemit, dass Jhm die gebettene hoffstedte || wie andern so Sich
Jun d[er] Vorstadt gesetzet, Erblichn || ein gereumet, vnnd Zubebauenn
eingebenn, Jhme || vnnd seinenn Erbenn Vnnd nach Kommen, gemei- l
ne heckerey darinne Zu treibenn, vnd sich | dler]selbenn Zugebrau-
chenn verstatt vnd nach geb[en] || werdenn soll. I Dagegenn soll ehr
vnd seine Erben verbund[en], flichtig vnd schuldig sein, vnss vnd
„vnser“
nach Kom- || mender herschafft Jahr Jehrlichen vonn solcher hoff- ||
stadt vnd dem gebrauch der hocKerey drey ll MargK Preusch, grundt
Zinss Zugeb[en]. welche vnss || verrechnet vnd ein bracht, werd[en]
sollen, Wass ehr || aber in seiner Supplication angehangle]n, dass
Jhme hockKe- ll rey Zu treibenn allein Vorschrieblen], vnd sonstenn
nie- | mandt Zugelassenn werdenn soll dareinn Konnen || wir nicht
willig[e]n, Sols auch Supplicant nicht begehrn. || wass wir vnss durch
diese ihm vnd denn seinenn ertzeigte || gnadt vnd wolthatt, die gantze
handt schliessenn lassen || woltenn welches wir hier durch nicht ver-
1286 Präsent. 11. 5. 1590, siehe oben, S. 102.
2287 Ostpr. Fol. 184, „Haus-Buch des Amts Insterburg, Lit. A.“, S. 278v f.
373
stand{en] hab[en] wolllen]. l sond[er\n soll Vnss derogleichen
„vndt anderss, nach fürfallen gelegen“
„heit wenn wir wollenn | nach Zu gebenn Ahndler] Zeitt vorbehaltenn
habenn, Vnd habt \ solches dem Supplicanten, Ob Jhme die obige
gnadt annehm- || lichenn, antzu meldenn, Vndt Jhr thut darann Vn-
sern || willenn Vnd |] beuehlichs meinungK.
Datum Königspergk. N d[en] 30 Decemb. Anno 96.
Albrecht Freyhlerr] Zu Kitlitz
H(?) Rauter.“
Nach Quandt””*® und Arnoldt” starb Johannes Bielauk am
5. Oktober 1603.
Der „Albertus Bilauck, Georgenburgensis Borussus Litvanus“,
der am 6. April 1604 in Königsberg immatrikuliert wurde”, war
offenbar sein Sohn.
Johannes Höpfnerals Helfer.
„Johannes Höpner Caplan || Zur Insterburg““* gehört gleich-
falls zu denen „...der Littawischen Sprach Kundigen Theo-
logen ....“, die der Herzog um den 12. Mai 1590 zur Korrektur
der Postille Bretkes in Ragnit bestimmte””; mit ihnen unter-
schrieb Höpfner nach Beendigung der Arbeit auch den Brief der
Korrektoren an den Herzog (Abb. 30, T. XV).
Es bleibt die Frage, ob Höpfner an der Vorkorrektur der
Bibel teilgenommen hat.
Vergleichstexte sind: die Unterschrift unter der „Concordien-
formel“ (Abb. 73), ein dienstliches Begleitschreiben zu Dorfver-
zeichnissen der einzelnen Kirchen, die die Pfarrer des Amtes
Insterburg auf Anforderung zusammengestellt hatten’, die
'Supplikation Höpfners vom ?? 1590 an den Herzog®”*, die Ein-
tragung in das Stammbuch Joachim Mörlins 21. Dezember 1591
mit vier litauischen Wörtern von seiner Hand (Abb. 74)”" und
1288 MSC 21, S. 12v.
1289 Nachr. II, S. 91.
1200 Frler, Königsb. I, S. 164.
12821 Kanzleivermerk auf Brief Bretkes (eingeg. 11.5. 1590), siehe oben, S. 101 £.
(Qu., $. 432, Z. 42).
1222 Siehe oben, S. 103.
1203 EM. 55e, Aktenheft: „Wegen der Kirchspiele im Insterb....“ usw., Bl. 23.
1288 (Ju., S. 455, Z. 38.
1265 Kopenhagen, Unwers. Bibliothek, Thott 8° — 385, I, Seite 179 (auf das
Stammbuch wies mich Herr Prof. St. Kot hin).
374
einige verstreute Unterschriften und kurze Zeilen in Dienstschrei-
ben in deutscher Sprache, die jedoch nichts Neues bieten.
Während sich die Schrift J. Höpfners in den deutschen und
lateinischen Texten in Kursive noch recht deutlich von der Bret-
kes unterscheidet, zeigen die wenigen litauischen Wörter von
seiner Hand eine weitgehende Ähnlichkeit mit den Schriftzügen
Bretkes in manchen Stellen seines Bibelmanuskripts. Und trotz-
dem erkennt man nach längerem Studium an der ganzen Art der
Linienführung die Unterschiede der beiden Handschriften; eine
sorgfältige Durchsicht der Anmerkungen und Korrekturen Bret-
kes macht nahezu sicher, daß Johannes Höpfner keine Korrek-
turen angebracht hat.
Auch theoretische Überlegungen machen es unwahrscheinlich,
daß Bretke dem Thüringer, der erst 1569 nach Preußen kam und
doch wohl sicher erst damals litauisch zu lernen begann, seine
Bibel zur Verbesserung des litauischen Textes übersandt haben
sollte. Bretke hat, soweit zu sehen, nur solchen Personen einzelne
Bücher zur Korrektur zugestellt, die von Jugend auf mit der
litauischen Sprache in Berührung standen.
Johannes Höpfner, Leben und Persönlickeit.
Der Name Höpfner ist offensichtlich deutsch.
Johannes Höpfner stammt aus Thüringen, denn in der „Con-
cordienformel“* nennt er sich: „Johannes Höpfnerüs Thurin-
güs...
Bei der Häufigkeit des Namens, der auch „Höpner“, „Hope-
ner“ usw. geschrieben wird, ist die Feststellung unseres Johannes
Höpfner in den Matrikeln der deutschen protestantischen Uni-
versitäten schwierig. Doch paßt zeitlich und örtlich nur eine Ein-
tragung unter den vielen Matrikeln mit Johannes Höpfner, Hep-
nerus usw. auf ihn, und zwar die vom Sommersemester 1553 im
Matrikelbuch der Universität zu Frankfurt a. O.”: „Joannes
Höpner Goltpergensis 3“, was das Goldberg bei Ohrdruf in Thü-
ringen sein dürfte'?®,
4286 1579, S. 17v (Abb. 73, T. XXXIIO).
1297 Friedlaender, Matrikel von Frankfurt a. O., I, S. 135.
1268 Untersucht wurden außerdem die veröffentlichten Matrikeln von Frei-
burg i. Br, Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Leipzig,
Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg.
375
Sicher ist Johannes Höpfner aber 1569 in Preußen und wird
nach Arnoldt, der ihn jedoch „Johann Hafer“ nennt, am 17. Fe-
bruar 1569 von Mörlin in Ragnit als deutscher Diakon”” und
deutscher Schulmeister introduziert, wo Augustin Jamund litaui-
scher Pfarrer war; 1590 schreibt er an den Herzog:
„»...Daß ich nun in die 21 Jahr in diesenn E.F.D. landen
fur einen Kirchendiener mich brauchen lassen Erstlich
4 Jahr Zu Ragneth fur einen deutschen Caplann .. .“1300
und „Ditrich packmor“, der Amtshauptmann von Ragnit, schreibt
am 14. November 1576 an die Regimentsräte"”" von einem
„»...der etzliche Jahr Zuuor
Alhie bei vns Jm Schuel dienst vnnd deutscher
prediger... gewesen... mit nahmen Johannes Hopffner...“
Vielleicht hat er damals geheiratet, jedenfalls hat er 1573
Frau und Kinder, auch wird 1599 sein Sohn in Königsberg imma-
trikuliert"®.
In Ragnit muß Höpfner so viel Litauisch gelernt haben, daß
er als litauischer Pfarrer verwendet werden konnte, denn 1573
wurde er „...in der kirch Schir- || wintte littauischer prediger
das er Alhie Jm || Ampte‘*® Zuuorn sieben Jahrlangk gewesen ....“,
wie Packmor in dem erwähnten Briefe von Ende 1576 weiter
schreibt.
Johannes Höpfner kam also auf die Pfarre Thomas Gedkants
zu Schirwindt an der Scheschuppe unmittelbar an der preußisch-
litauisch-polnischen Grenze, die später unser Korrektor Johannes
Gedkant innehatte (siehe oben, S. 356).
Gleichzeitig muß Höpfner auch verpflichtet gewesen sein, in
dem nur 2 km entfernten, auf litauischer Seite ebenfalls an der
Scheschuppe gelegenen Neustadt (litauisch Naumiestis) Gottes-
dienst zu halten!®,
Während sich Höpfner in Ragnit in den Personen des Amts-
hauptmannes und der Kirchenväter Freunde und Fürsprecher
32:5>Nachr'OII, S.n122.
10 FE, M. 56e (Qu., S. 455, Z. 42 ff.).
1301 E.M. 118ee Ragnit, Aktenheft: „Stadt Ragnit, Kirche und Schule 1576—
1601“; Abdruck bei Witte, Waischnarus, S. 141 ff.
1302 Siehe unten, S. 384.
1808 Schirwindt gehörte zum Amte Ragnit.
1304 Siehe weiter unten.
376
gewann, hatte er sich in Schirwindt mit verschiedenen Männern,
worunter vor allem „...der herr Konarsky“ von der Littau-
schen Georgenburgh...“ war (Georgenburg liegt in Litauen,
9 km von der deutschen Grenze und 28 km nördlich von Schir-
windt), schwer erzürnt.
Schon nach zwei Jahren wollte sich Höpfner von dort „selbs
transferiere[n]“, wie Bischof Heshusius am 18. April 1575 ent-
rüstet an den Bürgermeister und Rat der Stadt Tilsit schrieb.
Diese hatten sich mit dem damaligen Tilsiter litauischen Pfarrer
Johannes Carbo erzürnt, ihm schon eine geraume Zeit gekündigt
und wollten nun Johannes Höpfner aus Schirwindt als Nach-
folger Carbos haben, der bereit war, ohne den Bischof zu fragen,
nach Tilsit zu kommen. Heshusius konnte dieses
»...keines weges bewilli- |] gen, den dadurch würde die Gemeine Zu
Schirwinta, ehe sie wie- || derumb einen tüchtigen Seelsorger bekommen
konte, lange Zeit ll der Predigt Göttliches wordt entrahten müßen, So
ists auch nicht Zu billi- || gen noch Zu vorandtwortten, daß man einer
Kirche mit nachtheill || einer andern Gemeine Raht schaffen wolle...“
Sie sollten sich mit Carbo versöhnen oder eine andere tüchtige Person,
„so der littauschen Sprach Kündig, und |] etwas studiret“, vorschlagen.
In einem Brief vom 19. Mai 1575 an die Gleichen sagte der Bischof:
„... dem Pfarrer l Zu Schirwinta Johannem (!) Hopffnerüm (!) Kan
ich nicht gestatten. daß Er seine l Pfarr verlasse, und sich Zu eüch
wende, hat Er mangel in seiner Pfarr, die || soll Er klagen, und
Schrifftlich. anzeü(!)gen, damit Sie geendert, und abgeschaffet || wer-
den. Er hat keine Uhrsach hinweg Zu Ziehen, dieweil Er noch nie ge- ||
klaget hat, an den Orthen da sichs gebühret .. .“13%
Ein Jahr später hat Höpfner aber doc „...ohne gewon- || liche
vffsagung sich aus dem kirchen dienst || vom Neustedtlein hin-
wegk begeben...“, wie ihm von seinen dortigen Gegnern vor-
geworfen wurde”,
Als im Frühling 1576 Augustinus Jamund, der litauische
Pfarrer in Ragnit, starb, wurde vom Amt Ragnit scheinbar ein-
hellig Johannes Höpfner als dessen Nachfolger vorgeschlagen
und dem Bischof präsentiert, der ihn darauf examinierte. Höpf-
1806 Sjehe Witte, Waischnoras, S. 198 Anm. 132.
1206 E,M. 138e 2. Die beiden Briefe sind in Abschriften zu einer Eingabe des
Bürgermeisters und Rats der Stadt Tilsit an den Kurfürsten, eingeg.
11. 11. 1677, erhalten.
1507” Im erwähnten Briefe Packmors.
ERS
ner wurde für tüchtig befunden und die Berufung nach Ragnit
vom Bischof bestätigt. Der Tilsiter Pfarrer hatte bereits schrift-
lichen Befehl, Höpfner in Ragnit einzuweisen.
Doch am Tage vor der feierlichen Introduktion erhalten der
Tilsiter Pfarrer und noch andere an der Introduktion beteiligte
Personen von Konarski aus Georgenburg je einen Brief,
„»...das man
demselbigen Hopfnero den dienst Zu Rangnedt
mitt nichten gestatten woltte, viel weniger Je-
nen daselbst einweisen noch vff die Cantzell
daselbst kohmen....“
lassen sollte, denn er hätte sie schwer beleidigt und den Kirchen-
dienst in „Neustedtlein“ ohne übliche Kündigung verlassen.
Der Tilsiter Pfarrer nahm die Introduktion daraufhin nicht
vor, sondern übersandte den Brief Konarskis mit einem Begleit-
schreiben an den Bischof. Als der Bischof Höpfner die Anschul-
digungen gegen ihn in einem Schreiben vorhielt, reiste dieser so-
fort zu ihm, legte seine Unschuld dar und bat um eine „...recht-
messige verhorung...“.
Der Bischof entschied:
»...Er sollte
sich Zuuor mit dem h[errn] konarsky vnnd etzlichen
Anderen die er offendiret, versonen Alß den solte
Jme derselbige dienst widerumb nach gegebenn werdenn ....“
Höpfner suchte durch Vermittlung guter Freunde, die er zu
Konarski schickte, diesen sich zu versöhnen; schon stand die Aus-
söhnung mit Konarski und den übrigen gekränkten Personen
bevor, da schlägt der Bischof einen anderen für den Ragniter
litauischen Pfarrposten vor,
»... den hopfnerum aber wolle er nuhn mehr alhie gar
nicht wissen, aus vrsachen das Jme von vielen
leuten beikommen Als solle er leicht fertigk Zengk-
isch vnnd eines ergerlichen lebens sein, da durch
den der lauff des Evangelij bei den Zu horern
gehindertt...“
Der Amtshauptmann wandte sich wiederholt für Höpfner
schriftlich an den Bischof und sagte, daß ihm der vom Bischof
vorgeschlagene Pfarrer in seinem Wandel unbekannt sei, es wäre
ihm nur berichtet, daß man ihn dort, wo er sich jetzt aufhielte,
gerne missen möchte. Wenn er aber über Höpfner
378
u)
„... gewisse Kuntschaft
zu haben begerte, were dieselbige bei denen, da
er sich die meiste vnnd lengste Zeit vffgehaltten
vnond denen Kuntschafften zu geben geburte Zu such[en].“
Er, Packmor, könne
„... nicht vorbei vnnd muste Ime das
geZueghnus geben, das er sich die Zeit vnnd entliche
Jar‘ vber, weil er alhie Im schuel dienst so wol Jm
ministerio gewesen aller vnuerweislichen vnnd
christlichen gebur Jn lehr vnnd leben vorhalt[en]
vnnd deme nicht so were wie es dem h[errn] Bischof
von leicht fertigen leuten die selber mitt aller vn-
tugent vnnd ergerlichem leben vnnd vorhalt beschmutzet,
gantz vngetlich vorbracht...“
Er, der Amtshauptmann, würde sich hüten, Höpfner zu „...sol-
chem hohen ampt...“ zu berufen, wenn er ihn nicht kennte.
Doch weil alles nichts half, und der Bischof auf seinem Sinn
beharrte. schrieb Packmor am 14. November 1576 an die Regi-
mentsräte einen langen Brief, in dem er die ganze Sache dar-
stellte, und aus dem wir sie kennen.
Es heißt in dem Brief, er schriebe, weil der Bischof
„... viel gedachten hopfnern,
der geschickt, erfaren, vnnd gesunder lehr, da-
Zu der littauschen sprachen kundig vond
mechtig, damit auch den Zuhorernn beuoraus
an diesen orth vorstendtlich vnnd vornehmlich
mit der kirchen mergklichen schaden, vnnd der
Armen leutlein vnheil, alhie nicht wissen will...
“.
und zwar nur, weil er Berl undungen leichtfertiger Leute mehr
glaube, als ihm, der er
»...In offentlichenn
Ampt, vnnd wegen desselben, des Kirchspiels bestes
billich wissen soll...“
Packmor bittet, die Regimentsräte möchten dahin wirken,
daß Höpfner, der nun schon so lange auf die Stelle gewartet
hätte, und doch berufen und bestätigt sei, nicht mit Weib und
Kindern an den Bettelstab gebracht würde, sondern die Stelle
bekäme. Wenn er sich im Dienste schlecht bewährte, könne man
ihn ja immer noch bestrafen. Zum Überfluß hätte er, Packmor,
jetzt nochmals an den Bischof geschrieben,
379
„»... das diese kirche mit
keinem besser als mit gemelten hopfnero kann vnnd magk
bestellet werden...“
Doc alle Bemühungen waren vergebens. Zwar berichtet Ar-
noldt””® von einem „N. Hypnerus“, der am „23. Nov. 1576 zum
Pf. allhier mit dem || Bedinge bestätiget, daferne er sich mit dem
v. Konarski, der ihn, seinem || Vorgeben nach, der Lehre wegen
vertrieben, würde versöhnet haben“, aber das Datum stimmt
sicher nicht.
1579 war Simon Waischnarus bereits Pfarrer in Ragnit.
Sicher ist, daß Johannes Höpfner spätestens 1577 als litaui-
scher Kaplan nach Insterburg kam, das damals noch ein Markt-
flecken war. Sein Vorgesetzter war der Thüringer Johann Sper-
ber, Pfarrer in Insterburg*”. In seinem Briefe von 1590 an den
Herzog sagt Höpfner, daß er sich „...hier Zur ]nster- || burg
auch in die 13 Jahr fur einenn littauen....‘“ hätte brauchen las-
sen’, Seine Frau gibt nach seinem Tode in einem am 23. Ok-
tober 1595 eingegangenen Briefe an den Herzog an, er wäre
17 Jahre in Insterburg gewesen, und zwar schreibt sie, er hätte
es sich i
»...Sonderlich alhier Zuer Jnsterburgk bey Sieben Zehen
Jahren mitt den gefangen Zue Schloss gantz schwer vnd sawer
werden lassen ...““1311
Über seinen litauischen Pfarrdienst schreibt Höpfner 1590 in
dem schon genannten Bittbrief an den Herzog:
„Denn ich... in meinem litauischen dinst, offt grosse vnruge vnd
beschwere fur allen andern Jm amptt haben muss. Denn
Dies amptt (gott lob) gross (?) wirdtt auch teglichen grosser
vımd (?) finden sich vnder sovielen volcks auch vill bosen leuth,
die wegen Ihrer misshandtlung herein gebrachtt werden, Wie
dan derselben in die 50 Zu meinen Zeiten sindt gerichtet worden
mit welchen ich alzuuil oft Zu schaffen, Den ich muss mit
allen allein Zuthun habenn, bei Ihrem ende sein, vnd mancher
kan daß liebe vatter vnser nichtt, dass man an solchen leuthen
woll ein Zimliche besoldung verdienet...“
1308 Nachr. II, S. 126, Ragnit.
1500 Arnoldt, Nachr. II, 5. 82.
1310/0)11., S. 457, Z. 17—19,
31 E,M. 72£., Aktenheft: „Pfarrer der Litthauischen Kirche in Koenigsberg
u. Insterburg“, Blatt 1 (Qu., S. 456, Z. 20 #f.).
380
Über die Litauer, mit denen es Höpfner dort zu tun hat,
schreibt etwa 120 Jahre später ein Caspar Stein in seinen Auf-
zeichnungen über die Litauer im Amt Insterburg”*:
„In Praefectura Insterburgensi, Sutores
Lithvanici ultra 15.000, qui omnia sua
calceamenta, Paressken dicta, ex corticibus
arborum levibus conficiunt. Lithvanorum
tuguria, Schwartzhauss appellata, in ho-
rum uno, saepe ex una familia 20. vel 40
sub uno tecto pacat& habitare [et] conjun-
ctim comedere bibere ac dormire solent,
quibus materfamilias cibos aequaliter di-
stribuit. Tuguriiola vicina, Kleidt nuncu-
pata, in horum uno duo conjugati vesti-
tum [et] supellectilem suam vilem custo-
diunt.“
In Insterburg hat Höpfner keine Kirchenhufen, doch muß er
zwei Pferde und zwei Kühe gehabt haben, da ihm bei seinem
Dienstantritt
„»...auff 2 pferdt
vmd kuhe futter ist gereichett worden alss 2 morg[en] wiesen vntter
dem Kirchoff; Darnach Jm winter ein fuder 16 von Didlauken heu...“
Außerdem erhielt er 6 Scheffel Roggen.
Seine sonstigen Besoldungsverhältnisse sind für die Zeit
unklar.
1579 ist Johannes Höpfner in Königsberg und unterschreibt
wie fast alle preußischen Geistlichen zusammen mit „... Johan-
nes Sperber Pastor et Archipresbytier || Insterburgensis ...‘“ und
»... Michael Langbein Bischlebensis Ludimoderotor || Inster bur-
gensium...“ die „Concordienformel“. Seine Unterschrift auf
Seite 17’ siehe Abb. 73, T. XXXIL.
Wie aus einer Eintragung in das „Haus-Buch des Amts Inster-
burg Lit. A.“ vom 13. November 1581 hervorgeht, hatte sich
Höpfner in der Zeit mit einer Bittschrift „Wegen Verbesserung ||
seines Vndterhalttes“ an den Herzog gewandt, worauf ihm ge-
antwortet wurde:
»...Ess Wollen Hochgemeltte Fl dlt Jmen gne I diger Anmerckhunge
seinnes Vndt-erthen ll nigen Vliesses (!) bey der Littischen Kirchen I
11? „Acta Boruss“, Bd. I, S. 215, 1730.
1313 Ostpr. Fol. 184, S. 174 £.
381
den ehr Auch Noch treulichen Anwenden soll | gnedigess bewilligett
haben, dass Jhm Jher l lichs Vnnd so lange ehr Älhie solichen seinnen l
dienst treulich vorwaltten Vnnd der || Kirchen mitt Reinner Lher ]n
gutten Christ || lichen Wandell Vorsthen werdtt | Vber die Vorigen
Sechsse Noch Zehen I scheffell Rockhen Vnnd Zehen schl Gersten I
Von Fl. DI. Hausse Jnsterburgkh || gegeben Werden...“
Ende 1583, als Insterburg zur Stadt erhoben wurde", wird
Höpfner noch außerdem deutscher Kaplan. In seinem Briefe an
den Herzog von 1590 schreibt er:
»...Da E.F.D. auß angeborner Furstlicher mildigkeitt Dieselbe315
mit Stadttrechtt gnedigst begnadigett, alß bin ich
auch Zum Deutschen Caplann, angesehen daß die stadtt
an volck Zunimptt, angenohmen worden...“
Über seine Besoldung schreibt er weiter:
»...vond hab also
vonn beiden dinsten Jerlichen 120 M. besoldung, Dazu
mier E.F.D. auch 26 scheffell getreidig, Zum bessern aufent-
halltt Jerlichenn Zureichen gnedigst befohlenn....“
Am 12. Mai 1590 wird „Johannes Höpner Caplan / Zur Inster-
burg“ zur Teilnahme an der Konferenz zur Korrektur der Bret-
keschen Postille bestimmt’, die am 17. Mai begann und bis
gegen Ende des Monats dauerte. Zum Schluß unterzeichnete
Höpfner auch den Brief, den die Konferenzteilnehmer an den
Herzog schrieben“.
Wahrscheinlich wandte sich Höpfner, nachdem durch die Po-
stillenkorrektur sein Name der Behörde ins Gedächtnis gerufen
worden war, mit einem Brief an den Herzog (das genauere Da-
tum des Briefes steht nicht fest), schilderte seine Amtstätigkeit
in Preußen, seinen schweren Dienst in Insterburg, seine schlechte
Wirtschaftslage, und bat”,
»... Weill
aber von tag vnnd tag Jmmer schwerrere Zeiten vnnd tewere
Jahr einfallenn ohne das an diesen orthen WeR man Zur leibs
nahrung vnnd noturftt bedarff, theuer vmd alles vmß
geldt muß gekauftt werdenn...“,
151% Am 10. 10. 1583 verlieh Georg Friedrich dem Flecken Insterburg das
Stadtprivileg; siehe Agath. Harnoch, S. 295.
1315 Nämlich „die Insterburg“.
1316 Siehe oben, S. 102 ff.
1317 Eingeg. 1. 6. 1590.
1818 Qu, S. 456, Z. Yff.
382
> 25 44:
und er sowohl bei dem Herzog als auch bei andern Leuten in
Schulden geraten sei, ihm 50 M. mehr Gehalt und 34 Scheffel Ge-
treide zu den bisherigen 26 zu liefern. Und, weil er sich „...
ohne || ein 2 pferde vnd vihe...“ nicht behelfen könne, bittet er
auch weiterhin um regelmäßige Lieferung des Futters, denn in-
folge des häufigen Wechsels der „Herschaftt“ wäre die Futter-
lieferung ins Stocken geraten.
Ob ihm seine Wünsche erfüllt worden sind, ist unklar. Jeden-
falls sind nach drei Jahren weder die privaten Schulden, noch
die beim Amte Insterburg bezahlt.
Am 21. Dezember 1591 trug sich Höpfner in das Stammbuc
Joachim Mörlins, des Sohnes des oft genannten Bischofs, ein”.
Wohl nicht zufällig wählte Bretke in Königsberg etwa 7% Jahre
später die andere Seite des gleichen Blattes” für eine Eintra-
gung in das Stammbuc (Abb. 9, T. VII und Abb. 74, T. XXXIV).
Die Eintragung Höpfners enthält die einzigen litauischen
Worte, die von seiner Hand erhalten sind. Der lateinische Text
mit dem litauischen Spruch, von dem Abb. 74, T. XXXIV den
Schluß zeigt, lautet:
„Domine Jesü Christe, respicere
digneris, super me miserum
peccatorum (?), oculis misericor-
diae tuae, sicut respexisti, pe-
trum in atrio, Mariam Mag-
dalenam, in conuiuio, et la-
tronem in Crucis patibulo...“
(Weiter siehe Abb. 74, T. XXXIV.)
In der Zeit danach begann Höpfner einen Bau, dessen Voll-
endung er jedoch nicht mehr erleben sollte.
Sommer oder Herbst 1593 starb er und hinterließ seiner Frau
und seinen Kindern den unfertigen Bau, viele private Schulden
und Schulden beim Amt.
In einem am 23. Oktober 1593 eingegangenen Schreiben'’*
klagt die Witwe dem Herzog ihr Leid; sie würde von den Gläu-
bigern hart bedrängt und bäte um den Erlaß der Schulden für
Ziegelsteine beim Amt.
1510 Kopenhager Univ.-Bibliothek Thott 385-8°, S. 179.
1220 5, 178.
121 Qu., S. 457 f.
383
Am 26. Januar 1599 wird in Königsberg ein „Joannes Höph-
nerus Insterburgensis“ — der spätere Diakon in Werden und
litauische Pfarrer in Memel“” — immatrikuliert, sicher doch ein
Sohn unseres Korrektors.
Der Korrektor Friedrich Masalski.
Friedrih Masalski, Pfarrer in Prökuls, wird in den folgen-
den Herzoglichen Schreiben unter den „...der || Littawschen
sprach kundigen erfahrnen Pfarrhern ...“ genannt, die zur Kor-
rektur des Bretkeschen Bibelmanuskripts nach Ragnit bestellt
wurden: Um den 20: September 1592 an den Hauptmann zu Rag-
nit”®, er solle, wenn Bretke in Ragnit angekommen ist, neben
Waischnarus, Gedkant, Musa, auch „...Friederichen Mosalski
Zu Precols Pfarrherrn....“ auf das Haus Ragnit fordern'”*. Ge-
nau so in dem Konzept zu dem Briefe vom 20. September 1592’,
Am 22. September 1592 an die vier genannten Pfarrer: Der Her-
zog habe außer den drei Erstgenannten auch „...Friederichen
Mosalskj zum || Precols...“ für die Korrekturarbeit ausersehen.
In der Adresse an die vier Geistlichen: ‚„Friderich Mosalskj pfar-
herrn zum Precols“ und: „Friederich Mosalskij || Zu Precols pfar-
herrn.“
Daß er tatsächlich an der Konferenz teilgenommen hat, be-
weist seine Unterschrift unter dem Brief der vier Korrektoren
an den Herzog vom 10. Oktober 1592, in dem diese mitteilen, daß
sie die Arbeit aufgeben, da angeblich ohne Hebraisten die Bretke
bewegenden Fragen nicht gelöst werden könnten" (Abb. 75).
Aus den unten, S. 399, angegebenen Gründen ist es sehr unwahr-
scheinlih, daß Masalski während der Ragniter Korrektoren-
konferenz Korrekturen in das Bretkesche Manuskript eingetra-
gen oder auch sonst irgendwie die Sprache beeinflußt hätte.
Bleibt die Frage, ob Bretke ihn vielleicht wie Gallus,
Z. Blothno d. Ä., u. a. auch privatim zur Korrektur irgend eines
biblischen Buches herangezogen hat.
1322 Arnoldt, Nachr. II, S. 157 und 166.
1823 5,.M. 72f., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 1 (oben, S. 114).
1322 Siehe oben, S. 114.
125 Signatur wie Anm. 1323, Bl. 3.
1226 Siehe oben, S. 114 f. u. 232. E.M. 72 f., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 11.
384
Für den Schriftvergleich steht bis jetzt leider nur die oben
angegebene Unterschrift zur Verfügung. Doch wie Abb. 75 ver-
anschaulicht, zeigt der Familienname in der Unterschrift, wäh-
rend der Vorname noch ganz in konventionellen Zügen gehalten
ist, mit seinen hohen Oberlängen usw. ganz charakteristische
Buchstabenformen, die sich auch in einer zwanglosen Kursive
zeigen müßten.
Im Bibelmanuskript finden sich aber keine Korrekturen, die
in der Handschrift mit der Masalskis Ähnlichkeit hätten. Somit
wird sehr unwahrscheinlich, daß Bretke ihn privatim um Ver-
besserung eines Teils der Bibel gebeten hat. Beachtet man die
Gewohnheit Bretkes, seine Arbeit bald nach Fertigstellung Kol-
legen vorzulegen, die seiner Meinung nach gut litauisch sprechen
(Gallus, Z. Blothno d. Ä., A. Radunius d. ]J., A. Strischka, bei den
übrigen ließ sich der Zeitpunkt nicht ermitteln), so wird nahezu
sicher, daß sich Friedrich Masalski nicht privatim durch Korrek-
turen an der Gestaltung der Sprache der Bibel beteiligt hat, da
er allem Anschein nach erst Anfang 1590 nach Preußen kam, und
die nach 1587 in Königsberg übersetzten Biblischen Bücher außer
Eintragungen von Gallus (t. Buch Mosis, wurde ihm von Königs-
berg aus zugeschickt) und von Daniel Klein (in den Großen Pro-
pheten) keinerlei Spuren einer Korrektur von fremder Hand
aufweisen”.
Doch weil Friedrich Masalski an der Konferenz zur Bibel-
korrektur in Ragnit teilgenommen hat, vor allem aber, weil die
wenigen Lebensdaten, die sich von ihm ermitteln ließen, einiges
Licht auf das Leben der litauischen Pfarrer des 16. Jahrhunderts
in Preußen werfen, sollen sie hier mitgeteilt werden.
Friedrich Masalskis Leben.
Der Name ist polnisch. Die Träger des Namens, zu denen
auch Angehörige eines Fürstengeschlechts gehören, sind in Li-
tauen nicht bodenständig, sondern aus den früheren ostpolni-
schen Gebieten eingewandert. Sie lebten außer in Litauen noch
in Smolensk, Kijew usw."*,
13277 Siehe oben, S. 322 ff.
128 Niesiecki, „Herbarz Polski“, Bd. VI (1841), S. 350.
25 Falkenhahn, Bretke 385
Wo Friedrich Masalski studiert hat, ist ungewiß, da sein
Name in keinem veröffentlichten Matrikelbuch der in Frage kom-
menden Universitäten feststellbar ist’.
1587 muß Fr. Masalski jedoch mindestens eine gewisse Zeit
»... Ja Soymoyt[en] Zu Kedeynen...“ gewesen sein, denn, wie
aus den weiter unten mitgeteilten Akten hervorgeht, wurde er
Mitte August 1594 angeklagt, er hätte vor sieben Jahren seine
angetraute Frau mit einem Kinde sitzen lassen und sei ihnen
entlaufen. Er muß also damals bereits in entsprechendem Alter
gewesen sein und irgend eine Stellung innegehabt haben.
Im März 1590 war er aber in Preußen und sollte als Pfarrer
nach Prökuls kommen, jedenfalls sagt Quandt zu Prökuls'*:
„1590. Fridrich NE i
Rescript. 1590. 24. Martj daß dieser in die
Stelle des Pf. d[er] nach Piktupenn[en] transferirt intro-
duirt [werden soll].“
Doch muß er erst vor dem Königsberger Konsistorium ein
Examen ablegen, das er auch besteht, denn in einem Schreiben
Georg Friedrichs „An Haubtman vnnd Haus vogtt Zurr Mum-
mel (!)“ (erl. den 14. Mai 1590)** heißt es nach der Grußformel:
»... Vff euren an vnns gethunen vn-
derthenigsten bericht, haben wir
Zeigern dieses Fridericum Mo-
salskij, welcher Zuuor vor vnns
dem Kirchspiel Zu Precoloß
fur ein Pfarrherrn praesentiret
worden, vnnserm Geistlich[en]
Consis Torio tuchtig befunden,
gestrigs miettwochs gebuer
die ordination erlanget,
vnnd wiel wir Ihne denm (!)
obgemeltem Kirchspiel fur
ein Pfarrherrn .....(?) uerordtnen
Zu lassen gnedigst gemeinet,
So ist vnnser gnedigster
Zuuorlessiger beuehlich hie-
1322 Untersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln von Frankfurt a. O.,
Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Krakau,
Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg.
1330 Presbyt., Bd. 4, 108v.
ıssı F, M. 98 d, Oberratsstube Prökuls.
386
mitt an euch, Ihr wollet
vff einen gelegenen Sontag
den Pfarrher Zur Mummel
Zu euch Ziehen, euch mit
Jhme nach Precolos bege-
ben, vnnd doselbst dem Kirch-
spiel gedachten Fridericu [m]
Mosalsky ((Rand: fur ein Pfarrher)) furstellen, Ihne
gebuerlichen einwei-
sen, vond ((„an vnnser stadt)) Kirchspiels-
Kinder ermahnen, Ihnen
beuehlen vnnd einbinden,
das sie nunmehr gerurten
Mosalskij fur Jhnen or-
dentlichen Pfarrher vnnd
sehl sorger, erhen, erkennen
vnnd haltten...“
Nach Arnoldt (Nachr. II, S. 162) ist seine „... Jntroduction
1590 den 27. || Mart. und den 14. May anbefohlen worden“.
Wie sich weiter unten zeigen wird, trat Fr. Masalski zwar
sein Amt an, doch unterblieb die feierliche Einweisung aus irgend
einem Grunde.
Sein Vorgänger in Prökuls, von dem Quandt spricht (siehe
oben), war nach Arnoldt, Nachr. II, S. 162 (Prökuls): ‚Andreas
Paskaitis, dessen Introduction den 8. Mey 1587 anbefohlen wor-
den, und welcher 1590 nach Pictupönen kam.“ Dieses wird auch
durch ein Schreiben des Herzogs an den Bürgermeister und Rat
der Stadt Tilsit vom 15. März 1590 bestätigt, in dem der Herzog
sagt, sie sollten den vorgeschlagenen „...Pfarh[errn] Zu Proku-
lins An- || dream Paßfkaitten....“ auf die vakierende Pfarrstelle
zu Piktupönen berufen‘,
Über die ersten Jahre Fr. Masalskis in Prökuls ist keine Nach-
richt erhalten. Doch muß er bald erbitterte Feinde gehabt haben,
denn Sembritzki schreibt", offenbar gestützt auf ein „Akten-
stück des St.[aats] A.[rchivs]“ „Akten der Oberrathsstube“ „Et.
Min 989...“ das „... von großer Wichtigkeit...“ ist, „durch wel-
ches manche Irrthümer der Arnoldtschen Presbyterologie berich-
tigt werden...“**: „1594 wird er auf Anstiften seiner Feinde,
182 Ostpr. Fol. 371/a, „Rothes Haus-Buch des Amtes Tilsit No 3“, S. 42r.
1323 Geschichte des Kreises Memel, S. 101.
“4 Das ich jedoch an dem von Dembritzki angegebenen Ort nicht fand.
25*
387
als welche er den Pfarrer Fuhrmann in Memel, der gern seinen
Bruder Benedict nach Prökuls bringen wolle, die beiden Fischer-
meister Caschub und Jagenteufel, sowie den Krüger und Schul-
meister zu Prökuls nennt, von einem Weibe Hedwig aus Scha-
maiten angeklagt, er habe sie geheiratet, drei Kinder mit ihr
gezeugt, dann sie verlassen und sich anderweit verheiratet. Er
wird verhaftet, sitzt fast ein Jahr gefangen, wird aber, da das
Weib die Beweise schuldig bleibt, wieder eingesetzt‘.
Arnoldt unterscheidet einen älteren und einen jüngeren Fried-
rich Masalski, von denen der erstere ab 1590 in Prökuls gewesen
sein soll, während er von letzterem schreibt”:
„...ward zwar 1594 hieher geord-
net, wenn er aber eines verschuldigten Adulterii wegen inhaf-
tiret worden,
so ward der aus Szamaiten vertriebene Stephan. Hedeccus eventualiter
zum Pf. hieselbst den 9. Sept. desselben Jahres verordnet. Es
kam derselbe
aber nicht dazu sondern des Masalski Introduction ward 1595 den 30.
Jan. aufs neue anbefohlen.“
Sembritzki sagt hierzu: „Dieser Unterbrechung in der Amts-
führung wegen nahm man an, daß zwei Pfarrer dieses Namens
aufeinander gefolgt seien“, es handle sich aber um die gleiche
Person.
Sembritzki hat offenbar recht, denn weder Quandt noc ein
aus der Feder des „W (?) Wiergander || Hauß vogt“ in Memel
stammendes Schreiben (31. August 1594, siehe unten) geben den
geringsten Anlaß, zwei verschiedene Pfarrer dieses Namens an-
zunehmen.
Wiergander gibt dem erwähnten „Steffanus hedig“ an „...H.
Hans Rauther fr. Dt Jn Preuss[en] || Regimendts Rath vnd Obri-
sten (!) Bürg || graff[en] Zu Konigspergk ...“ einen Brief mit, in
dem er nach der Grußformel schreibt”:
„»...Das der Pfarher
Zu Prekolls Jn meinem vorhautten (!)
Ampte, Zwej ((Rand: gethrautte)) Eheweiber haben solle, Wie
dan die Annder mit der ehr Jm (!). Konig-
lich[en] theyl Zu Kedeynen gethrautt, vor-
rc, ES 101:ff:
1220 Nachr. II, S. 162.
1337 Datum 31. 3. 1594; E.M. 98d Prökuls.
388
gangl[en] Marien tag! hier erschienn vnnd
Jenn deßweglen] beklaget, das ehr sie
Jn Soymoytien] Zu Kedeynen mit einem
Kinde habe sitz[en] lassen vnd vor 7 Jharn
von Jr endtlauff[en] wellches, ob
er es nicht gestand[en], sie sich genug-
sam Zu beweisen erbothen, Alls ]st
Jhr solche Jre Clage darZu thun
die sechsische fryst!® zu erKanndt,
Der Pfarher aber bissolang der be-
weiß er folget, Jn vdrstrickung genohmn (!)...“
Mit wie wenig Wohlwollen oder doch zum mindesten Objek-
tivität die ganze Sache behandelt ist, zeigt der weitere Text des
Briefes:
»...Der beweiß er folge Nun oder, Niht
befurchte nich das, es mehr Als
Zu vill gescheen ((Rand: v[n]d dergethan wirth)) wirt wollen Jmen
dj Kirch spils Kinder durch aus Nicht
wiss[en] vnd habe diese Sach[en]
an f. dt. gelang[en] zu lass[en] eingestellet
"bis so lange der beweiß erfolget
Nichs (!) weniger
auch mit dem Schulmeister die vor-
sehung, Damit, solange. die
Kirchspils Kinder, mit vorhragung (!)
gotlihs (!) wortes wersehen werden
In des Aber hatt kegenwertig[er] Zeiger ((Rand: steffanus hedig))
ein Pfarher von Gerdaun burtigk
der littisch[en] vnd Polnisch[en] Sprach[en] Kundig,
vnd Jn Kenigklich[en]theyl Fornehme Con-
ditionis bedinet, weg[en] des Euangelij
aber dirch (!) den Papistisch[en] Bischoeff (!)
vertrieb[en] hiro sich begeben, der
woll Zu gebrauch[en] wehre, Jn Anmerckunge,
das er nicht Allein der littisch[en] sondern
auch der Polnisch[en] Sprach[en] ((Rand: wie gedacht)) kundig vnd
geubet, biettende, das er vor
Andern Zu solih[en] (!) dinst vff den... (?)
Badge beferdert werd[en], Mih (?) derweglen]
vmb ein beuordernus brieflein An E gst[en]
Zum fleissigst[en] Angelanget welchs
Jme niht Abschlag[en] mogn biette
1838 15, August (Grotefend, S. 49 u. 38).
1839 Eine Sachsenfrist = 6 Wochen und 3 Tage.
389
E gst gantz dinstlich, E gst dj
wolthen Jme An stadt F dt. wen
dj Vocation erfolget, Vor adern (!)
Zu solch[en] dinst beforderlih[en] sein
vnd das Ein (?) furstlicher beuelich An
meine Pershon Jme mohte mit gethylet
werdl[en], vf das wo die
berufunge vf vor er melth[en] Pferhern (!)
Dermasn erfolget, das man Jmen vf dj
Conditios vor andern Annehmen solthe...“
Der Brief zeigt wiederum, daß nicht nur immer wieder Pfar-
rer aus Litauen nach Preußen kamen, sondern auch aus Preußen
nach Litauen gingen.
Quandt, dem allem Anschein nach auch ein Bericht Fr. Ma-
salskis vorgelegen hat, schreibt'*':
„Dieser Pf. dfer] auf elines] Weibes
Anklage zu Memel eline] Zeitlang in Verhaft ge-
halten word[en], berichtet, daß d[as] weib sich eingestellt
und wider ihn im Amt geklaget dass den 15. Martij
an den [ver]weser rescribiret wird, [daß] obgleich
[das] Weib in 3 angesetzten Fristen Sächsisch [en]!
nicht erschienen, [er] Pf. absoluret (!) werd[en] Kon[n]te; weil es aber
mals mali exempli ist, v[nd] die Schuld (?)
da sie zu beweisen wäre, [nicht] vngestraft zu lass[en], [der]
Pf sich auch
verantwort[en] will, so soll die Sache anhero gewiesen, er
aber in s[einem] dienst gelassen] [werden]. Weil denn [das]
Weib Hedwich
den Pf überführen will, daß er ihr getrauter Eheman[n] sey,
so ist dem [Ver]weser per Rescr. v[om] 28. Martij aufgegeb[en] in
Processe zu verfahr[en], v[nd] darub[er] nach dem] Recht[en]
zu erkennen.“
In einer offenbar früheren Notiz Quandts (ebenda) heißt es:
„Reser[ipt] 1595. 30. Jan. an Memel: der Pf.
zu Prökuls Fridr. Moselski, d[er]| e. Ehebruchs
beschuldidet, aber [nicht] überführet ist, soll weil
er noch nicht eingewis[en] ist, durch d[en] nächsten Pfarrer
introduciret werden.“1342
1320 Presbyt., Bd. 4, S. 108v.
1511 Siehe S. 389 Anm. 1339,
1222 Bretke war 6% Jahre in Labiau, ohne introduziert worden zu sein, siehe
oben, S. 75.
390
Somit liegt kein Grund vor, zwei verschiedene Persönlichkeiten
anzunehmen.
Über das weitere Leben Masalskis in Prökuls fehlt jede Nach-
richt.
Nach Sembritzki (l.c.) starb Friedrich Masalski am 5. April
1613. Sein Nachfolger in Prökuls wurde Johannes Aldus aus
Memel, der am 17. April 1613 dort eingewiesen wurde.
Irgendein litauischer Text aus der Feder Friedrich Masalskis
ist bis jetzt nicht bekannt.
Der Korrektor Georg Musa.
Georg Musa wird in den gleichen herzoglichen Schreiben unter
den „...der || Litawischen sprach kundigen erfahrnen Pfarr-
herrn“ genannt und, wie Friedrich Masalski'*, zur Korrektur des
Bretkeschen Bibelmanuskripts bestimmt, und zwar wird er wie
folgt genannt: In dem Schreiben an den Hauptmann zu Ragnit
(um den 20. September 1592): „...Georgen Musam zu piKal-
len...“ In dem Konzept hierzu vom 20. September 1592: „Geor-
gen Musam Zue Pikallen...“ In dem Konzept zu dem Schrei-
ben an die zur Korrektur bestimmten Pfarrer vom 22. Septem-
ber 1592: „...Georgi- | um Musam Zu pilkallen....“, „An Georg
Musam pfarrhern Zu Pilcallen...“ und „...An || Geörg Musam
Pfarherrn Zu Pilkollen....“.
Seine Teilnahme an der Konferenz wird durch seine eigen-
händige Unterschrift unter dem Brief an den Herzog vom 10. Ok-
tober 1592'”® bewiesen.
Aus den schon dargelegten Gründen”* ist es sehr unwahr-
scheinlich, daß Georg Musa bei der Konferenz einen nennenswer-
ten Einfluß auf die Sprache der ersten Bücher des Alten Testa-
ments — denn nur die kommen in Frage — ausgeübt hat.
Bleibt die Möglichkeit einer privaten Korrektur. Zum Ver-
gleich haben wir wie bei Fr. Masalski leider nur eine Unter-
schrift, und zwar die bereits erwähnte unter dem Brief an den
Herzog vom 10. Oktober 1592 (Abb. 75, T. XXXV).
Nun zeigt die Unterschrift keine besonders hervorstechenden
Eigentümlichkeiten, sie hat sogar mit der Handschrift Bretkes
1343 Siehe oben, S. 384.
344 Sjehe unten, S. 399.
391
in manchen Perioden einige Ähnlichkeit, so daß eine Entschei-
dung lediglih auf Grund der Handschrift schwer wird. Und
doch glaube ich nirgend im Bibelmanuskript G. Musas Hand zu
erkennen. Immer weist genau die gleiche Tinte wie bei Bemer-
kungen, die zweifellos von Bretke stammen, oder ein anderer
Umstand nach, daß auch die vielleicht in Frage kommende Kor-
rektur von Bretke stammt.
Auch die Lage von Pillkallen‘* (92 km Luftlinie östlich von
Labiau, nur auf langen Landwegen erreichbar) macht es nach
den Erfahrungen mit den anderen Korrektoren (Gallus, Z. Blothno,
A. Radunius, N. Siautil) unwahrscheinlich, daß Bretke Georg
Musa ein biblisches Buch zur privaten Korrektur hat zukommen
lassen.
Somit wird sehr unwahrscheinlih, daß Georg Musa die
Sprache der Bibel beeinflußte.
Trotzdem seien die wenigen bekannten Daten über ihn mit-
geteilt.
Georg Musa: Leben.
Der Name Musa kann so, wie er vorliegt, aus den verschie-
densten Sprachen erklärt werden, so daß daraus kein Schluß
auf die Volkszugehörigkeit unseres Georg Musa gezogen werden
darf.
Doch da er allem Anschein nach gut litauisch konnte, wie aus
den obigen Briefzitaten hervorgeht”, und eine seiner: Töchter
als Kind „...Vrtusche...“ genannt wurde””, ist sehr wahr-
scheinlich, daß Georg Musa Litauer war.
Die Annahme liegt nun nahe, daß Georg Musa mit jenem
„Stanislaus Musa, Vilnensis...“ verwandt ist, der ein Jahr nach
Mosvid in das Matrikelbuch der Königsberger Universität ein-
getragen wurde", und der auch 1579 nach 32jährigem Aufent-
halt in Preußen nicht vergaß, zu seinem Namen in der „Concor-
dienformel“ das „...Vilnensis...“ zu setzen‘. Beachtet man,
daß dieser Stanislaus Musa in den fünfziger Jahren des 16. Jahr-
1825 Heute: Schloßberg.
1338 Oben, S. 391.
1377 Siehe weiter unten.
' 438 Erler, Königsb., Bd. I, S. 7, Wintersem. 1547.
13202 Abb. 77, T. XXXVII.
392
hunderts Pfarrer in Lasdehnen"” wurde””*, daß 1577 ein „Tho-
bias Musa, Lastinensis...“ und ein „Daniel Musa, Lastinensis...“
in Königsberg immatrikuliert wurden”, was doch offenbar seine
Söhne waren, und daß dieser Daniel 1584 fertig war und in dem
Jahre nach dem Tode seines Vaters auf dessen Stelle nach Las-
dehnen" kam”’”, andererseits aber auch unser Georg Musa 1582
Pfarrer in Pillkallen'* wurde und scheinbar gleich darauf hei-
ratete (siehe weiter unten), so zeigt sich, daß Georg ungefähr
in dem gleichen Alter gewesen sein muß wie Daniel, so daß sie
wahrscheinlich Brüder waren, und zwar war Georg wohl der
ältere. Auch der Umstand, daß der Herr Heinrich von Tinne auf
Lasdehnen, der die Elisabeth Musa, die Tochter Daniels und der
Ester, geb. Waischnarus”*, geheiratet hatte, gleich nach dem
Tode unseres Georg Musa 1606 in Pillkallen im Sterbehaus
weilte, und 1619 bei einem Prozeß neben anderen entschieden
zugunsten der Tochter Georg Musas, der „... Vrtusche...“, aus-
sagte, läßt annehmen, daß die beiden Familien des Daniel und
Georg nahe verwandt waren, und somit auch Georg ein Sohn
des aus Wilna eingewanderten Stanislaus Musa war.
Wo Georg Musa studierte oder sich für das Pfarramt vor-
bereitete, ist unbekannt. Die Möglichkeit besteht, daß er nur eine
praktische Ausbildung genossen hat” oder auch, daß er Alum-
nus gewesen ist, und sein Name im Matrikelbuch fehlt, wie es
auch bei Zacharias Blothno d. J. der Fall ist'”.
Wie schon angedeutet, sind die Quellen über das Leben Georg
Musas äußerst dürftig.
Quandt notiert im Kapitel zu Pillkallen‘**
„1582. Georgius Musa.
1582. 28. Martij an Ragnit. d[er] zum Pf. nach
1550 Heute Haselberg.
455 Quandt, MSC 21. S. 20v und 82v. Doch irrt Quandt offensichtlich, wenn
er angibt, St.Musa wäre am 7. 3. 1563 nach Kraupischken versetzt wor-
den, wie die „Concordienformel“ beweist.
152 Erler, Königsb. I, S. 64; 2. 10. 1577.
153 Arnoldt, Nachr. II, S. 132.
1854 Siehe unten, S. 412.
1266 MSC 21, S. 84Y.
1850 Sjehe oben, S. 248, Anm. 805.
1867 Siehe oben, S. 136, Anm. 490.
393
Pilkallen berufene George Musa soll durch elinen]
andler]n Pf. des Ragnit[schen] Amts eingewisen (?).“12°®
Georg Musa hat wahrscheinlich, als er 1582 die Pillkallener
Stelle antrat, geheiratet, war also wohl noch in jüngerem Alter,
denn am 21. Juni 1600 wird in Königsberg ein: „... Nicolaus
Musa, Pilcaldensis Borussus...“ inskribiert‘®, der doch sicher
sein Sohn war, da er auch nach Georg Musas Tode in Pillkallen
dessen Nachfolger wurde (siehe weiter unten).
Nach den oben, S. 391, bereits angeführten drei herzoglichen
Schreiben wurde G. Musa am 20. und 22. September 1592 zum
Korrektor der Bretkeschen Bibel bestimmt.
Er begab sich darauf nach Ragnit auf das „Haus“, nahm mit
den anderen Geistlichen an der Konferenz teil und unterschrieb
mit ihnen am 10. Oktober 1592 den Brief an den Herzog".
Georg Musa ist 1606 in Pillkallen (Schloßberg) gestorben,
denn in einem Prozeß rund 13 Jahre später, in dem es sich um
Rechtsansprüche der Urte Kor, geb. Musa, an ihre Pflegeeltern
handelt, sagt der .„...herr || Heinrich Von Tiennen Zu 'Lassdeh-
nen...“ als erster aus, es wäre „... Wahr, dass nach Tödtlichen
Hintritt dess Ehrwürdigen vnd woll[ge] || lahrtten Herrn Georgij
Musaen weylandt Pfarhern Zue Pilkalen || herr Zeuge... (mit
einigen andern)... ]] Ao 1606 Zue Pilkaln in der Pfar daselbsten
gewehsen, vnd Alda || dess Pfarhern Sel: Verlassenschafft des-
selben hindterbliebenen || Mündigen vnd Vnmundigen Zum besten
inveniert (?) vnd vndter- || suchett...““, wobei dann die da-
mals noch unmündige „... Vrtusche...“ in die Familie des Mi-
chael Ruprecht nach Tilsit gegeben wurde.
Nach Quandt” war von 1596 ab ein „Nicolaus Musau“ in
Pillkallen sein Nachfolger, wobei aber die Jahreszahl, wie aus
obiger Zeugenaussage hervorgeht, 1606 heißen muß; Arnoldt
nennt diesen Nachfolger richtig: „Nicolaus Musa““® und sagt
von ihm: „... war 1614 auch 163. — Ist vielleicht zu Dan- || zig
1855 Zu ergänzen: „werden“.
135% Erler, Königsb. I, S. 151.
1360 Sjehe Abb. 75, T. XXXV.
1561 Osipr. Fol. 317: „Haus-Buch des Amts Ragnit No. 1“, S. 306r.
1322 MSC 21, S. 84V.
863 Nachr. II, S. 129.
394
an der Lazarethkirche von 1645 gewesen, und 1654 gestorben
S.[iehe] || Prätor. S. 25.“
Albertus Strischka.
Albertus Strischka schrieb auf eins der leeren Blätter am
Schluß des Neuen Testaments"* eine Approbation zu der Über-
setzung (Abb. 76).
Seine Handschrift hat mit der des Daniel Gallus einige Ähn-
lichkeit, darum hat auch Bezzenberger"”* beide für identisch ge-
halten, doch zeigt ein eingehender Vergleich beider Handschrif-
ten, daß es sich um zwei verschiedene Schriftcharaktere handelt.
Korrekturen oder Anmerkungen in der Handschrift Strischkas
lassen sich im Bibelmanuskript nicht feststellen.
Dazu kommt, daß Strischka das ganze Neue Testament vor-
gelegen haben muß, sicherlich sogar schon gebunden, doch die
Korrekturen Gallus’ finden sich nicht in einem so wichtigen und
umfangreichen Buche wie Actorum. Die genauere Verteilung der
Korrekturen und Anmerkungen in den einzelnen Handschriften
über bestimmte Bücher der Bibel läßt sich nur erklären, wenn
jedem Korrektor nur einzelne Bücher ungebunden vorgelegen
haben, und nicht das ganze Werk. Warum sollte Strischka ge-
rade Actorum ausgelassen haben?
Strischka hat das Neue Testament also sicher nur durch-
gesehen und dann seine Approbation dazu geschrieben.
Dokumente aus der Zeit des letzten Viertels des 16. Jahrhun-
derts, die Nachrichten über Albertus Strischka vermitteln könn-
ten, besitzt, soweit bekannt ist, weder das Wilnaer Staatsarchiv
noch das Archiv der evangelisch-reformierten Synode in Wilna,
da die Synodalberichte und sonstige Akten der kalvinistischen
Kirche bei dem Pogrom 1611 mit dem Gotteshaus und der Biblio-
thek verbrannt sind’.
Es bleibt somit nur das genannte Approbat in der Bibelhand-
schrift Bretkes, das jedoch wenig erkennen läßt.
Der Name wird außer „strischka“ (um 1581)” noch „Stryszka“
(1640)1*” geschrieben und gehört zum weißrussischen crpim und
VIII 237v.
1365 Beiträge z. Gesch, S. X.
1300 Pawel Hulka-Laskowski: Denkschrift, S. 24.
1307 Siehe unten, S. 398.
395
dürfte heute erpixra zu schreiben sein. Wahrscheinlich kommt
der Name von einer Haartracht und bedeutet: „der Kurzgescho-
rene“.
Albertus Strischka stammte also sicherlich aus einer ursprüng-
lich weißrussischen oder weißrussifizierten Familie.
Bei der Seltenheit des Vornamens Albert in Preußen ließe
sich vermuten, daß jener Schulmeister „Albertus“, der 1577 bei
Bretke in Labibau war, und von dem ausdrücklich hervor-
gehoben wird, daß er „...litauisch predigte und sang...“, Alber-
tus Strischka gewesen ist, dem Bretke später seine Übersetzung
des Neuen Testaments zusandte.
Jedenfalls geht aus der Wendung „... Cathechista widzensis ||
in distrietu Magnifici Domini STanislai Naruschewic || Magni
procuratoris’ Wilnensis...“ hervor, daß Albertus Strischka zwi-
schen August 1580 und 1582, wo er diese Eintragung machte,
Katechist in Widze, 105 km Luftlinie nordöstlich von Wilna war.
In der Einleitung zu den Wilnaer Synodalakten (1611—1625)
heißt es über die Katechisten:
„Die Synode forderte, daß sich ihre Zöglinge dem geistlichen Stande
widmeten oder auch dem Superintendenten oder dem Patronatsherren
dienten (folgt Verweis auf eine Akte). Die Synode hatte keine eigene
Universität, daher schickte sie ihre Zöglinge auch ins Ausland, und
zwar besonders nach Leyden und Franeker:s (folgt Verweis auf Be-
legstelle). Die Ausbildung der Kandidaten zum geistlichen Stande
leiteten die Superintendenten, jeder von diesen nahm einen oder
mehrere dieser jungen Leute auf, bildete sie aus und führte sie ins
praktische Leben ein (Verweis auf Belegstelle).
Solch ein Kandidat für den geistlichen Stand unterrichtete die Kinder
im Katechismus, darum hießen sie „Katechista“, außerdem half er dem
Superintendenten oder dem Geistlichen, bei dem er weilte, bei den
verschiedenen Tätigkeiten und vertrat ihn bei der Predigt. Die Reichung
der Sakramente war den Katechisten verboten, doch auch in dieser Be-
ziehung kennen wir Ausnahmen (folgt Verweis auf Belegstelle). Wenn
die Senioren den Katechisten für genügend vorbereitet hielten, und er
vor einer Kommission ein entsprechendes Examen abgelegt hatte, be-
schloß die Synode seine Ordination oder Ernennung zum Diener am
Worte Gottes (folgt Hinweis auf Beleg).“
Nach dem „Siownik Geograficzny“ (Bd. XTII, S. 294 ff.) wurde
der Ort Widze durch die Magnatenfamilie Naruszewicz gegrün-
det. In „Starozytna Polska“ heißt es S. 237 u. a.:
1368 TJniversitätsstadt in Holland.
39%
.. Stanislaw Naruszewicz der Prokurator von Wilna hatte
diese Besitzung (in Widze) im XVII. (offensichtlich Druckfehler,
also: XVI.) Jahrhundert inne und unterhielt dort ein Gebetshaus
kalvinistischen Bekenntnisses, bei dem ein Katechist stand.“
Die Wendung Strischkas: „...in districtu Magnifici Domini
STanislai Naruschewic || Magni procuratoris Wilnensis...“ ge-
stattet eine nähere Datierung dieses Approbates:
Stanislaus Naruszewicz wird um 1516 in den „Litauischen
Jahrbüchern“”® „königlicher Bojar“ genannt, auch 1563 erscheint
er dor